Der LKW steht bei Flottenbetreibern nicht mehr alleine im Zentrum des Interesses. Im Zeitalter der Digitalisierung sind zunehmend ganzheitliche Transportlösungen gefragt, die selbst Elemente von Wertschöpfungsketten sind. Nutzfahrzeughersteller wie Mercedes-Benz bieten daher ganze LKW-Systeme an, die die hocheffiziente Nutzung der Geräte in den Fokus stellen. Bei Mercedes-Benz läuft das unter dem Label „Road Efficiency“. Ein Bericht von CR Hans-Joachim Schlobach
Der permanente Wandel der Ökonomien, neue Verkehrskonzepte und letztlich auch die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft werden gerade von der Automobilindustrie vorangetrieben. Das hat Tradition in der wichtigsten Branche der industrialisierten Welt. Sie war schon immer ganz vorne mit dabei, wenn es darum ging, neue Transportlösungen sowie Prozesse in der Produktion und Logistik zu entwickeln. So war es Gottlieb Daimler, der den ersten vierrädrigen PKW und den LKW erfand, und somit eine industrielle Revolution in Gang setzte, die heute vielleicht mit Steve Jobs Erfindung des Smartphones zu vergleichen ist. Automobilhersteller Ford nutzte hingegen das Fließband als erster für die Industrieproduktion und Taiichi Ohno entwickelte das Toyota Produktion System (TPS), das heute in den unterschiedlichsten Varianten zum bestimmenden industriellen Prozesskonzept gehört.
Treiber und Getriebene
Die Automobilindustrie ist jedoch nicht nur Treiber von Veränderungen, sie ist gleichsam Getriebene. Denn die von ihr mit verursachten Veränderungen der Rahmenbedingungen, führen auch zur Weiterentwicklung der eigenen Produkte in immer kürzeren Zeitintervallen. Zu Zeiten Gottlieb Daimlers, Henry Fords oder Taiichi Ohnos kam nur eine sehr überschaubare Vielfalt an Fahrzeugen auf den Markt und die Fahrzeuge variierten nur wenig über lange Zeitintervalle hinweg. Heute kommt jeder Automobilbauer beinahe im Jahresrhythmus mit komplett neudesignten Modellen samt etlichen Variationen davon heraus. Und diese Entwicklungsdynamik nimmt seit dem Eintritt Chinas in das weltweite Car-Business noch rasant zu.
Transportlösungen sind gefragt
Auch im Nutzfahrzeugbereich bringen Hersteller wie Mercedes-Benz in immer kürzeren Abständen teilweise völlig neue Fahrzeugkonzepte auf den Markt. Diese umfassen dabei nicht alleine das Fahrzeug selbst mit seinen unterschiedlichsten Antriebssystemen Diesel, Hybrid, Elektro oder Wasserstoff. In Zeiten von Industrie 4.0, Internet of Things, Digitalisierung & Co spielt nun verstärkt auch die sogenannte Connectivity, also Softwares wie Flottenmanagementsysteme, Telematiksysteme usw. eine zentrale Rolle. Die Fahrzeuge müssen nicht nur mit anderen Fahrzeugen, Verkehrsinfrastrukturen
und Satelliten kommunizieren können, sie müssen sich komplett in die Supply Chain-Netzwerke der Anwender integrieren können. Und diese müssen rasch auf die volatilen Märkte, in denen sie sich bewegen, reagieren können.
Auch im Nutzfahrzeugbereich bringen Hersteller wie Mercedes-Benz in immer kürzeren Abständen teilweise völlig neue Fahrzeugkonzepte auf den Markt.
Road Efficiency und der Actros
Als durchaus beispielhaft für diese Entwicklung im Nutzfahrzeugbereich kann der Actros von Mercedes-Benz gesehen werden. Die erste Modellbaureihe dieses LKW wurde 1996 auf der IAA vorgestellt. Seither hat das Fahrzeug beinahe im Zwei-Jahres-Rhythmus erhebliche Veränderungen durchlaufen, die weit mehr waren als reine Faceliftings. Mercedes-Benz überarbeitete sein Fahrzeugkonzept in den letzten 20 Jahren insbesondere im Bereich der Antriebsstränge und der Motorisierung sowie im Bereich der Steuerungstechnologie gleich mehrfach. Zeitgleich mit den rasanten Entwicklungen in der IT der letzten zehn Jahre, die heute völlig neue Verkehrskonzepte ermöglichen, treiben die Schwaben auch die Entwicklung in den Bereichen Telematik, Sensorik, Verkehrssicherheit und Kommunikation voran. Heute gehen die Stuttgarter mit einem Actros in den Markt, der mit dem Actros von 1996 außer dem Modellnamen faktisch nichts mehr gemeinsam hat. Er läutet die Zukunft des Straßengüterverkehres bei Mercedes-Benz ein, dessen vorläufiges Ziel ein völlig autonom fahrender Transport-Robot steht. Dieser wird dann völlig neue Businessmodelle im Bereich der Transportlogistik erlauben.
Komplexität der Transportlogistik steigt
Damit reagiert Mercedes-Benz letztlich aber nur auf die Tatsache, dass in volatilen Märkten die Komplexität in der Transportlogistik dramatisch steigt. Volatile Märkte sind von Nachfrageschwankungen geprägt und machen daher eine langfristige Planung schwierig. Insbesondere Dienstleister in der Transportindustrie müssen deshalb ihre Transporte immer kurzfristiger planen. Und obgleich beispielsweise die Nutzung der Bahn oft ökologisch sinnvoller wäre, wird der LKW aufgrund seiner kurzen Vorlaufzeit und Flexibilität verstärkt und dauerhaft als Transportmittel gewählt. Die Bedeutung des LKW für die Wirtschaft steigt somit.
Flexibilität als Wettbewerbsvorteil. Gleichzeitig nimmt der Druck auf die Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit zu. Entgegen der marktwirtschaftlichen Notwendigkeiten steht dabei gerade der Straßengüterverkehr im Fokus des gesellschaftlichen und damit politischen Interesses. Der LKW-Transport hat nach wie vor ein schlechtes Image, obgleich die Diesel-Fahrzeugmotoren der modernen Bauart (Euro 5 bzw. Euro 6) weniger Feinstaub hinten rauslassen, als sie vorne einsaugen.
Wie auch immer: Die politische Opportunität wird auch künftig zu immer strenger werdenden gesetzlichen Rahmenbedingungen führen und somit zu steigenden Kosten im Straßengüterverkehr. Logisch, dass die Transportwirtschaft bei den OEMs permanent verbesserte Fahrzeuge fordert, die einen hohen Nutzungsgrat der Fahrzeuge garantieren können mit geringen Standzeiten und wenig ausfällen. Denn die Wirtschaft verdient nur Geld, wenn die Räder rollen.
Der LKW wird aufgrund seiner kurzen Vorlaufzeit und Flexibilität verstärkt und dauerhaft als Transportmittel gewählt. Die Bedeutung des LKW für die Wirtschaft steigt somit.
Nicht allein der Lkw zählt
Doch unterm Strich spiegeln die gesetzlichen Rahmenbedingungen letztlich nur das wider, was der Transportmarkt weit jenseits der Politik ohnehin will: hochverfügbare, sparsame Maschinen, die einen hohen Nutzen stiften und sich darüber hinaus in nachhaltige Transportkonzepte integrieren lassen. Es geht dabei allerdings weniger um Ökologie sondern um beinharte Wettbewerbsvorteile, die generiert werden wollen. Im Fokus steht dabei jedoch nicht mehr das Fahrzeug an sich, sondern das gesamte Business-System des Anwenders, in dem sich das Gerät bewegen muss. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die Hersteller, Lösungen zu entwickeln, die sich hochflexibel an die rasch wandelnden Bedürfnisse ihrer Anwender anpassen. Somit ist klar: Es ist heute nicht mehr einfach nur mit einem neuen LKW oder einem anderen Nutzfahrzeug getan, um im Wettbewerb dauerhaft zu bestehen, ein ganzes System muss her, das für maximale Effizienz auf der Straße sorgt.
OEMs als Systemlieferanten
Wie die Hersteller von Nutzfahrzeugen auf diese wachsenden Anforderungen reagieren, zeigte sich auf der vergangenen IAA in Frankfurt. Dort stellte beispielsweise Mercedes-Benz sein neues Konzept „Road Efficiency“ vor. „Road Efficiency ist ein ganztheitlicher Ansatz zur Effizienzsteigerung. Das Konzept stellt dabei die Nutzung des Fahrzeugs in den Fokus“, sagt Doreen Laubsch, Managing Director Mercedes-Benz Trucks Austria gegenüber BLOGISTIC.NET. Es gehe dabei um niedrige Gesamtkosten, eine hohe Fahrzeugnutzung und die hohe Sicherheit für sämtliche Verkehrsteilnehmer.
Wertschöpfung im Fokus
Was sich da so lapidar liest, hat aber erhebliche Konsequenzen für Mercedes-Benz selbst sowie den Flottenbetreiber. Konsequent umgesetzt umfasst Road Efficiency nämlich unterm Strich die gesamte Wertschöpfungskette von Transportunternehmen oder Verladern mit eigenem Fuhrpark umfassen muss, in der sich das Fahrzeug bewegt. Der Lkw wird zu dessen integralen Bestandteil. Strategisch und betriebswirtschaftlich betrachtet mutiert auf diese Weise das Fahrzeug oder die Fahrzeugflotte nicht, wie in der Vergangenheit, zum Kostenfaktor, sondern zur Hardware, welche eine gewinnbringende Wertschöpfung erst ermöglicht.
Road Efficiency ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Effizienzsteigerung. Das Konzept stellt dabei die Nutzung des Fahrzeugs in den Fokus. Doreen Laubsch, Managing Director Mercedes-Benz Trucks Austria
Konzentration aufs Kerngeschäft
Analoge Entwicklungen vollzieht derzeit übrigens auch die Staplerbranche. Premium-Anbieter wie Jungheinrich, Linde oder Still etc. modeln ihr eigenes Geschäftsmodell und wandeln sich zum Hardwareproduzenten zum Systemlieferanten, welcher die Anwender unterstützt, die Warenströme innerhalb eines Unternehmens effizient zu steuern. Ziel ist auch dort die bestmögliche Auslastung der Systeme. Der Anwender soll sich dabei auf sein Kerngeschäft konzentrieren können. „Das ist auch die Zielsetzung von Road Efficiency“, sagt D. Laubsch im Gespräch. „Wir wollen, dass sich beispielsweise Flottenbetreiber alleine auf die Disposition ihrer Fahrzeuge konzentrieren können und sich nicht um die Verfügbarkeit der Fahrzeuge, die Wartung und Service kümmern müssen“.
Uptime verhindert Downtime
Die Basis des Systems ist dabei die Service-Innovation „ Mercedes-Benz Uptime“. Diese neue Service-Innovation überwacht kontinuierlich den Status der Fahrzeugsysteme von Mercedes-Benz und analysiert in Echtzeit die Fahrzeugdaten im laufenden Betrieb. So können anhand von
Parameterabweichungen Fehler vorhergesagt und vor ihrem tatsächlichen Eintritt proaktiv beseitigt werden. „Das System erkennt beispielsweise, lange bevor der Fahrer oder der Flottenbetreiber es selbst bemerkt, Probleme mit der Einspritzanlage“, erläutert D. Laubsch die Funktionsweise von Uptime. Doch das System erkennt nicht nur Parameterabweichungen, sondern gibt auch konkrete Anweisungen an den Kunden oder die Werkstatt, proaktiv zu handeln, wie etwa die Aufforderung, eine Mercedes-Benz-Werkstatt anzufahren. „Das Neue und Innovative dabei, dass wir nicht mehr nur über Fehlercodes sprechen, sondern dass das System automatisiert konkrete Handlungsempfehlungen abgibt. Das verhindert schon im Vorfeld gröbere Schäden, verbessert die Verfügbarkeit der Fahrzeuge, steigert deren Nutzungsgrat und senkt damit die Kosten während des Lebenszyklusses des Fahrzeugs erheblich“, freut sich die smarte Vertriebschefin.
Heterogene Fahrzeugflotten erfassen
So weit, so gut. Doch nicht jeder benötigt solche Maximalvarianten und die meisten Fahrzeugflotten weisen eine heterogene Struktur auf, d.h. Fahrzeuge mehrerer Hersteller werden in einer Flotte betrieben. Uptime erfasst zwar nicht die Daten markenfremder Fahrzeuge, jedoch kann FleetBoard von Mercedes-Benz über Schnittstellen die Daten fremder Telematiksysteme erfassen und so dem Flottenmanager zur Verfügung stellen.
Optimierte Flotten
FleetBoard schafft somit die notwendige Transparenz, die es ermöglicht, umfassende Kosten-Nutzen-Relationen bis auf die Projektebene zu ermitteln, denn diese Daten lassen unter anderem Rückschlüsse auf das Nutzungsverhalten der Fahrer zu. Diese tragfähigen Informationen können dann auch zur Optimierung bestehender LKW-Flotten heran gezogen werden können. Zudem lassen sich diese Infos auch für TCO-Berechnungen nutzen. Dadurch gewinnt der Flottenbetreiber einen Status-quo-Bericht seiner Fahrzeugflotte und kann auf der Basis dieser Transparenz seine Optimierungsentscheidungen treffen. FleetBoard ist aber weniger ein TCO Kostensammler als vielmehr eine wesentliche Basis für die Auftragssteuerung, Transportmanagement und Kommunikationsplattform mit den Fahrern.
Wohin die Räder rollen
Wohin die Räder der Nutzfahrzeug-Hersteller rollen werden, ist derzeit genauso unbekannt, wie in anderen Branchen. Derzeit heißt auch hier das Motto eher: „Der Weg ist das Ziel.“ Doch Hersteller wie Mercedes-Benz dürften mit Road Efficiency auf einem guten Weg sein, den rasanten Wandel der Wirtschaft, der durch die Digitalisierung, Industrie 4.0 usw. befeuert wird, bei sich selber aber auch bei ihren Kunden mit zu gestalten. Denn Fakt ist: Das Road Efficiency-Konzept stiftet seinen Anwendern ein hoher Nutzen, der es ihnen erlaubt, sowohl die eigenen Fahrzeugflotten effizient zu betreiben als auch nach eigenen Bedürfnissen zu gestalten, d.h. zu optimieren. Gepaart mit flexiblen Finanzierungsmodellen können Flottenbetreiber auf diese Weise flexibel auf sich rasch wandelnde Rahmenbedingungen in ihren Märkten reagieren. Und das ist die Flexibilität, welche Flottenbetreiber benötigen.
Klicken Sie auf das dazu gehörige Interview mit Doreen Laubsch auf blogistic.net!