Webfleet ist als Teil von Bridgestone Mobility Solutions ein führender Anbieter im deutschsprachigen Raum für Flottenmanagementlösungen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in den Niederlanden, das vielen Privatanwendern unter dem Namen TomTom Telematics ein Begriff war, bietet Software und Hardware-Lösungen an, mit denen professionelle Anwender:innen ihre Fahrzeugflotten in Richtung Nachhaltigkeit optimieren können. Es bietet aber auch Tools an, die Unternehmen beim Umstieg auf Elektromobilität unterstützen. blogistic.net sprach darüber mit dem Webfleet Head of Central Region, Wolfgang Schmid und Annamaria Bernadas-Thurzo, Product Manager Electric Vehicle Business Support & Strategy bei Bridgestone Mobility Solutions.
blogistic.net – Herr Schmid. Webfleet ist ja schon viele Jahre auf dem Markt. Woher kommt Webfleet eigentlich?
W. Schmid – Wenn ich an unsere Anfangszeiten denke, dann fällt regelmäßig das Stichwort “Telematik” und in diesem Zusammenhang kommen wir aus der TomTom-Welt. Wir waren also die Leute, die, salopp gesagt, die Fahrer durch den Verkehr navigierten und/ oder wussten, wo das Auto steht. Heute generieren wir diese Daten nach wie vor, sie spielen aber im Gesamtsystem nicht mehr die zentrale Rolle. Da geht es um viel mehr.
W. Schmid – „Es geht um die Steigerung der Produktivität von Flotten…“
blogistic.net – Worum geht es heute?
W. Schmid – Webfleet ist eine Software as a Service-Lösung (Saas) für professionelle Anwender und Unternehmen. Wir benötigen dabei nach wie vor ggf. die Positionsdaten, um unsere Dienstleistungen erbringen zu könnten, aber es geht vielmehr um IT und Kommunikation mit den Fahrern auf mehreren Ebenen. Es geht dabei um die Steigerung der Produktivität von Flotten, um das Thema Nachhaltigkeit, und zwar nicht alleine in Hinblick auf eMobility, sondern in der Tat auch in Hinblick auf den sparsamen Einsatz von Ressourcen. Die dritte Säule, die unsere Systeme trägt, ist das Thema Sicherheit. Der letzte Punkt nimmt immer mehr an Bedeutung zu.
blogistic.net – Worum geht es bei Ihnen, wenn Sie von “Sicherheit” sprechen?
W. Schmid – Es geht um die Fahrzeuge einerseits, aber andererseits auch um die Fahrer selbst, ihre Fahrweise und ihre Fahrsicherheit. In diesem Zusammenhang steht auch die vierte Säule, die wir unter dem Stichwort “Compliance” subsumieren, also das Einhalten von Vorschriften auch in Hinblick auf das Einhalten von Arbeits- und Ruhezeiten etc.
blogistic.net – Was verstehen Sie in diesem Zusammenhang unter der Kommunikation mit den Fahrern?
W. Schmid – Darunter verstehen wir nicht nur nonverbale Kommunikation, z.B. bzgl. der Übermittlung von Auftragsdaten, sondern der ständige Datenabgleich zwischen den Innen- und dem Außendienst.
blogistic.net – Welche Unternehmen adressieren Sie mit Ihrer Saas-Lösung und wer greift auf die generierten Daten im Innendienst tatsächlich zu?
W. Schmid – Wir adressieren alle Unternehmen, die einen Fuhrpark haben, wobei es nicht zwingend ein Pkw- oder Lkw-Fuhrpark sein muss. Mit unserer SaaS-Lösung können Sie auch eine effiziente Baustellen- oder Abfall-Logistik realisieren, weil damit genau etwa Lieferzeiten und Punkte bei der Belieferung von Baustellen oder beim Abfahren von Routen der Müllfahrzeuge erfasst werden können. Dabei gibt es keine Begrenzung, d.h. es kann der einzelne Außendienstmitarbeiter sein oder, wie bei großen Flotten, eben der Flottenmanager.
W. Schmid – „Die meisten unserer Kunden sind sogenannte Mittelständler „
blogistic.net – Ist Webfleet nur etwas für die Großen?
W. Schmid – Nein. Die meisten unserer Kunden sind sogenannte Mittelständler aus Transport und Verkehr aber auch Handwerksbetriebe und Handelsunternehmen. Die Anwender sind daher der Spediteur und Frächter mit seiner Flotte oder der Chef eines Meisterbetriebes usw. Diesen Unternehmen liefern wir aber auch Unterstützung mit unserer Lösung, wenn es etwa um die Registrierung von Arbeitszeiten etc. geht. Webfleet ist daher abteilungs-übergreifend einsetzbar. Anwender können mit unserer Lösung aber auch den CO2-Abdruck ihrer Flotte ermitteln. Diese Daten lassen sich dann nicht nur für diverse Berichtspflichten nutzen, sondern auch gut für das Marketing etc.
blogistic.net – Wenn ich Sie richtig verstehe, ermittelt Ihre Lösung den CO2-Abdruck von Fahrzeugflotten? Wie machen Sie das?
A. Bernadas-Thurzo – Die Fahrzeugdaten der einzelnen Geräte sind bekannt. Wenn man sie in unser System eingibt oder digital einspielt, kann Webfleet den CO2-Abdruck pro Fahrzeug und dann natürlich pro Flotte ermitteln. Unsere Lösung weiß ja den Standort pro Fahrzeug und die gefahrenen Kilometer von A nach B und weiß so genau den CO2-Abdruck. Auf Basis dieser Daten können so Entscheidungen für Optimierungen der Flotte getroffen werden. Das kann dann in weiterer Folge etwa dazu führen, dass ein Handwerksbetrieb sich entscheidet, Elektrofahrzeuge für ihre eingesetzten Handwerksteams zu erwerben. Denn so lassen sich dann auch Amortisationszeiten ermitteln usw.
blogistic.net – Wo laufen diese Daten zusammen im Unternehmen? Benötigt es Schnittstellen, um diese DAten zu nutzen?
W. Schmid – Webfleet stellt die Daten visualisiert direkt am Bildschirm zur Verfügung
W. Schmid – Webfleet stellt diese Daten visualisiert direkt am Bildschirm zur Verfügung. Der Anwender soll sich möglichst wenig um die dahinter liegende IT kümmern müssen, sondern direkt Ergebnisse zur Verfügung haben, wenn er diese benötigt, um seine Flotte zu managen und ggf. Optimierungsentscheidungen treffen zu können. Aber natürlich lassen sich diese Daten auch über Schnittstellen in bestehende Transportmanagement- oder ERP-Systeme usw. einspeisen. In solchen Fällen läuft Webfleet eben im Hintergrund. Letztendlich entscheidet das aber der Anwender selbst. An dieser Stelle möchte ich aber anmerken: Je besser wir in die Prozesse im Unternehmen integriert sind, umso bessere Ergebnisse können wir für die Anwender liefern und auch die Optimierung von betriebsinternen Prozessen verbessern.
blogistic.net – Was ist denn die typische Anwendung von Webfleet?
W. Schmid – Eine gute Frage, die man nicht pauschal beantworten kann, weil das System mittlerweile so viele Anwendungsfälle hat. Bei einem aktuellen Anwendungsfall geht es etwa um die Disposition von mobilen Toiletten auf einem Truppenübungsplatz. Da war es wichtig, deren Abstellpunkte zu fixieren, damit die quer über das Gelände verteilten Toiletten nach der Truppenübung effizient abgeholt werden können. Hier sind Sie ganz weit weg vom klassischen Flottenmanagement einer Spedition oder eines Handwerksbetriebes. Dito Containermanagement bei der Müllentsorgung, Healthcare-Logistics für die individuelle Medikamentenversorgung von Patienten, Lieferdienste von Lebensmitteln oder Paketen usw., Baustellen-Logistik bis hin zum Buslinien-Management, welches die Ankunftszeit eines Fahrzeugs an einer Bushaltestelle ermittelt und an das Display dort, sofern vorhanden, übermittelt. Das Anwendungsspektrum ist also nahezu unbegrenzt.
W. Schmid – „Wir generieren entlang der Supply Chain Flotten- und Positionsdaten…“.
blogistic.net – Wo ist aber in diesem Zusammenhang das Thema Nachhaltigkeit angesiedelt?
W. Schmid – Wir generieren entlang der Supply Chain eines Unternehmens Flotten- und Positionsdaten im weitesten Sinne. Auf der Basis dieser und anderer Daten kann dann der Anwender die Frage beantworten: Wie bekomme ich meine Mobilität der Zukunft nachhaltig hin? – Diese Frage stellen wir uns als Lösungs-Anbieter ständig auch und entwickeln laufend neue Features, welche den Anwender weiter darin unterstützen, nachhaltig zu arbeiten.
blogistic.net – Was sind denn das für Lösungen?
W. Schmid – Nehmen wir das Thema Elektromobilität. Wenn wir noch einmal zur Telematik zurückkehren, dann müssen in unserer Lösung etwa die Ladestationen integriert sein, wo man schnellladen kann und wo nicht usw. Für die eMobility-Flotte selbst geht es beim Fahrzeug selbst etwa um die Batteriegesundheit. Das ist ein zentraler Wert für den Flottenmanager. Aber auch die Optimierung betriebsinternen Prozesse können wir, wie bereits erwähnt, verbessern helfen.
blogistic.net – Gibt es Beispiele dafür?
W. Schmid – Vorausgesetzt wir sind mit unserer Lösung entsprechend integriert, können wir beispielsweise die elektronische Frachtbrief-Unterschrift vom Point of Sale bzw. Lieferort aus direkt im ERP der Zentrale signieren und so Nachfolgeprozesse wie Rechnungslegung usw. anstoßen. Umgekehrt kann so, wenn etwa ein Drucker im Fahrzeug installiert ist, ein Frachtbrief vor Ort mit allen Daten ausgedruckt werden usw. Wir arbeiten dabei sowohl für die Zentrale als auch für den Mitarbeiter im Fahrzeug gleichermaßen.
A. Berndadas-Thurzo – „Wir können auch das Fahrverhalten von Fahrerinnen und Fahrern ermitteln.“
A. Bernadas-Thurzo – Wir können darüber hinaus auch das Fahrverhalten von Fahrerinnen und Fahrern ermitteln. Das System zeichnet auf, wo und wie der Fahrer beschleunigt, ob die Person einen nicht sparsamen Fahrstil hat usw. So können dann Schulungen veranlasst werden für optimiertes, sprich nachhaltiges Fahren. Man kann mit den Ergebnissen dann auch Fahrervergleiche in Flotten initiieren, welche nachhaltiges Fahren belohnt und die Fahrerinnen und Fahrer dazu motiviert, etwa mit einem Preis. Diese Form der Motivierung sehen wir mittlerweile schon häufiger bei unseren Kunden.
blogistic.net – Frau Bernadas-Thurzo, an der eMobility führt beim Flottenmanagement heute kein Weg mehr vorbei. Sie sind insbesondere für diesen Bereich bei Webfleet zuständig.
A. Bernadas-Thurzo – Das stimmt! Ich persönlich arbeite mit unseren Kunden an Lösungen rund um die eMobility, d.h. ich komme derzeit vor allem dann zum Zug, wenn sich ein Unternehmen für den Kauf von Elektrofahrzeugen entscheidet, aber nicht genau weiß, wo dieses Fahrzeug eingesetzt werden soll. Ich analysiere dann die Routen der Flotten, die etwa bei der Filialbelieferung oder bei einem Handwerksbetrieb unterschiedlich sind. Anhand der historischen Daten kann ich dann sagen, wo der Einsatz eines Elektrofahrzeugs sinnvoll ist und wo nicht. Wir geben dann durchaus die Empfehlung ab, einen Diesel-Kleintransporter durch ein Elektrofahrzeug zu ersetzen und können dabei auch Amortisationszeiten ermitteln. Das unterstützt die Verantwortlichen bei ihren Investitionsentscheidungen. Ein weiteres Tool befasst sich damit, wo ein Unternehmen, das mehrere Standorte hat, Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge errichten könnte, damit ein sicherer Betrieb der Elektroflotte gewährleistet werden kann.
blogistic.net – Was sind dabei die Herausforderungen für ein Unternehmen, das sich für den Umstieg auf die Elektromobilität entscheidet?
A. Bernadas-Thurzo – „Den Unternehmen fehlen zumeist verlässliche Daten für Investitionssummen, über die Total Cost of Ownership, über Restwerte usw.“
A. Bernadas-Thurzo – Den Unternehmen fehlen zumeist verlässliche Daten für Investitionssummen, über die Total Cost of Ownership, über Restwerte usw. Eine der größten Herausforderungen ist allerdings, den ausfallsicheren Betrieb der Elektroflotte sicher zu stellen. Das geht jedoch nur, wenn an den strategisch wichtigen Punkten Ladeinfrastrukturen errichtet sind. Hat der Anwender nur einen Standort mit begrenztem Aktionsradius, ist das verhältnismäßig einfach. Interessant wird es hingegen, wenn ein Unternehmen über mehr als nur einen Standort verfügt und die Fahrzeugflotte erweiterte Radien hat. In diesen Fällen muss ermittelt werden, wo diese Fahrzeuge außerhalb der Zentrale an den anderen Standorten für längere Zeit geparkt werden, sodass dort eine Ladeinfrastruktur errichtet wird.
blogistic.net – Spannend! Was macht die Entscheidung für eine Elektroflotte noch zur Herausforderung?
A. Bernadas-Thurzo – An allen Standorten muss gesichert sein, dass die vorhandene Elektronetz-Infrastruktur überhaupt das gleichzeitige Laden mehrerer Elektrofahrzeuge erlaubt oder ob es diverser Zusatzinvestitionen für die Verstärkung der internen Stromnetze bedarf. Wenn man hingegen auch auf Elektro-LKW ab 7,5 Tonnen umsteigen will, wird die Herausforderung größer, weil es Ladestationen bedarf, die mindestens 20 kW liefern können. Das macht die Lösung komplexer und bedarf etlicher Genehmigungen beispielsweise wegen des Brandschutzes. Wir können hier mit unseren Tools jedoch aktiv unterstützen und wichtige Entscheidungshilfen bieten. Ein Tool wäre übrigens ein Smart-Charging Modul, das Spitzenbelastungen von Stromnetzen in einem Unternehmen durch eMobility verhindert. Ein Smart Charging-Feature ist bereits in Webfleet verfügbar. Damit hat man nicht nur die Elektrofahrzeuge, sondern auch die Ladesäulen auf einer Plattform im Blick. Mit dem Feature kann man tatsächlich die Spitzenlast kontrollieren.
blogistic.net – Die eMobility ist für den Flottenmanager zumindest am Anfang also eine größere Herausforderung und somit das Flottenmanagement zeitintensiver als das mit einem verbrennungsmotorisch angetriebenen Fahrzeug ist. Stimmen Sie der Aussage zu?
A. Bernadas-Thurzo – „Die Prozesse sind nur ungewohnt, weil man auf andere Parameter achten muss.“
A. Bernadas-Thurzo – Nicht wirklich. Die Prozesse sind nur ungewohnt, weil man auf andere Parameter achten muss. Wolfgang Schmid hat vorhin zum Beispiel die Batteriegesundheit erwähnt. Diese muss natürlich überwacht werden. Wir ermitteln daher mit unseren Modulen die Belastungen der Fahrzeuge mit ihren Batterien, ob diese überhitzen oder ob die Fahrzeuge unsachgemäß gestresst werden etc. Natürlich ermitteln wir auch den Gesamtzustand der verbauten Batterie. Wenn die Leistungsfähigkeit einer solchen Batterie ungewöhnlich nachlässt, macht sich das schon mehrere Wochen vorher anhand ungewöhnlicher Daten bemerkbar. Der Anwender kann dann in die Werkstatt fahren, diese Batterie prüfen und sie ggf. ersetzen lassen. Unterm Strich ändern sich also nur diverse Routinen bei Elektroflotten. Das ist alles.
blogistic.net – Es ist somit unterm Strich nur eine Veränderung der Routinen bei der Routenplanung und des Flottenmanagements? Ok. Für viele Unternehmen ist, aller Klimaneutralität und CO2-Einsparung zum Trotz, letztlich jedoch hauptsächlich die Betriebswirtschaftlichkeit das Entscheidungskriterium für Elektromobilität. Können Sie bei Ihrer Erfahrung und dem Wissensstand heute bestätigen, dass sich Elektromobilität rechnet?
A. Bernadas-Thurzo – Das muss man sich im Einzelfall genau anschauen. Was viele heute noch immer schreckt sind die Anschaffungskosten und Investitionskosten für Elektromobilität. Diese sind in der Tat am Anfang vergleichsweise hoch. Wenn Sie aber bedenken, dass die Wartungskosten dieser Fahrzeuge viel geringer sind als bei einem verbrennungsmotorisch angetriebenen Gerät und die Versicherungskosten auch sinken und wenn sie zudem dagegenhalten, dass die Restwerte der Elektrofahrzeuge stark steigen, dann rechnet sich das entlang der Laufzeit. Hinzu kommen auch diverse staatliche Förderungen. Wenn Sie also die Gesamtbetriebskosten und die Laufzeit eines Nutzfahrzeuges zugrunde legen, können wir mit unserem jetzigen Wissensstand bestätigen, dass sich Elektromobilität rechnet.
blogistic.net – Vielen Dank für das spannende Gespräch.
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