SPORTSWEAR-LOGISTICS – Der Mensch im Fokus

Englands größter Sportartikelhändler, Sportsdirect.com, hat nach der Komplettübernahme der Eybl-Gruppe in Österreich dessen Sportswear-Logistics Konzept komplett umgekrempelt. Seither stehen bei der Distributionslogistik der Briten der Faktor Mensch und die Geschäftsprozesse im Vordergrund und nicht die Automatisierung. (Ein Bericht von CR Hans-Joachim Schlobach)

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Fünf Prozent des österreichischen BIP wird mit Wintersport erwirtschaftet. (© GRAFIKPLUSFOTO – FOTOLIA.COM)

Der „Daily Telegraph“ bezeichnete das Unternehmen einmal als „the craziest retailer“ auf der Insel. Und das, so die britische Tageszeitung damals weiter, liege nicht alleine nur an Firmengründer Mike Ashley, der den Fußballverein Newcastle United im Jahr 2007 kaufte. Vielmehr machte dieser mit seinem eigenwilligen Filialmodell für sein Handelsunternehmen von sich reden, welches eher wie ein Diskonter bzw. wie das der „Telegraph“ ausdrückte, wie ein „Flohmarkt“ daherkommt. Die Rede ist von Sportsdirect, dem mittlerweile größten Sportartikelhändler Großbritanniens. Und genau dieser Handelsriese hat mit der Komplettübernahme von Sport Eybl und Sports Experts im April des vergangenen Jahres in Österreich einen markanten Fußabdruck auf den Kontinent gesetzt. Zehn Millionen für den Einkaufspreis plus 30 Millionen für das Eigenkapital ließ Sportsdirect dafür springen in der Erwartung, den österreichischen Markt im Handstreich zu erobern.

Österreich ist anders

So weit, so gut. Dass der österreichische Sportartikelmarkt jedoch etwas anders tickt als der Großbritanniens, das musste der britische Handelsriese schon kurz nach seinem Markteintritt im Jahr 2013 feststellen. Denn für die österreichischen Konsumenten ist nicht alleine der Preis ausschlaggebend. Auch die Auswahl der Sortimente in den Filialen sowie kompetente Beratung spielen eine wesentliche Rolle. Dabei unterscheidet sich der österreichische Sportartikelgeschmack erheblich von dem britischer oder nordeuropäischer Konsumenten. Dieser orientiert sich nämlich am Wintersport, der in der Alpenrepublik – im Vergleich beispielsweise zu Großbritannien oder Belgien – eine unumstrittene Marktmacht darstellt.

Fünf Prozent des BIP. Hierzulande werden immerhin rund fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts mit dem Wintersport erwirtschaftet. Und das führt letztlich dazu, dass der Winter für den Sportartikelhandel wichtiger ist als der Sommer. Somit lassen sich Business- und Markenstrategien, welche für den britischen Markt hervorragend funktionieren, nicht eins zu eins auf die Alpenrepublik übertragen. Bei Sportsdirect.com arbeitet man mittlerweile an der Adaptierung der Vertriebs- und Markenstrategie für Österreich wie etwa dem Re-Branding einiger Eybl-Filialen. Österreichische Wintersportler, die mit dieser Marke groß geworden sind, wird es freuen.

Dabei setzt der britische Handelsriese in seinen Distributionszentren nicht grundsätzlich auf Automation, sondern durchaus auf Handarbeit nach dem Motto ‚Nicht die Automatisierung, sondern der Faktor Mensch und die Prozesse stehen im Vordergrund‘ (Peter Ewalds, Partner von Axialyze)

Aggressive Preispolitik

Zwar musste die Vertriebs- und Markenstrategie am Point of Sale (POS) für Österreich adaptiert werden, die Preisstrategie der Briten ist hingegen so universell und global, wie sich Österreichs Verbraucher das nur wünschen können: aggressiv. Der Grund dafür liegt eben in deren diskonterartigem Geschäftsmodell, das auf der Kombination von guter Qualität der angebotenen Sportartikel zu günstigen Preisen basiert und sich vor allem auf saisonale Schnelldreher konzentriert. Das Geld wird deshalb mit einer hohen Umschlagleistung in den Filialen und zunehmend auch im Online-Geschäft verdient. Umgekehrt setzt diese aggressive Preisstrategie am POS eine nicht minder preisaggressive Einkaufsstrategie voraus. Denn nur so lassen sich die günstigen Verkaufspreise in den Filialen betriebswirtschaftlich darstellen.

Strategie erfolgversprechend. Der 3,2 Milliarden Euro mächtige Handelsgigant, der mit dem Kauf der Eybl-Gruppe jetzt auch in Österreich eine Marktmacht darstellt, dürfte daher den Preisdruck des Marktes an seine Lieferanten einfach weiter geben. Österreichs Wintersport-Markenartikler und Skihersteller können sich somit für die Wintersaison 2015/16 auf harte Preisverhandlungen mit dem Sportartikel-Diskonter gefasst machen, der am Gesamtumsatz gemessen rund zehnmal so groß ist wie sein nächster österreichischer Mitbewerber. Dass dabei die aggressive Einkaufsstrategie der Briten aufgeht, davon kann nach dem jetzigen Stand der Dinge ausgegangen werden. Denn auch Österreichs Wintersportler kaufen wegen der allgemeinen Teuerung und trotz temporär günstigerer Treibstoffpreise immer preisbewusster ein. Und die Sportsdirect-Strategen wollen diesem Wunsch entsprechen. Ohnehin dürften preisaggressive Anbieter wie Sportsdirect oder die Spar-Tochter Hervis das Rennen um die Konsumenten machen, welche jährlich immerhin rund 1,7 Milliarden Euro für ihre Sportfreizeit ausgeben. Davon gehen jedenfalls österreichische Handels-Analysten aus.

Es ist es die Strategie von Sportsdirect, möglichst viel selbst abzuwickeln und nicht an Drittanbieter auszulagern (Dave Forsey, CEO Sportsdirect International)

Sportswear-Logistis schmiert Business

Ob Sommer- oder Wintersport, das Rückgrat im Sportsdirect-Business ist jedoch seine Sportswear-Logistics. Sie muss dafür sorgen, dass Sportswear in den Filialen kostengünstig, laufend und in der richtigen Menge vorhanden ist. Diese Distributionslogistik ist daher beim mit über 550 nationalen und internationalen Stores ausgestatteten Sportartikelhändler auf dem europäischen Kontinent zentral organisiert. Dabei ist es die Strategie von Sportsdirect, möglichst viel selbst abzuwickeln und nicht an Drittanbieter auszulagern, bestätigt Dave Forsey, CEO von Sportsdirect International, in einem Interview mit dem „Economist“ im Sommer 2014. Das spart dem Konzern nicht nur Kosten, sondern reduziert auch die Schnittstellen entlang der Distributionskette. Gleichzeitig helfe dieses System, auf die Bedürfnisse des Online-Handels flexibel reagieren zu können,so D. Forsey weiter.

Sportswear-Logistics: Manpower statt Automation. „Dabei setzt der britische Handelsriese in seinen Distributionszentren nicht grundsätzlich auf Automation, sondern durchaus auf Handarbeit nach dem Motto ‚Nicht die Automatisierung, sondern der Faktor Mensch und die Prozesse stehen im Vordergrund‘“, sagt Peter Ewalds, Partner des internationalen Logistik-Beratungsunternehmens Axialyze mit Sitz in Belgien und Deutschland im Gespräch mit BLOGISTIC.NET. Das internationale Beratungsunternehmen unterstützt Sportsdirect vor allem bei der Optimierung der Supply Chains seiner Tochtergesellschaften in Europa und begleitete auch den Ausbau der Logistikzentrale in Saintes (Belgien).

Kein Stein am anderen. In Österreich zeichnete AxMann ialyze nach eigenen Angaben mitverantwortlich für die Integration der Eybl-Gruppe in die Sportsdirect-Gruppe, samt Reorganisation der österreichischen Distributionslogistik in die Filialen. Dabei ließen sie bei der vorhandenen Distributions-Infrastruktur der Eybl-Gruppe faktisch keinen Stein auf dem anderen. „Unsere Analysen zeigten schnell, dass die vorhanden Strukturen in den Lagern bei Eybl nicht geeignet waren, das Geschäftsmodel von Sportsdirect optimal zu unterstützen“, erläutert P. Ewalds die Gründe für die massiven Umstrukturierungen. Insbesondere das zentrale Eybl-Distributionszentrum in Wels war nicht mit der Supply-Chain-Strategie der Briten kompatibel; 

Das neue Regalsystem wird jetzt mit induktiv
geführten Regalbediengeräten bewirtschaftet. (Foto: Gregor Schweinester)

 und das, obwohl es einen sehr hohen Automatisierungsgrad mit hochmodernem Shuttle-System aufwies. „Weil die Sortimentsstruktur der Briten jedoch auf Schnelldreher mit hoher Variantenvielfalt ausgelegt ist, waren mit dieser technisch dominierten Distributionslogistik nicht die erforderlichen Durchlaufmengen zu erreichen“, bestätigt P. Ewalds gegenüber BLOGISTIC.NET. Trotz Hightech fehlte es in Wels zudem an ausreichenden Kommissionier- und Lagerkapaziäten.

Mann zur Ware. Die Sportswear-Logistics Lösung im Sportsdirect-Distributionszentrum in Wels bestand daher im Abbau des technisch aufwendigen Ware-zum-Mann-Systems und der Implementierung einer klassischen Mann-zur-Ware-Struktur. Gleichzeitig wurde das Lager entkernt und so freie Lagerflächen geschaffen. Zur Sicherstellung der erforderlichen Kapazitäten an Kommissionierplätzen wurde gemeinsam mit den Spezialisten für Regalsysteme, Bito Lagertechnik Austria, eine sogenannte „Walkway-Lösung“ geplant. Das bedeutet, dass nun in der Regalanlage sowohl am Boden als auch in der Höhe kommissioniert wird und die Zwischenbereiche zur Lagerung des Nachschubs verwendet werden. Insgesamt entstanden so zusätzlich mehr als 20.000 Kommissionierplätze und mehr als 12.000 Palettenplätze. Dabei wurde ein komplett neues Schmalgang-Regalsystem von Bito Lagertechnik Austria in Wels implementiert. Dieses Regalsystem wird jetzt mit induktiv geführten Regalbediengeräten bewirtschaftet. Mit anderen Worten: Während die österreichische Eybl-Group noch vorhandene Manpower durch Technik ersetzte, ging der britische Handelsriese Sportsdirect im vergangenen Jahr genau den entgegengesetzten Weg und setzt jetzt auf mehr Manpower. Die Konsequenz ist, dass die Briten im Lager Wels keine Arbeitsplätze abbauen, sondern schaffen.

Operation am offenen Herz

„Die Herausforderung bei der Implementierung unserer Systeme lag in der Tatsache, dass der Umbau im laufenden Betrieb erfolgen musste. Es war quasi eine ‚Operation am offenen Herzen‘“, erläutert Roland Seebacher, Geschäftsführer der Bito Lagertechnik Austria. Gleichzeitig musste das gesamte Umbauprojekt innerhalb sieben Monaten, noch vor dem Höhepunkt der Wintersaison 2014/2015 abgeschlossen sein. Erschwerend kam dabei hinzu, dass ein Umbau in dieser Dimension sämtliche Bereiche der Gebäudetechnik tangiert. So mussten etwa Brandschutz, Sprinkler- und Lüftungsanlagen, die Beleuchtung und Elektrik sowie die Sicherheitstechnik an die neuen Bedingungen angepasst werden. „Doch mit einer guten Planung und Koordination sämtlicher Beteiligter konnten wir die Anforderungen, welche Sportsdirect an uns stellte, erfüllen“, freut sich R. Seebacher im Gespräch mit BUSINESS+LOGISTIC. Und P. Ewalds bestätigt abschließend: „Die Lager- und Regaltechnik stellte den größten Budgetposten des Millionen Euro schweren Projektes in Wels dar. Und nachdem Bito uns mit der Detailplanung für dieses Projekt überzeugt hatte, haben wir uns für diesen Partner entschieden. Zurecht!.“
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