Industrie 4.0 und die Digitalisierung sind zwar Chefsache, Österreichs Lieferketten sind jedoch offenbar noch lange nicht bereit dafür. Jedem zweiten Unternehmen fehlt nämlich ein Masterplan für die Digitalisierung. Zu diesem dramatischen Ergebnis kam die jüngste Studie „Supply Chain 4.0“ der Technischen Universität Wien.
Wie weit sind Österreichs produzieren de Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Prozesskette? Dieser Frage ging ein Team der TU Wien in seiner Studie „Supply Chain 4.0“ auf den Grund. Die teilweise verblüffenden Ergebnisse der Untersuchungen, die kürzlich im Rahmen der Melzer-Eventreihe „Chefsache Industrie 4.0“ im Technologiezentrum Aspern IQ in Wien vorgestellt wurden, zeigen, dass es vielen Betrieben an einer Sache noch besonders fehlt: dem Masterplan für Digitalisierung. „Obwohl durchschnittlich 86 Prozent der befragten Unternehmen ihre IT-Budgets erhöht haben, hat nur etwa die Hälfte davon einen konkreten Digitalisierungsplan. Das heißt, dass viele Unternehmen scheinbar planlos in ihre IT investieren“, fasst Friedrich Bleicher, Institutsvorstand an der TU Wien für Fertigungstechnik und Hochleistungslasertechnik, die Ergebnisse der Studie zusammen. Daraus kann man schließen, dass im Prinzip jedem zweiten Betrieb eine gesamtheitliche Digitalisierungsstrategie fehlt.
Unternehmen verschlossen
Ein weiteres Hauptproblem ortet F. Bleicher außerdem in der mangelnden Bereitschaft, vor allem Prozess- und Maschinendaten mit anliefernden Unternehmen zu teilen. Diese Daten stellen jedoch eine Grundlage für Ansätze wie Predictive Analytics und somit einer optimalen Lieferkette dar. Besonders KMU – welche in der Praxis oftmals als Zulieferbetriebe für Großunternehmen agieren – nutzen industrielle Informationssysteme (wie etwa ERPs) nur kaum oder ineffektiv: Trotz der Tatsache, dass derartige Programme schon seit 20 bis 30 Jahren existieren, verwenden beispielsweise aktuell noch 40 Prozent der an der Studie teilnehmenden Unternehmen Microsoft Excel für ihre Absatzplanung. Insgesamt orten die Studienleiter dementsprechend einen relativ großen Aufolbedarf in Sachen gezieltem Investment in IT-Infrastruktur sowie Integration der Lieferanten in die Prozessketten.
Bewusstsein da, Aktion fehlt. „Obwohl das Bewusstsein für die Relevanz einer digitalen Lieferkette bei der Mehrheit der Unternehmen durchaus vorhanden ist, wurde es bis dato offenbar versäumt, die richtigen Maßnahmen dafür zu setzen. Aktuell sind vor allem viele Zulieferbetriebe noch nicht bereit für die Vision Industrie 4.0 beziehungsweise der digitalen Transformation“, analysiert Rudolf Melzer, Initiator der Eventreihe „Chefsache Industrie 4.0“, die Resultate der Studie, an der auch namhafte Industriebetriebe wie Magna, Voest, Palfnger oder Bossard teilnahmen.
OBWOHL DURCHSCHNITTLICH 86 PROZENT DER BEFRAGTEN UNTERNEHMEN IHRE IT-BUDGETS ERHÖHT HABEN, HAT NUR ETWA DIE HÄLFTE DAVON EINEN KONKRETEN DIGITALISIERUNGSPLAN. Friedrich Bleicher, TU Wien
Hitzige Debatten
Die Studie und ihre Folgen sorgten für hitzige Debatten während des Events. Den Anstoß gab dabei Josef Kranawetter, CEO von Weidmüller Österreich, mit der Feststellung, dass Datenschutz und -sicherheit auch beim Supply Chain Management kein zu vernachlässigendes Thema sei. Ergänzt wurde sein Beitrag von Palfnger-Vorstand Martin Zehnder, der sich besonders auf den Datenaustausch mit anderen Unternehmen in der Supply Chain bezog: „Bei der Wichtigkeit und dem Wert, den Daten mittlerweile haben, ist es durchaus verständlich, wenn Unternehmen einen besonders sorgsamen Umgang mit diesen pflegen, besonders mit Blick auf die eher überschaubaren Einsparungsmöglichkeiten im Produktionsbereich. Was jedoch auch in Zukunft über den Fortbestand oder Untergang eines jeden Unternehmens entscheiden wird, ist das Erkennen von Megatrends.“