In der österreichischen Industrie beherrscht schon seit Jahren der Fachkräftemangel die Diskussion. Dabei ist die Situation vor allem für den Mittelstand mittlerweile wettbewerbsschädigend. Mittelständische Unternehmen wie der Intralogistikspezialist BITO Lagertechnik gelingt es dennoch, Fachkräfte zu rekrutieren und zu halten. Sie setzen dabei auf die Eigenverantwortung und Freiheit ihrer Mitarbeiter.

Ein Bericht von CR Hans-Joachim Schlobach
Industrieunternehmen, die derzeit in Österreich Facharbeiter wie etwa Elektriker, Schweißer, Monteure oder Installateure, aber auch im Bereich der Digitalisierung suchen, haben auch langfristig schlechte Karten. Das sind so ziemlich alle in Österreich und ganz besonders mittelständische Unternehmen. Dabei geht es mittlerweile gar nicht einmal darum, dass vakante Stellen nur verzögert nachbesetzt werden können, sondern die Stellen müssen zur Gänze unbesetzt bleiben. Der Fachkräftemarkt ist leergefegt und hemmt so das Wachstum. Das bedeutet ganz konkret, dass mehr Aufträge wegen des Personalmangels nicht mehr angenommen werden können. Davon sind faktisch alle Branchen betroffen, flächendeckend. Ganz besonders trifft das jedoch die Logistik-Branche.
Fachkräftemangel als Wettbewerbsrisiko
Somit wird die Suche nach geeignetem Personal für Österreichs Mittelstand, aber nicht nur für den, zum ernsthaften Wettbewerbsrisiko. Das bestätigt die Studie „Fachkräftemangel im österreichischen Mittelstand“ von EY aus dem Frühjahr 2019. EY gilt als eine der führenden Prüfungs- und Beratungsorganisationen in Österreich. Für diese Studie wurden österreichweit 900 mittelständische Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeitern befragt.
Positionen bleiben unbesetzt. Die Studie macht Dramatisches in Österreichs Wirtschaft deutlich, denn sie zeigt, dass jedes vierte Unternehmen (24 Prozent) in der Produktion neu geschaffene Arbeitsplätze gänzlich unbesetzt lassen müssen. Im Marketing oder Vertrieb müssen immerhin noch 14 Prozent der Unternehmen Stellen offenlassen und Positionen im Bereich IT/EDV bleiben bei zwölf Prozent der Betriebe unbesetzt. Die Folgen des Mangels sind alarmierend. 69 Prozent der befragten Unternehmen sehen den Fachkräftemangel mittlerweile als Gefahr für die Entwicklung des eigenen Betriebs. Die Situation dürfte sich angesichts schrumpfender Auftragseingänge, die sich bereits abzeichnen, weiter verschärfen, denn Reserven bei Fachkräften sind wichtig, wenn der Wettbewerbsdruck steigt.
Der Fachkräftemangel kostet den Unternehmen viel Umsatz. Das sind genau die Reserven, welche für sich verändernde Marktbedingungen dringend benötigt werden.
Fachkräftemangel als Wettbewersrisiko
Fachkräftemangel kostet Umsatz. Die EY-Studie legt zudem offen, dass der Fachkräftemangel den Unternehmen viel Umsatz kostet. Das sind genau die Reserven, welche für sich verändernde Marktbedingungen dringend benötigt werden. Vier von zehn Unternehmen (40 Prozent) führen lt. Studie mehr als fünf Prozent der eigenen Umsatz- bzw. Wachstumseinbußen auf den Fachkräftemangel zurück. Somit sind sie nicht in der Lage, Reserven für schwierigere Rahmenbedingungen, wie sie sich derzeit weltweit abzeichnen, aufzubauen. Eine Krise wie im Jahr 2008 könnte sich deshalb heute wesentlich dramatischer auswirken als damals.
Fachkräftemangel bremst Zukunftsinvestitionen. Ein Grund dafür ist auch, dass der Fachkräftemangel insbesondere im Bereich IT nicht nur das Wachstum der Unternehmen einbremst, sondern wichtige Zukunftsinvestitionen in Richtung Digitalisierung und Industrie 4.0 verhindert. Das schränkt somit die Wettbewerbsfähigkeit ein, was wiederum weiter Wachstum über längere Zeiträume weiter bremst. Immerhin jedes zehnte Mittelstandsunternehmen (12 Prozent) klagt über fehlende Fachkräfte im Bereich Digitalisierung – das sind drei Prozent mehr als im Vorjahr. Bei der Rekrutierung von Fachkräften tun sich vor kleine Unternehmen sichtlich schwerer als ihre großen Konkurrenten. Kleine Betriebe sind oftmals weniger bekannt, wodurch sie als Arbeitsgeber weniger attraktiv wirken. Ohne geeignetes Personal können viele Unternehmen nicht so stark in Zukunftstechnologien investieren, wie sie gerne würden, so die EY-Analysten.

Regionale Unterschiede. Allerdings zeigt sich ein regionales Gefälle: Während die Situation in den östlichen Bundesländern noch vergleichsweise gut ist, kämpfen der Westen und Süden Österreichs mit den größten Problemen. Am kritischsten ist der Fachkräftemangel momentan bei Unternehmen in Vorarlberg. Dort haben 35 Prozent „große“ und 57 Prozent „eher große“ Probleme. In Oberösterreich sind es 42 Prozent bzw. 48 Prozent und in der Steiermark 32 Prozent bzw. 56 Prozent. Am besten ist die Situation noch in Wien – allerdings klagen im bevölkerungsreichsten Bundesland immer noch 17 Prozent über „große“ und weitere 53 Prozent über „eher große“ Schwierigkeiten bei der Fachkräfterekrutierung.
Bezahlt wird fast alles. Mittelständische Unternehmen wie das im Bereich der Lager- und Kommissioniertechnik international operierende Industrieunternehmen BITO-Lagertechnik mit Niederlassung in Asten, sind also voll mit der in der Studie beschriebenen Situation konfrontiert. BITO entwickelt, fertigt und vermarktet Regal-, Behälter-, Kommissionier- und Transportsysteme und ist damit einer der wenigen Anbieter für Komplett-Lösungen der Branche. Seit seiner Gründung im Jahr 2011 expandiert BITO Österreich dabei stetig und sucht seither laufend nach Fachkräften. „Doch in den letzten Jahren ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt dramatisch geworden. Insbesondere im Industrieland Oberösterreich ist der Markt leergefegt“, sagt Roland Seebacher, Geschäftsführer BITO Lagertechnik Austria. Er sucht vor allem Personen für den Vertrieb und die IT, aber auch Elektriker, Monteure usw. R. Seebacher sieht dabei sein Unternehmen, wie viele Mittelständler auch, gleich von zwei Seiten unter Druck: zum einen kundenseitig, denn diese erwarten zurecht zeitgenau Top-Leistungen für ihr Investment. Zum anderen üben Großunternehmen enormen Druck auf den Arbeitsmarkt aus. Diese sind aufgrund der Situation bereit, auf nahezu sämtliche Forderungen der suchenden Fachkraft einzugehen. „Da müssen wir nicht selten schlichtweg passen“, so R. Seebacher im Gespräch mit BUSINESS+LOGISTIC.
Mit Geduld und Engagement

Trotz der scharfen Wettbewerbssituation am Arbeitsmarkt gelingt es R. Seebacher und seinem Team dennoch, gute Mitarbeiter zu rekrutieren. Dabei seien es vor allem Fachkräfte, für die nicht alleine die Bezahlung der Ausschlag für die Annahme eines Jobs ist, weiß der sympathische Manager. Diese suchen beispielsweise einen Arbeitgeber, der ihre Eigenverantwortung unterstützt und fördert. Auch sollte die Work-Life-Balance stimmen, d.h. das Privatleben und das Arbeitsleben müssen gut miteinander vereinbar sein. Und, last but not least, wünschen sich nicht wenige ein gutes, nahezu familiäres Betriebsklima, in dem man sich gegenseitig unterstützt.
Eigenverantwortung und Respekt. „Das alles bieten wir bei BITO in Asten“, sagt R. Seebauer im Gespräch. Das Unternehmen ist ein typischer Mittelständler aus der Intralogistik-Branche. Wer hier einmal angefangen hat, bleibt für lange Zeit. Die Fluktuation ist sehr gering. Nahezu alle, die vor acht Jahren und danach in Asten begonnen haben, sind noch mit an Bord. „Wir sind wie eine Familie, deren Mitglieder füreinander einstehen“, bekräftigt R. Seebacher im Gespräch. Das dürfte auch an ihm persönlich liegen. Er ist ein Freund flacher Hierarchieebenen und dem Gespräch auf Augenhöhe. Er setzt auf die Eigenverantwortung der Mitarbeiter und gibt ihnen daher große Freiräume, ihre Projekte voran zu treiben. Dabei ist für den ruhigen Manager der respektvolle Umgang im Team ein entscheidendes Element für den Erfolg.
Wir sind wie eine Familie, deren Mitglieder füreinander einstehen.
Roland Seebacher, Geschäftsführer BITO Lagertechnik Austria
175 Jahre Tradition. Damit sieht sich BITO in Asten ganz in der knapp 175-jährigen Tradition ihrer deutschen Muttergesellschaft BITO-Lagertechnik Bittman, Meisenheim. „BITO“ steht für „Bittmann Oberstein“, dem Gründungsort des von Familie Bittmann 1845 gegründeten Familienunternehmens. Der Lagertechnik-Spezialist hat mittlerweile über 1.000 Mitarbeiter. Zur Unternehmenskultur gehören Werte wie etwa „Gegenseitige Wertschätzung und familiärer Zusammenhalt“, Zukunftsorientiert und langfristiges Denken“, „Soziale Verantwortung und Hilfsbereitschaft“, Regionale Verbundenheit und bodenständiges Interagieren“ sowie „Innovationsfreude und lösungsorientiertes Handeln“. Diese Werte haben einen großen Anteil daran, dass das Unternehmen sich über die Jahre zu einem stark wachsenden, internationalen Hersteller und Arbeitgeber entwickelt hat und sich als erfolgreiche Marke etablieren konnte.
Manko Bekanntheit. „Wir bieten die Vorteile eines Mittelstandsbetriebes. Bei uns bleibt der Mensch schlichtweg Mensch, mit all seinen positiven Seiten und Schwächen und mutiert nicht zur Zahl und zum Kostenfaktor, wie das oft in Großbetrieben der Fall ist“, beschreibt R. Seebacher das Klima in seinem Unternehmen und weiter: „Unser Manko ist nur, dass BITO zwar in der Logsitikszene einen sehr guten Namen hat, bei den meisten Arbeitssuchenden aber kaum auf dem Radar ist.“ – Dieses Schicksal teilt der Mittelständler mit vielen anderen Mittelständlern.
Die Zukunft gehört dem Mittelstand

Trotz der scharfen Wettbewerbssituation
im Bereich der Fachkräfte sieht sich R. Seebacher und sein Unternehmen dennoch
gut gerüstet. Die Auftragsbücher sind weit über das Jahr 2020 voll und das
Unternehmen punktet, neben seinen Regal-
und Behältersystemen auch mit Innovationen wie dem fahrerlosen
Behältertransporter LEO Locative. Dabei handelt es sich um
ein fahrerloses Transportsystem, das einfache Transportaufgaben beispielsweise
zwischen Lager und Produktion erledigen kann. Der Clou an dem System ist
jedoch, dass es faktisch ohne fremde Hilfe sehr rasch dort aufgebaut und
implementiert werden kann, wo es gerade notwendig ist. Es funktioniert
ohne W-Lan und IT und muss nicht an übergeordnete Warehouse-Management-Systeme
(WMS) angedockt werden.
Leo Locative ist eine einfache aber wirkungsvolle Technologie, die dem Fachkräftestau im Unternehmen entgegen wirkt.
Roland Seebacher, Geschäftsführer BITO Lagertechnik Austria
Unterstützung des Anwenders. Dadurch ist das System äußerst flexibel und kostengünstig einsetzbar und unterstützt den Anwender im Lager und der Produktion. Gleichzeitig können Mitarbeiter, die vorher diese einfachen Transportaufgaben erledigen mussten, entlastet und anderen Aufgaben im Unternehmen zugeführt werden. „Diese einfache aber wirkungsvolle Technologie wirkt so dem Fachkräftestau im Unternehmen entgegen“, freut sich R. Seebacher.
Der BITO CAMPUS. Aber auch sonst blickt er im Hinblick auf die Rekrutierung neuer Mitarbeiter optimistisch entgegen. Seit 2017 betreiben die Intralogistikspezialisten in einmaliger Atmosphäre des modern umgebauten, ehrwürdigen, denkmalgeschützten Gebäudes der ehemaligen Volksschule in Meisenheim das Gründungszentrum BITO CAMPUS. Hier finden Startups nicht nur Raum für sich und die Verwirklichung ihrer Ideen. Der Campus möchte den Gründern einen Mehrwert bieten, in dem Wachstum mit Verbundenheit verknüpft und die Erfahrungen und das Know-how eines traditionellen Unternehmens auf die Gründer übertragen wird. Gleichzeitig profitiert man genauso von den Startups und ihren Ideen.
Die Welt des IoT. Für Österreich hat das der Campus mittlerweile größere Bedeutung. So sind die Meisenheimer über die BITO CAMPUS GmbH im September 2019 Teilhaber von TeDaLoS geworden, einem Spezialisten für autonome Sensorik im Lager. Die Kooperation hat das Ziel, mit vereintem Know-How mobile und autonome Systeme für die Material- und Bestandsüberwachung mittels Internet der Dinge anzubieten. Gemeinsam will man künftig den Markt für Bestandsüberwachung mittels Internet of Things bedienen können, der gesamt bis zum Jahr 2025 rund 300 Milliarden US-Dollar schwer sein wird. Aus der daraus weiter wachsenden Bekanntschaft von BITO dürfte also auch das Recruting leichter fallen.