Lockdown 2.0 – Deutschlands Wirtschaft schrumpft so stark wie zuletzt im Mai 2020. Das war während des ersten Lockdowns. Dies zeigt der PMI August 2023 des internationalen Marktforschungsunternehmens S&P Global. Demnach liegt die deutsche Industrie schon das vierte Mal in Folge weit unter der 50-Punkte Wachstumsgrenze. Der Dienstleistungssektor kann das nicht mehr kompensieren. Die anhaltende Flaute der deutschen Wirtschaft hat dabei längst die österreichische Industrie erfasst. Diese steckt mittlerweile schon ein ganzes Jahr in einer Rezession. Dies zeigt der aktuelle Einkaufsmanagerindex EMI August 2023 der UniCredit Bank Austria.

Die deutsche Wirtschaft schrumpft und ein Ende des Schrumpfungsprozesses ist derzeit nicht absehbar. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Die Transformation der Wirtschaft in Richtung Digitalisierung und Dekarbonisierung, der demographische Wandel, aber auch der Klimawandel. Verstärkt werden die Auswirkungen der ökonomischen und gesellschaftlichen Wandlungsprozesse durch Krisen wie etwa die überwundene Coronakrise, der Vernichtungskrieg des faschistischen Russlands gegen die Ukraine, welche die Energiekrise massiv forcierte und die dräuende Wirtschaftskrise der Volksrepublik China. Letztere ist wohl auf mittelfristige Zeit nicht mehr der Wirtschaftsmotor der Weltwirtschaft.
PMI August 2023 – Äußere Faktoren forcieren Schrumpfungsprozess
Das alles beschleunigt den Rückgang der Industrieproduktion und führt zu Geschäftseinbußen im Servicesektor. Diese sind auch durch wirtschaftspolitische Maßnahmen kaum kompensierbar. Der Ausblick der deutschen Beschaffungsmanager:innen bleibt daher auch mittelfristig weitgehend pessimistisch. Der Pessimismus wird verstärkt durch die Tatsache, dass die Verbrauchernachfrage nach Gütern und Dienstleistungen wegen der steigenden Zinsen und der hohen Inflation weiter zurückgeht. Gleichzeitig verstärkte sich der Inflationsdruck wieder. Dieser wird ausgelöst durch den beschleunigten Kosten- und Preisanstieg im Servicesektor und könnte sich durch das weitere Drehen an der Zinsschraube durch die EZB weiter verstärken.
PMI August 2023 notiert auf tiefstem Wert seit 2020
Mit 44,7 Punkten nach 48,5 im Vormonat ist der HCOB Flash Deutschland Composite PMI im August somit zum vierten Mal in Folge gesunken. Er notierte damit auf dem tiefsten Wert seit Mai 2020. Die deutsche Industrie alleine für sich betrachtet landete mit 39,7 Punkten sogar auf dem tiefsten Stand seit drei Jahren. Hier brach auch das Neugeschäft wegen der Kaufzurückhaltung der Business- und Privatkunden gleichermaßen ein. Gleichzeitig vermeldete der Servicesektor erstmals seit acht Monaten wieder Geschäftseinbußen und Auftragsverluste, die so stark ausfielen wie zuletzt im November 2022 (Index bei 47,3). Gleichzeitig schlug beim Export-Neugeschäft in beiden Sektoren abermals ein Minus zu Buche. Dieses fiel jedoch in beiden Fällen nicht mehr ganz so gravierend aus wie zuletzt.
C. de la Rubia – “Unser BIP-Nowcast-Modell zeigt ein Minus von beinahe ein Prozent”
„Die Hoffnung, dass die Dienstleister die deutsche Wirtschaft retten könnten, hat sich somit in Luft aufgelöst. Stattdessen ist der Servicesektor dabei, sich der Rezession im verarbeitenden Gewerbe anzuschließen. Diese dürfte bereits im zweiten Quartal begonnen haben. Unser BIP-Nowcast-Modell, das die PMI-Vorabschätzung mit einbezieht, zeigt jedenfalls einen stärkeren Rückgang der gesamten Wirtschaft als zuvor an, nämlich um fast minus ein Prozent”, kommentiert Dr. Cyrus de la Rubia, Chefökonom der Hamburg Commercial Bank, die Ergebnisse des PMI August 2023 und weiter: “Im Servicesektor hat der Abschwung gerade erst begonnen. Die Dienstleister legen dennoch ein überraschend starkes Selbstbewusstsein an den Tag und haben die Preise noch stärker erhöht als im Vormonat.“ Ob das volkswirtschaftlich sinnvoll ist, kann bezweifelt werden. Denn dies könnte die Inflation in Deutschland wieder anheizen, trotz diverser Preisbremsen, welche die deutsche Bundesregierung etwa im Energiebereich oder bei Lebensmitteln eingezogen hat. Und wegen der anhaltend hohen Inflation könnte sich die EZB veranlasst sehen, weiter an der Zinsschraube drehen, was den Negativtrend der Wirtschaft weiter forcieren dürfte…
PMI August 2023 – Arbeitslosigkeit steigt wieder
Der PMI August 2023 zeigt aber auch, dass sich wegen des Mangels an Neuaufträgen und des rasanten Sinkens der Auftragsbestände in der Industrie, die Einstellungsbereitschaft erheblich reduziert hat. Es werden wieder Stellen abgebaut. Gleichzeitig kommt der Jobaufbau bei den Serviceanbietern nahezu zum Stillstand. Die Beschäftigung in der deutschen Wirtschaft konnte daher im August noch auf unverändert hohem Niveau gehalten werden.
EMI August 2023 – Talfahrt der österreichischen Industrie geht weiter

Die Negativentwicklung in Deutschland und in der Euro-Zone setzt der österreichischen Industrie nun schon seit mehr als einem Jahr zu. Dies bestätigt der Einkaufsmanagerindex EMI August 2023 der UniCredit Bank Austria. Dieser landete zwar marginal verbessert gegenüber dem Vormonat auf 40,6 Punkten. Das ist aber noch überdeutlich unter der 50 Punkte-Marke, welche Wachstum anzeigt. Und betrachtet man den Rückgang des Neugeschäfts, so bleibt wenig Raum für Hoffnung, dass sich die Situation in diesem Jahr noch erheblich verbessern wird. Der Index für die Neuaufträge sank auf 32,9 Punkte und weist damit den sechszehnten Monat in Folge weniger Neugeschäft für die heimischen Betriebe aus. Sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland kamen weniger Bestellungen als im Vormonat.
S. Bruckbauer zeigt sich zweckoptimistisch
Dennoch zeigt sich UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer (zweck)optimistisch: “Der EMI August 2023 erreichte im August 40,6 Punkte und unterschritt damit erneut die Wachstumsschwelle von 50 Punkten deutlich“, und er ergänzt: „Die Aussicht, dass die Talsohle des Abschwungs bald erreicht sein wird, hat sich jedoch verbessert. Der Produktionsrückgang hat sich im August verlangsamt und der Beschäftigungsabbau stabilisiert. Während der Rückgang des Neugeschäfts noch stärker ausfiel als in den Vormonaten, hat sich der Abwärtstrend im Einkauf und bei den Vormaterialbeständen verringert. Die Preissenkungen im Einkauf und im Verkauf verloren an Tempo.“
W. Pudschedl – “Betriebe haben Produktion zurückgefahren”
Österreichs Industrie vollzieht also einen Lockdown 2.0. „Angesichts der weiter stark nachlassenden Nachfrage haben die heimischen Betriebe im August die Produktion spürbar zurückgefahren”, bestätigt Walter Pudschedl, Ökonom der UniCredit Bank Austria die Zahlen. Er weist jedoch darauf hin, dass der leichte Anstieg des Produktionsindex auf 43,2 Punkte zeige dass sich das Abwärtstempo zumindest etwas verlangsamt habe. Allerdings: „Die österreichischen Erzeuger fuhren ihre Produktion jedoch stärker zurück als jene des Euroraums insgesamt. Die enge Verknüpfung mit der deutschen Industrie, die angesichts der fehlenden Exportnachfrage besonders stark die Produktionskapazitäten verringerte, erweist sich derzeit dabei als Belastung.“
EMI August 2023 – Beschäftigungsabbau geringfügig verlangsamt
Aufgrund des Abwärtstrends sank die Beschäftigung in der heimischen Industrie den vierten Monat in Folge. “Erstmals hat sich das Tempo des Rückgangs jedoch verlangsamt“, so W. Pudschedl zum EMI August 2023. Der Beschäftigungsindex stieg nämlichauf 46,5 Punkte. Trotz starker Nachfrage- und Produktionsrückgänge sei damit das Ausmaß der Anpassung der Personalkapazitäten an die geringere Auslastung deutlich verhaltener als während der Finanzkrise oder der Corona-Pandemie, interpretiert der Ökonom die Zahlen. W. Pudschedl sagt hierzu abschließend: “Angesichts des engeren Angebots am Arbeitsmarkt werden qualifizierte Arbeitskräfte offenbar in den Betrieben trotz Auslastungsproblemen gehalten.”
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