Kaum ein Transportunternehmer hat die österreichische Transportszene der Nachkriegszeit in ähnlicher Weise geprägt wie Dr. Maximilian Schachinger. Ein unvollständiger Blick auf 75 Jahre deutsch-österreichische Transportgeschichte des Unternehmens Schachinger Logistik und auf einen Unternehmer, der Architekt werden wollte. (eine Hommage an einen großen österreichischen Logistiker von CR Hans-Joachim Schlobach)

„Eigentlich wollte ich ja Architekt werden“, erzählt Dr. Max Schachinger, der Grandseigneur der österreichischen Transportlogistik und Langzeit-Chef von Schachinger Logistik. Doch die Zeiten ließen wenig Raum für die Träume des damals 19-jährigen Sprosses der beiden Transportunternehmer Max und Sophie Schachinger, als er seine Matura im Jahr 1960 in Linz machte. Er sollte einmal den Betrieb übernehmen; das stand fest. Die Eltern hatten nämlich ihr 1939 gemeinsam gegründetes Unter-nehmen buchstäblich aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges wieder herausgeschaufelt und Österreich hatte gerade fünf Jahre zuvor seine Unabhängigkeit wieder erlangt. Der Aufschwung stellte sich dennoch nur zögerlich ein, denn rund um die Alpenrepublik zog sich der „Eiserne Vorhang“ hoch. Davon ließen sich die beiden Transportunternehmer allerdings nicht abschrecken. Sie machten das Beste daraus und legten damit den Grundstein für eine Firmenphilosophie, welche bis heute den Fortschritt zur Tradition macht.
Max Schachinger – Der Weg zum Spediteur
Der Weg führte dabei, entgegen der geopolitischen Situation Österreichs, von der Regionalität in die Internationalität, d. h. vom Nah- in den Fernverkehr. Das Unternehmen galt damit als eines der wenigen, die das in Österreich konnten. Damit traf Vater Max noch während der Besatzungszeit im Jahr 1953 eine für das Unternehmen prägende Entscheidung, die für den rasanten Aufstieg des Transportunternehmens sorgte. Bereits 1960, als Sohn Maximilian an der Universität für Welthandel in Wien inskribierte, rollten rund 15 Lkws für Schachinger über Fernstraßen Westeuropas. „Keine drei Unternehmen in Österreich hatten in den 1960er-Jahren eine so große Fernverkehrsflotte wie wir“, erinnert sich M. Schachinger im Gespräch mit BLOGISTIC.NET. Sie spiegelte dabei die wirtschaftliche Situation der Aufbaujahre in Österreich wider, in der mehr Waren importiert als exportiert wurden.
40 Prozent Geschäft
Allerdings erwies sich zunehmend als Hemmschuh, dass das Frachtunternehmen keine Speditionsleistungen wie etwa Verzollungen übernehmen konnte und auf Fremdleistungen angewiesen war. Ein gewaltiges Geschäft, das für den aufstrebenden Logistiker quasi auf der Straße liegen blieb. Somit war der Wandel zur Spedition obligatorisch. Die Transformation erfolgte in den Jahren 1965 bis 1967, als nach und nach fünf Managementposten mit Prokuristen besetzt wurden, welche allesamt das Handwerkszeug für eine Vollblut-Spedition mitbrachten. Sie sollten das Unternehmen für die nächsten drei Jahrzehnte prägen. Unter der Leitung des inzwischen promovierten Wirtschaftswissenschaftlers Maximilian baute das Team das Zollgeschäft so weit aus, dass es bis zum Beitritt Österreichs in die EU rund 40 Prozent des Umsatzvolumens ausmachte. Danach brach dieses Geschäft jedoch jäh ein. Der herbe Verlust konnte aber durch geschicktes Agieren, welches den EU-bedingten wirtschaftlichen Aufschwung Österreichs einfing, kompensiert werden.
Eine Zäsur
Für den österreichischen Speditionsmarkt bedeutete die Wandlung des Frächters Schachinger zur Spedition Ende der 1960er-Jahre eine Zäsur. Danach sollten sich nämlich etliche große österreichische Spediteure vom Markt verabschieden. Sie konnten dem damaligen Newcomer, der Speditions- und Frächter-Know-how in einer bis dahin in Österreich einzigartigen Weise unter einem Dach vereinte, wenig entgegensetzen. Schachinger erwischte den Wandel vom Massengut- zum Stückguttransport punktgenau, der mit der Verlagerung der Transporte von der Schiene auf die Straße einherging und vom Anbieter sowohl Speditionsservices als auch Lkw- Transporte forderte. Das erleichterte es der Spedition auch, ihr Partnernetzwerk aufzubauen und große Fische der internationalen Stahl-, Papier- und Chemieindustrie an Land zu ziehen: Voest, Neusiedler, Steyrermühl, Bayer usw. „In dieser Zeit kamen dann auch die ersten Stückgutnetze mit Partnern in Stuttgart und Frankfurt hinzu“, erläutert M. Schachinger die damalige Situation des Unternehmens.
Max Schachinger Markenzeichen „Branchenlogistik“
Mit der Transformation begann für Schachinger die „goldene Zeit“ als klassische Lkw-Spedition mit der Mischung aus Ladung, Teilladung und Stückgut. Doch dem jungen M. Schachinger war das nicht genug. Er wollte mehr und unternahm deshalb die ersten zaghaften Schritte in Richtung Branchenspezialisierung. Dabei folgte der Ästhet seinem unternehmerischen Gefühl für künftige Marktentwicklungen, das ihn antrieb, das Richtige zu tun. „Beispielsweise über Bayer, für die wir als Gefahrgut- Logistiker arbeiteten, kamen wir zur Pharma-Logistik, die eine Spezialisierung verlangte“, bestätigt er. Und Schachinger nahm diesen Ball auf.
Wir hatten durch ein paar Zufälle von Anfang an einen direkten Draht zu Unternehmen wie Porsche, Opel, VW, Audi, General Motors und BMW Dr. Max Schachinger, Erfinder des Begriffs ‚Branchenlogistik‘
Geburtshelfer Bruno Kreisky

Der eigentliche Schritt in die Branchenlogistik – der Begriff wurde von M. Schachinger als Abwandlung des norddeutschen Begriffs „Kontraktlogistik“ geprägt – sollte jedoch erst Ende der 1970er-Jahre erfolgen. Damals begann sich in Österreich die Automobil- Zuliefererindustrie zu etablieren. Der Treiber des Ganzen war dabei Bruno Kreisky. Er wollte in Österreich einen Austro-Porsche bauen lassen, um die Automobilindustrie zurück nach Österreich zu holen. Ihm ging es aber auch darum, den Wohlstand in Österreich weiter anzukurbeln. Ebenso galt es, das enorme Handelsbilanzdefizit mit Deutschland – 1976 waren es 56 Milliarden Schilling; bezogen auf dessen Kaufkraft in dieser Zeit eine gewaltige Summe – auf erträgliche Maße zu reduzieren. Das Projekt Austro-Porsche floppte. Allerdings erreichte B. Kreisky, dass sich in den 1980er- Jahren die Automobil-Zuliefererindustrie in großem Stil in Österreich ansiedelte. Für Speditionen wie Schachinger Logistik ein gutes Geschäft. Gleichzeitig bot sich den Linzern die Möglichkeit, die Kontraktlogistik-Ära, die mit Just-in-time- und Just-in Sequence-Strategien der Automobilbranche ihren Durchbruch feierte, von Anfang an in Österreich mitzugestalten. Dabei räumt M. Schachinger ein, auch Glück gehabt zu haben. „Wir hatten durch ein paar Zufälle von Anfang an einen direkten Draht zu Unternehmen wie Porsche, Opel, VW, Audi, General Motors und BMW“, blickt der honorige Logistiker zurück.
Mit PEZ und Gummibärchen
Unabhängig davon stieg er auch in die Lebensmittel-Logistik ein. Lebensmittelhersteller Haas, bekannt durch sein Backpulver und PEZ-Zuckerl, sowie Haribo waren hier seine ersten Kunden. Sie wollten ihre Lager- und Distributionslogistik komplett auslagern – und überließen sie dem Spediteur Schachinger. Die rasante Expansion führte allerdings zu massiven Platzproblemen am ehemaligen Firmensitz in Linz Wegscheid. Gleichzeitig ließen sich die Logistikprozesse für Lebensmittel dort nicht mehr wirtschaftlich abbilden, sodass sich der Logistiker nach einem neuen Standort umsehen musste. Der inzwischen zum alleinigen Geschäftsführer gewordene „Logistik-Architekt“ M. Schachinger wurde schließlich in Hörsching fündig, einer kleinen Agrargemeinde vor den Toren von Linz. Dort war der Baugrund zwar günstig, Infrastruktur war jedoch nicht einmal in homöopathischen Dosen vorhanden. M. Schachinger ließ aber genau dort sein Logistik-Center aus dem Boden stampfen und dieses gleich direkt an das Schienennetz der ÖBB anschließen. Schachinger kann damit heute Ganzzüge abwickeln. Dies erlaubt ihm mit einem Fingerschnippen, den Güterverkehr auf die Schiene zu setzen.
Nachhaltig in die Zukunft
Die Standortentscheidung für Hörsching erwies sich für Schachinger bis heute jedoch nicht nur im Hinblick auf die Bahn als grenzgenialer Schachzug. Lieferte das Gelände doch ausreichend Platz für neue Projekte. So gründete M. Schachinger gemeinsam mit Gebrüder Weiss und der Österreichischen Post 1988 den KEP-Dienstleister DPD und errichtete auf dem Gelände ein Verteilzentrum. Dieses soll in Zukunft weiter ausgebaut werden, um den Entwicklungen im Bereich E-Commerce auch künftig gewachsen zu sein.
Enkelfitte Logistik
Wirklich zukunfts-weisend für den gesamten Logistikstandort Österreich ist jedoch der systematische Umbau in Hörsching zu einem „enkelfitten Logistikzentrum“, den Maximilians Sohn, Max Schachinger, und Tochter Heidi seit Jahren vorantreiben. Das Ziel ist, eine nachhaltige Logistik über Generationen hinweg zu ermöglichen. Jüngster Höhepunkt ist dabei die Errichtung eines CO2– neutralen Vollholz-Lagers in Passivbau-weise, das zu 100 Prozent recycelbar ist. Dafür heimste das Unternehmen zuletzt den Nachhaltigkeitspreis der Logistik ein, der auf dem heurigen Logistik-Dialog der BVL in Wien Vösendorf verliehen wurde. In dieser Halle betreibt Schachinger Logistik die Frische- und Lebensmittellogistik für den Großhändler Metro in Österreich. Der Bau eines deckungsgleichen Lagers ist bereits in Planung. Damit dürfte der Weg des Unternehmens in die Zukunft gesteckt und für nachfolgende Generationen gesichert sein.
Das Interview mit Dr. Max Schachinger finden sie hier auf blogistik.net.
Milestones & Historie | Schachinger Logistik 1939 – 2014 |
1939 | Gründung Schachinger Transporte |
1941 | Geburt Maximilian Schachigner |
1945 | Ende 2. Weltkrieg |
1953 | Aufnahme erster Fernverkehre nach West-Europa |
1955 | „Österreich ist frei“ |
1956 | Volksaufstand in Ungarn |
1960 | Matura Maximilian Schachinger, 20 Lkw für Schachinger Fernverkehr |
1961 | Bau der Berliner Mauer |
1962 | Aufbau Schachinger-Standort in Linz Wegscheid |
1965-67 | Vom Frächter zur Spedition, fünf Prokuristen mit Speditionserfahrung |
1967 | Promotion Maximilian Schachinger |
1965-80 | Aufbau von Partnernetzwerken (Stückgut) und Großkunden (Stahl, Papier, Chemie); Bau von Lagerhallen in Linz Wegscheid, erste Ansätze zur „Branchenlogistik“ |
1968 | Prager Frühling |
1973 | Öl-Schock, Aufbau Standort Wien Liesing |
1974 | Geschäftsführer & Gesellschafter Maximilian Schachinger |
1976 | Cordoba, ÖFB & Hans Krankl |
1977 | B. Kreisky gibt Studie zum Austro Porsche in Auftrag |
1980-90 | Austro Porsche scheitert, dafür Aufbau der österr. Automobil-Zuliefererindustrie; Bau der ersten Opel-Motoren in Wien Aspern, BMW Steyr, Magna,… Schachinger profitiert |
1981 | Erste Branchenlogistik-Aufträge |
1982 | Tod Unternehmensgründer Max Schachinger, Sohn Maximilian wird alleiniger Geschäftsführer und Inhaber |
1983 | Gründung ÖKOMBI |
1986 | Aufbau Schachinger Logistik Center Linz Hörsching, Einstieg in Lebensmittel-Logistik mit Haas und Haribo |
1988 | Gründung DPD durch Schachinger, Gebrüder Weiss, Österreichische Post |
1989 | 50 Jahre Schachinger |
1993 | Gründung der Industrielogistik Linz (ILL) durch Shcachinger, Preymesser, Voestalpine |
1995 | EU-Beitritt, Verlust des Zollgeschäfts |
1995-2000 | KOMBI-Verkehre ex Wels, Sohn Max und Tochter Heidelinde steigen ins Geschäft ein |
1997 | Berufsbezeichnung Kommerzialrat für Maximilian Schachinger |
2000 | Euro |
2003 | Verkauf Euronet an Dachser |
2005-2010 | Neues Managementboard rund um Sohn Max und Heidelinde Schachinger, Peter Overkamp, Glöckl & Mayerwöger, Konzentration auf Branchenlogistik |
2011 | Maximilian Schachinger wird 70, 25 Jahre Linz Hörsching |
2013 | Bau der ersten voll recycelbaren Lagerhalle in Passivbauweise Österreichs |
2014 | Nachhaltigkeitspreis Logistik der BVL |
2016 | Hermes Logistikpreis der WKO |