ROLAND SEEBACHER – „Die eigenen Fähigkeiten kennen“

R. Seebacher (Foto: Jan Gott)
R. Seebacher: „Man sollte die eigenen Fähigkeiten kennen.“ (Foto: Jan Gott)

Roland Seebacher, Geschäftsführer des Regal- und Intralogistikspezialisten Bito Lagertechnik in Asten (OÖ), im Gespräch mit CR Hans-Joachim Schlobach über E-Commerce, Omnichannel und Glück im Business.

BLOGISTIC.NET: Herr Seebacher, E-Commerce ist der Hype der letzten Monate schlechthin. Sie sind Anbieter von Regalsystemen und Intralogistikkonzepten. Hat auch die Nachfrage nach Systemen, die e-commerce-tauglich sind, in Österreich zugenommen?
Seebacher: Was Bito betrifft, definitiv ja. Dabei muss man allerdings unterscheiden zwischen Kunden, die E-Commerce-Erfahrung haben und etabliert sind, und Start-ups. Bei ersteren ist ein ganz klarer Automatisierungstrend zu beobachten für Lösungen, die omnichannel-fähig sind. Start-ups scheuen dieses Investment. Sie setzen für ihr E-Commerce nicht auf Hochleistung und Komplexität, sondern auf die Skalierbarkeit der Systeme. Man fängt also klein an und baut die Systeme je nach Anforderungsprofil weiter aus, sodass systematisch komplexe und hochleistungsfähige Installationen entstehen. Für beide haben wir adäquate Angebote.

BLOGISTIC.NET: Ihre Hauptklientel sind aber schon etablierte Unternehmen. Oder nicht?Seebacher: Das liegt in der Natur der Sache. Im vergangenen Jahr realisierten wir zum Beispiel für Sportsdirect ein Distributionszentrum, das allerdings weniger auf Hochautomation setzte, sondern auf ein klassisches Mann-zur-Ware-System. Aber auch hier war die E-Commerce-Tauglichkeit ein wichtiger Aspekt bei der Planung. Derzeit finalisieren wir ein anderes Distributionszentrum für einen großen Möbelhändler. Und dieses ist omnichannel-fähig. Wir haben aber auch immer wieder Anfragen von Start-ups, die eben klein anfangen wollen. Hier soll das Lager quasi mitwachsen.

BLOGISTIC.NET: Wenn ein Lager omnichannel-fähig ist, was sind denn hier die großen Herausforderungen?
Seebacher: Omnichannel oder Multichannel vereint die klassische Lagerhaltung und Distribution mit dem E-Commerce und seiner hohen Volatilität. Ein wesentlicher Aspekt sind die kleinen Kommissionieraufträge, die auf Losgröße 1 in großer Menge auftreten. Ein weiterer Aspekt ist jedoch vor allem das Retourenmanagement, das eben aus erstem resultiert. Das können Sie im Bereich der Retourenannahme, Kon-trolle und Selektion faktisch nicht automatisieren. Dennoch muss es so organisiert sein, dass die Retourware so schnell und effizient wie möglich wieder in den Verkaufsprozess gelangt. Das Lager muss also flexibel genug und die Workflows ausreichend effizient gestaltet sein, dass es gleich mehreren Ansprüchen genügt.

Omnichannel oder Multichannel vereint die klassische Lagerhaltung und Distribution mit dem E-Commerce und seiner hohen Volatilität. Roland Seebacher, CEO Bito Austria

BLOGISTIC.NET: Das stelle ich mir schwierig vor, denn als Lösungslieferant müssen Sie viel über die Notwendigkeiten einer Installation und die Wünsche des Investors wissen …Seebacher: Ja, das ist es. Deswegen drängen wir auch immer wieder darauf, möglichst früh in die Planungsprozesse eingebunden zu werden. Denn gerade in diesem Segment verfügen wir über viel europäisches Know-how, weil Bito schon einige Omnichannel-Lösungen in Großbritannien, Skandinavien, Frankreich, Deutschland und auch in Österreich realisiert hat. Dieses Know-how bringen wir gerne ein und können so, gemeinsam mit dem investierenden Unternehmen, eine möglichst optimale Lösung erzielen. Das ist bei Sportsdirect passiert, und auch bei dem österreichischen Möbelhändler.

BLOGISTIC.NET: Was macht ein multichannel-taugliches System aus Ihrer Sicht aus?Seebacher: Die Modularität und Skalierbarkeit. Wenn wir etwa hier in Österreich solche Projekte realisieren, dann können wir einzelne Module, die wir europaweit umgesetzt haben, für den österreichischen Markt adaptieren und dann in die Planung einfließen lassen. Denn jeder Markt hat andere Voraussetzungen und Notwendigkeiten. In Großbritannien und Skandinavien ist die E-Commerce-Durchdringung viel stärker ausgeprägt als beispielsweise hierzulande. Hier steckt man, abgesehen vom E-Commerce mit Kleidung, Elektronik und Büchern, in vielen Bereichen noch immer in der Experimentierphase. Nehmen Sie zum Beispiel das E-Commerce mit frischen Lebensmitteln. Erst 2014 hat die Österreichische Post eine gute Lösung mit Pfeiffer realisiert und bietet diese in Oberösterreich an. Andere Lebensmittelhändler experimentieren damit noch.

BLOGISTIC.NET: Was sind hier, neben der Modularität und Skalierbarkeit, die Probleme?Seebacher: Zum Beispiel die Transportbehältnisse. Die Behälter müssen hohen Hygienevorschriften genügen. Gleichzeitig müssen diese Behälter garantieren können, dass die Kühlketten eingehalten werden. Wenn ein Kunde z.B. tiefgekühlte Lebensmittel bestellt, dürfen diese Lebensmittel nicht sofort auftauen. Oder nehmen Sie Frischgemüse: Das muss auch über einen längeren Zeitraum frisch bleiben, auch wenn es draußen warm ist, wie im Sommer. Die Behältnisse müssen also einerseits Vorrichtungen für die Kühlung haben und andererseits auch die Temperatur halten können, selbst bei hohen Außentemperaturen. Und schließlich wollen die Kunden die Garantie haben, dass ihre Bestellungung verschlossen bleibt, wenn sie z.B. vor der Wohnungstüre abgeliefert wird und sie nicht da sind. Das bedeutet, die Behälter müssen beispielsweise verplombt werden können etc. Für solche Logistikkonzepte haben wir in Europa schon mehrfach Behälterlösungen geliefert. Wir sind ja einer der größten Hersteller von Kunststoffbehältern für Transport, Handel und die Industrie in Europa.

BLOGISTIC.NET: Herr Seebacher, was viele nicht wissen: Bito ist jetzt seit fünf Jahren als eigenständiges Unternehmen auf dem österreichischen Markt. Sie sind der Mann der ersten Stunde. Lassen Sie die Entwicklung des Marktes in Österreich Revue passieren. Was ist seither passiert?
Seebacher: In den letzten fünf Jahren hat der österreichische Markt aus unserer Sicht an Dynamik zugenommen. Dabei haben sich die Ansprüche an die Systeme gewandelt.

R. Seebacher: „Die Systeme müssen skalierbar und modular aufgebaut sein.“ (Foto: Jan Gott)

Heute geht es vor allem um die bereits erwähnte Skalierbarkeit der Systeme und deren Flexibilität. Es reicht einfach nicht mehr, eine große Installation zu bauen und dann war es das. Die Systeme müssen sich vielmehr permanent an die Bedürfnisse der Unternehmen anpassen können, weil deren Märkte einer hohen Volatilität unterworfen sind. Da können von heute auf morgen ganze Produktgruppen vom Markt verschwinden und sich den Unternehmen ganz neue Geschäftsfelder mit völlig neuen Produkten eröffnen, die wiederum andere Anforderungen an die Distributionssysteme stellen.

BLOGISTIC.NET: Was bedeutet das für Sie als Lösungslieferant?
Seebacher: Dass unsere Systeme rasch skalierbar sind und wir laufend an der Anpassung der Systeme arbeiten müssen. Wir versuchen daher, schon bei der Planung die Systeme modular aufzubauen, sodass diese bei Bedarf einer Änderung rasch und effizient ausgetauscht werden können, ohne dass das gesamte System geändert werden muss. Wobei ich an dieser Stelle sagen muss, dass es zumeist um Erweiterungsinvestitionen geht, d.h. dass wir neue Module an bestehende Systemlandschaften andocken.

BLOGISTIC.NET: Dafür benötigen Sie aber gute Mitarbeiter.
Seebacher: Ja, denn dieses Geschäftsmodell bedeutet, dass unsere Techniker und Vertriebsmitarbeiter nicht nur hervorragend in ihrem Tätigkeitsbereich sein, sondern gewissermaßen mit einer systemischen Denke ausgestattet sein müssen. Wir investieren daher laufend in unsere Mitarbeiter und werden auch heuer wieder Mitarbeiter einstellen.

BLOGISTIC.NET: Das Jahr 2015 war ein durchwachsenes Jahr für Österreich. Für Sie auch?
Seebacher: Nein, eher nicht. Wir konnten heuer über 20 Prozent zulegen und auch für 2016 weisen die Kurven ziemlich steil nach oben.

BLOGISTIC.NET: Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Seebacher: Wir stellen keine Commodities her, sondern auf Kunden zugeschnittene Lösungen. Hier kommt uns zugute, dass wir ein mittelständisches Unternehmen sind mit kurzen Entscheidungswegen und einer flexiblen Mannschaft, die bereit ist, den entscheidenden Schritt mehr zu tun. Mit dieser haben wir uns teilweise an Projekte gewagt, die andere nicht machen wollten bzw. uns auch nicht zugetraut wurden. Wir wussten jedoch stets, dass wir die Fähigkeiten dazu haben. Deshalb haben wir auch nicht jeden Auftrag angenommen.
Es kommt in diesem Business immer darauf an, dass man seine eigene Leistungsfähigkeit kennt – und manchmal benötigt man auch ein wenig Glück.

BLOGISTIC.NET: Vielen Dank für das tolle Gespräch.

bito.at

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