(Überarbeiteter und aktualisierter Beitrag vom 30. März 2020) Derzeit bemühen sich die einzelnen Regierungen in der EU – und eigentlich auch weltweit – die Coronakrise lediglich auf nationalstaatlicher Ebene zu lösen. Eine Koordination der Nationen findet nur rudimentär statt, Kollaboration überhaupt nicht. Die Nationalstaaten stellen sich selbst vor nahezu unlösbare Probleme. Die Krise offenbart somit ein Totalversagen der Nationalregierungen samt ihrer Nationalstaaterei. Wie man es richtig macht, dafür könnten die Logistiker der Welt ein Beispiel geben. (Eine Bericht von Hans-Joachim Schlobach)

Wer die Berichterstattung in den Medien der Welt während der Corona-Krise aufmerksam verfolgt und die Beiträge auch in den sozialen Medien wie Facebook, LinkedIn, Xing oder Twitter etc. liest, dem wird rasch bewusst, dass das Weltereignis „Corona“ nahezu ausschließlich als nationales Ereignis wahrgenommen wird. Ausgehend von der Volksrepublik China, welche den Ausbruch der Epidemie in der Hauptstadt der Provinz Hubei, in Wuhan, als Ereignis ansah, das niemanden als die chinesischen Behörden und Machthaber Xi Jinping etwas anging bis zu jedem einzelnen Staat in der Welt, der alleine nur nationale Lösungen präferiert, gibt es faktisch keine internationale Koordination bei der Bekämpfung des Virus. Selbst so erfolgreiche Staaten wie Taiwan oder Südkorea kümmerten sich alleine nur um den eigenen Nationalstaat und stellten zu keinem Zeitpunkt die internationale Frage dieser Pandemie. Der pandemische Zustand des Virus wurde und wird bis heute in den nationalen Regierungen für die Basis der Bewältigung der Krankheit weitestgehend negiert und lediglich als Epidemie erkannt. Die Pandemie an sich ist nur eine Randerscheinung, obgleich sie von der WHO für die Ausbreitung des Coronavirus verkündet wurde. Nicht grundlos kritisiert WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus die Nationalstaaten wegen ihrem Mangel an Kollaborations-Willen.
Der pandemische Zustand des Virus wurde und wird bis heute in den nationalen Regierungen für die Basis der Bewältigung der Krankheit weitestgehend negiert.
Was alleine zählt, ist die Nation als Kollektiv. Doch selbst die WHO ist nicht frei von Kritik. Ihre Berichterstattung kommt derzeit einer Bejubelung von Xi Jinping und der VR China nahe und scheint die nationalistischen Gefühle Pekings bedienen zu wollen. Die Kritik ist durchaus berechtigt, denn einige der WHO-Berichte dürften von chinesischen Regierungsbeamten zensiert und auf die Leistungen Xi Jinpings propagandistisch aufgepeppt worden sein.
Chinas Regierung bejubelt sich selbst. Die chinesische Propaganda bejubelt indess die VR China am meisten. Es geht dabei nicht um den Erfolg bei der Bekämpfung an sich, sondern vor allem um den Erfolg der chinesischen Nation, ihres Führers Xi Jinping und die Überlegenheit des politischen Systems in der VR China über den Rest der Welt. Die Bekämpfung von COVID 19 wird so nicht nur zum Wettlauf der Nationen stilisiert, sondern auch zum Wettbewerb der Systeme.
Nationalstaaterei führt bei Corona in die Sackgasse

Besonders deutlich wird die praktizierte Nationalstaaterei bei den Strategien, die in den EU-Staaten für die Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus und dessen Folgen für die Gesundheit der Menschen umgesetzt werden. Der europäische Gedanke hat dabei bis heute keinerlei Konjunktur. Was alleine zählt, ist der eigene Staat, das nationale Gesundheitssystem, das nationale Sozialsystem und der nationale Schrebergarten.
Coronabekämpfung als sportlicher Wettkampf der Nationen. Anstatt zu kollaborieren, wurde der Wettlauf gegen die Zeit zum Wettlauf der Nationalstaaten in der EU, wer am schnellsten aus der Corona-Krise heraus kommt, um sich Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen EU-Staaten zu verschaffen. Insbesondere der österreichische Bundeskanzler hat sich dabei hervorgetan. Von Anfang an verwandelte er die Bekämpfung des Coronavirus in einen Wettbewerb mit den EU-Staaten, aus dem Österreich als Sieger hervor gehen sollte. Seither wird er bei seinen regelmäßigen Pressekonferenzen nimmermüde zu betonen, wie viel besser Österreich unter seiner Regentschaft aus der Corona-Krise heraus gekommen sei. Ob das nun der Realität entspricht, ist fraglich, denn jeder Staat hatte andere Voraussetzungen und einen anderen Beginn der Krise. Innenpolitisch führt diese PR-Strategie ihn und die NÖVP jedoch auf die Gewinnerstraße. Das österreichische Wahlvolk goutiert solcherlei Großmannstum und hebt ihn und seine Partei in Umfragen nahe an die absolute Mehrheit..
Skandalöses Verhalten der Gesundheitsministerien der EU
Solcherlei gepflegte Nationalstaaterei hat dabei jedoch den Nachteil, dass sie die Wege internationaler Kollaboration verbaut. Michael Hüther, der Direktor des Institutes der Deutschen Wirtschaft in Köln, , kritisiert beispielsweise: „Es gibt im Moment keine gemeinsame Lösung oder eine Außenhandelsstrategie.“, und er fordert: „Die G20 müssen, wie bereits 2008, einen gemeinsamen Plan ausarbeiten. Nationale Alleingänge und Abschottung sind fehl am Platz.“
EU-Gesundheitsminister auf dem Ego-Trip. Wohin das führt, führten die EU-Gesundheitsminister noch vor der Krise vor Augen. Wie der Österreichische Rundfunk (ORF) in seiner Online-Ausgabe Anfang April berichtet, legen nämlich Sitzungsprotokolle der Nachrichtenagentur Reuters offen, dass die EU-Kommission unter Kommissionspräsidentin von der Leyen den EU-Staaten bereits Ende Jänner Hilfe bei der gemeinsamen Beschaffung von Schutzmasken, Testkits und Beatmungsgeräten angeboten hat. Die EU-Kommission schätzte den Bedarf in den EU-Staaten auf das Zehnfache des Bedarfs, der in den EU-Staaten normalerweise existiert.
EU-Angebot kam einen Monat vor der Krise. Für Erklärungsbedarf für die Ministerien sorgt somit die Tatsache, dass das Angebot der EU-Kommission einen Monat kam, bevor die Coronavirus-Krise in Europa ausbrach und sich mörderisch über Italien, Österreich und Tirol, Deutschland, Frankreich, Spanien usw. ausbreite. Skandalös ist dabei, dass die Regierungsvertreter der Gesundheitsministerien die Hilfe aus Brüssel bei ihren Sitzungen explizit ablehnten. Diese Ablehnung führte wenige Wochen später zum europaweiten Mangel an medizinischer Ausrüstung. Der Effekt dieser Ablehnung: der Kollaps der Gesundheitssysteme in Italien, Frankreich und Spanien und ein Mehr an Coronavirus-Toten sowie Billionen Euro schwere Shutdowns in der EU. Die schweren Belastungen der Ökonomien wären somit zu einem Teil zu verhindern gewesen und die Spätfolgen der Krise wären nicht so gravierend. Viel gravierender ist jedoch, dass viel mehr Corona-Tote zu verhindern gewesen wären, hätten die EU-Gesundheitsminister das Angebot der EU-Kommission angenommen.
Corona als Rechtfertigung für den Abbau der Rechtsstaatlichkeit. Damit wird aber deutlich, dass in der Corona-Krise die Regierungen der EU-Nationalstaaten mit ihrer Nationalstaaterei komplett versagt haben. Und sie versagen noch immer, denn jede Regierung in Europa, also in Österreich, Italien, Deutschland, Frankreich etc. versucht noch immer, die Krise im Alleingang zu bewältigen. Manche Regierungen, wie etwa die illiberal-nationalistische in Budapest unter Regierungschef V. Orban, missbrauchen dabei sogar die Krise, um die Demokratien in ihren Länder auszuhebeln. Auch die Regierung Polens versucht, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Zuge der Krise zu unterminieren und bespielt dabei, wie Ungarn auch, fremdenfeindliche Ressentiments. Auch der österreichische Bundeskanzler steht in diesem Zusammenhang unter Kritik. Er hält die Einmahnung verfassungskonformer Gesetze und Verordnungen für „juristische Spitzfindigkeiten“ und erweckt den Eindruck, für ihn sei die Österreichische Verfassung nur eine Empfehlung für die Regierung. Das Recht soll offenbar der Politik folgen und nicht die Politik dem Recht.
Überlastung der Gesundheitssysteme. Gleichzeitig überlastet jede einzelne Regierung der EU die nationalen Systeme bis zur völligen Erschöpfung – bis auf Deutschland und Österreich. Erst dann, wenn diese dem Zusammenbruch nahe sind bzw. zusammenbrechen, wie das etwa in Italien, Frankreich oder Spanien der Fall war, kommen die flehentlichen Hilferufe nach der EU und wird die Solidarität der EU-Staaten mit nationalistischer Verve eingefordert.
Der europäische Gedanke hat derzeit keinerlei Konjunktur. Was alleine zählt, ist der eigene Staat, das nationale Gesundheitssystem, das nationale Sozialsystem und der nationale Schrebergarten.
Jede EU-Regierung entscheidet willkürlich für sich
Die Hilfe der EU kommt also nur so gut, wie es die EU-Regierungen zulassen. Und die Nationalstaaten geben nur die Hilfestellung, soviel Regierungen willkürlich entscheiden, dass Hilfe gewährt werden kann. Das dürfte etwa Deutschland besser können, Griechenland, das mit einer tickenden Corona-Zeitbombe in den Flüchtlingslagern beispielsweise auf Lesbos konfrontiert ist, kann hingegen keine Hilfestellung leisten. Immerhin fliegen Deutschland oder Österreich mittlerweile Intensivpatienten aus Frankreich und Italien ein, um die kollabierten Systeme der europäischen Nachbarländer zu entlasten. Aber dennoch: die Hilfe kommt nicht im benötigten Maße, für niemanden. Die Nationalstaaterei fordert daher weiter unnötig Menschenleben.
Enttäuschung macht für Diktaturen empfänglich. Der italienische Regierungschef Guiseppe Conte und Italien sind somit zurecht enttäuscht von der europäischen Solidarität. G. Conte vergisst dabei jedoch, dass alle anderen Regierungen in der EU genauso handeln wie er und seine Regierung: egozentrisch und nationalistisch. Vor diesem Hintergrund konnte sich dann der russische Diktator W. Putin vor den Italienern als „Retter“ präsentieren, der die Krise voll im Griff hat. Geliefert hat er unter anderem eine ABC-Militäreinheit. Dass diese für die Bewältigung der akuten Probleme des italienischen Gesundheitssystems unbrauchbares Zeugs mitschleppt wie etwa ein Dekontaminierungsgerät für Panzer und schweres Gerät auf der Basis einer MiG-Düse, spielt dabei keine Rolle. Was zählt, ist der Propagandaeffekt. Selbiges gilt für Xi Jinping oder die Chunta auf Kuba. Das nationalstaatliche Vorgehen führt somit auch zu einem demokratiepolitischen Problem. Der Ruf nach dem „starken Mann“ wird auch in Europa immer lauter und wird von Diktatoren wie W. Putin oder Xi Jinping gerne bedient. Mittlerweile bricht das russische Gesundheitssystem zusammen, sterben die Patienten in sehr großer Zahl und legen den schlechten Zustand des russischen Gesundheitssystems klaffend offen.
Nicht fragen, was die EU für die einzelnen Nationen tun kann

Den Gründervätern der EU schwebte ein Europa der Vaterländer und nicht der Nationen vor. Sie verwendeten bewusst den patriotischen Terminus „Vaterländer“, weil dieser einerseits neutral ist und andererseits historisch nicht vorbelastet war. Zudem liefert der Begriff „Nation“ die Steilvorlage für jede Form des Nationalismus und ihren Folgen, bis hin zum Holocaust. Deswegen steht die Frage von Anfang an im Zentrum der Gemeinschaft, was die Vaterländer für Europa tun können für ein gedeihliches Zusammenleben der Völker. Zu keinem Zeitpunkt beschäftigte die Gründerväter, was sie aus dem Europa der Vaterländer, heute der „Regionen“, für ihre Nation herausholen könnten. Die Gemeinsamkeiten und die Beseitigung von Trennendem durch Integration sind der Gewinn. Das Ziel ist die Bekämpfung des Nationalismus, Friede, die unantastbare Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in einem geeinten Europa. Das hat die EU zur prosperierenden und wohlhabendsten Region der Welt gemacht, nicht die Nationalstaaterei und schon gar nicht irgendwelche Ausformungen des Nationalismus.
Einzellösungen führen ins Nichts. Wohin die Abkehr vom Weg der Gründerväter führt, zeigt sich heute sehr deutlich bei der bekämpfung von COVID 19 und der Bewältigung der Krise. Rom, Paris, Madrid und anderen Hauptstädten fiel es bis heute zu keinem Zeitpunkt der Pandemie ein, eine internationale oder gar europäische Initiative zu ergreifen. Im Gegenteil: Italien lehnte die Hilfe Europas zunächst sogar ab und präferiert eher bilaterale Lösungen, welche vor allem die Netto-Einzahler der EU belasten. Auch die Regierung in Österreich sucht lediglich bilaterale Lösungen, wie etwa die Öffnung der Grenzen zwischen Deutschland und Österreich für deutsche Urlauber. Für die Ökonomie in Österreich führt dererlei bilateraler Aktionismus ins Nichts.
Den Gründervätern der EU schwebte ein Europa der Vaterländer und nicht der Nationen vor. Sie verwendeten bewusst den patriotischen Terminus „Vaterländer“, weil dieser einerseits neutral ist und andererseits historisch nicht vorbelastet war.
Die zweite Welle kommt bestimmt. Genauso wenig fällt es den Regierungen der EU bis heute ein, das Potenzial der Gemeinschaft bei der Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus zu nutzen, um wenigstens die zweite Pandemie-Welle, welche die meisten Virologen im Herbst für wahrscheinlich halten, rasch zu stoppen. Diese Vorgehensweise ist zwar einerseits verständlich, denn letztlich wurden die Regierungschefs und ihre Minister von ihren Parlamenten dafür eingesetzt und verpflichtet, von den Bürgern des Landes Schaden abzuwenden. Doch können sie sich andererseits nicht alleine darauf beschränken, den vollen Einsatz für die Bürger ihrer Länder zu geben und lediglich so viel wie möglich aus internationalen Allianzen heraus zu holen. Der Schutz eines Landes und seiner Bürger wird gerade in einer internationalen Krise wie die durch das Coronavirus erzeugte nämlich zusätzlich erreicht, wenn die Staaten eng miteinander kollaborieren und sich eng aufeinander abstimmen. Es muss ein „Sowohl-als-auch“ gelten. Genau das verhindert jedoch die Nationalstaaterei und sämtliche Formen von Nationalismus.
Kollaboration bedeutet Verzicht auf Kompetenzen, nicht der Identität
Die praktizierte Nationalstaaterei verstellt den Blick darauf, dass die EU, nach den USA, die wirtschaftlich und kulturell potenteste Region der Welt ist. Die EU hat mehr Ressourcen zur Verfügung als alle anderen Regionen in der Welt. Die Potenziale der Gemeinschaft bleiben daher wegen der national-zentristischen Sichtweisen seiner Mitglieder völlig ungenutzt. In Bezug auf das Corona-Virus hat das fatale Konsequenzen: Corona-Tote und zerrüttete Ökonomien.
Angst vor Kompetenzverlust. Der Grund für den Mangel an Kollaborationsbereitschaft und Solidarität dürfte in dem befürchteten Kompetenzverlust der einzelnen Regierungen liegen. Denn gerade in einer Gemeinschaft wie der EU, die auf der Solidarität ihrer Mitglieder aufbaut, ist es obligatorisch, Abstriche zugunsten der Gemeinschaft zu machen. Das betrifft sowohl die Regierenden der einzelnen Nationalstaaten als auch die Nationalstaaten selbst. Abstriche der Kompetenzen von Regierenden sind jedoch nicht gleichzeitig der Verlust der Identität eines Volkes, sondern eben nur der Kompetenzverlust einer Regierung. Nationalistisch orientierte Regierungen setzen sich lediglich gleich mit den Menschen, die sie mehrheitlich ins Amt gehievt haben. Sie sind aber nicht eins mit der Nation und schon gar nicht deren Identität.
Die Regierungen können sie sich nicht alleine darauf beschränken, sich alleine nur für die Bürger ihrer Länder einzusetzen und lediglich so viel wie möglich aus internationalen Allianzen heraus zu holen.
Geld ist nicht alles. Daher ist es für die Nationen der EU nicht alleine damit getan, den jeweiligen Mitgliedsbeitrag zu bezahlen. Sie müssen sich, wie in jeder Gemeinschaft oder Verein auch, so engagieren, dass die Gemeinschaft einen Zugewinn in der Zukunft hat. „Alle für einen, Einer für alle“, so lautet das Prinzip. Es ist also auch nicht genug für Deutschland, Österreich und andere Nettozahler, mehr Geld in die Gemeinschaft einzuzahlen, als für sie heraus kommt. Und es ist für Staaten wie Ungarn, Polen und den anderen Staaten auch nicht damit erledigt, die positiven Effekte der Gemeinschaft zu nutzen und nur willkürlich selbst bestimmte Gegenleistungen zu bieten. Für alle Mitglieder der EU besteht hingegen die Verpflichtung, die EU für die Zukunft weiter zu entwickeln. Die Ziele sind formuliert: Bekämpfung des Nationalismus, der Schutz der Menschenwürde und sämtlicher Grundrechte, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Länder wie Ungarn, Polen, Tschechien, die Slowakei usw. müssen sich daher genau in diese Richtung entwickeln – und sie müssen sich ebenfalls zu „Nettoeinzahlern“ entwickeln. Dazu haben sie sich verpflichtet. Und dafür sind die Förderungen der EU gedacht. Sie dienen nicht der Auffettung nationaler Haushalte.
Italien sollte kollaborieren und nicht fordern. Vor dem Hintergrund des eigenen Versagens sollten sich Italien und andere Corona-geschädigte Länder daher nicht alleine auf ihre Empfängerrollen beschränken. G. Conte und seine Minister müssen sich vielmehr für die Kollaboration in der EU einsetzen und nicht nur nach Corona-Bonds rufen, welche den Kollaps des italienischen Staatshaushaltes verhindern sollen. Denn das ist genau die, alleine auf das rein nationalstaatliche Wohl ausgerichtete „Nehmerqualität“ und Strategie, welche niemanden in der EU zum gemeinsamen und solidarischen Handeln veranlasst. Entsprechend negativ sind dann auch die Reaktionen beispielsweise aus Wien oder Berlin.
Monstrosität nationalen Schwachsinns. Die Nationalstaaterei der EU-Regierungen führt somit die EU in ein Paradoxon, dass derzeit jede Regierung der EU der jeweils anderen Regierung ihr nationalistisches Handeln vorwirft. Rom, Wien, Paris, Berlin, Warschau, Budapest etc. vernationalstaatlichen dabei lieber ein Virus, das gar keine Grenzen kennt, als bei der Krisenbekämpfung an einem Strang zu ziehen. Und jede Regierung überwacht nahezu eifersüchtig, dass das Virus und die Probleme, die dieses Virus macht, in nationaler Hand bleiben. Die Monstrosität dieses Schwachsinns wird nur durch die Pandemie und die ausgelöste Weltkrise selbst übertroffen, aus der nur so Diktaturen wie die VR China oder Russland mit ihren Diktatoren eiskalt ihren Nutzen ziehen.
Corona: Der Offenbarungseid der Nationalstaaterei

Die Corona-Krise ist somit der Offenbarungseid der Regierungen in Berlin, Wien, Paris, Madrid, Warschau, Budapest etc. mit ihrer Nationalstaaterei. Das Virus zeigt das Totalversagen derselben und eben nicht der EU. Hätte jede Nationalregierung den Willen zur kollaborativen Krisenbewältigung gezeigt, müsste Europa jedenfalls jetzt nicht den Zusammenbruch der nationalen Gesundheitssysteme und in weiterer Folge wohl auch nicht den Zusammenbruch der Sozialstaaten sowie der Ökonomien überhaupt befürchten. Letzteres dürfte ja erst noch eintreffen, wenn man die gigantischen Schuldenlasten der EU-Staaten in ihrer Gesamtheit nimmt, welche nun zur Bewältigung der Coronakrise aufgenommen werden müssen. Italien dürfte beim Zusammenbruch diesmal den Anfang machen. Andere Länder wie Griechenland, Spanien und Portugal dürften folgen.
Nationalstaatliche Gier bleibt. Immerhin haben die EU-Regierungschefs die Gefahr erkannt und Anfang April beschlossen, einen Rettungsschirm von rund 500 Milliarden Euro aufzuspannen. Mit dem Geld sollen vor allem die von der Corona-Pandemie besonders betroffenen Länder wie Italien, Frankreich oder Spanien unterstützt werden. Insgesamt einigte man sich auf 1,5 Billion Euro für die Bekämpfung der Corona-Krise. Wie allerdings das Geld verteilt wird, darüber herrscht keinerlei Einigkeit. Die nationalstaatlichen Regierungen einigt lediglich, dass sie so viel wie möglich aus dem Hilfstopf empfangen.
Nationalismus, die Geißel der Menschheit
Die Nationalisten in den Visegrad-Staaten, aber auch in Österreich und Italien, Frankreich, Niederlanden usw. haben die Spaltung Europas in den letzten Jahrzehnten voran getrieben und lassen heute die nationalstaatliche Denke als einzige Alternative politischen Handelns erscheinen. Sie standen in den letzten Jahrzehnten teilweise in der Regierungsverantwortung. Und sie stehen von Anfang an mit der EU auf Kriegsfuß. Umgekehrt ist die Bekämpfung des Nationalismus jedoch der explizit formulierte politische Auftrag der EU seit Anbeginn (nachzulesen in der Präambel des Montan-Vertrages). Fakt ist, dass diese nationalistischen politischen Bestrebungen die EU so geschwächt haben, dass heute eine EU-weite Kollaboration, die beispielsweise für die wirksame Bekämpfung des Corona-Virus nötig wäre, nur nach mehreren Anläufen wenigstens bilateral zwischen einzelnen EU-Staaten gelingt, zum Nachteil aller.
Nicht die EU versagt, sondern es versagen die nationalstaatlichen Regierungen, die nicht in der Lage sind, über ihren nationalistischen Schrebergarten hinaus zu denken und sich zu koordinieren.
Das Gegenteil von gut. Jeder Regierungschef, also G. Conte, S Kurz, E. Macron, A. Merkel und ihre Regierungsmitglieder gerieren sich derzeit als nationale Krisenmanager und werden als Helden befeiert, auch befeuert durch die nationale Propaganda nicht weniger regierungsfreundlicher Jubelmedien. Sie machen sich somit zu den Erfüllungsgehilfen dieser Nationalisten, zum Schaden ihrer Bürger, so eine oft gehörte politische Analyse der letzten Tage. Der gut gemeinte Versuch, aus dem Erreichten in der Bekämpfung des Virus wenigstens ein wenig politisches Kapital schlagen zu wollen, ist zwar im Sinne von „tue Gutes und sprich darüber“ durchaus akzeptabel, dürfte aber nach Hinten losgehen. Gut gemeint ist bekanntermaßen das Gegenteil von gut.
Die EU hat nicht versagt. Das bedeutet umgekehrt: Nicht die EU versagt, sondern es versagen die nationalstaatlichen Regierungen, die nicht in der Lage sind, über ihren nationalistischen Schrebergarten hinaus zu denken und sich zu koordinieren. Der Grund dafür ist einfach: die Regierungen müssten nämlich viele nationalstaatliche Kompetenzen abgeben. Das beginnt bei der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, reicht über die Finanzpolitik und endet in der Sozialstaats- und Gesundheitspolitik. Die nationalen Regierungen sind daher konzertiert für die Schwächung der europäischen, liberalen Gesellschaft verantwortlich. Sie gefährden dabei nicht nur die EU als Friedens- und Wohlstandsprojekt, sondern auch die liberalen Werte Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Und sie machen damit Europa zum erbärmlichen Spielball zweier Diktatoren in Moskau und Peking sowie eines verhaltenskreativen Narzissten in Washington. Die grassierende Nationalstaaterei hat zur Schwächung der EU geführt.
Logistiker machen es vor

Dabei lägen die Lösungen auf der Hand. Sie müssten nur kollaborativ angelegt sein. Die Staaten müssten beispielsweise einfach nur die Prinzipien umsetzen, die sie etwa aus den Megatrends wie Industrie 4.0, Digitalisierung usw. kennen. Dabei geht es vor allem um Kollaboration, Integration und Kommunikation.
Logistik liefert täglich Lösungen. Wie das auf internationaler Ebene funktioniert, daran könnten sich die Regierungen der Welt an der Logistikbranche viele Praxisbeispiele nehmen. Gerade die Logistik setzt täglich Lösungen grenzübergreifend und weltumspannend um, welche einerseits den unterbrechungsfreien Informationsfluss von der Rohstoffgewinnung bis zum Point of Sale (POS) beim Endverbraucher ermöglichen. Gleichzeitig arbeiten die unterschiedlichsten Mitglieder unterschiedlichster Wertschöpfungsketten bzw. Wertschöpfungsnetzwerken eng miteinander zusammen, ohne dass die Unternehmen die eigene Identität aufgeben müssten. Diese Kollaboration unterschiedlichster Unternehmen arbeitet konzertiert an nur einem Ziel: die Versorgung der Menschen und die Aufrechterhaltung sämtlicher Systeme. Das, was heute medial und von den Entscheidern in der Politik begeistert als „Systemerhalt“ beklatscht wird, bestimmt schon immer den Alltag der Logistik-Branche. Warum sollte das nicht auch auf politischer Ebene erfolgen können?
Die Kollaboration unterschiedlichster Logistik-Unternehmen arbeitet konzertiert an nur einem Ziel: die Versorgung der Menschen und die Aufrechterhaltung sämtlicher Systeme.
Nicht schwätzen, handeln. Diese Branche arbeitet schon immer im Hintergrund und wird nur dann im Alltag bemerkt, wenn die Logistik nicht funktioniert. Dann ist jedoch die Kritik besonders laut. Auch gelten Teile der Branche, insbesondere die Transportlogistik, zumeist als Störfaktor der eigenen Wahrnehmung, wahlweise als Verursacher von Staus, Klimasünder und Verstopfer von Transitrouten. Die gesamte Branche gilt somit oft als Reibebaum für profilierungssüchtige aus der Politikelite.
Versorgungskrisen kein Problem. Die Logistik-Branche ist es gewohnt, insbesondere mit Versorgungskrisen fertig zu werden, wie sie etwa jetzt durch die Corona-Pandemie und die nationalen Maßnahmen entstehen. An den Grenzen der Nationalstaaten bilden sich derzeit beispielsweise Kilometer lange Staus, und dennoch reißt die Versorgung der Menschen mit den Dingen des täglichen Bedarfs nicht ab. Die Regale der Supermärkte sind nach wie vor gefüllt, die Versorgung der europäischen Krankenhäuser mit medizinischem Material bleibt aufrecht und wird nur von so nationalen Egoismen wie etwa von Tschechien oder Polen unterbrochen, welche das Material von den Lkw an den Grenzen konfiszieren. Das ist modernes, nationales Raubrittertum.
An den Grenzen der Nationalstaaten bilden sich derzeit beispielsweise Kilometer lange Staus, und dennoch reißt die Versorgung der Menschen mit den Dingen des täglichen Bedarfs nicht ab, dank der Logistiker.
Nochmal: „Kollaboration“ heißt das Zauberwort
Übertragen auf die Staaten der Welt im allgemeinen und der EU im besonderen und mit Blick auf die Logistiker der Welt bedeutet das, dass „Collaboration“ der Weg ist, die Coronakrise weltweit zu bewältigen, und nicht Nationalstaaterei. In Bezug auf die EU bedeutet dies ganz konkret, dass die Integration dramatisch schnell voran getrieben werden muss. Das Ziel muss die Koordination aller verfügbaren Kräfte der Union sein, um den Erhalt der Errungenschaften der EU mit ihrem Wohlstand zu erreichen. Es bedarf europaweiter Kompetenzen für die Institutionen der EU sowie der Schaffung neuer Institutionen, welche die Koordination der Sozial- und Gesundheitssysteme sowie koordinierte Finanzströme ermöglichen. Es geht dabei um eine Neuordnung der liberalen europäischen Gesellschaft, es geht um Menschenwürde, unsere Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Diese zu schützen ist derzeit keine Regierung der EU in der Lage, weil sie nur nationale Nabelbeschau betreiben. Denn nur der europäische Gedanke führt aus der Cironakrise. Nationale Alleingänge, wie sie derzeit weltweit umgesetzt werden, führen Europa und die Welt nur in eine Sackgasse, von der alleine Diktaturen profitieren.