Deutscher Logistik-Preis 2020 der BVL: Er geht an DM-Drogerie Markt. Für die Jury gab dabei die vorbildliche Verbindung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit vom Lager bis in die Filialen im DM-Logistikkonzept den Ausschlag. Daneben wurden in Berlin die Volkswagen-Konzernlogistik für ihr Change-Projekt „Digitaler Blick“ mit einem Sonderpreis und Dr. Felix Weidinger für seine Arbeit „E-Commerce Warehousing – Order Fulfillment in Modern Retailing“ mit dem Wissenschaftspreis Logistik ausgezeichnet.
Der Drogerie-Konzern DM steht wie viele im Handel vor einer Vielzahl von Herausforderungen: In den Innenstädten sinkt die Kundenfrequenz, der Wettbewerb ist intensiv. Konsumtrends entwickeln sich immer schneller, während die logistischen Kapazitäten durch ein vorangegangenes starkes Wachstum immer knapper werden. „Mit unserem Projekt konnten wir einen wesentlichen logistischen Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderungen leisten“, erklärt Eike-Niklas Jung, Bereichsleiter Technik bei DM.
Am Anfang steht ein neues Distributionszentrum
Und so sieht die Lösung aus: In einem strategischen Netzwerkanalyse- und Planungsprozess fiel zunächst die Entscheidung für einen weiteren – und damit zwölften – dm-Verteilstandort in Deutschland, um das anhaltende Mengenwachstum zu bewältigen. Hintergrund: Im Jahr 2019 sorgten etwa 3.700 Menschen in der dm-Logistik und bei einem Dienstleister für insgesamt 270.000 Filialanlieferungen mit insgesamt 3,5 Millionen Paletten, auf denen 540 Millionen Kommissioniereinheiten gepackt waren. „In der Netzwerkplanung haben wir ermittelt, dass der neue Standort idealerweise westlich von Berlin liegen sollte, um von dort aus unsere dm-Märkte von Nordbayern bis an die Ostsee zu beliefern“, erläutert Dr. Michael Sternbeck, dm-Bereichsverantwortlicher Logistikmanagement Filiale. Die Wahl fiel schließlich auf ein Grundstück im Güterverkehrszentrum der brandenburgischen Gemeinde Wustermark vor den Toren Berlins.
Jeder Filiale sein digitaler Zwilling
Doch das Projekt umfasst weit mehr als den Bau eines neuen Logistikgebäudes. Gleichzeitig entwickelten die Logistiker auch eine innovative logistische Infrastruktur, in deren Zentrum digitale Filial-Zwillinge für jeden einzelnen Markt stehen. Dazu wurden alle mehr als 2.000 dm-Märkte mit ihrer jeweiligen Regalarchitektur und den individuellen Artikelplatzierungen digitalisiert. Der digitale Zwilling bildet die Grundlage dafür, die Artikel auf den Wareneingangspaletten aus Wustermark intelligent zu kombinieren – und so die Filiallogistik beim Einräumen der Produkte wesentlich zu erleichtern.
Das Projekt umfasst weit mehr als den Bau eines neuen Logistikgebäudes. Gleichzeitig entwickelten die Logistiker auch eine innovative logistische Infrastruktur, in deren Zentrum digitale Filial-Zwillinge für jeden einzelnen Markt stehen.
Die richtige Sequenzierung macht‘s
Dazu hat der stark automatisierte intralogistische Bereitstellungsprozess in Wustermark die Aufgabe, die auf sortenreinen Originalpaletten eintreffenden Artikel für die sieben Kommissionierroboter so aufzureihen und diesen anzudienen, wie sie für den physischen Bau der Filial-Mischpaletten benötigt werden. Gleichzeitig wurden die Mitarbeiter in den dm-Märkten mit 30.000 Smartphones ausgestattet, die ihnen beispielsweise jetzt helfen, die Laufwege zum Befüllen der Regale zu optimieren. Wir haben die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit miteinander verbunden und durch eine innovative logistische Infrastruktur die Warenversorgung unserer stationären Märkte deutlich effektiver und effizienter gestaltet“, ist Christian Bodi, als dm-Geschäftsführer verantwortlich für das Ressort Logistik, überzeugt.
Automatisation als Hardware-Herzstück
Im Ergebnis sorgt die nun hochautomatisierte vorgelagerte Logistik für Einsparungen bei den Logistikaufwendungen von mehreren Millionen Euro jährlich. Sie resultieren unter anderem aus einem um mehrere 10.000 Stunden reduzierten Zeitaufwand für die Mitarbeiter in den dm-Märkten und einem um fast zwei Millionen Kilometer verringerten Lkw-Transportaufkommen.
Die drei Bausteine des Projekts
Integrativ. Der Fokus lag auf dem gesamten Wertschöpfungsnetzwerk – vom Industriepartner bis ins Regal des dm-Markts. Die logistischen Interdependenzen zwischen Verteilzentrum, Transport und Filiallogistik wurden detailliert untersucht und in der Konzeption bestmöglich ausbalanciert. Das Ergebnis ist eine wesentlich höhere Produktivität des Gesamtsystems.
Intelligent. Ein durchgängig datenbasierter Planungsprozess, der auf dem digitalen Zwilling jedes einzelnen dm-Markts basiert, bildet das digitale Fundament des Konzepts. Im Zusammenspiel mit einer hohen Prognosegüte der Abverkäufe ergibt sich durch die digitale Palettenplanung pro Markt der praktische Zusatznutzen für den Gesamtprozess.
Automatisiert. Die neuartige Automated-Case-Picking-Lösung von Swisslog für die voll automatisierte Kommissionierung von Mischpaletten ist das Herz des neuen Verteilzentrums. Das integrierte Bereitstellungskonzept, das dieser Warenlogistiklösung zugrunde liegt, schafft die notwendigen Voraussetzungen für eine filialindividuelle Kommissionierung bei dm.
Mit seinem Projekt setzte sich DM-Drogerie Markt gegen drei weitere Finalisten durch, nämlich Barilla Deutschland, Engelbert Strauss und die Volkswagen Konzernlogistik.
Deutscher Logistik-Preis 2020: Das Urteil der Jury
Deutscher Logistik-Preis 2020: Mit seinem Projekt setzte sich DM-Drogerie Markt gegen drei weitere Finalisten durch, nämlich Barilla Deutschland, Engelbert Strauss und die Volkswagen Konzernlogistik. Ausschlaggebend für die 17-köpfige Fachjury unter Vorsitz von Matthias Wissmann war die Konsequenz, mit der das Projekt „Integrativ. Intelligent. Automatisiert.“ auf- und umgesetzt wurde. „Ausgehend vom Menschen, von den Kunden und von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, wurde ein Logistiksystem (weiter)entwickelt, das den Menschen Erleichterung bringt (17 Prozent weniger schleppen und packen). Gleichzeitig erhöht es die Kommissionierleistung und senkt die Kosten pro Kollo. So trägt es zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens bei und ermöglicht es, rund 1.500 Tonnen CO2 allein im Lkw-Transport einzusparen“, fasst der Juryvorsitzende die Ergebnisse zusammen. Sein Fazit: „Das Projekt ist preiswürdig!“
Sonderpreis an Volkswagen-Logistik
Deutscher Logistik-Preis 2020: Daneben verleiht die BVL in diesem Jahr einen Sonderpreis „Digitalisierung der Logistik“. Preisträger ist die Volkswagen Konzernlogistik für ihr Programm „Digitaler Blick“. Die Einreichung war dabei ungewöhnlich. Nicht mit einem operativen Logistikprojekt, sondern mit einer mehrstufigen internen Kampagne für eine stärker digitalisierte Arbeit ging die Volkswagen Konzernlogistik in das Rennen um den Deutschen Logistik-Preis 2020. Ausgangspunkt des Change-Programms war die Erkenntnis: Der reine Wissensaufbau in Sachen Digitalisierung reicht nicht aus. Damit die Mitarbeiter eine aktive Rolle in der digitalen Transformation übernehmen können, sind Aufgeschlossenheit und eine positive Einstellung gegenüber Veränderungen erforderlich – ein digitales Mindset.
Empfehlung der Jury
Der Vorstand der BVL folgte mit diesem Sonderpreis der Empfehlung der Jury des Deutschen Logistik-Preises 2020, die lautete: „Das Mitarbeiter-mitnehmende, hoch motivierende Konzept der Volkswagen Konzernlogistik, Expertise und Digitalisierung zusammenzubringen, verdient eine Auszeichnung: einen „Sonderpreis Digitalisierung der Logistik“, der eine starke Signalwirkung an andere Unternehmen aller Branchen aussendet.“
Digitaler Blick für Mitarbeiter
2018 wurde in der Volkswagen Konzernlogistik unter dem Titel „Digitaler Blick“ ein umfangreiches Qualifizierungs-, Sensibilisierungs- und Kulturprogramm mit verschiedenen Angeboten und Veranstaltungen für die Konzernlogistiker ins Leben gerufen.
2018 wurde in der Volkswagen Konzernlogistik unter dem Titel „Digitaler Blick“ ein umfangreiches Qualifizierungs-, Sensibilisierungs- und Kulturprogramm mit verschiedenen Angeboten und Veranstaltungen für die Konzernlogistiker ins Leben gerufen. „So wie ein Fotograf mit einem fotografischen Blick ein gutes Motiv erkennt, brauchen unsere Mitarbeiter den digitalen Blick. Um digitale Entwicklungspotenziale für den eigenen Arbeits- und Fachprozess zu identifizieren und nutzen zu können, brauchen sie neben Hintergrundwissen und Praxiserfahrung auch eine offene Einstellung gegenüber der Digitalisierung“, betont Thomas Zernechel, Geschäftsführer der Volkswagen Konzernlogistik. Das Programm ermöglicht allen Mitarbeitern einen Einstieg in die Auseinandersetzung mit dem Thema Digitalisierung. Gleichzeitig können sie auf diese Weise aktiv und integrativ an Digitalisierungskonzepten im Konzern mitarbeiten.
Wissenschaftspreis für Dr. Felix Weidinger
Und last but not leas erhält Dr. Felix Weidinger den Wissenschaftspreis Logistik 2020 der BVL. Ausgezeichnet wurde er für seine Dissertation „E-Commerce Warehousing – Order Fulfillment in Modern Retailing“.
Überblick über E-Commerce Systeme. In seiner Arbeit gibt Felix Weidinger einen Überblick über bereits etablierte E-Commerce Lagerhaltungssysteme und stellt Lösungsverfahren und stellt Entscheidungsunterstützungen für neuartige Planungsprobleme zur Verfügung. F. Weidinger leistet mit seiner Arbeit hierbei zunächst eine Systematisierung herkömmlicher und neuer Lagertypen. Vor allem aber – und das ist die primäre wissenschaftliche Leistung – entwickelt er auf dieser Basis leistungsfähige Optimierungsverfahren zur Lösung konkreter, insbesondere operativer Problemstellungen. Mithilfe der Algorithmen kann so eine konkrete Unterstützung für das Management von modernen Distributionszentren geleistet werden.
Die Verleihung fand, Corona-bedingt, ohne Festakt und Gala lediglich online statt.
Das war ein sehr spannendes und gut geglücktes Experiment.