Die Diskussion um Arbeitszeitflexibilisierungen beherrscht derzeit die Gemüter. Dabei geht es um viel mehr als das. Durch Industrie 4.0 und die Digitalisierung werden sich nicht einfach nur Arbeitsplätze ein bisschen wandeln, sondern es werden ganze Berufsgruppen und ihre Arbeitsplätze von der Bildfläche verschwinden und durch neue ersetzt. Arbeit 4.0: Eine Herausforderung, die nicht nur Unternehmen auf den Prüfstand stellt, sondern auch ihre Interessensvertretungen und sämtliche Bildungssysteme, auch das in Österreich. (Ein Bericht von Hans-Joachim Schlobach)
Derzeit beherrscht das Thema „12/60“, also der 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche die Schlagzeilen und Gemüter der Wirtschaft und der Beschäftigten in Österreich.
Während es den Vertretern der Industrie dabei vornehmlich um die Flexibilisierung der Arbeitszeit geht, sehen Vertreter der Arbeitnehmerseite darin hingegen einen Angriff auf wohlerworbene, sprich: erstrittene Arbeitnehmerrechte. Dabei stehen sich die Konfliktparteien nahezu unversöhnlich gegenüber.
Establishment in der Sackgasse. Doch dürfte die Diskussion um 12/60 vor dem Hintergrund der vierten industriellen Revolution (Industrie 4.0) und der Digitalisierung in eine Sackgasse führen. Beide Konfliktparteien, angeführt von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer (WKO) auf der Arbeitgeberseite und Arbeiterkammer (AK) und Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB) auf der Seite der Arbeitnehmer, gehen nämlich in ihrer bis zur Unsachlichkeit geführten Diskussion davon aus, dass es in der mittelbaren Zukunft weiterhin hauptsächlich fixe Arbeitsplätze mit geregelten Arbeitszeiten geben wird.
Arbeitskonflikte wie der um 12/60 verdeutlichen, dass die Zukunft mit Industrie 4.0 noch einige Arbeitskonflikte bereit hält.
Arbeit 4.0: Kein Stein bleibt auf dem anderen
Die Konfliktparteien stecken also in einer argumentative Sackgasse, aus der sie einerseits nur schwer wieder hinaus kommen und die andererseits verdeutlicht, dass die Zukunft noch häufiger Arbeitskonflikte bereithält. Es sind die Vorboten härter werdender, arbeitspolitischer Auseinandersetzungen, welche mit Industrie 4.0 zu erwarten sind. Es zeichnet sich nämlich schon heute ab, dass sämtliche Vorstellungen des Wirtschaftens auf dem Prüfstand stehen und einige davon im Orkus der Geschichte landen. Industrie 4.0 und die Digitalisierung revolutionieren in der Tat sämtliche Geschäftsmodelle, Produktions- und Arbeitsprozesse und damit auch Arbeitszeit- und Lohnmodelle, sowie Organisationsstrukturen mit ihren Hierarchieebenen, die seit dem Anfang der Industrialisierung nahezu unverändert existieren. Und mit ihnen dürften sich auch die tradierten Interessensvertretungen verabschieden, es sei denn, sie schaffen den Spagat zwischen den etablierten Wirtschaftsstrukturen von heute und der Zukunft. Von dieser weiß allerdings niemand, wie sie aussieht. Was man nur weiß, ist, dass alles anders wird. Sie werden daher sehr wahrscheinlich von neuen Organisationen abgelöst – oder auch nicht. Für Österreich beendet Industrie 4.0 somit in naher Zukunft auch die Sozialpartnerschaft, wie sie sich in mehr als sieben Jahrzehnten bis heute entwickelt hat.
Für Österreich beendet Industrie 4.0 somit in naher Zukunft auch die Sozialpartnerschaft, wie sie sich in mehr als sieben Jahrzehnten bis heute entwickelt hat.
Arbeitswelt im Wandel. Wie sehr die Arbeitswelt im Wandel ist, das zeigt eine Studie des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte in der aus dem Jahr 2016. Die Studie betrachtet zwar nur die Schweiz, doch dürften sich die Ergebnisse für die Eidgenossen durchaus auch auf Österreich oder Deutschland übertragbar sein. Demnach werden fixe Arbeitsverhältnisse in naher Zukunft zur Minderheit gehören. Mobile Freelancer, die projektweise Aufträge annehmen, werden hingegen künftig das Gros der Beschäftigten ausmachen. Mit anderen Worten: Nicht Arbeitnehmer werden vor allem wissensbasierte Tätigkeiten in Unternehmen ausüben, sondern EPU, welche ihr Know-how verschiedensten und nicht nur einem Unternehmen anbieten. Das Prinzip des Teilens wird zum Leitmotiv und „Sharing Economy“ ist das Stichwort, welches hier immer wieder fällt. Dabei gewinnt das Spezialistentum, welches zu einer Differenzierung der Wirtschaft führt.
Alles jederzeit und überall verfügbar. Einen Grund dafür sieht die Studie darin, dass durch die Digitalisierung und mobile Internetnutzung sowohl Güter als auch Dienstleistungen rund um den Erdball jederzeit auf Abruf verfügbar geworden sind. Und das hat die klassische Rolle von Unternehmen schon jetzt völlig verändert, so die Message.
Durch die Digitalisierung und mobile Internetnutzung sind sowohl Güter als auch Dienstleistungen rund um den Erdball jederzeit auf Abruf verfügbar.
25 Prozent Freelancer. Die Folgen der Entwicklung für die Schweiz listet die Deloitte-Studie auf: In einer repräsentativen Umfrage von 2015 gaben 55 Prozent der Schweizer an, Güter oder Dienstleistungen über Onlineplattformen zu mieten oder zu vermieten. Und jeder vierte Schweizer geht einer Freelancer-Tätigkeit nach. Das Leistungsspektrum reicht hier von der Transport-, Finanz- und Gastronomiebranche weit in den Dienstleistungssektor hinein. Das Freelancder-Portal Upwork vermittelte 2015 in der Schweiz rund zehn Millionen Freelancer an vier Millionen Nachfrager. Das Spektrum der vermittelten Jobs reicht dabei von Administration, Datenrecherche, Design, Produktmanagement und Übersetzung bis hin zu Finanz- und Rechtsberatung. Diese Form von flexibler, projektbasierter Arbeit wird auch häufig als Gig Economy oder On-Demand Economy bezeichnet.
Selbstbestimmtheit zählt. Dabei widerspricht die Studie den Befürchtungen etwa von Arbeitnehmervertretungen, dass damit der Ausbeutung von Beschäftigten Tür und Tor geöffnet sei. Zwar fallen Freelancer nichtunter den gültigen Arbeitsschutz wie Kündigungsschutz oder Sozialversicherungsbeiträge, dafür bedeutet dieses Microunternehmertum mehr Flexibilität, Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit.
Unternehmen, welche auf solche Freelancer zurückgreifen, können mit Ihnen situationselastisch auf Marktveränderungen reagieren, ohne gleich die Fixkosten erhöhen zu müssen.
Flexibilität ist Trumpf. Unternehmen, welche auf solche Freelancer zurückgreifen, können mit Ihnen situationselastisch auf Marktveränderungen reagieren, ohne gleich die Fixkosten erhöhen zu müssen. Gerade für Startups können Freelancer Vorteile gerieren, weil sie häufig nur für eine kurze Zeitperiode spezialisierte Hilfe benötigen. Und für KMU bietet sich dadurch die Chance, zusätzliches Knowhow kostengünstig einzubinden und gegenüber Großkonzernen wettbewerbsfähig zu werden.
Arbeit 4.0: Der Arbeitsplatz der Zukunft
Fix angestellte Arbeitnehmer werden freilich nicht völlig vom Markt verschwinden. Doch wandelt sich deren Arbeitsumfeld radikal. Der Arbeitnehmer der neuesten Gegenwart und Zukunft ist mobil und ortsungebunden. Und es ist nicht einmal sicher, dass er seinen Arbeitsplatz direkt im Unternehmen hat, das ihn beschäftigt. Der Trend zum „Home Office“, „Shared Office“ und „Coworking“ nimmt Fahrt auf. Darunter versteht man Arbeitsplätze, die entweder beim Beschäftigten zu Hause sind oder in Unternehmensgemeinschaften geteilt oder vom Arbeitnehmer Stunden- oder Tageweise im Rahmen eines Projektes genutzt werden. Gerade für viele fix Angestellte, Freelancer und KMU sind solche Office-Modelle, attraktive Alternativen zum fixen Büroarbeitsplatz im Unternehmen. Das belegt auch die Deloitte-Studie von 2016. Demnach arbeiten 28 Prozent der Schweizer mindestens einen halben Tag pro Woche von zu Hause aus und 85 Prozent davon wollen lieber mehrere Tage im Home Office verbringen. Von den übrigen 72 Prozent möchten 29 Prozent gerne mindestens einen Tag im Home Office arbeiten. Zwar spielen Shared Office und Coworking in der Schweiz noch eine sehr untergeordnete Rolle, doch entwickelt sich der Bedarf danach rasant. Dabei sind Freelancer und KMU die treibende Kraft.
Die Fachkraft der Zukunft
Die Arbeitswelt in Industrie, Handel und Dienstleistungssektor befindet sich durch die Digitalisierung also in einem völligen Umbruch, denn Industrie 4.0-Technologien und -Anwendungen werden zunehmend Berufsalltag und verändern die Tätigkeitsprofile der Arbeitnehmer permanent. Gleichzeitig entwickeln sich Industrienationen wie Deutschland, Österreich oder die Schweiz von der Agrar- und Industriegesellschaften zur Dienstleistungsgesellschaften. Darum kommt wissensbasierten Berufen eine immer größere Bedeutung zu. Damit sind Berufe gemeint, bei denen es um Wissens- und Kopfarbeit geht und um kreative Problemlösungen geht.
Standardisierbare Jobs verschwinden. Daher stehen bei Arbeit 4.0 vor allem die Tätigkeitsfelder in Unternehmen und Berufe auf dem Prüfstand, in denen routinemäßige Probleme durch lineares Denken gelöst werden können und somit ein hohes Maß an Standardisierbarkeit aufweisen. Darunter fallen jedoch bei weitem nicht nur Hilfstätigkeiten in der Produktion, wie etwa Gabelstaplerfahrer oder Lagermitarbeiter. Betroffen sind gleichermaßen auch Bereiche der mittleren Management-Ebene. Die Bandbreite reicht hier von der Buchhaltung über die Disposition bis hinauf ins Controlling. Und selbst Dienstleistungsberufe wie Steuerberater, Versicherungsvertreter und Rechtsanwälte werden künftig immer weniger gebraucht werden.
Sich verändernde Tätigkeitsprofile, das Entstehen neuer Berufe, der Rückgang manuell schwerer Tätigkeiten und der steigende Einsatz virtueller Technologien führen jedoch zu neuen Herausforderungen im Bildungsbereich.
Universalschlüssel „Qualifikation“
Sich verändernde Tätigkeitsprofile, das Entstehen neuer Berufe, der Rückgang manuell schwerer Tätigkeiten und der steigende Einsatz virtueller Technologien führen jedoch zu neuen Herausforderungen im Bildungsbereich. Dabei ist es heute kaum abschätzbar, welche Kompetenzen in einigen Jahren benötigt werden. Umso schwieriger ist es, entsprechende Inhalte zu finden, welche Bildungseinrichtungen brauchen, um ihr Lehr- und Lernangebot auf diese Trends ausrichten zu können. Bekannt ist lediglich: „Qualifikation ist der Universalschlüssel für die Arbeitswelt der Zukunft. Wer über die passenden Fähigkeiten und Kompetenzen verfügt, dem stehen viele Möglichkeiten offen. In Zukunft wird daher neben formalem Lernen auch informeller Wissenserwerb und dessen Anerkennung wichtiger“, so Roland Sommer, Geschäftsführer der Plattform Industrie 4.0 Österreich, in einer Presseaussendung.
Industrie 4.0 Österreich. Die Plattform „Industrie 4.0 Österreich“ wurde 2015 als Initiative des österreichischen Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie sowie von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden gegründet. Diese erarbeiten gemeinsam mit Mitgliedern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Interessenvertretungen in spezifischen Expertengruppen unterschiedliche Strategien zur nachhaltigen und erfolgreichen Umsetzung der Digitalisierung. Ziel ist es, die technologischen Entwicklungen und Innovationen durch die Digitalisierung bestmöglich und sozialverträglich für Unternehmen, Beschäftigte und die Gesellschaft in Österreich zu nutzen. Der Verein Industrie 4.0 Österreich soll dabei eine wichtige Rolle in der nationalen und internationalen Koordinierung, Strategiefindung und Informationsbereitstellung ein.
Spezialisierte Universalisten. R. Sommer weist zu Recht darauf hin, dass im Zuge von Arbeit 4.0 die Entwicklung der Anforderungsprofile am Arbeitsmarkt rasant verläuft. In manchen Branchen, wie etwa in der Automobilindustrie, erfolgt sie mitunter chaotisch. Fakt ist: Heute kann keiner genau sagen, welche Kompetenzen morgen notwendig sind, um einer geregelten Tätigkeit nachgehen zu können. Die Expertengruppe „Qualifikationen und Kompetenzen“, die im Rahmen der Plattform „Industrie 4.0 Österreich“ eingerichtet wurde, hat dennoch einen Blick in die Glaskugel gewagt und zumindest ein Ergebnispapier entwickelt, welches die Rahmenbedingungen der Arbeit und die maßgeblichen Kompetenzen von morgen aufzeichnet. Dabei wurden immerhin mehr als 80 Empfehlungen ausgearbeitet, die dazu beitragen sollen, Österreich digitalisierungs- und Industrie 4.0-fit zu machen. Dabei will sich dieses Papier an die Politik, an Bildungsträger und die Wirtschaft gleichermaßen richten. Die Expertengruppe wurde eingerichtet, um Empfehlungen für den Bildungsbereich zu erarbeiten und relevante Akteure zu vernetzen.
Alle gefordert. „Um für die Reise in die berufliche Zukunft gewappnet zu sein, sollten zahlreiche Fähigkeiten, die eben auch über die rein fachlichen Kompetenzen hinausgehen, in den Rucksack der Beschäftigten von morgen gepackt werden. Damit das für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer möglich ist, müssen alle an einem Strang ziehen: die Betriebe durch passende Weiterbildungsmaßnahmen, die Politik durch die richtigen Rahmenbedingungen und sie selbst durch Lernbereitschaft“, stellt Ilse Leidl-Krapfenbauer, Arbeitsmarktexpertin der AK-Wien, fest. Sie ist auch federführend an der Erstellung des Ergebnispapiers beteiligt gewesen. Gemeint sind dabei sowohl spezifische Fachkompetenzen, Querkompetenzen und überfachliche Kompetenzen.
Um für die Reise in die berufliche Zukunft gewappnet zu sein, sollten zahlreiche Fähigkeiten, die eben auch über die rein fachlichen Kompetenzen hinausgehen, in den Rucksack der Beschäftigten von morgen gepackt werden. Ilse Leidl-Krapfenbauer, Arbeitsmarktexpertin der AK-Wien
Fachkompetenzen. Fachkompetenzen sind hierbei freilich von den jeweiligen Branchen und den beruflichen Tätigkeitsprofilen abhängig. So sind im administrativen Bereich andere Kenntnisse gefragt als in der Produktion, im Handel andere als in der Industrie. Grundlage für den Erwerb dieser Kompetenzen bleibt nach wie vor eine fundierte fachliche Ausbildung. Es wird aber in Zukunft nicht ausreichen. Die Soziologin Sabine Pfeiffer hat daher im Rahmen der Expertengruppe fünf zentrale und wichtiger werdende Bereiche herausgearbeitet, die sich zumeist auf einer soliden technischen Grundbildung aufbauen. Im Zentrum stehen hier etwa Mobile Devices und das Web 2.0, das Internet der Dinge und cyber-physikalische Systeme, additive Produktionsverfahren wie etwa der 3D-Druck, Robotik und Kenntnisse im Bereich von Wearables. Dazu zählen beispielsweise Datenbrillen.
Querkompetenzen. Gleichzeitig werden Querkompetenzen für alle Berufe immer wichtiger, so die Expertengruppe. Dazu zählt zum Beispiel das Wissen in den Bereichen Datenschutz & Privacy, der Umgang mit großen Datenmengen („Big Data“), die Bereitschaft und das Know-how zur interdisziplinären Zusammenarbeit und die Gestaltung von Innovationen bzw. Kreativität.
Überfachliche Kompetenzen. Unternehmen nennen zu weiteren Kompetenzanforderungen vielfach Kenntnisse, die unter den überfachlichen Kompetenzen einzuordnen sind. Das zeigen diverse Studien, auf die sich die Experten von „Industrie 4.0 Österreich“ berufen. So besteht ein hoher Bedarf an Prozessverständnis und dem Wissen über betriebliche sowie überfachliche Zusammenhänge. Ebenso seien Problemlösungskompetenzen, Kommunikation, Kooperationsbereitschaft und Kreativität als sehr wichtige Kompetenzen genannt. Dazu kommen auch gute Deutschkenntnisse und Fremdsprachenkenntnisse sowie interkulturelle Kompetenzen, geht aus dem Expertenpapier hervor.
Es besteht ein hoher Bedarf an Prozessverständnis und dem Wissen über betriebliche sowie überfachliche Zusammenhänge. Ebenso sind Problemlösungskompetenzen, Kommunikation, Kooperationsbereitschaft und Kreativität gefragt.
Weitere Kompetenzanforderungen am Arbeitsplatz. Durch die zunehmende Vielfalt in der Produktion – beispielsweise können mehrere tausend Produktvarianten an einer Fertigungslinie produziert werden – gewinnen digitale Assistenzsysteme wie Datenbrillen oder Pick-by-Light-Systeme an Bedeutung. Diese unterstützen die Produktionsmitarbeiter bei der Montage der Produkte. Gleichzeitig steigen die Kompetenzanforderungen durch neue digitale Technologien am Arbeitsplatz.
Dezentralisierung der Arbeit. Die Digitalisierung bringt in Unternehmen darüber hinaus verstärkt ein dezentrales Arbeiten mit sich. So finden Tätigkeiten oft in abteilungsübergreifenden Teams statt. Das bedeutet, dass Entscheidungen öfter dezentral getroffen werden und die Verantwortung somit auf niedrigere Hierarchieebenen wandert. Dadurch werden die sogenannten „überfachlichen Kompetenzen“ wie interkulturelle Kompetenzen, Selbstorganisation oder Kreativität immer stärker benötigt.
Sicherheit der Daten. Nicht zuletzt die Datenschutz-Grundverordnung, die Ende Mai europaweit in Kraft getreten ist, hat für den Umgang mit Daten sensibilisiert. Die Datensicherheit wird in Zukunft eine zentrale Rolle spielen: Unternehmen müssen ihre in diesem Bereich getroffenen Maßnahmen ständig überprüfen – egal ob technischer Natur wie Firewall und Verschlüsselungen oder organisatorischer Natur wie Zugangs- und Zugriffskontrollen. Der Datenschutz wird damit für alle MitarbeiterInnen, die mit Daten zu tun haben, ein äußerst wichtiges Thema, in dem sie regelmäßig geschult werden müssen.
Neuorientierung des Bildungssystem notwendig
Die Kompetenzen für Arbeit 4.0 müssen die Bildungssysteme der industrialisierten Welt, und natürlich auch das österreichische, bei den Menschen entwickeln, von der Basis bis zu Fortbildungseinrichtungen.
Starre Strukturen. Doch schon die Situation alleine in den österreichischen Schulen lässt berechtigte Zweifel aufkommen, ob damit überhaupt die Grundlagen für die geforderten Kompetenzen entwickelt werden können, von einer Ausbildung der Kompetenzen ganz zu schweigen. Und damit ist es fraglich, ob hier die Arbeitskräfte der Zukunft entstehen. Starre Strukturen und eine extrem frühe Festlegung im Grundschulalter für weiterführende Schulen, fixieren berufliche Karrieren bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem niemand tragfähige Aussagen über Fähigkeiten und Kompetenzen eines Kindes machen kann. Das starre Festhalten der Politik an einer überkommenen Schulstruktur mit Grundschule, Hauptschule/Mittelschule und Gymnasium, die faktisch aus der der Zeit Maria Theresias stammt, dürfte kaum dazu geeignet sein, die im Ergebnispapier aufgeführten Kompetenzen der Zukunft zu entwickeln. Zu sehr ist dieses Schulkonzept an der Reproduktion von Lehrstoff orientiert und nicht an der Ausbildung von Kompetenzen.
Katastrophale Lehrsituation. Hinzu kommt die mitunter sehr schlechte Ausstattung der Schulen mit geeigneten Materialien. Auch Lehrpläne und Lehrinhalte sind kaum geeignet, die geforderten Kompetenzen, inkl.usive digitaler Kompetenzen und Medienkompetenzen bei Schülern zu entwickeln. Und last but not least sind die mangelnde Ausstattung mit Lehrpersonal, zu große Schüleranzahl in den Klassen und die Überfrachtung der Lehrenden mit Administrationsaufgaben sowie die katastrophale Arbeitsplatzsituation der Lehrer nicht geeignet, Österreichs Schüler Zukunftsfit zu machen. Kein Arbeitsinspektorat würde in der freien Wirtschaft so schlecht ausgestattete Arbeitsplätze auf engstem Raum akzeptieren und dem Unternehmen saftige Pönalen aufbrummen. Der Staat stellt also viel zu wenig Mittel zur Verfügung, um die Gesellschaft fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen.
Neuorientierung gefordert. Darum fordert auch die Expertengruppe von „Industrie 4.0 Österreich“ eine Neuorientierung des gesamten Ausbildungswesens. Dabei geht man davon aus, dass Kompetenzen nur selbst erworben werden, während Lehrpersonen die Fähigkeit bekommen müssen, einen geeigneten Rahmen dafür zu schaffen. Gefragt sei ein inhalts- und zielgruppengerechtes didaktisches Konzept. Der verstärkte Einsatz von Projektarbeiten, Fallstudien und der spielerischen Aufbereitung von Arbeitsaufgaben („Gamification“) sowie neue Unterrichtsmethoden wie „flipped classroom“ oder peer learning können dabei unterstützen.
Moderne pädagogische Ansätze. Aber auch offene pädagogische Methoden wie die von Maria Montessori könnten den Anforderungen des Kompetenzerwerbs förderlich sein. Dieses Bildungskonzept deckt, anders als das tradierte Konzept, die Zeitspanne vom Kleinkind bis zum jungen Erwachsenen ab. Es beruht auf dem Bild des Kindes als „Baumeister seines Selbst“ und verwendet deshalb die Form des offenen Unterrichts und der Freiarbeit. Als Grundgedanke der Montessoripädagogik gilt die Aufforderung „Hilf mir, es selbst zu tun“. Sie ist darauf ausgerichtet, bei den Heranwachsenden unterschiedlichste Kompetenzen zu entwickeln, damit sie eigenverantwortlich in unterschiedlichen Kontexten handeln und ihr Wissen kreativ einsetzen können.
Lebenslanges Lernen. Genau das ermittelt die Expertengruppe als Wesentlich für ein Bestehen und Vorankommen im Berufsleben. Wichtig sei nicht mehr nur eine Ausbildung zu absolvieren, sondern sich auch weiter zu entwickeln und weiterzubilden. „Ein lebenslanges und lebensbegleitendes Lernen auf allen Ebenen, d.h. beginnend in der Schule bis hin zum Beruf oder außerhalb eines Berufs, wird immer stärker zu einer Notwendigkeit. Hier braucht es auch entsprechende Rahmenbedingungen“, heißt es im Ergebnispapier.
Politik muss handeln
Im Rahemn von Arbeit 4.0 wird es daher eine große Herausforderung für den Industriestaat sein, einen Brückenschlag zwischen den Anforderungen und Bedarfen des Arbeitsmarktes und den Ausbildungen und Talenten von Menschen zu ermöglichen, die sich in Ausbildung, Beschäftigung, aber auch in Arbeitslosigkeit befinden. Ob diese Herausforderungen gemeistert werden, hängt jedoch auch von der Politik ab, welche die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen muss. Dass dies enormer Investitionen bedarf, ist logisch. Da zumindest in Österreich der Sparstift regiert, ist es jedoch fraglich, ob diese Rahmenbedingungen in der laufenden Legislaturperiode geschaffen werden.