Dekarbonisierung – Laut einer Studie des Weltwirtschaftsforums von 2021 wird die Hälfte der weltweiten Treibhausgase von den Lieferketten von acht Industrien ausgestoßen. Dazu zählen die Lebensmittelindustrie, das Baugewerbe und die Modeindustrie. Das dürfte sich bis heute kaum verändert haben. Die Politik in Deutschland, Österreich und der Schweiz versucht daher, mit lenkenden Maßnahmen die Dekarbonisierung der Wirtschaft voranzutreiben. Aber auch mithilfe ortsbezogener Daten können Emissionen reduziert werden. (Ein Fachbeitrag von Patrick Götze, ergänzt durch HaJo Schlobach)
Angesichts der wachsenden klimapolitischen Herausforderungen streben viele Länder Europas bis zum Jahr 2050 eine Dekarbonisierung bis zur Klimaneutralität an. Das bedeutet den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger. Die Energiepolitiken dieser Länder weisen dabei gravierende Unterschiede auf. So setzt man in Deutschland vorwiegend auf die massive Subventionierung alternativer Stromerzeugungstechnologien, um sowohl den Energieverbrauch als auch die Emissionen zu reduzieren. Österreichs Bundesregierung meint hingegen, durch ordnungsrechtliche Maßnahmen im Bereich der Dekarbonisierung voranzukommen, begleitet von Kompensationen und Subventionen. Als einziges Land in der deutschsprachigen Region führte die Schweiz eine CO2-Abgabe ein, welche hohe Energieverbräuche mit Steuern belegt.
Erfolge bei der Dekarbonisierung sind durchwachsen
Die Erfolge sind dabei eher durchwachsen. Die Prognosen des Energiebedarfs deuten jedenfalls in unterschiedlichen Studien darauf hin, dass Deutschland und Österreich bei Fortführung ihrer bisherigen Politik das langfristige Ziel einer weitgehenden Dekarbonisierung nicht erreichen dürften. Die Schweiz kann hingegen wenigstens darauf verweisen, dass es zu einem spürbaren Rückgang des Primärenergieverbrauchs gekommen ist. Vor diesem Hintergrund gewinnt die jüngst in Deutschland beschlossene CO2-Bepreisung der Emissionen in den Bereichen Verkehr und Wärme besondere Bedeutung. Auch Österreich plant, in diesen Sektoren eine CO2-Bepreisung einzuführen.
Dekarbonisierung – Beim Transport beginnen
In diesem Zusammenhang können Unternehmen schon jetzt selbst daran gehen, ihren eigenen CO2-Abdruck zu reduzieren und die Dekarbonisierung ihrer Prozesse voranzutreiben. Besonders rasche Erfolge können dabei erzielt werden, wenn dabei im Bereich des Transports ansetzen. Die Bewegung von Gütern über das Meer, durch die Luft oder auf der Straße verbraucht bekanntlich fossile Brennstoffe und ist entsprechend klimaschädlich. Verbraucher:innen und sich verschärfende regulatorische Anforderungen verlangen von Unternehmen, dass sie nachhaltig agieren und so wenig Treibhausgase wie möglich produzieren. Natürlich ist eine Lieferkette, die weniger CO2 ausstößt, auch günstiger: Wer Treibstoff spart, spart auch Geld, so die einfache Formel.
Nachhaltiger Transport benötigt viele Daten
Um im Transportwesen den CO2-Fußabdruck zu optimieren und die Dekarbonisierung voranzutreiben, brauchen Unternehmen jedoch zunächst einen Überblick über ihre Lieferketten. Sie müssen dafür ihre Transportwege kennen und idealerweise wissen, was für Kosten jeder einzelne Transport verursacht. Daraus lassen sich bereits Erkenntnisse zu CO2-Emissionen ableiten. Aufgrund der Daten aus dem Transport können sie erfahren, auf welchen Transportrouten der meiste Treibstoff verbraucht wird und wo die meisten Treibhausgase ausgestoßen werden.
Der Markt bietet bereits technologische Unterstützung
Der Markt bietet dafür bereits einige Lösungen an, die eine Optimierung der Tourenplanung erlauben. Denn mit einer optimierten Tourenplanung und einer verbesserten Lkw-Streckenführung lässt sich schon eine Menge erreichen. Dabei werden beispielsweise Fahrten über Strecken geleitet, auf denen sich treibstoffsparender fahren lässt. Auch die Reihenfolge der anzufahrenden Ziele spielt eine Rolle. So lassen sich idealerweise unnötige Leerfahrten vermeiden. Die Basis für solche Optimierungen bieten ortsbezogene Daten, die Aufschluss geben, wo sich etwas befindet oder stattfindet. Sie lassen sich für Navigationsanwendungen, für die Prognose von Ankunftszeiten oder für die Tourenplanung einsetzen.
Daten sichtbar machen
Der Spezialist für Telematiklösungen, Webfleet, setzt für so eine Tourenoptimierung etwa auf Telematikdaten, welche jedes einzelne Fahrzeug permanent produziert. Unabhängig davon, ob die Fahrzeugflotte eines Unternehmens mit herkömmlichen Verbrennern angetrieben ist oder nicht: Diese Daten bleiben bislang meist ungenutzt. Das schlägt besonders dann zu Buche, wenn es um Neuanschaffungen im Fahrzeugbereich geht, insbesondere dann, wenn es um den Einstieg in die Elektromobilität geht. Die Daten werden dabei durch diese Lösung aufbereitet, um Flotten und ihre Potenziale für Fuhrparkmanager sichtbar zu machen. Mit ihrer Hilfe können dann Veränderungen einer Flotte, deren Routen, Fahrverhalten der Mitarbeiter bis hin zur Anschaffung von Elektrofahrzeugen auf eine solide Faktenbasis gestellt werden (mehr dazu auf blogistic.net).
Nachhaltigkeit noch nicht im Bewusstsein
Aber wie aufgeschlossen ist die Transportbranche gegenüber neuen Technologien, die zu mehr Nachhaltigkeit beitragen? Die Studie „On the Move“ von HERE unter je 300 Logistikprofis in Deutschland, den USA und dem Vereinigten Königreich im Januar 2024 hat ergeben, dass Logistiker kaum KI oder fortschrittliche Datenanalyse nutzen. Dabei wären solche Technologien ideal geeignet, um Tourenplanung und Streckenführung zu optimieren.
66 Prozent haben keine Nachhaltigkeitsziele
Jedoch steht die Nachhaltigkeit bei Logistikverantwortlichen nicht besonders hoch oben auf der Agenda. In der Umfrage geben 66 Prozent der in Deutschland Befragten an, aktuell keine Nachhaltigkeitsziele für den Transport definiert zu haben. Im Vereinigten Königreich sind es 60 Prozent und in den USA immerhin nur 55 Prozent. Diese Werte sind aus verschiedenen Gründen erstaunlich. Sie zeigen nämlich, dass in der Industrie und ihren Flottenmanager:innen noch einiges an Bewusstseinsschärfung notwendig ist, nicht nur was die Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung betrifft, sondern auch den Einsatz ortsbezogener Technologie, die ihrerseits zu weniger Treibhausgasen und geringeren Transportkosten führt.
Dekarbonisierung – Intelligenter Einsatz von Technologie
Dennoch gibt es einige Best Practices zur Dekarbonisierung im Transport. So gelingt es etwa Daimler-Benz Trucks gemeinsam mit Bosch und Here Technologies, Transportkosten durch das Einsparen von Treibstoff zu verringern. Ein neuartiges Assistenzsystem hilft hierbei Lkw-Fahrer:innen, den idealen spritsparenden Fahrstil zu finden. Dieses Predictive Powertrain Control (PPC) genannte System nutzt dafür Informationen zur Straßentopografie wie etwa Kurven- und Spurverläufe, Höhenunterschiede, Steigungen, Verkehrszeichen und Tempolimits etc. All dies sind ortsbezogene Daten, die in der HERE ADAS Map verzeichnet sind. Mit diesen Informationen können dann Schaltvorgänge sowie Brems- oder Beschleunigungsmanöver geplant werden.
Fünf Prozent weniger Verbrauch
Insgesamt lassen sich damit immerhin fünf Prozent Treibstoff einsparen. Für elektrische Nutzfahrzeuge gilt ein ähnlicher Wert beim Stromverbrauch. Entsprechend bringt das positive Effekte bei der Dekarbonisierung von Transportprozessen. Damit das jedoch funktioniert, müssen die Daten in der Karte allerdings immer aktuell sein. In Kombination mit einer optimierten Tourenplanung und Streckenführung ist das Einsparpotenzial jedoch noch wesentlich größer.
Mit ortsbezogenen Daten zur Dekarbonisierung
Auch Hermes Deutschland nutzt ortsbezogene Technologie, um nicht nur eine effizientere Routenführung zu ermöglichen, sondern auch um Treibstoff zu sparen und damit Emissionen zu verringern. Die Hermes-eigene Anwendung HERNAV verwendet Technologie und Daten von HERE, um Lieferfahrzeuge effizienter zu navigieren und um die ideale Route mit der besten Verteilung der Lieferstopps zu finden. Gerade auf der besonders treibstoffintensiven letzten Meile hilft eine intelligente Streckenführung, Treibstoff zu sparen und somit auch CO₂.
Ortsbezogene Daten als Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit
Die Technologien, um den CO2-Ausstoß im Transport zu verringern, sind also vorhanden. Sie sind vielfältig und liefern greifbare Ergebnisse, die gleichzeitig dafür sorgen, dass Unternehmen ihre Dakarbonisierung vorantreiben und Kosten sparen können. Die intelligente Nutzung ortsbezogener Daten ist hierbei der gemeinsame Nenner. Sie sind ein Schlüssel zu nachhaltigeren Lieferketten.
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