KEP-Dienstleister – „Menschen wollen gefragt werden“

Dr. Axel Spörl, Region Manager Austria & Portugal beim KEP-Dienstleister GLS im Gespräch mit BLOGISTIC.NET über die letzte Meile bei der KEP-Zustellung und die Risiken marginalisierter Logistikpreise.

BLOGISTIC.NET: Die KEP-Logistik steht unter Druck, denn einerseits nimmt die Transportleistung der Unternehmen insbesondere durch E-Commerce und Retourenmanagement zu, andererseits verdrängen Städte das Auto aus den Zentren, sodass KEP-Dienstleister zunehmend die Transportleistung für die Nahversorgung übernehmen müssen. Dennoch müssen die Kunden zufrieden gestellt werden. Wie sehen Sie das als KEP-Dienstleister?
Spörl: Ja, die Aktivitäten auf der letzten Meile sind unsere Antworten auf diese Situation. Dabei beschäftigten wir uns mit der Frage, wie man diesen Herausforderungen erfolgreich begegnen kann. Unsere Antwort ist, möglichst schon bei der Erstzustellung einen Auftrag erfolgreich abzuwickeln, um so weitere Fahrten zu vermeiden.

Dr. Axel Spörl
Dr. Axel Spörl

BLOGISTIC.NET: Damit das passiert, müssen organisatorische Maßnahmen ergriffen werden. Oder was muss man sonst machen, damit der erste Zustellversuch auch wirklich erfolgreich ist?
Spörl: Die KEP-Branche macht sich zwar permanent Gedanken darüber, wie die Bedürfnisse der Adressaten auf der letzten Meile befriedigt werden können, doch wir haben die Betroffenen bisher nicht wirklich gefragt. Menschen wollen aber gefragt werden! Unser Ergebnis aus der Befragung, die wir nun durchführen, ist letztlich die Individualisierung der Logistik, denn jeder Adressat hat unterschiedliche Bedürfnisse etwa beim Online-Shopping und will daher auch in der Logistik unterschiedlich behandelt werden. Menschen, die online bestellen, tun dies aus verschiedensten Gründen, um eben nicht mit dem stationären Handel konfrontiert werden zu müssen. Darum kann man auch nicht ein einheitliches Logistikkonzept entwickeln, um dieses dann allen überzustülpen.

BLOGISTIC.NET: Wie kann man sich das bei GLS vorstellen?
Spörl: Wir fragen den Empfänger, was er will. Hierfür haben wir unser System so adaptiert, dass etwa eine Sendung, die auf den Weg gebracht werden soll, beim Empfänger zum Beispiel via E-Mail angekündigt wird.

BLOGISTIC.NET: Das ist doch aber nichts Besonderes. Jeder sendet E-Mails…
Spörl: Richtig! Und genau hier setzen wir an, denn Leute mit hoher Internet-Affinität bekommen auch unendlich viele Mails, sodass das Interesse daran sinkt. Darum ist unsere E-Mail so gestaltet, dass sie Interesse weckt und den Empfänger motiviert, mit GLS in den Dialog zu treten. In den allermeisten Fällen wollen die Empfänger dabei nur wissen, wann denn ihre Lieferung tatsächlich ankommt, damit sie sich darauf einstellen können.

BLOGISTIC.NET: Kann GLS wirklich voraussagen, wann eine Lieferung tatsächlich zugestellt wird? Das stelle ich mir schwierig vor.
Spörl: Und dennoch geht es. Wir haben aus unseren Erfahrungen mit unterschiedlichsten Zustellkonzepten in den letzten Jahren einen Algorithmus entwickelt, der uns den Zustellzeitpunkt in einem relativ engen Zeitfenster ermitteln lässt. Der Empfänger bekommt daher eine E-Mail, dass sein Paket in einem Zeitintervall von beispielsweise zwei Stunden an die gewünschte Adresse geliefert wird. Diese Voraussage ist dabei einerseits nicht nur verlässlich für den Empfänger, sondern auch stressfrei für die Zusteller. Diese werden nämlich gar nicht erst über den Lieferzeitpunkt informiert.

A. Spörl: „Unsere Zustellprognosen sind so genau, dass sie zu rund 95 Prozent der Fälle zutreffen.“ (Foto: RS Media World / Archiv)

BLOGISTIC.NET: Wie genau sind denn Ihre Zustellprognosen?
Spörl: Unsere Zustellprognosen sind damit so genau, dass sie zu rund 95 Prozent der Fälle zutreffen. Und dort, wo sie nicht zutreffen, wird das Zeitfenster maximal um eine Stunde übertroffen. Das passiert dann etwa, wenn sich auf dem Weg zum Adressaten unvorhergesehene Staus gebildet haben, Unfälle passieren o.ä.

BLOGISTIC.NET: Das geht jedoch nur mit einem guten Tourenmanagement…
Spörl: Sie haben recht, Herr Schlobach, das Tourenmanagement und die Tourenplanung sind daher die zentralen Elemente unseres Logistikkonzepts.

BLOGISTIC.NET: Und was ist, wenn der Empfänger zum angegebenen Termin gar nicht anwesend sein kann?
Spörl: In solchen Fällen kann er auf den in der E-Mail mitgesandten Hyperlink klicken und mit uns direkt in Dialog treten, d.h. unter insgesamt sechs Zustelloptionen wählen. So kann er den Liefertag, den Lieferort usw. ändern oder die Lieferung ganz ablehnen. Er kann aber auch angeben, dass er das Ablegen der Lieferung vor der eigenen Haustüre oder einem Nachbarn akzeptiert usw. Man kann auch die Lieferung an einen bestimmten Paketshop wählen, was insbesondere in strukturarmen ländlichen Gebieten eine häufig gewählte Option ist.

BLOGISTIC.NET: Individualisierung bedeutet aber auch letztlich eine Individualisierung der Preise. Ansonsten hat man kaum eine Chance, im KEP-Konzert mitzuhalten.
Spörl: Ja, wir wenden uns damit auch gegen die Marginalisierung der Preise, mit der wir beispielsweise im Online-Geschäft konfrontiert sind. Große Händler bieten unsere Leistungen ab einer bestimmten Einkaufssumme gratis an. Und wenn Zusatzpreise für Logistikleistungen verlangt werden, kommt kaum etwas beim KEP-Dienstleister an. Das geht jedoch stets mit Qualitätseinbußen einher. Wir gehen den umgekehrten Weg und setzen etwa mit unseren sehr individualisierten Logistikleistungen auf Qualität; und Qualität hat ihren Preis. Darum wollen wir auch mit Unternehmen zusammenarbeiten, denen eine gute Paket-Qualität etwas wert ist.

BLOGISTIC.NET: Welche Unternehmen sprechen Sie daher an, wenn es nicht die großen wie Amazon, Zalando & Co sind?
Spörl: Wir arbeiten grundsätzlich mit allen zusammen. Unser Fokus liegt jedoch ganz klar auf Unternehmen, welche eine sehr individuelle Empfänger-Community haben und bei denen es wichtig ist, dass die Logistikkette hundertprozentig funktioniert. Wir adressieren daher Unternehmen aus der Technologiebranche, Healthcare, Nobel-Sportswear bis hin zu Modellbau- Freaks, die ein Hightech-Ersatzteil für ihr Modellflugzeug benötigen. Letztlich bedie¬nen wir alle Branchen, aber der Preis muss stimmen.

BLOGISTIC.NET: Dennoch geht der Trend zur Marginalisierung der Logistikpreise, wie Sie das ja selbst schon angedeutet haben. Insbesondere große Online-Händler tun so, als ob Logistik nichts kosten würde…
Spörl: Darum habe ich äußerste Bedenken bei manchen kurzsichtigen Initiativen einiger großer Versandhäuser, die Kosten der letzten Meile auf ein absolutes Minimum herunter zu fahren. Das ist deswegen kurzsichtig, weil der Kostendruck, der dadurch auf die KEP-Branche ausgeübt wird, zumeist auf dem Rücken der Trans¬portpartner ausgetragen wird. Logistik ist ein People-Business und wenn an den Leuten gespart werden muss, leidet darunter zwangsläufig die Qualität.

BLOGISTIC.NET: Geld bewegt also auch die Logistikwelt der KEP-Dienstleister!?
Spörl: Stimmt! Jedem Auftraggeber muss klar sein, dass es essenziell für eine Logistikkette ist, dass die Zustellprozesse konstant zuverlässig, in gleichbleibender Qualität ablaufen und sich nicht permanent ändern, bloß weil beispielsweise ein Subunternehmer, der Pakete zustellt, in Konkurs geht oder dessen Auto aufgrund Geldmangels nicht repariert werden kann.

BLOGISTIC.NET: Warum ist das so wichtig?
Spörl: Weil es vernünftig ist, ein Logistiksystem oder, wenn Sie so wollen, ein Getriebe für die Wirt¬schaft zu installieren, das jeden Tag gleichmäßig rennt, ohne dass man irgendwelche Sonderlocken einbauen muss. Die muss man gerade in Österreich mit seinen vielen unterschiedlichen topologischen Gegebenheiten sowieso einbauen. Daher muss man das System ja nicht unnötig schwächen, weil man am falschen Platz spart. Nur wenn es gelingt, Gleichmäßigkeit ins System zu bringen, wird es auch einschätzbar. Diese Einschätzung ist jedoch ein wesentlicher Teil für eine hohe Logistik-Qualität. Und darum muss diese auch ihren Preis haben.

BLOGISTIC.NET: Vielen Dank für das Gespräch!

gls-group.eu