Nach den guten Jahren seit 2019 ist der Transportmarkt heute in einer Konsolidierungsphase. Befeuert wurde und wird diese durch Lieferengpässe der jüngsten Vergangenheit, die Wirtschaftskrisen in Europa und China und nicht zuletzt durch den Vernichtungskrieg Putin-Russlands gegen die Ukraine mit seinen Folgeproblemen wie etwa den Fahrermangel. Hinzu kommt aktuellst die CO2-Maut, welche ab 1. Dezember 2023 in Deutschland kassiert wird. Wir sprachen darüber mit Thomas Ziegler, Managing Director von DHL Freight in Österreich.
blogistic.net – Herr Ziegler. Die Transportbranche erlebt nach vielen guten Jahren derzeit turbulente Zeiten und eine Konsolidierung. Wie geht’s der DHL Freight?
Th. Ziegler: Es stimmt, dass die Transportbranche schon bessere Zeiten erlebt hat und das makroökonomische Umfeld derzeit schwierig ist. Die schwache Konjunktur weltweit und in Europa hat natürlich auch Auswirkungen auf die Transportwirtschaft. Wenn weniger produziert wird, wird auch weniger transportiert. Als DHL Freight im Allgemeinen und in Österreich im Besonderen können wir uns aber gut behaupten.
Thomas Ziegler – “..sehe nicht Probleme, sondern Herausforderungen”
blogistic.net – Wo liegen die Probleme?
Th. Ziegler: Die sind allgemein aus den Medien bekannt: Transformation der Wirtschaft weltweit, Klimawandel und vielfältige Krisen, die uns als Gesamtkonzern, aber auch als DHL Freight Austria natürlich auch betreffen. Jetzt kann man hergehen und diese Krisen als Belastung wahrnehmen nach dem Motto: “Das Glas ist halbleer.” Ich sehe als Manager und Logistiker die Dinge jedoch nicht als Probleme an, sondern vielmehr als Chancen, die wir gemeinsam im Sinne unserer Kunden mit innovativen Logistikkonzepten bestmöglich bewältigen wollen.
blogistic.net – Können Sie ein paar Beispiele nennen?
Th. Ziegler: Nehmen wir beispielsweise das Thema CO2-Maut. Ab dem 1. Dezember 2023 bedeutet das für den Spediteur oder Frächter, der einen 7,5-Tonner fährt, 200,- Euro zusätzlich zur bereits bestehenden Maut, und zwar pro erzeugte Tonne CO2. Damit wird die bestehende Maut in Deutschland mehr oder weniger verdoppelt. Für uns bedeutet das somit, neue Logistikkonzepte zu entwickeln, welche zumindest einen Teil dieser Zusatzkosten kompensieren können. Dazu gehört auch das verstärkte Arbeiten an unseren LKW-Flotten, welche modernisiert werden mit neuen Antriebskonzepten mit Batterietechnologien und Brennstoffzellen usw.. Dazu gehört aber auch, dass wir uns intensiver dem Thema Intermodal- und Multimodalverkehre widmen und auch hier neue Lösungen entwickeln werden.
Thomas Ziegler: “Unsere Priorität ist es, Lösungen für unsere Kunden zu entwickeln.”
blogistic.net – Und welche Prioritäten setzen Sie bei DHL Freight Österreich?
Th. Ziegler: Unsere Priorität ist es, Lösungen für unsere Kunden zu entwickeln. So ist beispielsweise die Ankündigung der CO2-Bemautung der deutschen Bundesregierung schon längere Zeit bekannt. Neben den bereits genannten Lösungen, die wir kurz- und mittelfristig entwickeln, haben wir uns daran gemacht, unsere Stückgutsysteme zu überarbeiten und zu optimieren. Auf diese Weise ist es uns vielfach gelungen, die sogenannte “Time to Market” unserer Kunden um bis zu drei Tage zu verkürzen. Das spart enorm CO2 ein und wirkt sich kostendämpfend entlang der Transportkette aus. Wir warten also nicht erst auf den Stichtag 1. Dezember, sondern gehen diese Herausforderung proaktiv an.
blogistic.net – Was bedeutet die CO2-Maut für den Transportmarkt bei den Landverkehren? Ist Österreich davon betroffen?
Th. Ziegler: Wir sind zwar hier in Österreich nur dann betroffen, wenn wir über Deutschland liefern müssen, aber die Auswirkungen auf den Anstieg der Transportkosten nach und durch Deutschland sind enorm, was auch weitere Konsolidierungen des Transportmarktes im Bereich des Straßengüterverkehres auslösen kann. Dies könnte durchaus zu einem Bull-Whip-Effekt führen und mittelfristig in einer Kapazitätsverknappung enden. Da Deutschland unser größter Handelspartner ist, sind die Spediteure in Österreich natürlich auch sehr stark davon betroffen.
Thomas Ziegler: “…haben bei DHL eine klare Strategie: Mission 2050.”
blogistic.net – Bleiben wir beim Thema Klimaschutz, das ja auch mit der CO2-Maut vorangetrieben wird. Alternative Antriebskonzepte der Fahrzeugflotten wie etwa Li-Batterien oder Brennstoffzelle mit Wasserstoff gelten hier als adäquate Lösungsansätze. Wie sieht es hier konkret aus?
Th. Ziegler: Wir haben bei DHL eine ganz klare Strategie: “Mission 2050”. Das Ziel ist die CO2-Neutralität der gesamten Gruppe, also nicht nur alleine des operativen LKW-Transports. Bis 2030 wird die DHL-Group daher sieben Milliarden in die grüne Logistik investieren. Das läuft bei uns unter dem Label “GoGreen”. Diese Strategie betrifft dabei nicht nur die Landverkehre mit LKW, sondern auch Bahnverkehre sowie die Luft- und Seefracht. Unser besonderer Fokus dazu liegt derzeit in der Darstellung der letzten Meile mit alternativen Antrieben.
blogistic.net – Wirkt sich die Mission 2050 auch auf Ihr Leistungsportfolio aus?
Th. Ziegler: Ja! Wir haben heuer beispielsweise “GoGreen Plus” gelauncht. Unsere Kunden können in diesem Insetting-Modell gegen Aufpreis ihre Transporte in Hinblick auf möglichst wenig CO2-Emissionen buchen. Die Emissionsreduzierungen werden dabei u.a. durch einen Transport mit Elektro-LKW oder mithilfe von nachhaltigen Kraftstoffen wie Bio-LNG oder Bio-CNG erzielt. Die Mehreinnahmen werden dazu verwendet, GoGreen mit seinen Lösungen systematisch zu verbessern. Eine ganz durchgehende GoGreen-Lösung gibt es bislang aus technischen Gründen noch nicht, aber wir werden mit Unterstützung unserer Kunden jeden Tag besser. Wir geben uns damit allerdings nicht zufrieden, denn gleichzeitig arbeiten wir auch daran, beispielsweise die Gebäude der DHL in Österreich klimaneutral zu gestalten.
blogistic.net – Themenwechsel: In den letzten Jahren ist DHL in Österreich eher als Marktbegleiter der Österreichischen Post wahrgenommen worden, also als KEP-Dienstleister, weniger jedoch als Unternehmen, mit dem man etwa Stückgut im großen Stil weltweit distribuieren kann. Woran liegt das?
Th. Ziegler: Ich denke an den Prioritäten, welche die Menschen während der Coronapandemie gesetzt haben. Und die lagen eben im Bereich KEP (Anm.d.Red.: KEP = Kurier, Express, Paket), weil man nur bedingt einkaufen gehen konnte und die Menschen sich die Waren an die Haustüre liefern ließen. Heute liegen die Prioritäten vor allem im B2B-Bereich, also bei den Unternehmen, wieder dort, wo sie vorher waren: im Business mit anderen Unternehmen. Daher kommen eben einerseits DHL Freight für die Landverkehre, Stückgutlogistik, Eventlogistik, Lagerlogistik etc. und andererseits DHL Global Forwarding mit See- und Luftfracht wieder zum Zug.
Thomas Ziegler: “Stückgutsystem wird mit durchgehendem IT-System gesteuert.”
blogistic.net – Was ist die USP von DHL Freight?
Th. Ziegler: Wir haben als eine der wenigen Speditionen ein eigenes europaweites Stückgutsystem, welches durch ein durchgehendes IT-System gesteuert wird. Das hat in der Branche in dieser Form noch niemand.
blogistic.net – Was bedeutet das für Sie und welchen Nutzen haben Ihre Kunden davon?
Th. Ziegler: Bei uns laufen die Informationen ohne Medienbrüche. Wenn etwa ein Kunde eine Warenlieferung in Lissabon nach Wien oder Wels aufgibt, dann erfahren wir das nicht nur sofort, sondern das System ermittelt mit der Eingabe der Warenlieferung in Portugal die exakte Ankunftszeit der Ware bei uns. Die erscheint dann beim Kollegen in Wien oder Wels in dessen digitalen Time-Management. Wir können daher wesentlich besser und schneller unsere eigenen Ressourcen einteilen, weil das System quasi in Echtzeit einen Blick auf die vorhandenen Kapazitäten erlaubt.
blogistic.net – Und was ist der Effekt?
Th. Ziegler: Damit werden wir wesentlich effizienter, d.h. ressourcensparender. Das ist auch wichtig in Hinblick auf unsere Bemühungen im Klimaschutz. Umgekehrt erzeugen wir auf diese Weise mehr Transparenz für unseren Kunden, insbesondere in der Nachverfolgung etc. Und falls auf der Wegstrecke zwischen Lissabon und Wien etwas Unvorhergesehenes passiert, erfahren wir das hier sofort und können entsprechend flexibel darauf reagieren.
blogistic.net – Wird das System flächendeckend eingesetzt?
Th. Ziegler: Ja! Es fehlt nur noch Deutschland, das 2024 in dem System integriert wird. Ansonsten arbeiten bereits alle in Europa damit.
blogistic.net – Vielen Dank für das spannende Gespräch.
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