START-UP – Mit einem Klick zu Smart-Data

Das Hamburger Start-up Cargonexx setzt künstliche Intelligenz ein, um Lkw-Transporte zu analysieren und den Preis für Komplett- und Teilladungen zu bestimmen. Auf einer Online-Plattform können Spediteure und Frachtführer nach Touren oder Ladung suchen und diese mit einem Klick buchen. Dabei will der Service keine Frachtenbörse sein. Warum, das verrät uns Rolf-Dieter Lafrenz, der Gründer des Start-ups. Wir trafen ihn auf dem Österreichischen Logistiktag 2017 des VNL in Linz und besuchten ihn nun in seinem Office in Hamburg.

Nach seinem Besuch auf dem Österreichischen Logistiktag 2017 in Linz sitzt Rolf-Dieter Lafrenz wieder hinter einem großen Schreibtisch in seinem Hamburger Büro. Er wischt und tippt eifrig auf seinem Tablet herum. „Ich komme mit meinen Mails kaum hinterher“, lässt der Jungunternehmer vernehmen und nippt an seinem Kaffee. Wir von blogistic.net haben den eher zurückhaltenden IT-Manager in Linz kennen gelernt und waren mit ihm in ein launiges Gespräch über die Ups & Downs als Start-up gekommen. Der Mann aus Hamburg hat den Österreichischen Logistiktag des VNL besucht, um Kontakte in Österreich zu knüpfen und Erfahrungen in der Alpenrepublik zu sammeln. Und da dürfte er heuer genau zum richtigen Zeitpunkt in Oberösterreich angekommen sein. Setzte doch der größte Logistikkongress Österreichs genau hier wesentliche Akzente, wie auch die Keynote von IT-Guru Mario Herger zur Gala am 26. Juni verriet. Denn seit August 2016 hat er es sich mit seinem Start-up Cargonexx zur Aufgabe gemacht, die Logistikbranche mithilfe künstlicher Intelligenz und einem selbstlernenden Algorithmus ordentlich aufzumischen. Das generiert natürlich Aufmerksamkeit, denn Digitalisierung ist branchenübergreifend in aller Munde. Anfragen von interessierten Spediteuren, neugierigen Journalisten, kooperationswilligen Verbänden oder innovationsgetriebenen Veranstaltern finden fast täglich den Weg in sein Postfach. Alle Fragen beantwortet er selbst.

„Sind keine Frachtenbörse…“
Wenn es um sein Start-up geht, hört Lafrenz den Begriff „Frachtenbörse“ nicht gerne. „In erster Linie, weil wir keine klassische Frachtenbörse sind. Cargonexx ist eine digitale Spedition. Wir sind haftender Spediteur und vermitteln nicht nur Frachten oder Ladekapazitäten“, sagt der Start-up Gründer im Gespräch mit blogistic.net. Der Start der Plattform erfolgte im vergangenen Oktober für Deutschland und inländische Transporte. Doch bereits im Frühjahr 2017 öffnete man sich auch für den polnischen Markt. Seit Mai können auch Frachtführer aus Österreich und Dänemark ihre Touren über Cargonexx buchen. Das dürfte wohl auch der Grund für R. Lafrenz gewesen sein, nach Österreich zu kommen. „Österreich ist das Land der Spediteure“, sagt der Manager im Gespräch mit uns und darum ein großer Schritt für Cargonexx, um ein europaweites Netzwerk zu werden.

Spannende Biographie. Bevor R. Lafrenz sich mit Logistik und künstlicher Intelligenz beschäftigte, arbeitete er als Medienberater. Er ist auch geschäftsführender Gesellschafter bei der Schickler Beratungsgruppe, einer Consulting-Agentur aus Hamburg, die ein eigenes Gründerzentrum betreibt. Cargonexx ist ein Start-up aus diesem unternehmenseigenen Inkubator, gegründet von Lafrenz und seinem Freund und Kollegen Andreas Karanas. Die Mehrheit an Cargonexx halten die beiden Gründer, doch inzwischen haben sich auch schon zahlreiche Privatinvestoren gefunden. „Bei Schickler beraten wir Unternehmen hinsichtlich ihrer Digitalisierungsstrategie. Aber wir wollen die Digitalisierung auch selbst vorantreiben. Deshalb der Start-up-Inkubator und deshalb auch Cargonexx“, erzählt der Unternehmensgründer über seine Ambitionen.

Wir sind keine klassische Frachtenbörse. Cargonexx ist eine digitale Spedition. Wir sind haftender Spediteur und vermitteln nicht nur Frachten oder Ladekapazitäten. Rolf-Dieter Lafrenz, CEO Cargonexx

Logistikdrehscheibe Hamburg
Die Büroräume des Start-ups befinden sich in der Hamburger Innenstadt, genau zwischen Binnenalster und Hafencity, dort wo auch viele Spediteure traditionell ihren Sitz haben. In der Straße gibt es einige Cafés, von der hektischen Geschäftswelt einer Großstadt ist hier nur wenig zu spüren. „Für deutsche Logistiker ist Hamburg immer noch der zentrale Dreh- und Angelpunkt“, sagt Lafrenz. „Auch deshalb haben wir uns entschieden unser Start-up hier anzusiedeln.“ Wer an deutsche Start-ups denkt, der hat wohl zuerst Berlin im Kopf, doch auch in Hamburg floriert die Start-up-Szene. Gerade im Logistikbereich, der sonst eher zögerlich an Innovationen herangeht, finden sich hier einige innovative Unternehmensneugründungen. Daher hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Stadt Hamburg, gemeinsam mit Dortmund, zum Digital Hub für Logistik auserwählt. Ziel ist die bessere Vernetzung von Technologieunternehmen, Wissenschaft und Start-ups innerhalb Deutschlands.

Piranhas der Märkte. Denn Start-ups zählen hierzulande maßgeblich zu den Treibern der Digitalisierung. Und Cargonexx gehört mit zu den Vorreitern der digitalen Transformation in der Logistikbranche. R. Lafrenz engagiert sich daher mit Cargonexx auch in der Logistikinitiative der Hansestadt. Der erfolgreich tätige Medienberater, der erst kürzlich seinen 50sten Geburtstag feierte, erklärt seinen Schritt in die zweite Karriere als Start-up-Gründer: „Ich war einfach davon überzeugt, dass die Prozesse in der Logistik durch digitale Lösungen effizienter gestaltet werden können. Und um seine Ideen umzusetzen, muss man auch etwas riskieren“, sagt er während er sich zurücklehnt. Von seinem Büro aus kann man die eindrucksvolle Hamburger Hafenskyline nicht sehen, kein

Schickes Elbpanorama. Der weite Blick eines Geschäfts-Hochhauses fehlt hier mitten in der Stadt. Doch Weitblick beweist Lafrenz mit seinem Start-up durchaus: „Der Lkw-Transportmarkt in der EU hat ein Umsatzvolumen von 395 Milliarden Euro. Daran wollen wir anknüpfen. Wir sind uns natürlich bewusst, dass es ein schwieriger Weg ist. Viele in der Branche wollen an den bewährten Strukturen festhalten. Wir müssen uns das Vertrauen also erst nach und nach erarbeiten.“

Digitale Problemlöser
Das Thema Digitalisierung wird im Transport- und Logistiksektor tatsächlich noch eher stiefmütterlich behandelt. Der Branchenatlas Digitalisierung hat erst kürzlich herausgefunden, dass nur 18 Prozent der in diesem Bereich tätigen Unternehmen in Deutschland Digitalisierungsstrategien oben auf der Agenda positioniert haben. Doch Cargonexx liefert gute Argumente, um diese Strukturen zu überdenken. So ist rechnerisch jeder dritte Lkw, der auf den deutschen Straßen fährt, leer. Das bedeutet unnötige Kosten für Spediteure, unnötige Wege für Frachtführer, unnötig volle Straßen und unnötige Umweltbelastungen durch Feinstaub und CO2. Leerfahrten sind seit jeher ein zentrales Problem von Lieferketten. Doch wie löst man ein Problem, welches Spediteure schon seit Jahrzehnten beschäftigt? „Das geht nur mithilfe von modernster Technik“, konstatiert Lafrenz. „Unser intelligenter Algorithmus kann für seine Entscheidung eine riesige Datengrundlage heranziehen und die ‚Rechenleistung‘ des menschlichen Gehirns ist nun leider einmal beschränkt.“

Unbegrenzte Leistung. Die Leistung des Cargonexx-Algorithmus ist theoretisch unbegrenzt. In Sekundenbruchteilen kann er Tausende von Transportdaten vergleichen. Informationen zu Verkehrslage, Fracht, Wetter und vielen weiteren Einflussfaktoren bezieht er dabei mit ein. Dahinter steht ein komplexes statistisches System, welches am Ende einen verbindlichen Preis ausgibt, zu dem die Tour von Cargonexx übernommen wird. Der Algorithmus lernt außerdem selbstständig. „Mit jedem gebuchten Transport wird unser Nexx-Algorithmus besser.“

Kein Algorithmus kann den kreativen Prozess eines Menschen ersetzen. Rolf-Dieter Lafrenz, CEO Cargonexx

Machine Learning und Speditionswissen
Mit seinem Geschäftsmodell des „One-Klick-Trucking“ ist Cargonexx in Deutschland derzeit noch recht einzigartig. Kein zweites Unternehmen setzt bisher sogenanntes „machine learning“ zur Transportoptimierung ein. Damit hat es Cargonexx, als einziges Unternehmen der Logistikbranche, auch schon in die Finalrunde des Deutschen Innovationspreises geschafft, der jährlich ausgelobt wird. „Die größte Herausforderung der Digitalisierung ist es, Speditions-Know-how mit innovativen IT-Lösungen in Einklang zu bringen. Analoges Wissen muss digital verknüpft werden, um optimal und effizient genutzt werden zu können“, erklärt der Geschäftsmann. Mit dieser Technologie, also der Kombination aus Big Data und künstlicher Intelligenz gehört Cargonexx bislang zu den erfolgreichsten Plattformen. Laut eigener Aussage hat man bislang über 3.000 Registrierungen auf der Plattform verzeichnet. „Doch auf solchen Zahlen ruhen wir uns nicht aus. Wir optimieren unsere Services stetig und entwickeln neue Angebote, die den Mehrwert für unsere Kunden steigern und uns noch attraktiver machen“, fügt Lafrenz an. Für ausländische Frachtführer wurde die Buchung von Transportaufträgen innerhalb Deutschlands vor kurzem vereinfacht. Diese können nun auch eine Versicherung für Kabotageaufträge abschließen. Cargonexx übernimmt die Kosten dafür. Dadurch entfällt zusätzlicher Verwaltungsaufwand. In der Zukunft stehen auch die Entwicklung einer App und die mögliche Ausdehnung des Angebots auf andere Transportmittel auf der Agenda.

Keine Angst vor der Zukunft
Angst vor einer Zukunft, in der Maschinen den Menschen überflüssig machen, hat Lafrenz aber nicht. „Unser Alltag wird schon heute von Computern bestimmt, denken Sie nur mal an Ihr Smartphone, an Verkehrsleitsysteme oder elektronische Fahrassistenten. Der Mensch wird immer integraler Bestandteil bei der Entwicklung von digitaler Innovation sein. Kein Algorithmus kann den kreativen Prozess eines Menschen ersetzen“, sagt Lafrenz, der in seiner Freizeit selbst kreativ wird. Er schreibt derzeit an seinem eigenen Roman. „Um was es geht, will ich aber noch nicht verraten“, fügt er augenzwinkernd hinzu.

cargonexx.de