Die deutsche Industrie wird dank der Digitalisierung der Wertschöpfungskette in den kommenden Jahren ein höheres Wachstumspotenzial generieren und so dem demographischen Wandel ein Stück weit begegnen können. Der Wachstumsimpuls würde im Zeitraum 2018 bis 2025 zu einer zusätzlichen Bruttowertschöpfung im deutschen verarbeitenden Gewerbe in Höhe von kumuliert etwa 70 bis 140 Milliarden Euro führen, so ein Ergebnis der DB Research-Studie „INDUSTRIE 4.0 – Digitalisierung mildert demografische Lasten. Doch die zusätzlichen Wertschöpfung durch die digitale Transformation in der Industrie fällt hier weniger optimistisch aus, als andere Studien erwarten lassen.

Grundsätzlich hat die Industrie im Vergleich zu vielen (personenbezogenen) Dienstleistungen bessere Voraussetzungen, die positiven Effekte der Digitalisierung zu nutzen. Denn in der Industrie spielt die Vernetzung von Mitarbeitern, Maschinen und Bauteilen bzw. Zwischenprodukten sowie die Automatisierung der Produktionsprozesse eine größere Rolle als bei vielen Dienstleistungen. Auch in der industriellen Forschung und Entwicklung, in der Logistik, der Marktforschung und Absatzplanung oder im After-Sales-Service (z.B. Wartung von Maschinen) werden digitale Technologien und Anwendungen zu einer höheren Effizienz führen.
Weniger Erwerbtätige. Die Deutsche Bundesbank erwartet, dass das gesamtwirtschaftliche Produktionspotenzial von derzeit etwa 1,2 Prozent pro Jahr auf rund 0,8 Prozent p.a. im Zeitraum 2021bis 2025 sinken wird. Sie begründet dies u.a. mit dem sinkenden Erwerbspersonenpotenzial sowie mit einer eventuell geringeren Produktivität älterer Arbeitnehmer.
Aus unserer Sicht dürfte die deutsche Industrie in den kommenden Jahren allerdings eher als viele Dienstleistungsbranchen in der Lage sein, diese negativen Effekte der demografischen Entwicklung durch digitale Technologien zumindest teilweise auszugleichen. Josef Auer, Analyst DB Research
„Aus unserer Sicht dürfte die deutsche Industrie in den kommenden Jahren allerdings eher als viele Dienstleistungsbranchen in der Lage sein, diese negativen Effekte der demografischen Entwicklung durch digitale Technologien zumindest teilweise auszugleichen“, so Studienautor Josef Auer gegenüber blogistic.net. Dies wäre eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass der Industriestandort Deutschland im internationalen Vergleich dauerhaft wettbewerbsfähig bleibt. Und J. Auer ergänzt: „Die klassischen Investitionsgüterbranchen wie die Automobilindustrie, der Maschinenbau oder die Elektrotechnik werden nach unserer Einschätzung stärker für die zusätzliche Bruttowertschöpfung durch Digitalisierung sorgen als etwa die Metall- oder die Chemieindustrie.“

Digitalisierung statistisch schwer greifbar
Die Digitalisierung der industriellen Wertschöpfungskette wird auf breiter Basis diskutiert. Der Fortschritt rund um Industrie 4.0 (I4.0) ist aufgrund statistischer Abgrenzungsschwierigkeiten jedoch kaum messbar. Anders sieht es mit qualitativen Einschätzungen aus. Die Literatur zu praktischen Anwendungen ist relativ üppig.
Ein Versuch. „Die vorliegende Studie versucht den Stand und die Entwicklung der Digitalisierung in der Industrie wiederzugeben. Wir stützen uns mangels entsprechender Statistiken hauptsächlich auf Fachbeiträge des Digitalverbands Bitkom sowie Umfrageergebnisse industrieller Fachverbände (insb. des VDMA), die sich zwar methodisch erheblich unterscheiden, aber doch eine weitgehend konsistente Einschätzung geben“, erklärt J. Auer das zentrale Ziel seiner Studie und weiter: „Grundsätzlich lässt sich aus der Bitkom-Gesamtschau auf die Industrie der Schluss ziehen, dass diese viele Chancen der Digitalisierung zunehmend nutzt.“ Verbandsquellen würden aber auch zeigen, dass die einzelnen Industriebranchen keineswegs den gleichen Digitalisierungsstand haben.
Digitale Interaktion von Menschen, Maschinen und Produkten rückt immer mehr in den Vordergrund.
Industrial Internet of Things nutzt Vorteile zweier Konzeptwelten
In weiterer Folge betrachtet die Studie das gesamte Industrial Internet of Things (IIoT), also die Nutzung der Digitalisierung in den beiden aus industrieller Sicht besonders interessanten Teilgebieten. Diese sind, erstens, das eigentliche Sachgebiet Industrie 4.0, also ein Themenfeld, das unter dem Fachbegriff Industrial Internet abgehandelt wird und Zweitens zählt dazu das sogenannte Internet der Dinge (Internet of Things; IoT). Beide Bereiche setzen andere Schwerpunkte und führen daher zu unterschiedlichen Konzepten.

Mensch und Maschine
Grundsätzlich thematisiert das Sachgebiet Industrie 4.0 die digitale Interaktion von Maschinen, Menschen und Produkten. Das originäre Zielgebiet der Digitalisierung ist hier die Effizienzsteigerung im Produktionsprozess. Die Palette reicht von der effizienten Einzelfertigung (im Extrem z.B. einer Spezialmaschine mit der Losgröße 1) bis hin zu einer super intelligenten und vollvernetzten Fertigungsanlage (Smart Factory). Im Idealfall, den die Praxis noch nicht erreicht, kommunizieren und interagieren vollvernetzte Maschinen vollautomatisch und erzielen damit signifikante Effizienzfortschritte, die vom Ressourceneinsatz bis hin zu den Fertigungszeiten und Qualitätsstandards reichen.
M2M-Betrachtung. Die menschliche Tätigkeit konzentriert sich in dieser Welt der vollständigen Machine-to-Machine-Kommunikation (M2M) vor allem auf die Planungsphase sowie die Behebung späterer Störungen im Produktions- bzw. Betriebsablauf.
Optimierung von Nutzungspfaden im IoT
Im Zentrum des Internet der Dinge steht der Endkunde, also der Nutzer bzw. Verbraucher. Das Konzept konzentriert sich auf die Optimierung von Nutzungspfaden. Dank zunehmender Digitalisierung, Fortschritte in der Kommunikation sowie besserer Vernetzung der Einzelprodukte und Geräte entstehen stetig neue Anwendungen.
Nicht nur Optimierung. Zielgebiet ist dabei z.B. keineswegs nur die Optimierung der Fahrzeugnutzung unter Einbeziehung so ambitionierter Vorhaben wie Elektromobilität und autonomes Fahren. Letztlich geht es in der digital vollvernetzten Welt darum, alle Mobilitätsvarianten, Wohn-, Haushalts- und Kommunikationsgeräte bis hin zu den Dingen des täglichen Lebens einem optimierenden Gesamtcheck zu unterziehen.
Nutzerdaten gesucht. Basis für den IoT-Erfolg ist die Sammlung möglichst vieler Nutzerdaten, deren Aggregation, Aufbereitung und Analyse. Im Idealfall nutzen die Geräte den Datenpool selbst, um die für den Verbraucher beste Lösung zu generieren. Zudem kann der Datenpool die Basis für neue zusätzliche Dienst- und Serviceleistungen bilden, die dem Nutzer/Verbraucher zusätzliche Vorteile bringen. Dass hier das Thema Datenschutz relevant und sensibel ist, muss wohl nicht erwähnt werden.
IIoT verbindet zwei digitale Sphären

Im Industrial Internet of Things (IIoT) wachsen beide Konzeptwelten zusammen. Die Konnektivität von IIoT fußt auf der gleichzeitigen Nutzung so unterschiedlicher Dinge bzw. Instrumente wie Internet- und Cloud-Diensten, Big-Data-, Automatisierungs- und Sensortechnologien, lernfähigen Logistik- und Fertigungswegen, intelligenten Maschinen sowie einer ausgereiften M2M-Kommunikation. Damit können cyber-physische Systeme Aufgaben und Fragestellungen von Mitarbeitern oder auch aus dem Nutzerumfeld aufnehmen und die Informationen zielgenau an Fertigungsroboter delegieren.Das entscheidende Plus. IIoT bringt dabei das entscheidende Plus, denn das Industrial Internet, das eine möglichst effiziente Fertigung anstrebt, bliebe ohne Berücksichtigung der Absatzkanäle bis zum Endkunden und dessen Präferenzen unzureichend. Der Mehrwert des IIoT entsteht durch die gleichzeitige Interaktion beider Sphären.
Industrie immer offener für Digitalisierung
Im letzten Jahr prognostizierte Bitkom für 2018 einen Umsatz mit I4.0-Lösungen in Höhe von 7,2 Milliarden Euro. Der Umsatz soll damit 2018 gut ein Fünftel höher als im Vorjahr liegen und im Vergleich zu 2015 sogar ein stattliches Plus von 77 Prozent erreichen. Die Digitalisierung der industriellen Fertigung schreitet also dynamisch voran. Die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Industrieunternehmen seitens des Digitalverbands aus dem laufenden Jahr, stützen diesen Befund. Zeigen sie doch, dass die deutsche Industrie weiter auf die digitale Modernisierung möglichst vieler Arbeitsabläufe und Fertigungsstufen setzt.
Smarte Maschinen. In deutschen Industrieunternehmen sind 2018 bereits 24 Prozent der Maschinen und Anlagen mit dem Internet verbunden und damit „smart“. 2016 waren es erst 21 Prozent. Von den befragten Industrieunternehmen sind 2018 schon 71 Prozent aktiv im Bereich I4.0, nach 65 Prozent 2016. Erfreulich dabei ist, dass bereits 49 Prozent der Unternehmen spezielle I4.0-Anwendungen nutzen; mehr als doppelt so viele wie jene Unternehmen, die erst einen künftigen Einsatz planen (22 Prozent).
Nur wenige Ausreißer. Nur für neun Prozent der Unternehmen ist I4.0 kein Thema und wird auch keines werden. Dagegen können sich immerhin 18 Prozent einen I4.0-Einsatz künftig vorstellen, haben derzeit allerdings noch keine konkreten Pläne. Auch in diesen beiden Fällen waren die Antworten 2016 noch pessimistischer (12 Prozent bzw. 23 Prozent).

Gute Konjunktur bremst Industrie 4.0
Über eine I4.0-Gesamtstategie verfügen 55 Prozent der Industrieunternehmen, und weitere 42 Prozent haben immerhin eine Strategie für einzelne Bereiche. Ein Grund für den noch relativ hohen Anteil der Teilstrategien ist wohl die robuste Industriekonjunktur der letzten Jahre. Diese dämpft typischerweise Modernisierungsanstrengungen und innovative Lösungsansätze, wie sie mit I4.0 möglich sind, aufgrund fehlender Kapazitäten in den Unternehmen.
Eigene Mitarbeiter gefragt. Die I4.0-Strategieentwicklung findet zumeist mit eigenen Mitarbeitern, in Kooperation mit mittelständischen und großen IT-Unternehmen oder auch externen Unternehmensberatern statt. Die Strategieplanung nehmen dabei oft die eigenen Mitarbeiter in Kooperation mit externen Experten vor. Auffällig ist, dass von 2016 bis 2018 die Kooperation mit den mittleren und großen IT-Unternehmen von 28 Prozent auf 40 Prozent stieg. Dies reflektiert wohl ein spürbar gestiegenes Vertrauen in deren Sachkompetenz. Eher wenig verbreitet sind bisher noch Strategieentwicklungen unter Einbeziehung von Wissenschaftseinrichtungen, in Kooperation mit Wettbewerbern oder Startups.
Plattform-Lösungen fördern Vernetzung und Interaktion
Für Industrieunternehmen, die auf I4.0 setzten, sind IoT-Plattformen hilfreich für die Vernetzung und permanente Interaktion der Maschinen und Betriebsabläufe. Deshalb nutzen bereits 16 Prozent dieser Unternehmen selbst programmierte IoT-Plattformen und weitere 27 Prozent Plattformen externer Provider. Zu diesen 43 Prozent mit Plattformnutzung kommen 18 Prozent, die eine solche Nutzung planen, und 19 Prozent, die über Nutzungsmöglichkeiten diskutieren. Wenn somit für vier von fünf Industrieunternehmen IoT-Plattformen ein Thema sind, ist die Relevanz der Thematik in der deutschen Industrie wohl angekommen.
Bremsfaktoren bei IoT. Bremsfaktoren wie fehlende Datensicherheit, zu hohe Kosten oder mangelnde Personalressourcen, die zumeist von kleineren Unternehmen vorgebracht werden, sind relevant. Längerfristig sollten die vielen Plattformvorteile überwiegen, da Plattformen grundsätzlich geeignet sind, die teilnehmenden Unternehmen im Wettbewerb zu stärken.
Anpassung der Geschäftsmodelle. Bei drei Viertel der I4.0-Anwender kommt es zu Anpassungen des Geschäftsmodells. Über die Hälfte der Industrieunternehmen entwickelt infolge I4.0 neue Produkte und Dienste bzw. modifiziert bestehende Produkte/Dienste. Die Anpassung des Geschäftsmodells ist schon deshalb nötig, weil das heute auf I4.0-Basis gefertigte smarte Endprodukt eine neue Datenwelt öffnet, die den Produzenten in die Lage versetzt, dem Kunden zusätzliche Dienste (Smart Services) zu offerieren. Die Vermarktung über Plattformen hat den zusätzlichen Vorteil, dass Pay-per-use-Vergütungsmodelle vereinbart werden können. So lassen sich z.B. Fahrzeuge oder auch Maschinenleistungen bedarfsgerecht nutzen und abrechnen. Für Kunden hat dies im Vergleich zum Kauf die Vorteile einer geringeren Kapitalbindung und höheren Flexibilität. Plattformen verbreitern insofern das Spektrum der Geschäftsmodelle.

Noch immer Zurückhaltung bei I4.0-Entscheidungen
Im laufenden Jahr erreichen die Investitionen in I4.0-Lösungen im Industriedurchschnitt fünf Prozent des Gesamtumsatzes. Relativ hohe Anforderungen an Datenschutz und -sicherheit sowie die mangelnde Verfügbarkeit von Fachkräften bremsen Investitionen. Anreize kommen dagegen von positiven Erwartungen hinsichtlich Prozessoptimierung, Produktionskosten, Kapazitätsauslastung und Reaktionszeiten auf individuelle Kundenwünsche. Allerdings halten sich viele Unternehmen noch zurück, da unklar ist, welche Standardlösungen sich durchsetzen, was erhebliche Sunk costs bedeuten könnte.
Von sich überzeugt. Von den heimischen Industrieunternehmen stufen Deutschland im Wettlauf rund um das I4.0-Megathema immerhin 22 Prozent als führend ein. Dies sind fast so viele wie dies für die USA (26 Prozent) oder Japan (25 Prozent) tun. Dagegen sehen nur elf Prozent bzw. acht Prozent China und Südkorea in der Führungsrolle. Für mehr als vier Fünftel (83 Prozent) der befragten Industrieunternehmen ist I4.0 eine entscheidende Voraussetzung für den Erhalt der industriellen Wettbewerbsfähigkeit und damit sichere Arbeitsplätze am Standort Deutschland.
Aderlass bei I4.0-Fachkräften. 2017 verlor jedes fünfte Großunternehmen I4.0-Fachkräfte. Auch deshalb misst die Unternehmensseite den Themen Weiterbildung und Neueinstellungen großes Gewicht bei. Die Ergebnisse von Umfragen sind zwar grundsätzlich mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, denn sie können aus verschiedenen Gründen verzerrt sein. Sie werden etwa dadurch beeinflusst, wer zu welcher Zeit und unter welchen Umständen befragt wird. Und natürlich beeinflusst die Ergebnisse, wer auf eine Umfrage antwortet und wer nicht. Im vorliegenden Fall dürfte z.B. das Verständnis davon, was konkret mit Industrie 4.0 gemeint ist, von Unternehmen zu Unternehmen und selbst von Mitarbeiter zu Mitarbeiter innerhalb des gleichen Unternehmens unterschiedlich ausfallen. Es dürfte auch den Befragten schwerfallen, die monetären Aspekte von I4.0 (z.B. Investitionshöhe) exakt zu quantifizieren. Gleichwohl zeigen die zitierten Umfragen, dass I4.0 in der deutschen Industrie an Bedeutung gewinnt und deutsche Unternehmen den Vergleich mit der internationalen Konkurrenz nicht zu scheuen brauchen.
Deutsche Industrie zeigt heterogenes Bild
Die deutsche Industrie zeigte sich in den letzten Dekaden als widerstandsfähig und robust. Und das trotz gewaltiger Herausforderungen wie der Öffnung Osteuropas, dem Zusammenwachsen beider Teile Deutschlands, der Integration Chinas in die industrielle Wertschöpfungskette sowie der globalen Finanzmarktkrise.
Vorteil „Wandlungsfähigkeit“. Die besondere Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit der deutschen Industrie ist in der Epoche der Digitalisierung sehr vorteilhaft. Hinzu kommt die strukturelle Breite und Verzahnung der einzelnen Industriezweige sowie vor- und nachgelagerter Sektoren. Diese sind das Ergebnis intensiver Zusammenarbeit, wechselseitiger „Befruchtung“ sowie eines steten Wettbewerbs zwischen den einzelnen Marktakteuren. Im Digitalisierungsumfeld ist für den Industriestandort seine günstige Position im internationalen Maschinen- und Anlagenbau besonders hilfreich. Die steigende Bedeutung von digitalen Problemlösungen wie Automation und Robotik strahlt positiv auf andere, ebenfalls wichtige Industriebranchen wie Elektrotechnik, Automobil-, Chemie-, Pharma- und Konsumgüterindustrie sowie die Bauwirtschaft aus.

Industrie investiert viel in I4.0
Die deutsche Industrie investierte bereits 2017 (wie im laufenden Jahr auch, s.o.) rund fünf Prozent des Umsatzes in I4.0-Anwendungen. Dabei verteilte sich das Investitionsbudget zu je rund zwei Fünftel auf Personal und Software (Systeme und Konzepte). Für digitale Abbilder in der Produktion wurden zehn Prozent und für mobile/intelligente Endgeräte der Fertigung sieben Prozent verausgabt. Aber gleichwohl verbirgt sich hinter dem fünf Prozent-Umsatzanteil von I4.0-Anwendungen der Industrie ein gemischtes Bild. Überdurchschnittlich investierten Konsumgüter und Elektrotechnik (mit sieben Prozent bzw.6,5 Prozent), wohingegen Automobilbau (4,4 Prozent) und auch der Maschinenbau (4,1 Prozent) den Industriedurchschnitt dämpften. Der Erhebung zufolge investieren größere Unternehmen (mit 500 und mehr Mitarbeitern) mehr als mittlere (mit 100 bis 499 Arbeitnehmern) in I4.0-Anwendungen (nämlich 5,7 Prozent gg. fünf Prozent).
Digitalisierung ist Treiber
Für die deutsche Industrie ist die Digitalisierung ein wichtiger Treiber der aktuellen Investitionstätigkeit. Der Bitkom/EY-Umfrage zufolge wollen immerhin drei von vier der befragten Unternehmen 2018 mehr in I4.0 investieren als 2017. Auffällig ist, dass die Maschinenbauer 2018 (mit 88 Prozent, die mehr in I4.0 investieren wollen) vor den Herstellern von Konsumgütern (78 Prozent), Elektrotechnik (73 Prozent) und den Automobilbauern (72 Prozent) liegen. Insgesamt zeigen alle vier Industriesegmente gegenüber 2017 (im Durchschnitt: 66 Prozent) eine steigende I4.0-Investitionsbereitschaft, denn damals waren es von den Maschinenbauern erst 68 Prozent, von den Konsumgüterherstellern 74 Prozent, den Elektrotechnikern 64 Prozent und den Autobauern 70 Prozent. „Dass der Maschinenbau und die Elektrotechnik die größten absoluten und relativen Steigerungen erfahren, ist unseres Erachtens kein Zufall, sondern erklärt sich aus der besonderen Bedeutung, die den beiden Industriebranchen bei der Entwicklung, Bereitstellung, Implementierung und Pflege der I4.0-Lösungen zukommt. Die Palette reicht hier von intelligenten Maschinenkonzepten bis hin zu den Softwarelösungen“ so J. Auer zu den Ergebnissen seiner Studie.
Vorsicht bei Umfragen
„Gleichwohl gilt auch hier der Hinweis, dass Umfrageergebnisse in gewisser Weise unzulänglich sind. Beispielsweise können die Unterschiede in den Branchenergebnissen zum Teil durch ein von Branche zu Branche abweichendes Verständnis von I4.0 erklärt werden“, merkt J. Auer kritisch an und weiter: „Beispielsweise hätte man erwarten können, dass die Automobilindustrie mehr in I4.0 investiert als die Konsumgüterhersteller.“ Eine tiefer gehende Interpretation der Ergebnisse werde ferner dadurch erschwert, dass die Umfrage keine Gründe für die einzelnen Ergebnisse beinhaltet.
Maschinenbauer setzen auf Digitalisierung
Die noch aktuellere EY-Studie aus 2018 zum Status Quo und den Perspektiven des Maschinenbaus, deren Basis eine repräsentative Befragung von 2.000 mittelständischen Unternehmen in Deutschland (darunter 250 Maschinenbauer) ist, kommt grundsätzlich zu einem ähnlichen Befund wie die Bitkom/EYAusarbeitung aus dem Jahr zuvor (s.o.). Der deutsche Maschinenbau, der klassische Ausrüster der heimischen Industriezweige und vieler industrieller Abnehmer weltweit, ist auf Digitalisierungskurs.
Mittelständler springen auf. Für spürbar mehr mittelständische Maschinenbauer als 2017 spielen digitale Technologien 2018 eine mittelgroße bis sehr große Rolle. Anfang 2017 summierte sich ihr Anteil noch auf 59 Prozent, dagegen sind es 2018 bereits 65 Prozent. Auffällig ist auch, dass die Vergleichszahl für den gesamten Mittelstand aller Branche 2018 „lediglich“ 60 Prozent erreicht. Von den Industriebranchen liegt allein die Elektrotechnik mit 62 Prozent über dem Schnitt des Mittelstands, aber unter jenem des Maschinenbaus. Metallerzeugung und -bearbeitung sowie Ernährungsgewerbe entsprechen dem Durchschnitt der befragten mittelständischen Unternehmen, wohingegen der Kraftfahrzeugbau (55 Prozent) etwas und die chemisch-pharmazeutische Industrie (49 Prozent) stärker unter dem Mittelwert rangieren.
Digitalisierung als Chance
Für 78 Prozent der Maschinenbauer ist die Digitalisierung eindeutig bzw. eher eine Chance, während nur sechs Prozent sich bedroht fühlen. Dies widerspricht den regelmäßig geäußerten Einschätzungen mancher Marktbeobachter und Medien, die deutsche Industrie oder der hiesige Maschinenbau sei für das digitale Zeitalter nicht gerüstet. Immerhin 16 Prozent der Betriebe sehen in der Digitalisierung weder eine Chance, noch eine Bedrohung. Noch optimistischer als der Maschinenbau ist der Kraftfahrzeugbau (84 Prozent sehen eher eine Chance), wohingegen die Ernährungswirtschaft (61 Prozent) deutlich unter dem Mittelstandsschnitt (74 Prozent) liegt.
Investitionshemmnisse weiter vorhanden
Keine Investitionshemmnisse im Digitalisierungszusammenhang sehen stattliche 65 Prozent der Maschinenbaubetriebe (Durchschnitt Mittelstand: 60 Prozent). Den Rest der Maschinenbauer bremsen vor allem fehlendes Personal (18 Prozent), begrenzte finanzielle Mittel (zwölf Prozent) und fehlendes Know-how (acht Prozent). Vom gesamten Mittelstand werden ebenfalls diese drei Faktoren als Haupthemmnissen genannt; und dies mit noch höheren Werten (20 Prozent, 13 Prozent, 15 Prozent). Angesichts des regional sehr stark ausgeprägten Fachkräftemangels ist es durchaus überraschend, dass im fehlenden Personal „nur“ rund ein Fünftel der befragten Unternehmen einen Engpass sehen.
Digitale Technologien und Flexibilisierung
Bereits heute nutzen viele Maschinenbauunternehmen intensiv digitale Technologien. Die Präferenzen der Maschinenbauer unterscheiden sich kaum von denen des gesamten Mittelstands. Das ist wenig überraschend, sind doch gerade für den deutschen Maschinenbau mittelständische Unternehmensgrößen typisch.
Digitale Technologien für Kundenkontakte
Derzeit unter den Maschinenbauern und im Mittelstand am stärksten verbreitet sind die Pflege direkter Kundenkontakte mittels digitaler Technologien sowie die technische Nutzung mobiler Endgeräte. Von den Maschinenbauern mehr genutzt als vom gesamten Mittelstand werden heute bereits die automatisierte Fertigung (also Industrie 4.0) sowie die Produktentwicklung mittels digitaler Technologien.
Wo es noch krankt. Dagegen hinken die Maschinenbauer den anderen Mittelständlern bei Online-Produktverkauf und Online-Bezahlung noch hinterher, was angesichts der Komplexität von Maschinen im Vergleich zu anderen industriellen Erzeugnissen nicht überraschend ist. Etwa Gleichstand herrscht bei der Nutzung digitaler Technologien für stärker integrierte Lieferketten mit Partnern oder zur Personalisierung der Produkte.
Große Herausforderungen. Den Maschinenbauern stellen sich infolge der Digitalisierung vielfältige Herausforderungen. Als besonders relevant eingestuft werden der wachsende Kompetenzbedarf der Mitarbeiter, Cyber-Security, die Entwicklung neuer Vertriebswege und Geschäftsbereiche sowie Veränderungen im Marktumfeld (bis hin zu neuen Wettbewerbern) und der Unternehmenskultur. Im Vergleich dazu wird Kooperationen mit digital kompetenten Start-Ups sowie der Trennung von bisherigen Vertriebs- oder Geschäftsbereichen eine etwas geringere Bedeutung beigemessen.
Digitale Vernetzung. Im Maschinenbau erfolgt die Fertigung zu 22 Prozent teilweise und zu drei Prozent sogar weitgehend digital vernetzt. Überdies wird die Produktion bei zusätzlichen 30 Prozent digital gesteuert. Damit nutzen also bereits mehr als die Hälfte der Maschinenbauer digitale Steuerungselemente für die Anfertigung der Maschinen. Und mehr als die Hälfte des verbleibenden Restes (27 Prozent von 45 Prozent) plant zumindest eine derartige Implementierung.
Automatisierung und Flexibilisierung der Fertigung
Die Nutzung der einzelnen Arten von Industrie 4.0-Lösungen im Maschinenbau ist nicht gleich verteilt. Digitale Technologien werden überwiegend zur Automatisierung und Flexibilisierung der Fertigung genutzt (von 82 Prozent bzw. 65 Prozent der Befragten).
Automatisierung spart Geld. Die Maschinenbauer profitieren davon unmittelbar: So spart die Automatisierung zumeist mittel- und längerfristig Fertigungskosten. Und eine flexiblere Produktion eröffnet die Möglichkeit, selbst die Serienfertigung zu spezialisieren und im Extrem kundenspezifische Maschinenlösungen zu fertigen. Überdies werden bereits besonders innovative I4.0-Lösungen genutzt: Schon 34 Prozent greifen auf 3D-Druck zurück, wenngleich vor allem für Anwendungen in der Nische.
Roboter im Prozess. Je fast ein Fünftel der Maschinenbauer setzt auf robotergesteuerte Prozessautomatisierung und künstliche Intelligenz. Die Maschinenbau-Unternehmen, die bereits heute zumindest Teile ihrer Fertigung unter Zuhilfenahme der genannten Digitaltechnologien steuern, erwarten, dass der Umsatzanteil der mittels dieser Technologien hergestellten Maschinen von 2017 noch 27 Prozent auf 35 Prozent im Jahr 2020 steigt.
Investitionsverhalten. Die erwartete I4.0-Bedeutungszunahme zeigt sich auch im Investitionsverhalten der Maschinenbauer. In digitale Technologien investieren die Maschinenbauer bereits 3,9 Prozent ihres Gesamtumsatzes bzw. jeden achten Euro ihrer Gesamtinvestitionen (konkret 12,5 Prozent). In beiden Relationen führt der Maschinenbau gegenüber anderen Industriebranchen wie dem Kraftfahrzeugbau und der Elektrotechnik.
Mehr Wachstumspotenzial durch Digitalisierung
„Wir rechnen damit, dass die deutsche Industrie dank der Digitalisierung der Wertschöpfungskette in den kommenden Jahren ein höheres Wachstumspotenzial generieren wird. Zwar lassen sich die ökonomischen Effekte der Digitalisierung, wie wir bereits ausgeführt haben, nur schwer quantifizieren“, so die Einschätzung von Studienautor J. Auer. „Wir halten es jedoch für plausibel, dass die Bruttowertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe im Durchschnitt um etwa 0,25 bis 0,5 Prozent-Punkte pro Jahr schneller wachsen könnte als ohne die positiven Effekte der Digitalisierung.“
Mehr Bruttowertschöpfung. Der Wachstumsimpuls würde im Zeitraum 2018 bis 2025 zu einer zusätzlichen Bruttowertschöpfung im deutschen Verarbeitenden Gewerbe in Höhe von kumuliert etwa 70 bis 140 Milliarden Euro führen. Dieser I4.0-Effekt entspräche in etwa einem Anteil am BIP des Jahres 2017 von rund zwei Prozent bis gut vier Prozent. Aufgrund der schwierigen Abgrenzung und Messbarkeit der Digitalisierungseffekte können diese Zahlen allerdings nur als grobe Orientierung dienen.
Andere Studien zu optimistisch
„Unsere Einschätzung zur zusätzlichen Wertschöpfung durch die digitale Transformation in der Industrie ist weniger optimistisch, als andere Studien erwarten lassen“, kritisiert J. Auer. Beispielswiese bezifferte eine Untersuchung von Roland Berger im Auftrag des BDI aus dem Jahr 2015 die zusätzliche Bruttowertschöpfung der Industrie in Deutschland bis 2025 in einem Positivszenario auf kumuliert bis zu 425 Milliarden Euro. Um diesen absoluten Zuwachs zu erzielen, müsste die Wertschöpfung in der Industrie jedoch pro Jahr um mehr einen Prozent-Punkt schneller steigen als ohne Digitalisierungseffekte. Wir halten einen derart starken Wachstumsimpuls für nicht realistisch.
Industrie und die Nutzung der Digitalisierung
Grundsätzlich hat die Industrie im Vergleich zu vielen (personenbezogenen) Dienstleistungen bessere Voraussetzungen, die positiven Effekte der Digitalisierung zu nutzen. Denn in der Industrie spielt die Vernetzung von Mitarbeitern, Maschinen und Bauteilen bzw. Zwischenprodukten sowie die Automatisierung der Produktionsprozesse eine größere Rolle. Auch in der industriellen Forschung und Entwicklung, in der Logistik, der Marktforschung und Absatzplanung oder im After-Sales-Service (z.B. Wartung von Maschinen) werden digitale Technologien und Anwendungen zu einer höheren Effizienz führen.
Digitalisierung wirkt Demographie entgegen
Die Deutsche Bundesbank erwartet, dass das gesamtwirtschaftliche Produktionspotenzial von derzeit etwa 1,2 Prozent pro Jahr auf rund 0,8 Prozent p.a. im Zeitraum 2021bis 2025 sinken wird. Sie begründet dies u.a. mit dem sinkenden Erwerbspersonenpotenzial sowie mit einer eventuell geringeren Produktivität älterer Arbeitnehmer. Aus Sicht des Studienautors dürfte die deutsche Industrie in den kommenden Jahren allerdings eher als viele Dienstleistungsbranchen in der Lage sein, diese negativen Effekte der demografischen Entwicklung durch digitale Technologien zumindest teilweise auszugleichen. Dies wäre eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass der Industriestandort Deutschland im internationalen Vergleich dauerhaft wettbewerbsfähig bleibt.
Digitalisierungsimpulse ungleich verteilt
Grundsätzlich kommt die Digitalisierung allen Industriebranchen zugute. Überdurchschnittlich begünstigt werden aus unserer Sicht der Maschinenbau, die Elektrotechnik und die Automobilindustrie, denn hier werden sowohl die Fertigungsprozesse als auch die Produkte in besonders starkem Umfang digital modernisiert.
ITK als Wegbereiter. Wegbereiter der Digitalisierung ist die Informations- und Kommunikationstechnologie, die auch weiterhin spürbar Wachstumsdynamik entfaltet. Immer innovativere und (selbst)lernende Softwarelösungen machen Maschinen, Elektrogeräte und Fahrzeuge zunehmend flexibel. Da die Basis für das neue Industriezeitalter im noch intensiveren Austausch zwischen Maschinenbau, Elektrotechnik und IT liegt, befinden sich gerade hier die größten Wachstumspotenziale im Industriesektor. Digitalisierungsgewinner im Maschinenbau sind praktisch alle Fachzweige, von Robotik und Automation bis hin zum Landmaschinenbau.
Elektroindustrie als Leitbranche. Die Elektroindustrie ist die Leitbranche der Digitalisierung. Ihre digitale Lösungskompetenz kommt nicht nur dem Verarbeitenden Gewerbe zugute, sondern hilft auch bei der digitalen Transformation so unterschiedlicher Bereiche wie Energie, Gesundheit, Mobilität und Gebäude.
Autoindustrie als Innovatoren. Die deutsche Autoindustrie dürfte die Anwendungen rund um I4.0 nutzen, um den tiefgreifenden Wandel in der Branche effizient zu gestalten. Die sinkende CO2-Toleranz, das Megathema Elektromobilität sowie das vernetzte Fahren und Aufkommen integrierter Mobilitätssysteme verlangen den Einsatz digitaler Technologien über die gesamte automobile Wertschöpfungskette. Automobilkonzerne sind gleichzeitig Innovatoren rund um die mobile Zukunft und Integratoren der unterschiedlichen digitalen Trends, also von neuen Softwarelösungen, Entwicklungsnetzwerken, Produktionsverbünden und internationalen Wertschöpfungsketten.
Grundstofforientierte Branchen benachteiligt
Es gibt aber auch Industriebranchen, die weniger Vorteile aus der Digitalisierung ziehen dürften, was u.a. auf die relative „Einfachheit“ der Produkte sowie auf kontinuierliche Produktionsprozesse zurückzuführen ist. Dazu zählen eher grundstofforientierte Branchen wie die Chemie und Metallindustrie.
Chemie 4.0. Die Chemieindustrie arbeitet an Chemie 4.0 sowie einer Umstrukturierung ihres Produktportfolios, um der Neuorientierung der Wirtschaft und Konsumenten hin zu mehr Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen. Im Kern geht es bei Chemie 4.0 darum, dass künftig digitalisierte ökonomische Netzwerke die Wertschöpfungsketten perfektionieren. Der digitale Fortschritt und die intensive Big-Data-Nutzung strahlen positiv auf die Innovations- und Fertigungsprozesse aus. Der permanente Informationsfluss induziert Forschungsfortschritte sowie fortgesetzte Optimierungen von Produktion, Produktportfolios, Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodellen. Gleichwohl erreicht die digitale Durchdringung nicht das Niveau der zuvor aufgeführten Investitionsgüterbranchen.
Metallindustrie profitiert weniger. Auch die Metallindustrie profitiert nicht in dem Umfang von der Digitalisierung wie Maschinenbau oder Elektrotechnik. Allerdings macht Industrie 4.0 in Zusammenspiel mit der neuen 3D-Drucktechnologie die Metallbearbeitung flexibler und ermöglicht ihr die Etablierung neuer Marktsegmente; häufig zunächst in der Nische. So werden auch in der Metallbearbeitung individuelle und damit kundennahe Einzelanfertigungen möglich.
Es gibt noch viel zu tun
In dem soeben erschienenen Global Competitiveness Report 2018 trägt das World Economic Forum (WEF) der steigenden Bedeutung von Industrie 4.0 für die globale Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Länder explizit Rechnung. Der neue WEF-Wettbewerbsindex (Global Competitiveness Index 4.0) wurde nämlich um zusätzliche Faktoren erweitert, die einen Rückschluss auf den digitalen Stand der Industrie in den untersuchten Ländern zulassen.
Nach unserer Einschätzung erwartet das WEF zu Recht, dass im Zeitalter der vierten industriellen Revolution die globale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes nicht mehr allein durch traditionelle Wettbewerbsfaktoren wie Höhe der Steuern, Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte, Stand der Infrastruktur sowie wirtschaftspolitische Weichenstellungen determiniert wird. Josef Auer, Analyst DB Research
Zusätzliche Faktoren berücksichtigen. „Nach unserer Einschätzung erwartet das WEF zu Recht, dass im Zeitalter der vierten industriellen Revolution die globale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes nicht mehr allein durch traditionelle Wettbewerbsfaktoren wie Höhe der Steuern, Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte, Stand der Infrastruktur sowie wirtschaftspolitische Weichenstellungen determiniert wird“, bekräftigt J. Auer im Rahmen seiner Studie. Deshalb wurden zusätzliche Standortkriterien berücksichtigt, die die Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Zeitalter verbessern.
Kreativ und offen. Dazu zählt ein kreatives und offenes Umfeld, welches Spielraum für neue Ideen bietet, das Aufkommen innovativer Unternehmen ermöglicht und disruptive Innovationen nicht bremst. Nach dem WEF-Befund verfügt Deutschland unter den 140 untersuchten Ländern über den derzeit global innovationsfreundlichsten Standort.
Geringerer Zeitbedarf für Entwicklungen. Hervorgehoben wird der in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern (selbst USA und Schweiz) spürbar geringeren Zeitbedarf, um eine innovative Idee zu entwickeln, umzusetzen und zu vermarkten. Aus der Gesamtschau des WEF, also der Zusammenfassung aller zwölf Standortfaktoren, mittels derer das WEF die Wettbewerbsfähigkeit misst, resultiert seine Rangliste. Deutschland belegt 2018 Platz drei hinter den USA und Singapur, aber vor der Schweiz. 2017 war die Schweiz noch Spitze, und Deutschland kam „nur“ auf Platz fünf. Die stärkere Berücksichtigung von I4.0-Aspekten verbessert die Platzierung Deutschlands, für das auch dessen im internationalen Vergleich besondere makroökonomische Stabilität, Bildungserfolge sowie die Infrastrukturausstattung sprechen.
Deutsche Industrie nicht voll digitalisiert
Die gute WEF-Platzierung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch für die deutsche Industrie noch viel zu tun ist, bis sie voll digitalisiert ist. Auf der Skala von null bis 100 erreicht Deutschland 82,8 Punkte, die USA aber 85,6 und Singapur 83,5 Punkte. Deutschland liegt zwar merklich über dem Median-Mittelwert von 60. Aber zur Überbrückung der Distanz von 82,8 Punkten zum Maximum von 100 sind noch viele Anstrengungen erforderlich.
Unsere Ausarbeitung zum Stand der deutschen Industriebranchen hat gezeigt, dass praktisch noch alle Fachzweige zusätzliche Digitalinvestitionen tätigen müssen, bis sie wirklich digitalisierungsfit sind. Josef Auer, Analyst DB-Research
Alle müssen Investieren. „Unsere Ausarbeitung zum Stand der deutschen Industriebranchen hat gezeigt, dass praktisch noch alle Fachzweige zusätzliche Digitalinvestitionen tätigen müssen, bis sie wirklich digitalisierungsfit sind“, kommt J. Auer zum Ergebnis und er warnt: „Damit die Wettbewerbsfähigkeit in den kommenden Jahren erhalten werden kann, sollten die Investitionen bald getätigt und verstetigt werden. Da auch andere Länder, die bisher bei I4.0 weniger aktiv waren, in den kommenden Jahren auf diesem Feld mehr tun dürften, wäre es riskant zu warten.“
Spaltung und Polarisierung drohen
Die vom WEF angesichts der I4.0-Herausforderungen als neues Risiko skizzierte wirtschaftliche und gesellschaftliche Spaltung und Polarisierung in und zwischen den Ländern sollte ernst genommen werden. Nutzen die deutsche Industrie und Volkswirtschaft künftig die neuen Digitalisierungsmöglichkeiten noch mehr als bisher, sollte dies für alle Beteiligten per Saldo lohnend sein.
Technologieoffenheit ist eine wichtige Voraussetzung für digitale Wertschöpfungsimpulse.
I4.0 bietet deutlich mehr Vorteile
Der Weg der deutschen Industrie in das digitale Zeitalter wurde in der Vergangenheit von einigen Marktbeobachtern durchaus kritisch begleitet. Ihr Fokus auf die „Old Economy“ erschwere es den hiesigen Unternehmen, neue digitale Technologien einzusetzen und sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten. Gleichwohl nutzt die deutsche Industrie zunehmend die Digitalisierung. Im internationalen Vergleich ist es ein Vorteil, dass Deutschland über ein breites und innovationsfreudiges Industriespektrum verfügt. Ihre Technologieoffenheit sollte es den Unternehmen im Digitalisierungsumfeld erleichtern, die vielfältigen neuen Chancen von Industrie 4.0 zu nutzen.
Wertschöpfungsimpulse. Starke Wertschöpfungsimpulse durch Digitalisierung erwartet Studienautor J. Auer in den Industriezweigen Maschinenbau, Elektrotechnik und Kfz-Industrie. Überdies dürften auch die klassische Chemie- und sogar die Metallindustrie zu den I4.0-Nutznießern zählen. Per Saldo erfreulich ist nicht zuletzt die Aussicht, dass die Digitalisierung dem gesamten Standort Deutschland zusätzliches Wertschöpfungspotenzial bringt.
Nicht alle Unternehmen können. Freilich wird es nicht allen Unternehmen gelingen, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, weshalb in den kommenden Jahren einige Unternehmen aus dem Markt ausscheiden werden. Diese Selektion dürfte unter dem Strich die Wettbewerbsfähigkeit des industriellen Standorts stärken. Von besonderem Vorteil aus volks- und betriebswirtschaftlicher Sicht ist, dass mit digitalen Technologien die Lasten aus der demografischen Entwicklung in den kommenden Jahren besser abgemildert werden können (sinkendes Erwerbspersonenpotenzial). Hierfür hat die Industrie bessere Voraussetzungen als viele personenbezogene Dienstleistungen.

Josef Auer ist Analyst bei DB-Research mit Schwerpunkt Industrie, Energie, Maschinenbau, Stahl und Einzelhandel
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