JOHAN LIER – Wir brauchen die Menschen für unsere Zukunft

Der mittelständische norwegische Robotik- und Intralogistik-Spezialist Autostore ist mit seinen Lösungen in Europa und den USA gut aufgestellt. Trotz bzw. genau wegen der Corona-Krise rekrutieren die Skandinavier neue Fachkräfte. CEO Karl Johan Lier sagt im Gespräch mit blogistic.net, warum.

J. Lier: Wir brachen die Menschen für unsere Zukunft. (Foto: Autostore)
J. Lier: Wir brauchen die Menschen für unsere Zukunft, und dabei vor allem in Forschung und Entwicklung, beispielsweise in den Bereichen Software, Hardware und Mechanik. (Foto: Autostore)

Mit der Akquisition internationaler Kunden wie Puma, Lufthansa, Siemens oder TTI wuchs das norwegische Robotik-Unternehmens AutoStore in 2019 um 45 Prozent. Im Jahresabschluss 2018 erzielte Autostore einen Umsatz von rund 1,2 Milliarden Norwegische Kronen (NOK). Das entspricht rund 109 Millionen Euro. Und im vergangenen Sommer verkaufte der schwedische Akquisitionsfonds EQT den größten Teil von Autostore für 16 Milliarden NOK (knapp 1,5 Milliarden Euro) an den US-amerikanischen Akquisitionsfonds THL Partners.

Azyklisch rekrutieren. Jetzt rekrutiert das Robotik-Unternehmen Dutzende neuer Mitarbeiter – mitten in der Coronakrise. Denn CEO Karl Johan Lier ist überzeugt, dass die aktuellen Maßnahmen gegen die Pandemie in vielen Ländern eine erhöhte Nachfrage nach Automatisierungstechnik erzeugen werden und stellt das Unternehmen entsprechend auf.

blogistic.net: Wie ist das Jahr 2019 für AutoStore gelaufen und wie viele Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen?

Lier: Wir sind im vergangenen Jahr um rund 45 Prozent gewachsen. Um unseren Wachstumskurs fortsetzen zu können, werden wir in Kürze allein in Norwegen 15 bis 20 neue Stellen besetzen. Außerdem stellen wir 30 bis 40 neue Mitarbeiter im Ausland ein, insbesondere in großen Märkten wie den USA und Deutschland sowie im Werk in Polen. Unsere Mitarbeiterzahl ist in den letzten Jahren auf 300 Personen angewachsen. Wir wollen diese Zahl in den nächsten Jahren auf 600 verdoppeln. Wir brauchen die Menschen für unsere Zukunft, und dabei vor allem in Forschung und Entwicklung, beispielsweise in den Bereichen Software, Hardware und Mechanik.

Wir sind im vergangenen Jahr um rund 45 Prozent gewachsen. Um unseren Wachstumskurs fortsetzen zu können, werden wir in Kürze allein in Norwegen 15 bis 20 neue Stellen besetzen.

Johan Lier, CEO Autostore

blogistic.net: Autostore ist also gut in Europa und den USA aufgestellt. Ist geplant, den Firmensitz näher an die neuen Märkte heran zu rücken?

Johan Lier: Wir haben nicht vor, unseren Hauptsitz von Nedre Vats zu verlegen, obgleich es manchmal durchaus eine Herausforderung ist, in der relativ schwach besiedelten Region Norwegens ausreichend spezifisches Fachwissen zu finden. Wir haben daher ein norwegisches Büro mit einem Trainingscenter in Asker eingerichtet sowie eine Fabrik in Polen, was es insgesamt einfacher macht, die passenden Leute zu finden.  In den Märkten USA, Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Japan agieren wir mit eigenen Vertriebsbüros sowie einem Netzwerk qualifizierter Systemintegratoren, unseren Partnern.

blogistic.net: Wie ist AutoStore durch die Phase des Lockdowns gekommen? Für viele Unternehmen war es dabei eine Herausforderung, Homeoffice-Arbeitsplätze in hoher Zahl und unter Zeitdruck einzurichten….

Lier: Wir sind bis jetzt gut durch die Krise gekommen und hatten gerade mit solchen Tools, die Sie ansprechen, keine Probleme. Denn wir sind es als internationales Unternehmen gewohnt, digitale Tools für Besprechungen und unsere Zusammenarbeit zu verwenden, sodass viele unserer Mitarbeiter von zu Hause arbeiten konnten und weiterhin können. Die einzige Ausnahme ist unser Werk in Polen. Trotz der weltweiten Einschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen haben wir es aber geschafft, unsere Produktionsraten auch in der Phase des Lockdowns beizubehalten und unsere Projekte bisher gemäß den Kundenerwartungen auszuführen.

Autostore ist gut durch die Krise gekommen. (Foto: Autostore)
Autostore ist gut durch die Coronakrise gekommen und expandiert. (Foto: Autostore)

Johan Lier: Aber auch wenn das Home Office für uns funktioniert hat, ist AutoStore ein Unternehmen mit einer starken Organisationskultur. Wir inspirieren uns gegenseitig und wie alle anderen möchten wir Teil eines Teams sein. Auch wenn wir von unserem Heimbüro aus viel produzieren können, freuen wir uns alle auf normale Zeiten, in denen wir bei einer Tasse Kaffee über die Arbeit sprechen können.

blogistic.net: Welche Auswirkungen und Veränderungen sehen Sie durch die weltweite Lockdown-Situation für das Geschäft von Autostore?

Lier: Ich bin davon überzeugt, dass unsere Lösungen langfristig noch wichtiger werden und die Coronakrise die Automatisierung etwa im Handel vorantreiben wird. Die Sportbranche in Norwegen und Schweden ist bei der Automatisierung weit voraus. Das zeigen unsere Installationen bei XXL, G-Sport und Sportamore und es besteht kein Zweifel daran, dass der Einzelhandel im Allgemeinen gut zu uns passt. Die Coronakrise könnte eine weitere Nachfrage nach dem beliebten Robotersystem hervorrufen. Aktuell laufen alle Projekte, die wir verkauft haben, wie gewohnt.

blogistic.net: Gab es Ausfälle?

Lier: Nein, aber kurzfristig führten die Corona-Einschränkungen zu einigen Verschiebungsentscheidungen.

blogistic.net: Wie sehen Sie die Zukunft der Intralogistik- und Robotikbranche?

Lier: Die Dinge werden sich wieder normalisieren. Doch dann werden viele in Betracht ziehen, mehr in die Automatisierung zu investieren. Die Entwicklung, die dennoch im Laufe der Zeit stattfinden würde, wird jetzt noch schneller erfolgen.

Die Dinge werden sich wieder normalisieren. Doch dann werden viele in Betracht ziehen, mehr in die Automatisierung zu investieren.

Johan Lier, CEO Autostore

blogistic.net: Worauf basiert Ihr Optimismus?

Lier: Die Coronakrise hat Veränderungen im Handel dramatisch beschleunigt. Künftig werden noch mehr Verbraucher aber auch Unternehmen werden Artikel online einkaufen. Dieses Konsumverhalten wird zukünftig einen noch größeren Bedarf an Lösungen für den E-Commerce schaffen. Darüber hinaus hat Corona meiner Meinung nach gezeigt, dass klassische stationäre Geschäfte mit manueller Bedienung ein Infektionsrisiko für Kunden aber auch das Personal darstellen. Deshalb sehen wir einen Trend und eine wichtige Lösung im „Micro Fulfillment“.

blogistic.net: Was heißt das genau und was unterscheidet Micro-Fulfillment von E-Commerce?

Lier: In einfachen Worten geht es darum, die Lagertechnologie näher am Kunden einzusetzen, um sogenannte „Omni-Channel-Services“ anbieten zu können, bei dem den Kunden ein nahtloses plattformübergreifendes Einkaufserlebnis geboten wird.

blogistic.net: Worum geht es bei Micro Fulfillment?

Lier: Bei Micro Fulfillment geht es um die Verwendung kleinerer Automatisierungslösungen, beispielsweise in Geschäften, mit denen der Kunde online bestellen und den Artikel an einer Pick-up-Station abholen kann, ohne das Geschäft zu betreten. Gerade in den Vereinigten Staaten gibt es einen großen Trend in diese Richtung, insbesondere bei großen Lebensmittelketten mit großen Vertriebszentren. Die Händler haben so zwar eine effiziente Logistik, aber hohe Transportkosten. Wenn Kunden immer höhere Anforderungen an die Lieferschnelligkeit stellen und die Waren innerhalb von Stunden und nicht Tagen geliefert werden sollen, müssen die Lagerbestände näher an große Bevölkerungsgruppen herangeführt werden.

Die Coronakrise könnte zu einem Investitionsboom in Logistik-Automation führen. (Foto: Autostore)

blogistic.net: Wie viel Marktpotenzial sehen Sie für solche Automatisierungslösungen, etwa in den USA, aber auch in Europa?

Lier: Heute sind nur fünf Prozent der US-Lager ganz oder teilweise automatisiert. Im Vergleich dazu liegt der Anteil in Europa bei rund 15 Prozent und Norwegen liegt hier sogar ziemlich weit vorne. In Europa steigen die Löhne, was die Amortisation von Investitionen in die Automatisierung erleichtert. Zwischen 80 und 90 Prozent der Lager weltweit werden in den nächsten dreißig Jahren stärker automatisiert. Wir arbeiten also eindeutig in einer Wachstumsbranche.

blogistic.net: Eine Lagerautomatisierung rechnet sich in der Regel nur in größeren zentralen Lagern mit entsprechendem Durchsatz, denn neben den Kosten für die Lagertechnik sind häufig auch Investitionen in neue Gebäude nötig. Ab wann rechnet sich ein AutoStore-System?

Lier: Einer der Vorteile des Autostore-Systems ist die Flexibilität. Kunden können mit einem kleinen, modularen System beginnen und bei steigendem Bedarf an Lagerfläche oder Durchsatzleistung mehr investieren.  Das macht uns einzigartig im Vergleich zu unseren Mitbewerbern. Wir haben gezeigt, dass wir in puncto Geschwindigkeit, Flexibilität und Stabilität führend sind. Das System ist platzsparend und kann in bestehende Gebäude eingebaut werden. Somit kann das AutoStore-System mit seinen Robotern eine Alternative zum Umzug sein.

blogistic.net: Wann ist die Investition in solche Automatisierungslösungen für Unternehmen opportun?

Lier: Wenn Unternehmen aus ihren Lagerbeständen herauswachsen, sollten sie sich die Automatisierung mit AutoStore anstelle einer neuen Immobilie ansehen. Unternehmen müssen möglicherweise nicht den Ort wechseln, wenn sie den vorhandenen Raum viermal effizienter nutzen können. Im bestehenden Gebäude zu bleiben und in die Automatisierung zu investieren, kann ein großer finanzieller Vorteil sein.

Wenn Unternehmen aus ihren Lagerbeständen herauswachsen, sollten sie sich die Automatisierung mit AutoStore anstelle einer neuen Immobilie ansehen.

Johan Lier, CEO Autostore

blogistic.net: Sie bieten mit den Robotern R5 und B1 sowie verschiedenen Arbeitsstationen passende Hardware-Lösungen für verschiedene Leistungsklassen. Welche Rolle spielt das Thema Software in einem AutoStore-System?

Lier: Mit Blick in die Zukunft von AutoStore ist die Software der Schlüssel zum Erfolg. Die Software muss den Verkehr der Roboter fast wie auf einem Schachbrett steuern. Ziel ist es, die Aufträge noch schneller und stabiler zu erledigen und so den Durchsatz und die Leistung noch weiter zu erhöhen.

blogistic.net: Wie sehen Sie für sich und Ihr Unternehmen die Zukunft?

Johan Lier: Wir arbeiten in einer der aufregendsten und technologisch anspruchsvollsten Branchen der Welt. Es ist sehr aufregend, global den Aufbau und die Entwicklung eines in Norwegen ansässigen Unternehmens zusammen mit großartigen Kollegen und Partnern auf der ganzen Welt vorantreiben zu können.

blogistic.net: Danke für das Gespräch.

autostore.com

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