Die Vision von der Digitalisierung des Stores und welche Technik Händlern und Konsumenten guttut. Ein Zukunftsbild von Uwe Henning*
Wenn man mich fragt, welche Vision ich für den Bekleidungs-Store der Zukunft habe, dann würde ich sagen: ein bisschen Retro, bestehend aus sehr viel persönlicher Beratung wie früher bei „Tante Emma“, gepaart mit ultimativer Technik.
Eine durchaus reale Vision
Ganz real würde das so aussehen: Eine Kundin, die sich vorab im Onlineshop ihres Lieblingslabels via Smartphone in ihrer Mittagspause über die neue Kollektion informiert hat, betritt gleichnamigen Store. Über audiovisuelle Displays und einer persönlichen Begrüßung auf ihrem Smartphone inklusive Rabatt-Coupon startet ihr Erlebniseinkauf. Sie freut sich schon auf den „digitalen Regenschauer“, eine Inszenierung der letzten Modeschau in Mailand, die auf allen 15 Screens im Store gleichgeschaltet wird. Der Dolby Surround Sound ist umwerfend und versprüht Shoppinglaune pur.
Persönliche Beratung fehlt nicht. Eine freundliche Einkaufsberaterin informiert die Kundin, dass sie die Modelle der neuen Kollektion über eine Live-Projektion im Online-Fitting-Room virtuell anprobieren kann. Gerne auch über das hinterlegte Größenprofil ihrer Kundenkarte. Soll ein Kleidungsstück lieber fürs Büro oder lieber zum Ausgehen sein? „Simulieren Sie doch einfach mit verschiedenen Stimmungsbädern aus Licht verschiedene Real-Situationen. Das Experiment lohnt sich.“
Spieglein an der Wand. Hat die Kundin sich dann für ein Kleidungsstück entschieden, wird auch nur dieses Wunschmodell vor dem Kauf tatsächlich anprobiert. Natürlich stören dann auch keine lästigen Diebstahlsicherungen beim Reinschlüpfen. Die richtige Größe und die passenden Accessoires schlägt ihr der „Smart Mirror“, ein intelligenter, interaktiver Spiegel vor. Die Suche nach passenden Teilen im Store fällt weg. Außerdem zeigt das Video die Farbkombinationen verschiedener Accessoires und stimuliert ihre Phantasie, ganz unbemerkt wird so Cross-Selling-Potenzial bei der Kundin aktiviert.
Navi in der Umkleide. Sie entscheidet sich für die türkisfarbene Handtasche, die ganz hervorragend zum ausgesuchten Kleid passt. Der Bildschirm im Ankleidebereich navigiert sie zur Etage mit den Handtaschen – doch das Wunschmodell ist nur noch in anderer Farbe ausgestellt. Eine Einkaufsberaterin verrät nach sekundenschneller Echtzeit-Suche im Artikelkatalog, dass die türkisfarbene Handtasche im temporären „Pop-up-Store“ auf dem Rathausplatz verfügbar ist. Dort läuft die Pressevorstellung für die neue Kollektion. Nur wenige Teile sind ausgestellt. Aber kein Problem, das Wunschmodell kann dort zur Abholung reserviert werden. Sofort online – sofern die Dame es wünscht. Dann kann sie in Ruhe weiter einkaufen.
Direkt nach Hause. Außerdem ist die Tasche noch viermal im Onlineshop verfügbar und kann auch gerne der Kundin am nächsten Tag nach Hause geschickt werden. Sie kann mit ihrer digitalen Kundenkarte via Smartphone bestellen, bezahlen, die Lieferung nachverfolgen. Und die Wartezeit mit dem schicken Accessoires-Video überbrücken. Die smarte Einkaufsberaterin ist beim Download gerne behilflich. Zusätzlich empfiehlt sie die neue App „vom Laufsteg direkt in den Kleiderschrank“, damit kann man auch die Warenverfügbarkeit selbst prüfen. In Echtzeit natürlich. In der Vergangenheit, so plaudert sie vertraulich, musste sie Kundinnen immer wieder mit nicht vorrätigen Artikeln enttäuschen. Jetzt ist alles sehr präzise auf den Kunden abgestimmt. Es ist, als würde man nun der „Kundin jeden Wunsch von den Augen ablesen“. So formulierte es die Geschäftsleitung neulich in einem internen Memo …
Technik, die gut tut
Nachdem der viel umworbene Omnichannel-Kunde erstmal sträflich vernachlässigt und darüber hinaus vom stationären Verkaufspersonal auch noch lange Zeit schlicht ignoriert wurde, beginnt der Handel in seiner überlebensbedingten Umdenkphase mit der Etablierung der richtigen technischen Systeme: nur Echtzeit-Informationen führen zu richtigen Entscheidungen, verhindern Regallücken und befreien das Verkaufspersonal von überflüssigen administrativen Tätigkeiten. So bleibt mehr Zeit für den Kunden. Und das motiviert. Denn das provisionsorientierte Personal lenkt als Modeberater mit psychologisch-emotionalem Geschick stark die Profitabilität des Stores.
Ein Lichtblick. Mit der Digitalisierung im Store „geht auch das Licht“ an. Artikel-Transparenz ist der Schlüssel zum Erfolg: In hilfreichen Dashboards sieht der Store Manager täglich oder auch stündlich, welche Artikel er auf der Fläche hat, wann die Kampagnenware im Store eintrifft, warum sich einige Artikel langsamer drehen als andere und welche Store-Zonen die bessere Warenpräsentation bieten. Er braucht aktuelle Echtzeitdaten, um Click & Reserve anzubieten, um Kunden verlässliche Auskunft über jeden Artikel jederzeit bieten zu können, um das mit iPads ausgestattete Verkaufspersonal zu kompetenten Beratern mit geschicktem Cross-Selling-Taktiken einzusetzen. So verweilt der Kunde nicht nur länger im Store, sondern er kauft auch mehr Artikel pro Store-Besuch.
Handel hat’s im Blick. Der Blick auf die Echtzeitdaten lässt noch eine weitere Zukunftsvision zu: Was, wenn der Händler aufgrund eines verknüpften Online- und Offline-Kundenprofils wüsste, dass die für seinen Store avisierte Herbstware perfekt auf einen ausgewählten Kundenkreis passt. Er hätte die Chance, schon im Spätsommer diese handverlesenen Kunden zu einer VIP- Modenschau in seinen Store einzuladen. „Digital“ Emma würde diese Kunden dann herzlich am Eingang begrüßen … ein bisschen so wie früher – nur viel hipper.
*Zum Autor
Uwe Hennig, CEO Detego, hat Visionen für den Mode-Store der Zukunft. Inspiriert von seinen Kunden, den großen internationalen Modelabels, die digital neue Kunden ansprechen wollen. Detego unterstützt sie dabei mit innovativer Software.