HaJo Schlobach

DEUTSCHLAND – Nicht der kranke Mann Europas

Derzeit ist Deutschland mit einer rezessiven Entwicklung konfrontiert. Dafür wird selbst in seriösen Wirtschaftsmedien regelmäßig die Ampel-Koalition verantwortlich gemacht. Und in den sozialen Medien ereifern sich viele und stilisieren die Republik zum “kranken Mann Europas”. Ist der Zustand der Republik wirklich so? (Ein Kommentar von HaJo Schlobach)

Intralogistik - H. Schlobach: "Die Trends sind KI, Energieeffizienz, Transformation von Gesellschaft & Industrie, welche sich mittlerweile auch in Produktansätzen der Intralogistik widerspiegeln." (Foto: Jan Gott / RS MEDIA WORLD Archiv)
Deutschland – Europas größte Industrienation hat, wie alle anderen auch, einen großen Transformationsbedarf. Das Land ist aber keineswegs der „kranke Mann Europas“, wie es gerne reißerisch bezeichnet wird. (Foto: Jan Gott / RS MEDIA WORLD Archiv)

Um es vorweg zu nehmen: Mir liegt es fern, die Ampel und deren Politik in Schutz zu nehmen. Ich will hier jedoch auf einige Punkte aufmerksam machen, welche in der Diskussion um den Wirtschaftsstandort Deutschland aus meiner Perspektive als Wirtschaftsredakteur übersehen werden. Ich ergreife hier gleichzeitig für Deutschland als Ökonomie und Demokratie Partei. Denn die Lage der deutschen Wirtschaft ist aus meiner Sicht keineswegs besorgniserregend. Was richtig ist: Die Bundesrepublik befindet sich in einem gewaltigen Transformationsprozess durch den demographischen Wandel, die Digitalisierung und den Klimawandel. Hinzu kommen Herausforderungen, welche sich ergeben aus dem Vernichtungskrieg des faschistischen Putin-Russland gegen die Ukraine, geopolitischen Konflikten mit der VR China, globalen Lieferkettenproblemen und allgemeinen Verschiebungen der Wirtschaftszentren und -gewichtungen in Richtung Asien. Und mit diesen Herausforderungen ist Deutschland sowohl als Ökonomie als auch auch als Demokratie konfrontiert und werden die Menschen, also wir alle, herausgefordert.

Deutschland – Null-Wachstum schon seit Jahren erwartet 

Vor diesem Hintergrund wurde von Wirtschaftsforschern im Jahr 2023 für Deutschland und die EU eine Rezession von rund vier Prozent vorausgesagt. Gegenwärtig steht man zumindest in der Bundesrepublik bei minus 0,5 Prozent. Und genau das entspricht einem Wirtschaftswachstum, wovon liberale Thinktanks schon seit mehr als einem Jahrzehnt sprechen. Die Thinktanks sagen auch, dass sich Deutschland dauerhaft auf Null-Wachstum einstellen müsse, spätestens wenn die Boomer in Pension gehen. Ich selbst habe hier mehrfach darüber berichtet. Die Thinktanks haben daher schon damals darauf gedrängt, dass politische Weichenstellungen während der Boom-Zeit getätigt werden und Deutschland investieren müsse in Infrastrukturen (Straße, Schiene, Fiberchannels, Energie). Gleichzeitig müsse auch das Steuersystem (Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer, m.E. Maschinensteuer, Transaktionssteuer) angepasst werden, so die Empfehlungen. Die Regierung Merkel hat diese Empfehlungen allerdings negiert mit dem Hinweis, dass man sparen und die Staatsquote senken müsse. – OK. Das war zwar durchaus einleuchtend und ließ sich gut politisch verkaufen, war aber nicht besonders zielführend für Deutschlands Zukunft als Wirtschaftsstandort.

Deutschland holt versäumtes jetzt nach 

Die Ampel hat Deutschland also mit einer schweren Versäumnishypothek übernommen und realisiert notwendige Veränderungen nun im Eiltempo. Das geht freilich weder fehlerfrei noch friktionslos, wie man das beim Wärmepumpengesetz miterleben musste. Der Ampel gelang aber immerhin die dramatische Verkürzung von Genehmigungsverfahren beispielsweise bei Investitionen in Energie-Infrastrukturen von mehreren Jahren auf nur sechs Monate. Die von W. Putin herbeigeführte Energiekrise war hier sicherlich ein Ansporn. – Jeder würde sich wünschen, dass die Ampel in diesem Tempo beim Umbau Deutschlands fortfährt und etwas weniger streitet. Doch gehört die Auseinandersetzung und der Wettbewerb der besten Ideen einerseits zum Wesen jeder Demokratie. Das müssen wir als Demokraten aushalten. Andererseits ist auch die Ampel – wie übrigens jede deutsche Regierung – bei allen Vorhaben an die Regeln des Rechtsstaats gebunden. Und das ist gut so! Denn diese Regeln schützen Deutschland vor vorschnell getroffenen Entscheidungen, machen aber die Entscheidungsfindung langsamer. Das ist der Preis, den alle Demokratien der Welt bezahlen müssen. Wir sollten uns das also weiterhin leisten wollen. Es ist unser ureigenstes Interesse als Bürgerinnen und Bürger.

Auch wenn die Zeit drängt – Deutschland muss sich Zeit geben

Doch was heißt das? – Änderungen, die heute auf den Weg gebracht werden sollen, müssen 1. einen Konsens in der Koalition finden, 2. durch den Bundestag und 3. wirksam werden. Dabei geht es hier nur um Bundesgesetze. Noch komplexer wird es, wenn die Bundesländer mitentscheiden. Im Idealfall bekommt man notwendige Gesetze auf Bundesebene in einem Jahr durch, bis sie aber wirksam werden braucht es mindestens zwei Jahre… Und ich spreche hier nur von EINEM Gesetzesvorhaben. Trotz des Drucks, unter dem Deutschland als Ökonomie steht, sollte es sich die Zeit geben, das Richtige zu tun, also auch der jeweiligen Regierung, unabhängig ob Ampel oder nicht. Vor diesem Hintergrund steht Deutschland gut da. Man sollte das Land also nicht krankreden.

Putins Krieg könnte alles verändern, wenn… 

Ein Szenario, das alles oben Gesagte übrigens zur Makulatur machen könnte, ist der Ausgang des Vernichtungskrieges Putins gegen die Ukraine. Es käme dem Beginn einer Apokalypse gleich, wenn das faschistische Putin-Russland seinen Krieg gewinnt und Putins Truppen an den Außengrenzen der EU stehen. Der Diktator würde seine imperialistischen Ziele mit aller Gewalt weiterverfolgen und die eurasische Vereinigung von Lissabon bis Wladiwostok realisieren, unter seiner Herrschaft und der russischen Herrenrasse mit den Siegergenen. Davon sprechen der „lupenreine Demokrat“ (Gerhard Schröder) und seine faschistische Mafia im Kreml schon seit 20 Jahren. Um das zu verhindern, könnte der Westen, also auch Deutschland, gezwungen sein, auf Kriegswirtschaft umzustellen. Wenn das nötig wird, dann wird es nicht nur völlig neue Spielregeln geben, sondern auch in etlichen Bereichen echte Mangelwirtschaft. So weit sind wir zwar noch lange nicht, aber die Möglichkeit existiert und wächst, je länger dieser Krieg dauert. Die Kosten dieses Szenarios lägen dann jedoch um ein vielfaches über dem, was Deutschland gerade für die Ukraine leistet, sieht man einmal von dem menschlichen Leid ab, das damit verbunden wäre. 

Fazit – Deutschland schafft das

Der Alarmismus, der vielfach betrieben wird, ist somit vollkommen unbegründet. Er verstellt den Blick darauf, dass die Rahmenbedingungen herausfordernd sind. Die „Alarmisten“ negieren sie sogar und tun einfach so, als gäbe es die Rahmenbedingungen entweder gar nicht oder dass es einfache Antworten auf hochkomplexe Fragestellungen gibt. Es sind zumeist Radikale von Links (LINKE) oder Rechts (AfD), die derzeit an der Bundesrepublik Deutschland ihre Mütchen kühlen und auf mehr Einfluss und den Abbau der Demokratie in Deutschland hoffen. Abschließend erlauben Sie mir noch den Hinweis: Auch eine CDU-geführte Regierung stünde vor denselben Herausforderungen wie derzeit die Ampel-Koalition. Angesichts deren Tatenlosigkeit in der Vergangenheit ist allerdings zu bezweifeln, dass diese ähnlich tätig werden würde wie die Ampel, weil hier noch immer viel zu viele und starke Beharrungskräfte versammelt sind, welche in 16 Jahren Kanzlerschaft mit Angela Merkel auf der Vollbremse standen. 

Herzlichst,

Ihr HaJo Schlobach 

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