Die Corona-Krise hat die Weltwirtschaft fest in der Hand und führt zu massiven Veränderungen entlang der Wertschöpfungsketten. Sie beschleunigt aber auch die Automationsentwicklungen und den Transformationsprozess in Richtung Industrie 4.0 und Digitalisierung. Über seine persönlichen Eindrücke, die Veränderungen im Intralogistik-Business und seine Erwartungen in die Zukunft sprach Rainer Buchmann, CEO des Intralogistikspezialisten DEMATIC für Zentral- und Osteuropa mit CR HaJo Schlobach via Ferninterview.
blogistic.net: Wie geht es Ihnen? Wie haben Sie die Shutdowns in der Wirtschaft persönlich erlebt?
Buchmann: Die Entwicklung ging schon recht schnell voran. Innerhalb der KION Group hatten wir die Situation zu einem frühen Zeitpunkt weitgehend antizipiert und uns Handlungsoptionen zurechtgelegt, so dass wir schon Notfallpläne für verschiedene Szenarien in der Schublade hatten. Persönlich war ich sehr beruhigt als ich hörte, dass es meiner global von Kanada bis Japan verteilten Familie gut geht und sich alle gut mit den neuen Umständen arrangiert haben. Ich arbeite vornehmlich von zu Hause, bin aber auch regelmäßig an unseren Standorten um nach dem Rechten zu sehen.
blogistic.net: Wie hat sich der weltweite Shutdown in den Industrienationen und Schwellenländern auf Ihr Geschäft ausgewirkt?
Buchmann: In allen Standorten in Zentraleuropa wird in vollem Umfang ohne Einschränkungen produziert. Wir konnten in den letzten Wochen noch Neuaufträge über sehr umfangreiche Automatisierungsprojekte zeichnen, was uns sehr beruhigt. Natürlich setzen wir alles daran, diese Projekte termingerecht abzuwickeln, wohlwissend dass das nicht alles in unserer Hand liegt. Wir müssen mit Lieferengpässen rechnen. Aktuell halten unsere Kunden und Neukunden an der Umsetzung ihrer platzierten Aufträge fest.
Flexibilität und Solidarität werden sowohl in Wirtschaft als auch Gesellschaft einen höheren Stellenwert einnehmen.
Rainer Buchmann, CEO Dematic CEE
blogistic.net: Sie sind als Optimist bekannt. Was stimmt Sie heute optimistisch für die Zukunft?
Buchmann: Es stimmt mich optimistisch, dass nichts ohne Grund geschieht und jede Schattenseite auch Licht hat und so wird es Fortschritte insbesondere digitaler Art geben, die uns unser Alltags- und Business-Leben noch mehr vereinfachen.
blogistic.net: Und was bedeutet das Ihrer Ansicht nach für Wirtschaft und Gesellschaft?
Flexibilität und Solidarität bekommen höheren Stellenwert
Buchmann: Flexibilität und Solidarität werden sowohl in Wirtschaft als auch Gesellschaft einen höheren Stellenwert einnehmen. Mit Änderungen müssen sowohl Maschinen als auch Menschen agiler umgehen lernen im Sinne von schnellen Kapazitätserweiterungen, neuen Geschäftsmodellen und der vorübergehenden oder gänzlichen Änderung beruflicher Inhalte. Systemrelevante Berufe rücken in das Licht der Öffentlichkeit und erfahren die Wertschätzung, die angebracht ist und das nicht nur in monetärer Hinsicht. Einen neue solidarische Kultur entsteht innerhalb von Unternehmen, Branchen und teilweise auch übergreifend sowie in unserem sozialen Zusammenleben.
blogistic.net: Können Sie ein paar Beispiele dafür nennen?
Buchmann: Etablierte E-Commerce Händler ermöglichen kleineren Einzelhändlern über ihre Plattform den einfachen und schnellen Zugang zum virtuellen Marktplatz, Restaurantketten stellen Supermärkten Mitarbeiter zur Verfügung, es entstehen Plattformen zur Vermittlung von LKW-Fahrern um ein paar Beispiele zu nennen.
blogistic.net: Ein „weiter so” scheint daher eher fraglich. Oder doch nicht? Wie sieht die Zukunft der Intralogistik für Sie als ein Opinion Leader in der Logistik aus?
Buchmann: Viele Dinge, die jetzt schon optimiert in unserem Angebot und sich damit etabliert haben, werden als standardisierte Versionen weiter gut nachgefragt werden. Was wir jedoch alle aus der Krise mitnehmen werden, ist, dass Flexibilität und Skalierbarkeit in Produktion, Distribution, Transportlogistik und Handel eine noch viel größere Bedeutung zugemessen werden wird. Es entsteht gerade ein verstärktes Bewusstsein, dass sich Kapazitäten ohne größeren Aufwand anpassen lassen müssen und Geschäftsprozessänderungen ohne enormen Aufwand möglich werden sollten. Dabei ist eine Adaption mit Maschinen weitaus einfacher als über Mitarbeiter.
Bedarfs-Bevorratung stellt bedarfssynchrone Produktion auf den Kopf
blogistic.net: Können Sie das auf die gegenwärtige Situation herunterbrechen?
Buchmann: Ja! Die momentane starke Bevorratung der Bevölkerung hat die bisher gefahrene bedarfssynchrone Produktion und Anlieferung auf den Kopf gestellt. Schnell mussten Anlagen und Handling bis zur Kapazitätsgrenze hochgefahren oder gar erweitert werden. Folgen wird eine unterdurchschnittliche Nachfrage der gehamsterten Artikel zu einem noch nicht prognostizierbaren Zeitpunkt. Nach Abarbeitung der Auftragsspitzen muss Downsizing möglich sein, ohne dass dabei zu viel Footprint und Kapital gebunden sind. Nach dem Peak ist schließlich vor dem Peak. Die kompakten und flexiblen und skalierbaren Lösungen wie Dematic Multishuttle und AutoStore sind bereits dafür prädestiniert.
blogistic.net: Gibt es noch andere Lösungen von Dematic, die hier adäquat wären?
Buchmann: Auch unsere Conveyer- und Sorteranlagen lassen sich über entsprechende Software flexibel anpassen, denn das verstärkte Auftrags- und Retourenaufkommen stellt auch die Paketdienstleistungsbranche vor eine Zerreißprobe.
blogistic.net: Wohin führt das Ihrer Meinung nach?
Buchmann: Die Grenzerfahrungen der aktuell am Rande der Kapazitäten arbeitenden Unternehmen zeigen zudem weitere Automatisierungsnotwendigkeiten und -potentiale auf und mehr und mehr Unternehmen werden über das Schließen von Automatisierungslücken die Reise in Richtung autonomer Systeme bis zum Dark Warehouse antreten.
Der Verbraucher wird der Logistik in eine Richtung vorgeben, was zu seiner Zufriedenstellung erfüllt sein muss. Im europaweiten Vergleich ist in Deutschland und Österreich eine gewisse Zurückhaltung beim online-Einkauf von Lebensmitteln zu verzeichnen.
Rainer Buchmann CEO Dematic CEE
blogistic.net: In der Corona-Krise liegen viele Chancen. Wo liegen die Chancen für Sie persönlich? Wo liegen sie für DEMATIC?
Buchmann: Auch wenn gefühlt ein online-Meeting das nächste jagt, so befinden sich viele von uns in einer Phase der Entschleunigung. Diese ermöglicht es einen Schritt zurück zu treten und Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten und neue kreative Lösungsansätze zu finden. Wir rücken in der Führungsmannschaft näher zusammen und durch eine höhere Austauschfrequenz laufen viele Meetings, Entscheidungen und Umsetzungen sogar effizienter.
blogistic.net: Könnte diese Krise einen Automatisierungsschub auslösen? Immerhin gehen Maschinen nur kaputt, werden nicht krank und können Viren nicht ausbreiten…
Buchmann: Bereits jetzt vollautomatisierte Unternehmen, sehen nun ganz klar die Vorteile, da ihre Prozesse nicht von Covid-19 induzierten Einschränkungen beeinträchtigt werden. Und das tritt auch in das Bewusstsein der Mitbewerber, die noch gar nicht oder nur teilweise automatisiert sind. Daher sehen wir gerade in flexiblen Automatisierungslösungen wie unseren fahrerlosen Transportsystemen bei vielen Unternehmen den Bedarf und den Einstieg in die intralogistische Automatisierung Alles natürlich unter der Prämisse, dass die entsprechende Investitionskraft wieder vorhanden ist.
blogistic.net: Und was machen die Unternehmen, welche gerade ausgelastet sind, also die sogenannten „systemrelevanten“ Unternehmen?
Buchmann: Diejenigen Unternehmen, die voll ausgelastet sind und gerade an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, tragen sich jetzt schon mit Gedanken zu optimieren und zu erweitern und werden das auch weiterverfolgen und budgetieren, wenn es der zeitliche Rahmen zulässt. Insbesondere für E-Commerce sowie die Lebensmittelbranche sehen wir hier viel Potential für Dematic Micro-Fulfillment und das Dematic Multishuttle.
Verbraucher gibt Logistik die Richtung vor
blogistic.net: Wer wird eigentlich der Treiber der Logistik im allgemeinen und der Intralogistik im besonderen sein?
Buchmann: Der Verbraucher wird der Logistik in eine Richtung vorgeben, was zu seiner Zufriedenstellung erfüllt sein muss. Im europaweiten Vergleich ist in Deutschland und Österreich eine gewisse Zurückhaltung beim online-Einkauf von Lebensmitteln zu verzeichnen. Lange Schlangen, Abstandsregelungen im Handel vor Ort und auch das Sicherheitsbedürfnis brechen bestehende Hindernisse auf und die kontaktärmere Bedarfsdeckung durch die Lieferung vor die Haustüre lässt Vorbehalte schmelzen. Einmal den technischen Einstieg und Gefallen daran gefunden, wird es zu einem Umdenken kommen. Viele Verbraucher entwickeln neue Einkaufsmuster, die sie auch über die Pandemie hinaus beibehalten werden. E-Commerce und insbesondere E-Food werden schneller wachsen als man bisher davon ausgehen konnte. Auf der Anbieterseite gilt es die Prozesse effizient für diese Verlagerung des stationären Volumens ins Internet aufzustellen.
blogistic.net: Vor der Corona-Krise wurde schon viel über den sogenannten „hybriden Einkäufer“ gesprochen, in der sich der Handel entwickelt. Schiebt die Krise auch hier die Entwicklung jetzt an?
Buchmann: Ja, denn diese kompakten Micro-Fulfillment Zentren kommen auch dem Szenario des hybriden Einkäufers nach. Verbraucher werden das Beste aus der On- und Offline-Einkaufswelt kombinieren. Das Basis-Sortiment des Haushalts wird online bestellt und im Fulfillment Zentrum, das dem Handel angegliedert ist, innerhalb einer Stunde zur Abholung bereitgestellt und bei der Abholung können Frischeartikel mit persönlicher Augenscheinnahme dazu ergänzt werden.
blogistic.net: Das Einkaufsverhalten der Konsumenten im Lebensmittel-Einzelhandel verändert sich also durch die Krise. Ist auch der Handel anderer Produkte betroffen?
Buchmann: Das Käuferverhalten der Konsumenten ändert sich nicht nur Lebensmittel-Sektor, auch machen viele Verbraucher bei Healthcare-, Sport-, Elektronik- und Heimwerkerartikeln sowie Fashion durch die Krise viele positive E-Commerce Erfahrungen und werden diese auch beibehalten und Treue entwickeln. Die Läden der Highstreet werden sich auf diese neue Situation einstellen müssen.
Die Absage der LogiMAT 2020 haben wir mit unserer Webinar-Serie Dematic Virtual Showcases aufgefangen.
Rainer Buchmann CEO Dematic CEE
blogistic.net: Das Retourenmanagement stellt den Handel gerade in der Corona-Krise vor enorme Herausforderungen…
Buchmann: Wenn ich Sie unterbrechen darf, Herr Schlobach. Schon vor der Corona-Krise stellten Retouren Unternehmen vor enorme Herausforderungen wenn es darum ging, diese wirklich effizient zu händeln. Bei vielen Omnichannel-Spezialisten rückt das in Anbetracht von Aufträgen auf Black-Friday- oder Weihnachtsniveau, verstärkt ins Bewusstsein und über die Investition in Retouren-Subsysteme wie wir sie auch bei Dematic haben, wird verstärkt nachgedacht werden.
Krise gibt Initialzündung für weitere Automatisierung
blogistic.net: Was ist Ihre Conclusio?
Buchmann: Zusammenfassend drängt sich für mich die Folgerung auf, dass die Corona-Krise eine Initialzündung sein wird für den Einstieg in die Automatisierung, der Erweiterung und Verbesserung von bestehenden bereits automatisierten Prozessen und vor allem in ein verstärktes Digitalisieren des Angebots in der Handelslandschaft.
blogistic.net: Das Home-Office und viele andere Möglichkeiten der Digitalisierung werden während der Shutdowns stark genutzt. Wohin wird für DEMATIC die Reise in diesem Bereich gehen? Denkt man bei Ihnen über neue Arbeits-Modelle nach? Wie könnten diese aussehen?
Buchmann: Wir waren in der glücklichen Lage, dass wir erst kürzlich unsere Büro-Suite für Online-Präsentationen und -Besprechungen umgestellt haben, so dass für nahezu alle Mitarbeiter ein nahtloser Übergang in´s Mobile Arbeiten von unterwegs oder mit Priorität dem Zuhause möglich war. Das funktioniert sehr gut und wir werden aufgrund dieser Erfahrungen auch nach der Corona-Situation das eine oder andere persönlich anberaumte Meeting durch einen online-Termin ersetzen. Einige Reisen über mehrere hundert Kilometer hinweg können obsolet werden.
Positive Erfahrungen konnten wir auch mit unserer ersten große online-Interaktion mit unserem Kunden verbuchen. Die Absage der LogiMAT 2020 haben wir mit unserer Webinar-Serie Dematic Virtual Showcases aufgefangen. Messeneuheiten und -highlights haben wir Mitte März unseren Kunden in mehreren Sessions auf deutsch und englisch durch unsere Experten präsentiert, die dann im Anschluss auch für einen Live-Support zur Verfügung standen. Mitte Juni setzen wir diese Webinar-Serie auf globaler Ebene mit weiteren Branchenlösungen auf globaler Ebene fort.
blogistic.net: Wird diese Krise die digitale Transformation daher vorantreiben? Was wird sich aus Ihrer Sicht ändern?
Buchmann: Auf jeden Fall. Nicht nur die Logistik sucht nach alternativen und verbesserten Möglichkeiten der Kommunikation. Das betrifft ja unser gesamtes zwischenmenschliches Bedürfnis des Austausches und startet beim Enkel-Großeltern Chat über online-Fitness und E-Learning bis zu Livestreams von Musik. Software für Webkonferenzen und Seminare wird dahingehend optimiert werden. Es werden sicher auch neue Optionen generiert, an die wir aktuell noch gar nicht denken. Das so erworbene Know-how und daraus resultierende Techniken werden auch nach der Krise relevant bleiben.
Big Data – Coronakrise treibt Datenmengen in die Höhe
blogistic.net: Big Data ist ein Thema, das während der Krise besonders aufkocht. Es geht dabei beispielsweise um Apps, welche Anwender dabei unterstützen, für ihre eigene Gesundheitssicherheit zu sorgen und das Ansteckungsrisiko der Gesellschaft zu minimieren. Was ist damit?
Buchmann: In der Tat: Während der Pandemie gilt es große Datenmengen zu sammeln und auszuwerten um Überwachungsaufgaben nachzukommen, schnell reagieren zu können und nicht zuletzt entsprechende Vorkehrungen und Maßnahmen treffen zu können, persönlich oder staatlich. Sehr ähnliche Muster kennen wir in der Intralogistik. Sie helfen uns, Prozesse zu optimieren und die höchste Anlagenverfügbarkeit Aufrecht zu erhalten.
blogistic.net: Nennen Sie Beispiele für Parallelen, bitte…
Buchmann: Mit voller Kraft wird etwa an Lösungen im Kampf gegen Corona gearbeitet. Tracing ist in der Logistik eine Basistechnologie. Die APP Pepp-PT zum Tracing der Kontakte mit Infizierten, könnte ein Kernbestandteil der Exit-Strategie werden. Maschinelles Lernen bietet auch Potentiale in der Prognose von Infektionsraten, indem Algorithmen Daten aus unterschiedlichsten Quellen sammeln und auswerten. Solche Lösungen installieren wir auch bei unseren Kunden, um aus den Auswertungen von Big Data stets den Status Quo abrufen und Handlungsempfehlungen ableiten zu können. Auch erste reale Anwendungen Künstlicher Intelligenz haben in der Intralogistik Einzug gehalten wie bei Dematic AMCAP (Automated Mixed Case Palletizing).
Unsere Servicetechniker kommen derzeit allen bereits fest gelegten Terminen nach, es sei denn der Kunden entscheidet sich aus Sicherheitsgründen dagegen.
Rainer Buchmann CEO Dematic CEE
blogistic.net: Gibt es noch andere KI-Lösungen, die vielleicht auch die Corona-Krise schneller beseitigen lässt?
Buchmann: Ja! Ein großes chinesisches Handelsunternehmen arbeitet derzeit an einem KI-System, welches das Coronavirus in CT-Scans des Brustkorbs erkennen soll. Scans aus über 5.000 Corona-Fällen gehen in den Deep Learning Prozess ein um zu lernen, um Covid-19 Lungenerkrankungen von Lungenentzündungen und zu unterscheiden. Es entstehen also innovative Lösungen, die für uns alle neue Möglichkeiten und Chancen eröffnen und über Technologietransfers werden sich Branchen gegenseitig befruchten.
blogistic.net: Die Automobilbranche stoppte die Produktion ihrer Fahrzeuge in Europa. In China laufen die Bänder, wenn auch schaumgebremst, wieder an. Bei DEMATIC laufen die Dinge gewissermaßen weiter wie bisher, allerdings auch Krisen-adäquat. Stimmt der Eindruck?
Buchmann: Dieser Eindruck trügt Sie nicht, denn wir produzieren an allen Standorten in CE solange nicht Rechtsverordnungen oder Handlungsempfehlungen auf Regierungsebene dies unterbinden. Wir versuchen die vor-Ort-Arbeit für unsere Mitarbeiter möglichst angenehm und sicher zu gestalten und finden es ausgesprochen vorbildlich wie unsere Mitarbeiter sich arrangieren. Natürlich sind auch wir auf Zulieferer angewiesen und können nicht in die Zukunft sehen, ob wir das aktuelle Level so halten können.
Servicelevel-Agreements – Herausforderung für Hersteller
blogistic.net: In Zeiten von Beschränkungen durch Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus stelle ich mir es problematisch vor, Servicelevel Agreements einzuhalten, weil die Servicetechniker möglicherweise gar nicht zum Kunden kommen.
Buchmann: Unsere Servicetechniker kommen derzeit allen bereits fest gelegten Terminen nach, es sei denn der Kunden entscheidet sich aus Sicherheitsgründen dagegen. Wir sind unserem Serviceteam an der Front dankbar, da das Berücksichtigen der Sicherheitsvorkehrungen natürlich das freie Arbeiten beeinträchtigt. Unsere Kunden können sich mehr denn je auf schnelle Hilfe bei akuten Problemen verlassen. Dabei genießen insbesondere die systemrelevanten Industrien wie Lebensmittelproduktion, Lebensmitteldistribution, Pharma, Chemie und Paketdienste Priorität. Somit vermittelt uns der mittelbaren Beitrag zur Sicherung systemrelevanter Prozesse ein gutes Gefühl. An nahezu allen Projekten arbeiten wir weiter, um unsere Ziele einzuhalten. Dass das nicht einfach ist, ist uns bewusst. Umso mehr zollen wir den Mitarbeitern vor Ort Respekt.
blogistic.net: Was sind/waren für Sie die größte Herausforderungen, das Business der DEMATIC aufrecht zu erhalten?
Buchmann: Vor uns allen verlangt die Pandemie mehr oder weniger viel ab. Die Überführung ins mobile Arbeiten ging über unsere etablierten Technologien relativ problemlos und die meisten Mitarbeiter können ihre Aufgaben so nahezu unverändert fortführen. Unsere Projekt- und Servicemitarbeiter arrangieren sich mit veränderten Arbeitsbedingungen um alle Hygiene- und Verhaltensregeln gemäß behördlicher Vorgaben einzuhalten.
blogistic.net: Wie ist der persönliche Umgang unter den Mitarbeitern der Dematic während der Krise?
Buchmann: Wir praktizieren mehr Achtsamkeit und nicht zuletzt fordert es von uns allen eine ganze Menge an Flexibilität. In unserem belgischen Werk in Zwijndrecht sind beispielsweise Mitarbeiter aus anderen Bereichen mit geringerem Aufgabenaufkommen nach einer kurzen Einarbeitungsphase in die Produktion überführt worden. Dabei ist es uns bei allen Maßnahmen wichtig, für unsere Kunden alle etwaigen Auswirkungen zu analysieren und möglichst gering zu halten. Bei auftretenden Problemen suchen wir dann nach alternativen Wegen und informieren unsere Kunden frühzeitig.
blogistic.net: Sind eigentlich alle Ihre Kunden gleichermaßen von der Corona-Krise betroffen?
Buchmann: Nein! Die Polarität innerhalb unserer Kunden könnte größer nicht sein. Bei den einen boomt das Business, andere können oder dürfen in der derzeitigen Situation ihr Kerngeschäft gar nicht weiterverfolgen. Oder es kommt zu starken Umsatzeinbußen, weil das Angebot Artikel umfasst, auf die bei sinkendem verfügbaren Einkommen zuerst verzichtet wird. Durch den engen Kundenkontakt, den wir aktuell verfolgen, stimmt uns das schon sehr nachdenklich und traurig.
Es macht mich und unsere Führungsmannschaft wirklich mehr als glücklich, dass wir mit den bestehenden gesetzlichen und empfohlenen Einschränkungen gut weiterarbeiten können und in einer Branche tätig sind, die mittelbare Systemrelevanz betrifft.
Rainer Buchmann, CEO Dematic CEE
blogistic.net: Wie klappt in der Krise die Zusammenarbeit in der KION-Group?
Buchmann: Wir sind seit Anfang März innerhalb der KION-Group im regelmäßigen Austausch und alle auf einer Linie indem wir bei allen Vorgaben und Handlungsempfehlungen der Sicherheit unserer Mitarbeiter und Kunden oberste Priorität einräumen.
Coronakrise – Fachkräfte gilt es zu halten
blogistic.net: DEMATIC ist bekannt für einen Mitarbeiterstab mit Top-Fachkräften und einer sehr geringen Fluktuation. Gibt es schon Konzepte, wie die Fachkräfte gehalten werden können, trotz der schwierigen Situation?
Buchmann: Dass die Sicherheit unserer Mitarbeiter und Kunden oberste Priorität ist, haben wir gleich zu Beginn der Krisensituation sehr deutlich vermittelt. Die Betriebsangehörigen in CE können darauf vertrauen, dass wir alles erdenklich Mögliche tun um diesem Statement gerecht zu werden. Wir gehen davon aus, dass wir alle gemeinsam nach der Corona-Krise Schritt für Schritt mit unveränderter Belegschaft zur Normalität zurückkehren.
blogistic.net: Wie funktioniert hier die Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern, also Betriebsrat, Gewerkschaften usw.?
Buchmann: Zu unseren Sozialpartnern pflegen wir ein ausgesprochen gutes und konstruktives Verhältnis. Es herrscht eine Kultur des Verständnisses und der Interaktion, sodass wir auch mit einem Entgegenkommen rechnen dürfen, wenn dies nötig werden sollte.
blogistic.net: Eine Prognose ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehr schwierig. Dennoch stelle ich eine Frage danach: Wo sehen Sie die DEMATIC zum Ende 2021?
Buchmann: Es macht mich und unsere Führungsmannschaft wirklich mehr als glücklich, dass wir mit den bestehenden gesetzlichen und empfohlenen Einschränkungen gut weiterarbeiten können und in einer Branche tätig sind, die mittelbare Systemrelevanz betrifft. Ein guter Anteil unserer Kunden und auch potentieller Kunden gehören zu diesen Unternehmen. Diese haben überdurchschnittlich viel zu tun und werden zukünftig mehr optimieren und automatisieren. Das lässt uns positiv in die Zukunft schauen. Eine realistische Situation für Ende 2021 zu zeichnen, ist kaum möglich. Dazu ist das Virus noch zu wenig erforscht, unzureichend kalkulierbar und nicht bekämpfbar. Abhängig davon wird es entsprechend dauern bis sich unser Alltag und die wirtschaftliche Situation wieder normalisieren dürfen und können. Wir stellen uns darauf ein, noch eine ganze Weile unter Beeinträchtigungen zu arbeiten. Auf jeden Fall wird Corona ein Evolutionsbeschleuniger für Wirtschaft, Gesellschaft und auch Dematic sein.
blogistic.net: Vielen Dank für das tolle Interview.