Der österreichische Transport-Mittelständler Quehenberger Logistics ist aus dem Joint Venture mit der ÖBB, Q Logistics, ausgestiegen. Gleichzeitig hat sich der Branchenlogistiker von seiner Express-Sparte getrennt und sie in den Express-Logistiker NOX Nachtexpress eingebracht. Zudem setzen die Straßwalchener auf Spezialisierung und Digitalisierung. Dabei will man sich künftig auf die Kernkompetenzen „Teil- & Komplettladungen“, „Kontraktlogistik“, „Sea & Air“ und „Branchenlogistik“ konzentrieren.
Das Jahr 2018 war, wie das Jahr 2017 auch, für den österreichischen Transport-Mittelständler Quehenberger Logistics turbulent. Zwar konnten die Straßwalchener in ihren Kernkompetenzen „Teil- & Komplettladungen“, „Kontraktlogistik“, „Sea & Air“ und „Branchenlogitistik“ positiv reüssieren, dem steht jedoch ein Verlust von rund 26 Millionen Euro aus dem Jahr 2017 aus dem Joint Venture mit der ÖBB, Q-Logistics, gegenüber. Auch für 2018 dürfte sich ein zweistelliger Millionenbetrag in den Bilanzen bemerkbar machen. Und das, obgleich Q Logistic als die größte Spedition Österreichs galt.
Abenteuer Q Logistics. Doch Größe macht noch kein erfolgreiches Unternehmen. Es müssen die Partner einer solchen Konstruktion auch passen. „Sie passten nicht“, gab Christian Fürstaller, CEO der Augustin-Quehenberger Group, bei der Jahrespressekonferenz am 27. März 2019 in Wien offen zu und weiter: „Die Geschäftskulturen der Augustin Quehenberger Group und der halbstaatlichen ÖBB waren nicht miteinander kompatibel, obgleich das gemeinsame Unternehmen vielversprechend startete.“ Konkret heißt das: Die ÖBB ist Zwängen unterworfen, welche die gemeinsame Entwicklung von Q Logistic erheblich einbremste. Daher zogen die Spitzen beider Unternehmen nach nur zwei Jahren die Notbremse und trennten sich einvernehmlich. Künftig werde man partnerschaftlich in einer Kunden-Lieferanten-Beziehung miteinander zusammen arbeiten, war auf der Pressekonferenz zu hören.
Überall dort, wo es auf qualitätsorientierte Lieferketten ankommt, kann sich Quehenberger Logistics immer stärker durchsetzen.
Christian Fürstaller, CEO Quehenberger Logistics
Licht aus im Nachtexpress. Im selben Aufwasch löste sich der Transportlogistiger von seiner Nachtexpress-Sparte. Sie wird nun in den Overnight-Spezialisten NOX Nachtexpress eingebracht. NOX Nachtexpress ging vor 2,5 Jahren aus der TNT-Tochter „TNT Innight“ hervor und konnte in 2018 das erste Mal seit Bestehen Gewinne verbuchen. Zwar wird Quehenberger bei Bedarf auch künftig Nachtexpress-Lösungen auf Provisionsbasis anbieten, NOX Nachtexpress wird diese jedoch operativ umsetzen.
Insgesamt dennoch positiv
C. Fürstaller und sein CFO Rudolphe Schoettel stehen also unter Erfolgsdruck, denn insbesondere die Turbulenzen rund um Q Logistic verhagelten Quehenberger Logistics die Umsatzplanungen für 2018 und auch die Umsatzrenditen. Der Umsatz blieb mit 464 Millionen Euro hinter den eigenen Erwartungen zurück. Plan war, die 500 Millionen Euro Umsatzgrenze zu knacken.
Wachstum stimmt. Durch den Ausstieg aus den Verlustbringern Q Logitics und der Nachtexpress-Sparte sowie der Schließung ertragsschwacher Standorte wie etwas in Dormagen (Deutschland), ist es dennoch gelungen um drei Prozent – in den Kernbereichen sogar um 6,5 Prozent – organisch zu wachsen. Ob das Wachstum für positive Bilanzen sorgte, ist zweifelhaft. Zumindest wollten weder C. Fürstaller noch R. Schoettel über Gewinne und Verluste konkrete Aussagen machen.
Immerhin. In den vier Hauptgeschäftsfeldern Teil- und Komplettladungen, Kontraktlogistik, Air + Ocean und Branchennetzwerke ist eine Steigerung des operativen Geschäftes gelungen. Die Kontraktlogistik hat im vergangenen Jahr enorm zugelegt. Die bewirtschaftete Warehouse-Fläche wurde um rund 58 Prozent von 260.000 auf 410.000 Quadratmeter erweitert. In diesem Jahr werde man mit 500.000 Quadratmetern die nächste Schallmauer durchbrechen, erläuterte R. Schoettel gegenüber den Medien.
Komplette Neustrukturierung
Bei Quehenberger Logistics zog man aus den Abenteuern in den Rail Cargo-Bereich und den Overnight-Express die Konsequenzen und machte sich auf den Weg „back tot he roots“. Künftig stehen wieder die Kernkompetenzen „Teil- & Komplettladungen“, „Kontraktlogistik“, „Sea & Air“ und „Branchenlogistik“ im Fokus. Organisatorisch heißt das, dass es nun für jede Sparte ein kompetentes Produkt-Management gibt. Dieses entwickelt dann je nach Bedarf branchenspezifische Lösungen für die Branchen Fashion, Automotive, Food und Retail in Zentral-, süd- und Osteuropa, insbesondere in Rumänien und Russland. „Das sind die Branchen und Regionen, welche sehr stark wachsen und wo wir für uns die größten Chancen sehen“, sagt C. Fürstaller auf Anfrage von blogistic.net. „Hier haben wir unsere Spezialisten.“
Qualitätslösungen als Erfolgsbasis. „Überall dort, wo es auf qualitätsorientierte Lieferketten ankommt, kann sich Quehenberger Logistics immer stärker durchsetzen“, sagt hierzu C. Fürstaller. In den fünf Schwerpunktbranchen des Unternehmens – Retail, Fashion, Reifen, Automotive und Konsumgüter/FMCG – habe man nicht nur umfangreiche Kenntnisse der Geschäftsmodellen, sondern jeweils auch eine standardisierte Branchenlösung entwickelt. Diese könne jeweils individuell zugeschnitten werden, so C. Fürstaller. Mit diesem qualitätsorientierten Geschäftsmodell soll vor allem der internationale Mittelstand, der selbst meist eine fokussierte Qualitätsstrategie verfolgt, angesprochen werden.
Russland und Rumänien boomen
Der ehemalige Fußballprofi C. Fürstaller verweist dabei auch auf die Erfahrungen der letzten Jahre, welche bei der Entwicklung solcher Logistikkonzepte hilfreich waren. So habe man beispielsweise die Versorgung eines deutschen Automobilwerkes in Russland übernehmen können. In Rumänien realisierte Quehenberger Logistics die Vergrößerung und den Ausbau für einen DIY Kunden (DIY = Do It Yourself) mit Logistikleistungen auf 40.000 m² Warehousefläche. Im selben Zeitraum eröffnete der Logistiker ein Distributionszentrum für einen Reifenkunden in Kasachstan. Gleichzeitig wurde 2018 in Polen eigene Länderorganisationen gegründet. Dabei sei in Polen jedoch keine eigene Produktion geplant.
Erfolgreiche Sparten
Air + Ocean hat den Umsatz neuerlich um über 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesteigert. Dabei waren die umsatzstärksten Relationen Nordamerika und Fernost. Das Geschäftsfeld lancierte hier mit Q Air Fresh ein neues Produkt, bei dem über eine garantierte Kühlkette Obst von der Plantage bis zum Endkunden transportiert wird.
Deutschland, der Fashionmarkt. Der Fashion-Hub in Weiterstadt bei Darmstadt bildet mittlerweile das Zentrum für die Fashionlogistik in Deutschland, sagte Fürstaller. Von dort aus werden einerseits die Exporte internationaler Modemarken zu den Handelspartnern in ganz Europa durchgeführt.
Retail. Standorte in Berlin und Hamburg unterstützen andererseits die Distribution an den deutschen Einzelhandel. Diese Retaillösungen, die Quehenberger auch für andere Branchen betreibt, werden an die individuellen Anforderungen der Kunden angepasst. Quehenberger Logistics baut dieses Geschäftsfeld in Zentraleuropa ebenso wie im Osten ständig aus, weil dort die Nachfrage deutlich steigt. In Österreich hat man deshalb 2018 die Gelegenheit ergriffen, vier Standorte mit 65 MitarbeiterInnen von Q Logistics zu übernehmen. Über diese Standorte werden Filialbelieferungen für den Drogerie-, Textil-, Büromaterial-, Geschenkartikel-, Sport- und Schuheinzelhandel abgewickelt.
E-Truck in der Retaillogistik getestet
Mit dem Einsatz eines E-LKW von MAN hat bei Quehenberger Logistics seine Zukunft der Citylogistik begonnen. Nach den ersten Erfahrungen des täglichen Einsatzes während der vergangenen fünf Monate im Zentralraum Salzburg ist Fürstaller überzeugt, dass die Fahrzeuge der Serienreife schon sehr nahe kommen. Es werden darüber hinaus ab April 2019 drei E-Transporter in Wien und Salzburg für Shopbelieferungen eingesetzt. „Es ist höchste Zeit, über nachhaltige Stadtlogistik auf der letzten Meile zu sprechen. Die Politik ist gefordert, den Wandel im Mobilitätssektor zu unterstützen“, so der CEO. Umweltverträglichkeit und Versorgungssicherheit können so auf innovative Weise verbunden werden.
Digitalisierung der Supply Chains
Die operative Spezialisierung hängt eng mit der Digitalisierungsstrategie des Unternehmens zusammen, erläuterte Fürstaller. Es wird gezielt und ausschließlich in Bereiche mit nachhaltigen Perspektiven investiert. Seit Herbst 2018 arbeitet Quehenberger Logistics nun gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Gartner daran, die Supply Chains in den Hauptgeschäftsfeldern zu digitalisieren. Das heißt, die Geschäftsprozesse werden mit digitalen Tools abgebildet und so weit wie möglich automatisiert. Ziel sind eine Erhöhung der Produktivität durch Verschlankung sowie die durchgängige Messbarkeit von Prozessen. Eine workflowgetriebene, automatisierte und papierlose interne und externe Administration und Kommunikation liefern außerdem zusätzlichen Kundennutzen. Die Kunden erwartet eine verbesserte Dienstleistung, wie zum Beispiel volle Transparenz über die Auftragsabwicklung oder ein direkter Zugang zum umfangreichen Datenbestand aus der Geschäftsbeziehung. Quehenberger kann mit der Digitalisierung auch als Arbeitgeber punkten. Denn viele Jobprofile gewinnen deutlich an Attraktivität. „Die Digitalisierung ist in der Logistik unausweichlich. Ich bin lieber der erste im Ziel als nur ein Mitläufer“, legte sich Fürstaller fest.
Ausblick und strategische Ausrichtung
„Das laufende Jahr 2019 wird ganz im Zeichen des qualitativen Wachstums stehen“, kündigte C. Fürstaller abschließend an. Quehenberger Logistics werde daher konsequent seine Ressourcen auf die definierten Branchen und die vier Kerngeschäftsfelder konzentrieren. In diesem Zusammenhang werde man für einen der größten Kunden in der Reifenlogistik zum ersten Mal nach Skandinavien expandieren und dort eine eigene Organisation in Skandinavien aufbauen. „Das wird vorerst die letzte Expansion sein. Wir sind in 20 Ländern in der Welt unterwegs. Das habe ich meinen Mitarbeitern versprochen“, sagt C. Fürstaller abschließend.