A. FREY – H. SEIFERT – Transformation hat mit Aufwand und Investition zu tun

Axel Frey, CEO der Seifert Logistics Group und Harry Seifert, Langzeitchef seines Speditionsunternehmens, wurden heuer von der Jury der Logistics Hall of Fame, darunter auch Hajo Schlobach, Herausgeber des Magazins BUSINESS+LOGISTIC und blogistic.net, zu den zwei Logistics Leadern des Jahres 2023 gekürt. Anita Würmser, Initiatorin der LHoF und oberste Jury-Instanz, befragte für uns die beiden Winner.  

H. Seifert (li), A. Frey: Sie wurden von der LHoF-Jury zu den Logistics Leadern des Jahres 2023 gekürt: (Foto: LHoF / RS MEDIA WORLD archiv)
H. Seifert (li), A. Frey: Sie wurden von der LHoF-Jury zu den Logistics Leadern des Jahres 2023 gekürt: (Foto: LHoF / RS MEDIA WORLD archiv)

blogistic.net – Die Jury hat Ihre Transformation als ein Vorbild für die Logistik gewürdigt. Viele mittelständische Logistiker stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Ist Ihr Weg die Blaupause dafür?  

H. Seifert: Ich bin unglaublich stolz, dass uns diese Transformation gelingt. Trotzdem habe ich schwäbisch zurückhaltend die größten Problem damit, das als Blaupause für alle zu kommunizieren. Aber seitdem wir hier sind, haben wir schon sehr viele Besuchergruppen hier durchgeführt und danach waren alle Feuer und Flamme für die Logistik. Die Wahrnehmung in der Region, aber auch bei unseren Mitarbeitern und Kunden hat sich komplett gedreht. Das wird sich langfristig auszahlen. 

H. Seifert – “Der menschliche Kreislauf funktioniert nur, wenn Blut in jedes Organ kommt.” 

blogistic.net – Viele Logistiker begreifen sich selbst „nur“ als nachgelagerte Dienstleister …  

H. Seifert: … das sehe ich komplett anders. Der menschliche Kreislauf funktioniert nur, wenn Blut in jedes Organ kommt. Das ist Logistik. Wir allein haben keine Chance, dieses Verständnis in die Welt zu tragen. Dazu brauchen wir ein starkes Haus der Logistik in Deutschland oder Brüssel, das die Interessen aller Logistiker bündelt und selbstbewusst vertritt. Nur so werden wir der Gesellschaft verdeutlichen, welche Bedeutung wir haben. Ich habe immer darauf gehofft, dass alle verstehen, dass die Logistik systemrelevant ist. Eine Zeitlang während Corona war das auch so, jetzt nicht mehr. 

A. Frey: Dienstleistung bedeutet nicht, sich demütig unterzuordnen. Logistik versorgt das Land. Wir sagen unseren Auszubildenden: `Stellt Euch hin mit breiter Brust und seid stolz da dabei zu sein‘. Und wir sind überzeugt davon, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind. Die Zurückhaltung in der Branche muss man aufbrechen. Sagen was man tut, und vor allem tun was man sagt. 

H. Seifert: Die Megatrends in der Logistik sind Fachkräfte, Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Sinne von Ökologie, Ökonomie und Sozialem. Im Wettbewerb werden wir als Unternehmen nur bestehen, wenn wir uns transformieren und die Branche modernisieren – das wollen wir rüberbringen. 

A. Frey: “Meine wichtigste Lesson learned ist offene Kommunikation.” 

H. Seifert: “Ich bin unglaublich stolz, dass uns diese Transformation gelingt.” (Foto: LHoF / RS MEDIA WORLD archiv)
H. Seifert: “Ich bin unglaublich stolz, dass uns diese Transformation gelingt.” (Foto: LHoF / RS MEDIA WORLD archiv)

blogistic.net – Gibt es einen Rat für Mittelständler, die auch den Bogen in die Zukunft schlagen möchten? Seifert: Zur richtigen Zeit, am der richtigen Ort, mit den richtigen Menschen. Transformation hat mit Aufwand und Investition zu tun. Man braucht den finanziellen Background, muss als Unternehmer risikobereit sein und die Investition wirklich wollen. Das A und O ist es, die Mitarbeiter für die eigene Leidenschaft zu begeistern. 

A. Frey: Meine wichtigste Lesson learned ist offene Kommunikation. Man kann nicht alles gleich an die Hauswand nageln, aber jede Veränderung produziert Ängste. Deshalb muss man der Mannschaft erklären, was man vorhat und was man tun, und zwar frühzeitig, egal ob es Personen, Strukturen oder Technologien betrifft. 

blogistic.net – Sprechen wir über Perfektionismus. „Immer einen Millimeter besser“. Was bedeutet diese Anspruch für eine Organisation? Seifert: Wir streben Null Fehler an und wenn etwas nicht funktioniert, missfällt mir das natürlich. Das ist vielleicht alte Schule, aber das ist unsere DNA. 

A. Frey: Es ist die Herangehensweise, zum Beispiel an ein Projekt. Wir tun faktisch alles dafür, dass es klappt. Wie stark setzt der Anspruch an Perfektion und Nullfehler die Mitarbeiter unter Leistungsdruck? Frey: Ich kann mit Fehlern leben, aber ich kann nicht damit leben, dass man es nicht so gut wie möglich versucht und wenn gleiche Fehler mehrmals vorkommen. Der Millimeter mehr ist, dass jeder alles gibt. 

H. Seifert – “Was ich mit Leidenschaft mache, das mache ich gerne und perfekt.” 

A. Frey: “Mitarbeiter first bedeutet, dass wir die Mitarbeiter ins Zentrum unseres Handelns stellen.” (Foto: LHoF / RS MEDIA WORLD archiv)
A. Frey: “Mitarbeiter first bedeutet, dass wir die Mitarbeiter ins Zentrum unseres Handelns stellen.” (Foto: LHoF / RS MEDIA WORLD archiv)

blogistic.net – Erkennen Ihre Kunden den Millimeter und wie messen Sie das? Frey: Ganz klar, ja. Das Maß ist die Dauer unserer Kundenbeziehungen. Wir haben nur ganz wenige Kunden verloren, sondern im Gegenteil bestehende Geschäfte immer weiterausgebaut. Wir beide lieben es Geschäft zu machen. Wenn wir Potenzial sehen, sind wir nicht mehr zu halten. Wir tun alles dafür, etwas so zu realisieren, dass der Kunde Perfektionismus spürt. Das belastet unsere Mannschaft manchmal, aber das ist… 

H. Seifert: … Leidenschaft. Was ich mit Leidenschaft mache, das mache ich gerne und perfekt. Diese Leidenschaft muss der Kunde spüren. Wir wollen, dass schon unsere Azubis den Millimeter mehr Dienstleistung für unsere Kunden erbringen. Es dreht sich immer ums Gleiche: Für unser Motto ‚Vollgas Richtung Zukunft‘ brauchen wir den Millimeter mehr. Und dafür brauchen wir die besten Mitarbeiter. Deshalb war uns im Change-Prozess wichtig, die Mitarbeiter mitzunehmen. Daraus ist die Mitarbeiter first-Philosophie entstanden. 

A. Frey: Mitarbeiter first bedeutet, dass wir die Mitarbeiter erstens ins Zentrum unseres Handelns stellen, und ihnen zweitens das Leben erleichtern, auch über die Arbeit hinaus. Das Fitnessstudio haben wir nicht, weil ein Fitnessstudio cool ist, sondern weil sich viele unserer Mitarbeiter damit einen Weg und damit Zeit sparen. Im Restaurant gibt es gesundes Essen, weil Menschen ein Recht auf gutes Essen haben. Wenn wir jedem Mitarbeiter einen Code geben, mit dem er oder sie sich Pakete hier an den Empfang liefern lassen kann, dann müssen sie nicht den Umweg über die Packstation fahren. Wir geben einen Millimeter mehr, erwarten aber auch einen Millimeter mehr. Das Team steht in einem Familienunternehmen immer vor dem Einzelnen. Das bedeutet andererseits, wenn jemand das nicht mitgeht, funktioniert es nicht. 

H. Seifert: Und was Mitarbeiter first angeht – alle wissen, dass unsere Business ein People-Business ist und alle wissen auch, wie es funktioniert, aber man muss es auch leben. Es reicht nicht, wenn nur einige das machen. 

A. Frey – “Ich hätte nicht gedacht, dass der Druck derart groß ist.” 

In der Kantine bei Seifert Logistics Group. (Foto: LHoF / RS MEDIA WORLD archiv)
In der Kantine bei Seifert Logistics Group. (Foto: LHoF / RS MEDIA WORLD archiv)

blogistic.net – Herr Frey, was haben Sie gedacht als Harry Seifert Sie gefragt hat, CEO zu werden?  

A. Frey: Das war eine lustige Situation. Wir haben zum ersten Mal in der Tiefgarage darüber gesprochen. Mein erste Gedanke war: Kann ich das und bin ich der richtige dafür? Einen 34-Jährigen zum CEO zu machen, was sagen die Kunden und Kollegen? Zwischen 28. Februar und 1. März 2022 hat sich dann eigentlich nur der Titel geändert, aber ich hätte nicht gedacht, dass der Druck derart groß ist. Das ist nochmal eine ganz andere Verantwortung. Mehrere Wochen habe ich sehr unruhig geschlafen, bis ich mich daran gewöhnt habe. 

blogistic.net – Wie schwer ist es, nach 40 Jahren, die operative Führung abzugeben?  

H. Seifert: Als Workaholic-Vollblutunternehmer musste ich loslassen üben – das muss ich noch. Aber ich setze mir klare Ziele. Letztes Jahr habe ich den Freitag freigenommen, dieses Jahr ist es eine Woche im Monat. Mittlerweile habe ich Spaß daran gefunden. 

blogistic.net – Vielen Dank für das packende Gespräch…  

seifert-logistics.com | logisticshalloffame.net 

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