
Das Automobil hat seine Anziehungskraft nicht verloren. Doch die Branche liegt wegen der Elektromobilität und der Digitalisierung in disruptiven Umbrüchen, bei denen kein Stein auf dem anderen bleibt. Mittelständische Unternehmen wie der oberösterreichische Automobil-Zulieferer MARK Metallwarenfabrik bereiten sich daher mit schlanken Produktionsprozessen und der Vollautomation ihrer Intralogistik darauf vor. Jungheinrich Österreich hat dabei das Millionen-Projekt für MARK realisiert. (Ein Bericht von CR Hans-Joachim Schlobach)
Wer derzeit die Handelszeitungen aufschlägt, kann nahezu täglich von Rekorden bei der Automobilindustrie lesen. Diesel-Gate & Co scheinen der Kauflust der Automobilisten keinen Abbruch zu tun. Im Gegenteil: Was zählt sind die neuesten Modelle. Und selbst der zuletzt in Bedrängnis gekommene Volkswagen-Konzern sieht sich nach wie vor auf der Überholspur. So haben die Wolfsburger im vergangenen Jahr so viele Autos verkauft wie nie zuvor. Der Konzern bleibt damit mit 10,74 Millionen Fahrzeugen klar die Nummer 1 im internationalen Automobil-Business. Aber auch der japanische Rivale Toyota konnte ein Plus von immerhin zwei Prozent verzeichnen und verkaufte 2017 rund 10,4 Millionen Fahrzeuge. Dies dürfte am ungebrochenen Autoboom insbesondere in Asien liegen, welche die Umsatzrückgänge etwa in den Märkten Deutschland und USA wettmachten.
Disruption der größten Branche

Doch all das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Welt größter Industriezweig, die Automobilindustrie, disruptiven Transformationsprozessen unterworfen ist. Die industrielle Revolution im Automotive-Sektor krempelt die Branche nahezu komplett um. Die Entwicklungen werden durch mehrere Megatrends vorangetrieben, wie etwa die Elektromobilität, die Digitalisierung und das autonome Fahren.
E-Mobility & Autonomie. Insbesondere die Elektromobilität macht dabei die bestehenden Infrastrukturen, die auf verbrennungsmotorisch angetriebene Fahrzeuge ausgerichtet ist, nahezu obsolet. Vor dem Hintergrund, dass ein heutiges Fahrzeug aus 5.000-7.000 Einzelteilen besteht und ein Elektrofahrzeug nur auf rund ein Zehntel der Menge verbauter Teile kommt, wird die Dimension der Veränderungen erst deutlich. Dabei spielt es kaum eine Rolle, welche Marke das Elektroauto hat. Zukunftsforscher wie der Österreicher Mario Herger gehen daher davon aus, dass ein nicht unerheblicher Teil der Big Player der Branche in wenigen Dekaden ganz von der Bildfläche verschwinden werden – und daraus ganz neue Player im Bereich der Mobilität entstehen.
Wir kennen einerseits die Anforderungen der Gegenwart, andererseits wissen wir jedoch nicht, was in fünf Jahren sein wird. (Rudolf Mark, CEO und Eigentümer MARK Metallwarenfabrik)
Automobil-Zulieferer im Veränderungsdruck
Automobil- Zulieferer, wie etwa den oberösterreichischen Mittelständler MARK Metallwarenfabrik, haben diese Entwicklungen freilich Konsequenzen. MARK Metallwarenfabrik liefert an die OEMs und Tier 1-Unternehmen pro Jahr rund 2,3 Milliarden Qualitätsteile, die im Tiefziehverfahren produziert werden. Rund 200 Teile von MARK sind in jedem Automobil, das in Europa fährt, „under the hood“ verbaut. Sie ermöglichen beispielsweise den sicheren Start eines Autos, eine effiziente Benzin-Einspritzung, sichere Airbags oder punktgenaues Bremsen etc.
Spagat ins Ungewisse. Die Herausforderung für Zulieferer wie MARK ist, dass sie nun einerseits die Produkte liefern müssen, welche auf die verbrennungsmotorisch angetriebenen Fahrzeuge zugeschnitten sind und hier die Produktentwicklung vorantreiben. Andererseits müssen die Unternehmen schon jetzt die Vorbereitungen für die Belieferung der künftigen OEMs mit Komponenten für Elektrofahrzeuge treffen. Ein Spagat ins Ungewisse, denn niemand kann zum heutigen Zeitpunkt sagen, wie die Marktveränderungen für die Zulieferer tatsächlich aussehen. Fakt ist lediglich, dass sie kommen werden. „Wir kennen einerseits die Anforderungen der Gegenwart, andererseits wissen wir jedoch nicht, was in fünf Jahren sein wird. Das weiß niemand bei den sehr rasanten und disruptiven Entwicklungen. Dennoch wäre es ein großer Fehler auf das zu warten, was die Zukunft bringt“, sagt hierzu Rudolf Mark, Eigentümer und Geschäftsführer in der dritten Generation, gegenüber blogistic.net.
Digitalisierung als Treiber. Hinzu kommen die Veränderungen der Rahmenbedingungen, welche durch die „Digitalisierung“ auf die Wirtschaft als Ganzes zurollen. Sie ist die eigentliche Ursache für die disruptiven Entwicklungen. Und in der Tat: Erst mit der Digitalisierung werden E-Mobility und autonomes Fahren erst möglich. Mit anderen Worten: Erst die Digitalisierung ermöglicht völlig neue Business-Modelle und stellt sämtliche etablierten Player der Welt, Märkte und Prozesse auf den Prüfstand. Sie ist somit die Hauptursache für die Disruption des Establishments sowie die Basis für den Aufbau völlig neuer Wirtschaftsstrukturen.
Es wäre ein großer Fehler auf das zu warten, was die Zukunft bringt. (Rudolf Mark, CEO und Eigentümer MARK Metallwarenfabrik)
Innovationsdruck steigt. Zu den Änderungen der Rahmenbedingungen kommen außerdem Veränderungen im Nutzungs- und Kaufverhalten der Verbraucher. Die Kaufentscheidungen für Fahrzeuge werden in immer kürzeren Abständen getroffen und sind Modetrends unterworfen. Und galt das Automobil noch vor zehn Jahren noch als Statussymbol, rückt heute vor allem die Nutzung der Fahrzeuge in den Vordergrund. Insbesondere in Ballungszentren sind Carsharing-Modelle wie Car2Go mittlerweile Alltag. Sobald jedoch die Fahrzeuge für autonomes Fahren flächendeckend freigegeben sind und elektrisch angetrieben werden, sind völlig neue On-Demand-Nutzungsmodelle möglich. Uber testet in den USA beispielsweise fahrerlose Taxis, welche per App angefordert werden.
Kurze Lebenszyklen. Der Trend geht daher zu immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen bei den Automobilherstellern und zu schwankenden Absatzzahlen der OEMs. Genau das macht eine langfristige Planung kaum möglich. Gleichzeitig steigt der Innovationsdruck bei den Automobil-Zulieferern. Das bestätigt auch eine PwC-Umfrage aus dem Jahr 2017, die erstmals unter den österreichischen Automobil-Zulieferern durchgeführt wurde. Die PwC-Autoren kommen dabei zum Ergebnis: “Steigender Druck im Zusammenhang mit Innovationen und eine Verkürzung des Produktlebenszyklus machen F&E daher zu einem wichtigen Erfolgsfaktor in der Automotive-Zuliefererbranche.“
Zulieferer: Investition in F&E und Automation
Unternehmen wie MARK Metallwarenfabrik reagieren daher auf solche Herausforderungen verstärkt mit Investitionen in Forschung & Entwicklung (F&E) sowie in die Flexibilität ihrer Produktionsprozesse mit Hilfe von Automation. So hat MARK Metallwarenfabrik eine große F&E-Abteilung, die laufend neue Produkte für OEMs und Tier 1-Unternehmen entwickelt und designt. Gleichzeitig begleiten die Oberösterreicher ihre Kunden von der F&E über die Projektplanung bis hin zur Serienproduktion. Dabei kommt den Metallspezialisten ihr Knowhow beim Werkzeugbau zugute: „Unsere Werkzeugbauer sind spezialisiert auf die Herstellung anspruchsvoller Transfer- und Folgeverbundwerkzeuge.

Auf ihr Know How können wir jederzeit zurückgreifen. So schaffen wir die Grundlage für eine prozesssichere und effiziente Serienproduktion“, sagt Christina Rami-Mark gegenüber blogistic.net . Sie sammelt derzeit noch bei BMW unternehmerische Erfahrungen und ist die designierte Firmenchefin in der vierten Generation.
Effizienz ist Trumpf. Doch nicht alleine im Tempo und der Flexibilität der Forschung und Entwicklung liegt der Schlüssel zum Erfolg in der hart umkämpften Automobil-Zuliefererbranche. Mindestens genauso wichtig ist die Effizienz der Produktionsanlagen. MARK hat deswegen im vergangenen Jahr rund 30 Millionen Euro in die Verdopplung seiner Kapazitäten und die Neugestaltung seiner Prozesse investiert.
Herzstück Hochregallager von Jungheinrich
Das Erweiterungsprojekt umfasst dabei u.a. ein Technikum, einen großzügigen Versandbereich eine Produktionshalle, Büroräume sowie Platz für eine Kantine. Das Herzstück ist jedoch ein vollautomatisches Hochregallager, für das Jungheinrich Österreich als Generalunternehmer verantwortlich zeichnete. Nur wenige Monate blieben dabei den Intralogistikspezialisten für die Realisierung des Projektes.
Neue Intralogistikstrategie. Das Hochregallager ist das zentrale Element einer völlig neu aufgestellten Intralogistik-Strategie bei MARK. Es teilt nun den Produktionsbereich mit der Tiefzieh-Teileproduktion und die „saubere“ Produktion für die Nachbearbeitung. Diese Trennung ist sinnvoll, weil während des Tiefziehprozesses mit Kühlölen gearbeitet wird. Diese Teile werden nun nach dem Tiefziehprozess rückstandsfrei gereinigt und vollautomatisch im neuen Hochregallager chaotisch gelagert. Von dort aus gelangen sie dann in den sauberen Bereich der Produktion, in die vollautomatische Montage, werden dort zum Endprodukt zusammengesetzt und gelangen schließlich in den Versand.
Hochregallager steuert Prozesse. Da das WMS des Hochregallagers direkt mit dem ERP- System interagiert, dient es heute auch der Produktiossteuerung bei MARK. Auf diese Weise kann MARK hochflexibel auf sich verändernde Marktanforderungen und die Volatilität der Märkte seiner Kunden reagieren. Gleichzeitig erspart das neue, vollautomatische Jungheinrich-Hochregallager gleich mehrere Ein- und Auslagerungsschritte innerhalb des gesamten Produktionsprozesses. Dadurch konnte die Effizienz des Gesamtprozesses erheblich gesteigert werden.