War die Stimmung der deutschen Wirtschaft, und mit ihr der Logistikwirtschaft, noch fast bis Mitte 2021 optimistisch, wird sie zunehmend pessimistisch – zumindest bis zum Sommer 2022. Dies zeigt der Logistikindikator November 2021 der BVL. Das hängt einerseits mit Lieferengpässen bei Rohstoffen und Halbleitern etc. zusammen, dürfte aber auch durch den Fachkräftemangel sowie der schlechten Impfmoral eines größeren Teils der Gesellschaft beeinflusst sein. Diese machen nämlich Prognosen, wann die Coronapandemie endlich endet, beinahe unmöglich.

Europa im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen befinden sich inmitten der vierten Coronawelle. Und diese hinterlässt ihre tiefen Spuren vor allem beim Einzelhandel, dem Gastgewerbe und anderen kontaktintensiven Dienstleistern. Im Winterhalbjahr 2021/2022 wird die deutsche Wirtschaft, aber auch nicht die österreichische daher wohl kaum mehr wachsen. Auch die Industrie dürfte als Konjunkturmotor weiterhin ausfallen, da eine Trendwende bei den Lieferengpässen kurzfristig noch nicht in Sicht ist. Insgesamt bleibt die konjunkturelle Situation damit nach wie vor stark von den Entwicklungen rund um die Corona-Pandemie beeinflusst.
Wirtschafts- und Logistikentwicklung abhängig von Impfquote
Wie diese sich entwickelt, dürfte jedoch auch und besonders davon abhängen, wie gut es gelingt, eine entsprechende Quote bei den durchgeimpften von mindestens 85 Prozent zu erreichen. Auch ist bis heute noch nicht klar, wie sich die neue Corona-Mutante Omikron auf das Pandemiegeschehen auswirken wird. Fakt ist, dass die Verunsicherung von Menschen hinsichtlich der Impfung und ihrer Wirkung mittels Fake-News und Lügenpropaganda durch hauptsächlich rechtsradikale Gruppierungen wie etwa der AfD, FPÖ, „Identitäre“ und „Querdenker“ ihre Wirkungen nicht verfehlt. Viele bleiben von den Impfzentren fern. Die Zahl der Erstgeimpften bremst sich zunehmend ein und kommt über die 72 Prozent der Gesamtbevölkerung nur schleppend hinaus, während der Run auf Booster-Impfungen, also den Drittstich, so richtig eingesetzt hat. Auf diese Weise bleiben dem Coronavirus und seinen Mutanten noch genügend Masse, sich ungebremst auszubreiten und die Gesundheitssysteme an die Grenzen ihrer Belastbarkeit zu bringen.
Österreich holt auf. In Österreich unterscheidet sich das Bild nur marginal. Zwar konnten die 7-Tages-Inzidenzen mit Hilfe eines zweiwöchigen Lockdowns von über 1.100 auf aktuell 333 Personen gesenkt werden und man so den Lockdown beenden. Experten sind aber unisono der Ansicht, dass dies lediglich eine Verschnaufpause ist. In der Alpenrepublik sorgt jedoch eine Impfpflicht ab Februar 2022 derzeit für einen Rund auf die Impfzentren. Am 11. Dezember ließen sich mehr als 80.000 Personen impfen, also doppelt so viele, wie am selben Tag gegen die Impfung demonstrierten. Damit schiebt sich Österreich von den hinteren Rängen ins europäische Mittelfeld. Wir lange der Run allerdings anhalten wird, ist fraglich. FPÖ, Identitäre, Querdenker und andere rechtsradikale Gruppen verstärken nämlich derzeit ihre Anstrengungen, Menschenmassen zu mobilisieren – und radikalisieren sich dabei gleichzeitig. Die tätlichen Übergriffe aus den Reihen der sogenannten „Impfgegner“ auf Institutionen des Gesundheitswesens samt Mitarbeitern sowie auf staatliche Institutionen nehmen täglich zu. Alleine am vergangenen Samstag gab es über 700 Anzeigen gegenüber Demonstranten, einige davon wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung.
Stimmungslage gedrückt
Auch die durch Gruppen außerhalb des demokratischen Spektrums erzeugte Stimmung und Impfskepsis fördert jedenfalls nicht den Optimismus, der noch Anfang 2021 in den Unternehmen weit verbreitet war. Der Aufbruchstimmung ist ein verhaltenes Abwarten gefolgt, auch in der Logistikwirtschaft. Sie spürt Konjunkturschwankungen nahezu unmittelbar. In der deutschen Logistikwirtschaft erhielt der Klimaindikator im vierten Quartal folgerichtig einen deutlichen Dämpfer. Er notierte nur noch bei einem zufriedenstellenden Stand von 99,4 Punkten. Dies geht aus den monatlichen Erhebungen zum Logistik-Indikator hervor, die das ifo Institut im Auftrag der Bundesvereinigung Logistik, BVL, im Rahmen seiner Konjunkturumfragen durchführt.
Kein einheitliches Bild
Die Geschäftslage wurde zwar häufig noch günstig beurteilt. Hierzu zählen etwa KEP-Dienstleister, bei denen Lockdowns, Black Friday und Weihnachtsbusiness zu zum Teil sprunghaften Zuwächsen führen, weil die Menschen verstärkt online Einkaufen. So verzeichnet die Österreichische Post ein Versandvolumen von einer Millionen Pakete am Tag. Und in Deutschland kommt DHL bereits jetzt an seine Kapazitätsgrenzen. Dort weiß man jetzt schon, dass einige Pakete ihren Empfänger nicht vor Weihnachten erreichen werden. Aber auch andere aus der Speditionsbranche blicken vor allem die „Großen“ optimistisch auf 2022.
Fachkräftemangel und Lieferkettenprobleme. Hingegen blicken die Frächter eher verhalten auf 2022. Ihnen bereiten dabei nicht selten Recruiting-Probleme große Sorgen. Der Fahrermarkt ist europaweit leergefegt und lässt sich kaum mit höheren Löhnen kompensieren. Betroffen sind hiervon vor allem Mittelständler. Ihnen machen aber auch Ausfälle ihrer Kunden zu schaffen, wie etwa in der Automobil- und Zuliefererindustrie. Bei ihnen schlagen die Lieferketten-Problematiken voll durch, die vom Rohstoff über Halbfertigprodukte bis zum Point of Sale reichen. Hinzu kommt die Transformation in Richtung E-Mobility, in der insbesondere die Automobilwirtschaft als Ganzes steckt, die für einen Rückgang in der Transportwirtschaft sorgt.
Logistikindikator November 2021 – Zufriedenheit nimmt ab

Bei den Logistikdienstleistern nahm die Zufriedenheit mit der Geschäftslage daher merklich ab, gibt der Logistikindikator November 2021 preis. Daraus ergab sich auch für das Geschäftsklima ein Rückgang im vierten Quartal. Die Geschäftserwartungen waren nur noch mancherorts von Zuversicht geprägt. Die Personalpläne wurden hingegen etwas nach oben korrigiert. Zudem fasste eine deutliche Mehrheit der Unternehmen Preiserhöhungen ins Auge.
Skepsis in Handel und Industrie. In Handel und Industrie machte sich zunehmend Skepsis im Hinblick auf die Geschäftsperspektiven breit, der sich freilich auch auf die Logistikwirtschaft durchschlägt. Die Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen ließen die Industrie nicht los − auch der Handel klagte nun vermehrt über Lieferschwierigkeiten. Vor diesem Hintergrund nahmen die positiven Urteile zur Geschäftslage spürbar ab. Der Lagerbestand blieb auf branchenspezifisch zu niedrigem Niveau. Das Geschäftsklima kühlte sich weiter ab.
Wirtschaft erholt sich weniger stark als erhofft
Insgesamt erholte sich die deutsche Wirtschaft im Sommerhalbjahr zunehmend von der Coronakrise. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im dritten Quartal 2021 – preis-, Saison- und kalenderbereinigt – um 1,7 Prozent gegenüber dem zweiten Quartal, in dem der Anstieg mit 2,0 Prozent noch etwas kräftiger war. Damit lag die Wirtschaftsleistung im Herbst 2021 immer noch um 1,1 Prozent unter ihrem Vorkrisenniveau vom vierten Quartal 2019.
Produktion nicht im Einklang mit Nachfrage
Mit Blick auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche zeichnete sich ein zweigeteiltes Bild ab: Während sich insbesondere in den kontaktintensiven Dienstleistungsbereichen die Geschäftekräftig belebten, litt die Industrie unter Engpässen bei der Lieferung von Vorprodukten. Im November gaben 75 Prozent der vom ifo Institut befragten Industrieunternehmen an, dass deshalb ihre Produktion nicht im Einklang mit der kräftigen Nachfrage gesteigert werden konnte. In manchen Bereichen waren die Engpässe derart ausgeprägt, dass die Produktion sogar gedrosselt wurde. Schätzungen des ifo Instituts zufolge summieren sich seit Jahresbeginn die durch Lieferengpässe ausgelösten Wertschöpfungsverluste in der deutschen Industrie auf knapp 40 Milliarden Euro. Das entspricht gut einem Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Deutschlands in einem Jahr. Mit zunehmenden Lieferproblemen hatte auch der Handel zu kämpfen. Zuletzt klagten knapp 80 Prozent der vom ifo Institut befragten Groß- und Einzelhändler über Schwierigkeiten. Mit einer Entspannung der Situation dürfte der Umfrage zufolge sowohl im Handel als auch in der Industrie nicht vor Sommer 2022 gerechnet werden.
Verfügbarkeit nicht gegeben
Neben der eingeschränkten Verfügbarkeit von Vorprodukten belasteten die Unternehmen auch ihre stark gestiegenen Preise. Daten des Statistischen Bundesamts zufolge legten die Einfuhrpreise von Vorprodukten seit Jahresbeginn um knapp 20 Prozent zu, jene von Energieprodukten verdoppelten sich sogar im selben Zeitraum. Dieser Kostenanstieg schlug sich auch in den Preisplanungen der Logistikbranche nieder, wo deutlich häufiger als noch im Vorquartal Steigerungen angestrebt wurden.
Kurzarbeit nimmt zu
Die Kurzarbeit nahm nach Schätzungen des ifo Instituts im November erstmals seit dem Frühjahr wieder zu, und zwar von 598.000 auf 608.000 Beschäftigte. Ausschlaggebend für diesen Anstieg war die Industrie, wo aufgrund der Lieferengpässe vermehrt Kurzarbeit angemeldet wurde. Aber auch im Gastgewerbe kam es zu einer erneuten Zunahme. Hier dürften sich bereits die ersten Folgen des sich im Herbst zuspitzenden Infektionsgeschehens bemerkbar gemacht haben.