Fritz Lehr – Hafen Wien ist ein Knoten internationaler Handels- und Transportwege

Der Hafen Wien ist nicht nur ein trimodales Logistikzentrum faktisch mitten in der Handelsmetropole Wien mit mehr als zwei Millionen Menschen, sondern gewinnt auch zunehmend an Bedeutung als Knotenpunkt von Warenströmen bis nach Asien. Hajo Schlobach sprach mit Mag. Fritz Lehr, langjähriger Geschäftsführer des Hafens, über die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft.     

Fritz Lehr (Foto: Felicitas Matern / RS MEDIA WORLD Archiv)
Fritz Lehr: „Unser Motto könnte sprichwörtlich lauten: Der Hafen bleibt am und in Fluss.“ (Foto: Felicitas Matern / RS MEDIA WORLD Archiv)

blogistic.net: Die Coronakrise ist noch nicht vorüber und hat Europa nach wie vor fest in der Hand – trotz Erholungstendenzen im Jahr 2021. Wie ging es dem Hafen Wien in 2021?

Fritz Lehr: Der Hafen Wien hat auch im Jahr 2021 den Corona-Herausforderungen standgehalten. Für uns als wichtiges Infrastruktur- und Versorgungsunternehmen der Stadt Wien sowie trimodale Logistikdrehscheibe ist es trotz Corona-Maßnahmen wichtig, dass sich diese weiterdreht und in Bewegung bleibt. Nur so können wir sicherstellen, dass Wien und das Umland mit Waren des täglichen Bedarfs – Medikamenten, Hygieneartikel etc. – versorgt wird. Die unzähligen Lockdowns bedeuteten für den Hafen Wien kein STOPP, sondern es galt hier weiter am Ball zu bleiben. Es wurden zum Beispiel zwei Teams parallel eingesetzt und in Schichtdiensten gearbeitet. Natürlich haben wir uns auch an alle vorgeschriebenen Maßnahmen der Regierung gehalten, wie Home Office, Plexiglasscheiben, FFP2 Masken usw. Dasselbe gilt für unser Tochterunternehmen WienCont. Der Container-Terminal war die gesamte Zeit des Lockdowns jedoch in Voll-Betrieb. Unser Motto könnte sprichwörtlich lauten: „Der Hafen bleibt am und in Fluss“.

Krisen als Chancen

blogistic.net: Krisenzeiten sind auch immer eine Zeit des Überdenkens und der Vorbereitungen in die Zukunft. Das ist vielfach auch mit einer Korrektur der eigenen Positionen manchmal sogar der Neupositionierung verbunden. Gibt es diese?

F. Lehr: Ein wichtiges Themengebiet für den Hafen Wien, dessen Bedeutung während der Coronakrise und zahlreicher Lockdowns besonders offensichtlich geworden ist, ist der kontinuierliche Ausbau. Dadurch bleiben wir resilient, wettbewerbsfähig und attraktiv als Standort. Dabei auch stets flexibel und kund*innenorientiert zu bleiben, ist ungewissermaßen das Tüpfelchen auf dem i.

blogistic.net: Spielt dabei auch die Digitalisierung eine Rolle für den Hafen?

F. Lehr: Dass die Digitalisierung unaufhaltbar und hilfreich ist, muss man inzwischen niemandem mehr erklären. Deshalb setzt auch der Hafen Wien darauf. Digitalisierung bedeutet für uns auch ein Umdenken im Führungsstil, denn durch den digitalen Wandel, welcher durch die Coronakrise verstärkt wurde, verlagert sich auch viel Verantwortung auf jede einzelne Mitarbeiter:in und das eigene Selbst-Management.

blogistic.net: Was ist aus Ihrer Sicht das Wichtigste bei der Digitalisierung?

Fritz Lehr: Beim Prozess der Digitalisierung oder Web 2.0 ist es wichtig, dass wir uns nicht in virtuellen Welten verlieren oder in digitalen Echokammern Zeit verschwenden, sondern dass wir Prozesse und Routinen dorthin delegieren, um mehr Zeit für unsere Kund:innen und Geschäftspartner:innen zu haben. Verstärkt nutzen wir daher im Homeoffice Online-Plattformen wie Trello oder Zoom. Der erste reale und äußerst erfolgreiche und reibungslose Einsatz fand allerdings schon während der ersten Lockdownphase der Pandemie im Jahr 2020 statt.

Eine Status quo – Positionierung

blogistic.net: Nehmen wir eine Positionierung vor: Wo steht der Hafen Wien heute?

F. Lehr: Als klassische logistikaffine trimodale Warendrehscheibe hat sich der Hafen Wien einen Namen gemacht und ist auch als diese bekannt. Allerdings entwickelt sich der Hafen ständig weiter und ist heute bunter denn je aufgestellt. Das heißt, wir haben Branchen aus den unterschiedlichsten Bereichen hier am Hafen Wien angesiedelt, die per se wenig mit einem Hafen zu tun haben. Um nur eines der zahlreichen Beispiel zu nennen und damit Sie einen Eindruck davon bekommen: am Hafen Wien hat sich inzwischen die Filmwirtschaft fest etabliert – nicht nur für Drehs, sondern auch für Produktions- und Kreations-Prozesse. Es weht also auch im Alltag einen Hauch von Hollywood auf unseren Logistikflächen in Simmering. Es werden nicht nur Szenen beliebter Serien oder Filme hier gedreht, sondern auch Kostüme oder Requisiten gefertigt und gelagert oder Pre- und Postproduction abgewickelt. Das zieht natürlich weitere Kreativ- und Manufaktur-Produzenten an. Auch Kaffee oder Honig werden inzwischen am Hafen-Areal produziert und finden neben einer Autoreparaturwerkstätte ihren Wirkungsbereich. Unser generelles Ziel ist es, durch nachhaltige Weiterentwicklung am Puls der Zeit zu bleiben und den Anforderungen unserer Kund:innen gerecht zu werden.

Die Zukunft liegt in der Nachhaltigkeit

Fritz Lehr (Foto: Felicitas Matern / RS MEDIA WORLD Archiv)
Fritz Lehr: „Der Hafen Wien ist an drei TEN-T-Korridoren positioniert und daher ein wichtiger nationaler und internationaler Verkehrsknotenpunkt.“ (Foto: Felicitas Matern / RS MEDIA WORLD Archiv)

blogistic.net: Wohin wird sich der Hafen, angesichts sich wandelnder Rahmenbedingungen hinbewegen bzw. hinbewegen müssen? Die treibenden Megatrends wären hierbei Klimaschutz, digitale Transformation der Wirtschaft und damit arbeitsgesellschaftliche Veränderungen wie Homeoffice, Ausdifferenzierung der Wirtschaft etc. Der Hafen Wien ist ja auch ein multimodales Logistikzentrum mitten im Herzen Europas….

F. Lehr: Als multimodaler Binnenhafen an der Donau bleiben wir buchstäblich immer im Fluss und stehen nie still. Anhand vergangener und bestehender Projekte lässt sich gut erkennen, wohin sich der Hafen Wien bewegt: der Strom geht immer stärker in Richtung Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Natürlich haben wir bereits in der Vergangenheit Nachhaltigkeits-Maßnahmen gesetzt. Zwei Photovoltaik-Anlagen gibt es auf unseren Arealen bereits und eine dritte ist gerade vor Inbetriebnahme. Der Containerterminal der WienCont, welcher mit 100 Prozent grüner Energie aus Wasserkraft versorgt wird, spart durch die nachhaltige Versorgung bereits seit mehreren Jahren 160 Tonnen CO2 pro Jahr in Wien ein. Auch in Zukunft werden wir uns darum bemühen, umweltschonende Aspekte in das wirtschaftliche Gesamtdesign des Hafens mit einzubringen. Unserem ökologischen Fußabdruck haben wir bei allen Entscheidungen stets im Blick.

blogistic.net: Inwieweit spielt dabei das Thema „Sicherheit“ wie etwa vor Hochwasser eine Rolle?

Fritz Lehr: Auch das Thema Sicherheit ist ein ständig begleitendes Thema für ein Logistikzentrum. Unser diesbezügliches Vorzeige-Projekt ist derzeit das Hochwasserschutztor Albern. Nach dem Vorbild des Hafentors Freudenau entsteht im Hafen Albern ein modernes Hochwasserschutztor. Dadurch wird der Getreide- und Baustoffhafen und sein Umland final hochwassersicher gemacht. Das Hafentor in Albern ist ein imposantes Stahl-Monument mit insgesamt 30 Meter Länge, rund 14 Meter Höhe, einem Gewicht von 250 Tonnen und einem Gesamtinvestitionsvolumen von 22 Millionen Euro.

HQ7 – Ansiedelungsprojekt

blogistic.net: Der Hafen Wien hat ein laufendes Unternehmens-Ansiedlungsprojekt. Erzählen Sie ein wenig darüber…

F. Lehr: Beim Gewerbeareal HQ7 handelt es sich um die größte Betriebsflächenerweiterung des Hafen Wien seit Gründung des Hafens in seiner heutigen Form im Jahr 1979. Das HQ7 wurde von uns im Jahr 2017 erworben und dient seitdem als Fläche für Betriebsansiedelungen. Auf dem Grundstück, welches sechs Hektar groß ist (Anm.: das entspricht der Größe von rund acht Fußballfeldern), befinden sich Büros, Werkstätten, Lagerhallen, Garagen und Parkplätze. Auch die schon erwähnten Film-Aktivitäten werden derzeit gerade dort gebündelt.

blogistic.net: Was unterscheidet den Hafen Wien von anderen Logistikzentren in Österreich?

Im Prinzip ist der ganze Hafen Wien mit seinen Arealen in der Freudenau, Albern und der Lobau ein riesiges Unternehmens-Ansiedlungsprojekt. Unsere USPs sind undiskutierbar und sprechen für sich: Wir verfügen mitten in der Millionen-Metropole Wien über eine Fläche von drei Millionen Quadratmetern. Das entspricht dem gesamten ersten Wiener Gemeindebezirk. Durch seine trimodale Anbindung an die Verkehrsträger Schiff, Bahn und Straße sowie die Nähe zum Flughafen Wien Schwechat fungiert der Hafen Wien als leistungsstarke Schnittstelle internationaler Handels- und Transportwege. Darüber hinaus ist der Hafen Wien an drei TEN-T-Korridoren positioniert und daher ein wichtiger nationaler und internationaler Verkehrsknotenpunkt. Und trotz der unmittelbaren Nähe zu Wien und der günstigen Lage zwischen Wiener Praterauen und Simmeringer Gewerbegebiet, gibt es keine maßgeblichen Probleme mit Anrainern.

blogistic.net: Herzlichen Dank für das spannende Interview.

hafen-wien.com

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