CHRISTIAN ERLACH – Corona treibt die Digitalisierung voran

Jungheinrich hatte, wie nahezu alle Logistik-Lösungsanbieter, hart mit den weltweiten Shutdowns zu ringen. Doch die „Gelben“ sind bisher gut durch die Krise gekommen und starten insbesondere in China voll durch. Mag. Christian Erlach, Ex-CEO von Jungheinrich Austria und seit 2019 Vertriebsvorstand in der Konzernzentrale des Intralogistik-Lösungsanbieters in Hamburg, im Gespräch mit CR Hans-Joachim Schlobach über die Zeit in der Krise, wie diese intern bewältigt wurde und wo die Chancen für Jungheinrich liegen.

C. Erlach: Weltweite Shutdowns hatte niemand auf dem Radar (Foto: Roland Ferrigato / RS Media World Archiv)
C. Erlach: Auf so etwas wie die Shutdowns der Weltwirtschaft kann man sich aber nicht vorbereiten. Das hat niemand auf dem Radar. (Foto: Roland Ferrigato / RS Media World Archiv)

blogistic.net: Wie geht es Ihnen? Wie haben Sie die Shutdowns in der Wirtschaft persönlich erlebt?

Erlach: Mir persönlich geht es gut und ich bin bisher gut durch die Krise gekommen. Ich arbeite sehr viel im Home-Office, bin aber natürlich regelmäßig in der Firma.

blogistic.net: Musste Jungheinrich seine Produktion stoppen, so, wie etwa die Automobilindustrie?

Erlach: Wir hatten nur ganz kurzzeitig eine Produktionspause in einem unserer Werke in Moosburg. Ansonsten lief die Produktion normal, aber natürlich Corona-bedingt etwas schaumgebremst weiter.

Die weltweiten Shutdowns waren natürlich eine ganz neue Situation, die wir so noch nicht hatten. Vor allem die Intensität der Folgewirkungen war enorm.

Mag. Christian Erlach, Vertriebsvorstand Jungheinrich

blogistic.net: Was war Ihrer Ansicht nach die größte Herausforderung der Corona-Krise?

Erlach: Die weltweiten Shutdowns waren natürlich eine ganz neue Situation, die wir so noch nicht hatten. Vor allem die Intensität der Folgewirkungen war enorm. Wir richteten jedoch rasch einen Krisenstab ein, der rasch die Maßnahmen in so einer außergewöhnlichen Situation ergriff und anordnete.

blogistic.net: War man bei Jungheinrich unvorbereitet?

Erlach: Natürlich haben wir für die einen oder anderen Szenarien Krisenpläne in der Schublade. Außerdem haben wir in Erwartung einer konjunkturellen Abkühlung schon im letzten Jahr damit begonnen uns „wetterfest“ zu machen. Auf so etwas wie die Shutdowns der Weltwirtschaft kann man sich aber nicht vorbereiten. Das hat niemand auf dem Radar. Dennoch haben wir die notwendigen Maßnahmen zur Bewältigung von Corona sehr rasch umgesetzt.

C. Erlach: Die Gesundheit der Mitarbeiter ist uns wichtig (Roland Ferrigato / RS Media World Archiv)
C. Erlach: „Unsere Maßnahmen galten natürlich zuerst dem Schutz der Mitarbeiter und deren Gesundheit.“ (Foto: Roland Ferrigato / RS Media World Archiv)

blogistic.net: Was waren Ihre ersten Initiativen?

Erlach: Unsere Maßnahmen galten natürlich zuerst dem Schutz der Mitarbeiter und deren Gesundheit. Etwa im administrativen Bereich, im Vertrieb usw. galt es, die Home-Offices der dort Beschäftigten möglichst rasch einzurichten. Die Herausforderung war dabei weniger die Technik als vor allem die Menge der Arbeitskräfte. Denn, obwohl schon der einen oder anderen Home-Office-Arbeitsplatz existierte, mussten in möglichst kurzer Zeit auch die anderen Mitarbeiter einen solchen Arbeitsplatz bekommen und auch darauf geschult werden. Das trieb unsere ohnehin geplanten Digitalisierungsmaßnahmen in diesem Bereich rasant voran. Wofür wir zuvor jedoch längere Zeit eingeplant hatten, wurde das nun unter dem Druck der Corona-Krise beschleunigt und ging viel schneller und reibungsloser über die Bühne als wir dachten. Ein Dank an dieser Stelle an unsere IT-Verantwortlichen.

blogistic.net: Welche Maßnahmen hat Jungheinrich sonst noch getroffen?

Erlach: Natürlich muss beispielsweise in der Produktion garantiert werden können, dass die Mitarbeiter nachhaltig vor Ansteckung durch Corona geschützt sind. So organisierten wir teilweise die Workflows um, welche die notwendigen Abstände zwischen den Mitarbeitern ermöglichen. Es mussten auch Bodenmarkierungen in Produktion und Lagern etc. angebracht werden, welche die notwendigen Abstände anzeigen. Die Mitarbeiter bekamen Schutzmasken, Desinfektionsmittel etc. Selbst ganz banale Dinge wie der Gang zum WC muss dabei berücksichtigt werden. Wir haben hier ein umfassendes Maßnahmenpaket realisiert, zum Schutz unserer Mitarbeiter und in weiterer Folge auch für unsere Kunden. Sie müssen sich sicher fühlen, wenn sie Jungheinrich besuchen.

Der Betriebsrat ist bei jeder dieser Maßnahmen voll integriert und bringt sich mit seiner Expertise voll ein. Das ist gut so und absolut notwendig.

Mag. Christian Erlach, Vertriebsvorstand Jungheinrich

blogistic.net: Wie arbeiten Sie dabei mit den Sozialpartnern zusammen?

Erlach: Sehr gut. Der Betriebsrat ist bei jeder dieser Maßnahmen voll integriert und bringt sich mit seiner Expertise voll ein. Das ist gut so und absolut notwendig.

blogistic.net: Was ist mit dem Service-Netzwerk von Jungheinrich? Gerade sogenannte „systemrelevante Unternehmen“, wie Lebensmitteleinzelhandel, Krankenhäuser bis hin zu Transportlogistikern mit Distributionszentren brauchen etwa Staplerflotten, die möglichst keine Ausfälle haben…

Erlach: Das ist richtig, Herr Schlobach. Unsere Techniker müssen jederzeit zu 100 Prozent in der Lage sein, die Flotten und Intralogistiklösungen von uns beim Kunden warten zu können. Sie sind daher mit den entsprechenden Dingen ausgerüstet worden. Und natürlich muss auch beim Kunden auf die Gesundheitsvorgaben der Behörden geachtet werden.

C. Erlach: Es gab faktisch keine Ausfälle im Service (Foto: Roland Ferrigato / RS Media World Archiv)
C. Erlach: „Es kam nur dort zu Ausfällen im Service, wo es vom Kunden aus Gründen der Sicherheit gewünscht war.“ (Foto: Roland Ferrigato / RS Media World Archiv)

blogistic.net: Kam es im Servicebereich zu ausfällen?

Erlach: Nur dort, wo es vom Kunden aus Sicherheitsgründen gewünscht war. Der Service an sich ist jedoch eine unserer Kernkompetenzen im Außenauftritt. Die Kunden müssen sich auch uns verlassen können und sich sicher fühlen. Da muss die Leistung zu 100 Prozent stimmen.  

blogistic.net: Die Corona-Krise wird uns noch lange beschäftigen und es scheint, dass nichts mehr so sein wird, wie es vor der Krise war. Teilen Sie diese Ansicht?

Erlach: Corona ändert vieles, aber nicht alles. Aus meiner Sicht beschleunigt die Krise jedoch vor allem Trends, die schon vor der Krise begannen und sichtbar waren.

blogistic.net: Und die wären?

Erlach: Beispielsweise die Transformation zur digitalen Gesellschaft. Durch Corona waren die Menschen gezwungen, über die digitalen Netze zu kommunizieren, Business zu machen usw. Wo man vorher eher zaghaft begann, hat man in den Vorstandsetagen plötzlich bemerkt: „Hoppla, das geht ja ganz gut. Das ist ausbaufähig.“ Diesen Effekt erlebten wir auch bei Jungheinrich. Wir werden das, was während der Corona-Krise etwa bei den Home-Offices erzwungen wurde, weiter führen. Das steigert auch die Lebens- und Arbeitsqualität der Mitarbeiter. Der ganze Transformationsprozess in Richtung Industrie 4.0 erhält dadurch einen ganz neuen Schub.

Der Service an sich ist jedoch eine unserer Kernkompetenzen im Außenauftritt. Die Kunden müssen sich auch uns verlassen können und sich sicher fühlen.

Mag. Christian Erlach, Vertriebsvorstand Jungheinrich

blogistic.net: Was ist mit den Supply Chains? Insbesondre die globalisierten Wertschöpfungsketten stehen doch auf dem Prüfstand. Auch bei Jungheinrich?

Erlach: Nicht jede Supply Chain werden Sie verändern können, aber natürlich müssen auch wir unsere Prozesse laufend hinterfragen und ob es einen Sinn hat, jedes Teilchen aus der ganzen Welt zu beziehen. Allerdings betrifft das Thema der weltweit umspannenden Lieferketten uns bei Jungheinrich nur bedingt, weil wir ja eine verhältnismäßig große Produkttiefe haben. Wir erzeugen sehr viele Teile unserer Geräte selbst bzw. beziehen sie aus Märkten, die unseren hohen Anforderungen genügen. Da haben wir von Natur aus gar nicht so lange Supply Chains.

blogistic.net: Themenwechsel: Noch im Januar mussten Sie auf den allgemeinen Trend des sich reduzierenden weltweiten Staplerabsatzes hinweisen. Die Gründe lagen dabei nicht nur in der allgemeinen Weltkonjunktur, sondern auch beispielsweise in Handelskonflikten wie etwa zwischen USA und China, aber auch im Brexit. In dieses Szenario platzte dann die Corona-Krise. Wie sehen Sie die Perspektive in Ihrem Segment. Wie sehen Sie die Perspektiven für Jungheinrich?

Erlach: Vor dem von Ihnen skizzierten Hintergrund lassen sich keine seriösen Prognosen erstellen. Alles ist derzeit in Bewegung, planbar ist nahezu nichts, weil vieles von den unterschiedlichsten Faktoren abhängt, wie etwa der Konjunktur in den USA aber auch in China. Die USA haben noch mit Corona zu kämpfen, obgleich man hier auch schon positiveres zu berichten weiß. In China läuft die Produktion zwar schon wieder gut, aber China braucht auch die Absatzmärkte weltweit, um als Weltwirtschaftslokomotive fungieren zu können. Selbiges gilt für die EU. Fakt ist jedenfalls, dass die Coronakrise eine Zäsur in der Weltwirtschaft darstellt, die noch viele Jahre wirken wird und Veränderungen beschleunigt. Wir werden also abwarten und situationselastisch agieren müssen. Es wird allerdings noch Jahre dauern, bis wir wieder dort hinkommen, wo wir vor der Krise waren. Dann aber vor dem Hintergrund einer sich veränderten Weltwirtschaft. Das ist die einzig seriöse Prognose, die ich hier abgeben kann. Und wir stellen uns darauf ein.

Die Produktion in der VR China und der Absatz ist wieder gut angelaufen und beinahe auf Vorkrisenniveau. (Foto: Roland Ferrigato / RS Media World Archiv)
Die Produktion von Jungheinrich in der VR China und der Absatz ist wieder gut angelaufen und beinahe auf Vorkrisenniveau. (Foto: Roland Ferrigato / RS Media World Archiv)

blogistic.net: Wird das Auswirkungen haben auf die Standorte von Jungheinrich haben, etwa was die Mitarbeiter angeht?

Erlach: Nein, das ist mit dem Status quo auszuschließen. Aber der Druck, neue Fachkräfte zu suchen, hat merklich nachgelassen.

blogistic.net: Sie haben den asiatischen Markt im Allgemeinen und China im Besonderen angesprochen. Jungheinrich hat ein großes Engagement in China. Wie läuft es dort?

Erlach: Sehr gut. Unsre Produktion in der VR China und der Absatz ist wieder gut angelaufen und beinahe auf Vorkrisenniveau. Das wird uns auch bei der Bewältigung der Krise in Hamburg nach vorne bringen. Ich bin daher optimistisch für Jungheinrich, denn es zeigt uns, dass immer etwas transportiert, gestapelt und kommissioniert werden muss und es unsres Knowhows und unserer Lösungen bedarf.

blogistic.net: Vielen Dank für das spannende Interview.

jungheinrich.com

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