TEN HOMPEL – Logistik-Tausendsassa geht in Ruhestand 

Michael ten Hompel gilt in Deutschland, Österreich und international als einer der Intralogistik-Innovatoren schlechthin. Im Laufe seiner Karriere als Wissenschaftler brachte er einige Errungenschaften auf den Weg, welche die Intralogistik heute entscheidend prägen. So war er genauso mitentscheidend bei der Entwicklung der Shuttle-Technologie wie beim Internet of Things (IoT). Zuletzt trieb er die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) im Industrieeinsatz voran. Der emeritierte Professor und langjährige Chef des Fraunhofer IML in Dortmund, dessen Karriere BUSINESS+LOGISTIC / blogistic.net über Jahrzehnte redaktionell begleitete, verabschiedet sich jetzt in den wohlverdienten Ruhestand. Seine Nachfolgerin wird die renommierte Expertin im Bereich der Autonomisierung logistischer Prozesse an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, Alice Kirchheim.  

M. Ten Hompel (Foto: LHOF / S. Gabsch / RS MEDIA WORLD archive)
M. ten Hompel: “Die Logistikbranche muss deutlich softwarelastiger werden, wenn sie in der kommenden Plattformökonomie eine Rolle spielen will.” (Foto: LHOF / S. Gabsch / RS MEDIA WORLD Archiv)

In den vergangenen Jahrzehnten hat Prof. Dr. Dr. h. c. Michael ten Hompel die Logistikbranche im deutschsprachigen Raum und international maßgeblich geprägt. Vom Internet der Dinge über die Shuttle-Technologie bis zu smarten Devices und Roboterschwärmen hat er die technologische Weiterentwicklung der Logistik vorangetrieben. Mit seinen weitsichtigen Ideen wie dem “Digitalen Kontinuum”, der “Social Networked Industry” und seiner KI-Forschung hat er die Entwicklung der Intralogistik auf ein Highend-Level gehoben. Wie keinem Zweiten ist es dem “deutschen Logistik-Papst“ gelungen, Wissenschaft und Praxis erfolgreich miteinander zu verzahnen und gleichzeitig die Logistikforschung aufs Tablett der deutschen Wirtschaft und Politik zu bringen. Sein interdisziplinärer Ansatz machte aus Deutschland einen Logistikstandort, der weltweit als herausragend gilt. Zum 31. März 2024 verlässt M. ten Hompel das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund und geht in den Ruhestand.  

M. ten Hompel – Über 20 Jahre Fraunhofer IML 

Mehr als 20 Jahre war M. ten Hompel geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer IML und Inhaber des Lehrstuhls für Förder- und Lagerwesen an der Technischen Universität Dortmund. Zudem ist er seit 2022 Direktor des Lamarr-Instituts für Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz (KI). In der Vergangenheit konnte er dabei mehr als andere zur Weiterentwicklung und Innovationskraft des Wissenschafts- und Technologiestandorts Dortmund beitragen. Als Brückenbauer zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft leistete er zudem einen wichtigen Beitrag zum Dialog und zur Strukturentwicklung der europäischen Logistiklandschaft.  

Ein Miterfinder der Shuttle-Technologie 

M. ten Hompel gilt als einer der Erfinder der Shuttle-Technologie in der Intralogistik, wofür das Institut 2004 mit dem VDI-Innovationspreis für Logistik prämiert wurde und die in der Entwicklung neuer Generationen autonomer Fahrzeuge mündete (evoBOT®, LoadRunner® et al.). Im Gespräch mit BUSINESS+LOGISTIC / blogistic.net vor 14 Jahren sorgte seine dort aufgestellte Prognose, dass mit der damals brandneuen Shuttle-Technologie die herkömmliche Flurfördertechnik obsolet werden könnte, für viel Unruhe bei den etablierten Herstellern von Gabelstaplern, Flurförderzeugen und Regalbediengeräten (RBG).  

M. ten Hompel – Wenn der Intralogistik-Papst spricht… 

Hinsichtlich der Stapler- und Flurförderzeuge trat seine Prognose zwar nicht ein. Sie trieb die OEMs vor allem der Premiummarken in diesem Segment jedoch dazu, ihre Technologien voranzutreiben und ihrer Angebotsstrategien komplett zu überarbeiten. Nach nicht einmal eineinhalb Jahrzehnten sind die ehemaligen Stapler-OEMs Fullservice-Anbieter geworden, welche vom Stapler über Shuttles bis hin zu ganzen Intralogistiksystemen alles anbieten können. (Etliche getestete Lösungen finden Interessenten in unserem TESTATLAS)  

RBGs vom Markt nahezu verschwunden 

Wo M. ten Hompels Prognosen jedoch zutreffen, ist die Marktsituation bei RBGs. Wer über die diesjährige LogiMAT 2024 ging, konnte keine RBG-Lösungen mehr entdecken, obgleich sie noch vor 14 Jahren die vorherrschende Technologie für Intralogistik-Automation waren. Sie wurden vor allem dort eingesetzt, wo es um große Umschlagmengen im Lager geht. Diese Technologie wurde nahezu vollständig durch die leicht skalierbaren und ressourcenschonenden Shuttle-Lösungen ersetzt. Und wer an Retrofitting von Distributionszentre3n u.dgl. denkt, wechselt auf Shuttle-Systeme. Diese Entwicklung trieb aber auch Folgeentwicklungen in der Intralogistik-Automation voran. So wäre der heutige Intralogistik-Star AutoStore, deren Erfinder mit dem IFOY-Award 2023 ausgezeichnet wurden, ohne M. ten Hompel in dieser Form nicht denkbar. 

M. ten Hompel – Treiber des Internet of Things (IoT)        

M. ten Hompel – Ein Tausendsassa der Intralogistik verabschiedet sich in den wohlverdienten Ruhestand. (Foto: LHOF / S. Gabsch / RS MEDIA WORLD archive)

Doch nicht nur bei der Hardwareentwicklung gilt M. ten Hompel bis heute als einer der Innovationstreiber. So wird er gerne als einer der “Väter des Internet der Dinge” (IoT) bezeichnet, das häufig im Zusammenhang mit der vierten industriellen Revolution, Industrie 4.0 , genannt wird. Hier hat er die Vision von sich selbst steuernden und miteinander kommunizierenden “Dingen” mit verwirklicht sowie das Lösungsspektrum in diesem Bereich erweitert. Dazu gehören beispielsweise smarte Devices und Social Machines, die in der von ten Hompel ausgerufenen “Social Networked Industry” die Zusammenarbeit von Menschen und Künstlicher Intelligenz im Industriebereich ermöglichen.  

Wissenschaft als Form der Standortpolitik 

M. ten Hompel ist Wissenschaftler, kein Politiker. Darauf hat er immer besonderen Wert gelegt. Als Wissenschaftler hat er dennoch politisches Gewicht. So ist es ihm gelungen, die Logistik im Allgemeinen und die Intralogistik im Besonderen als eigene Wissenschaftsdisziplin in Deutschland zu etablieren. So wurde er bereits 2005 in den Hauptvorstand des Vereins Bitkom berufen, in dem er zuvor den Arbeitskreis Logistik mit initiierte. Seit 2012 ist er in verschiedenen Funktionen in der “Plattform Industrie 4.0” des Bundesministeriums für Wirtschaft in Berlin aktiv (eine österreichische Entsprechung finden Interessenten hier). 2019 wurde er in die Innovationskommission des Verkehrsministeriums (seinerzeit BMVI) berufen. Das Wort des deutschen Intralogistik-Papstes zählt also bei den politischen Entscheidungsträgern in Bund und Land. 

Silicon Economy – Ein Steckenpferd von M. ten Hompel 

Ein besonderes Highlight seines politischen Wirkens war hierbei der Digital-Gipfel der Bundesregierung im Jahr 2019. Vor fünf Jahren hat M. ten Hompel nämlich dem gesamten Bundeskabinett, das in dieser Zeit noch von Kanzlerin Angela Merkel angeführt wurde, seine Vision von der “Silicon Economy” vorstellte. Gemeint ist dabei konkret eine offene Plattformökonomie für Deutschland und Europa. Die “Silicon Economy” ist gleichzeitig eines von zahlreichen Großforschungsprojekten, die ten Hompel nach Dortmund holte. Es wird noch bis Ende 2024 mit über 20 Millionen Euro vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gefördert.  

EffizienzCluster LogistikRuhr – 100 Millionen Euro Forschungsprojekt

Das größte Projekt seiner Karriere war jedoch der zehn Jahre zuvor gestartete BMBF-Spitzencluster “EffizienzCluster LogistikRuhr”. Mit über 100 Millionen Euro gilt er bis heute als das größte Forschungsprojekt in der Logistik. Der Cluster trieb die Logistikforschung in Deutschland in großen Schritten voran. Das Projekt mündete schließlich in der Logistik 4.0 und auch in der Entwicklung der Logistik als Technologiebranche. Zu dieser Zeit wurde ten Hompel auch zum ersten Vertreter der Logistikwissenschaften in der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech). Seine Aufnahme setzte ein weiteres wichtiges Zeichen für die Anerkennung der Logistikwissenschaft in Deutschland. Dafür wurde M. ten Hompel auch vom Verein Pro Ruhr geehrt. 

Lamarr-Institut – M. ten Hompel bis heute Direktor 

Weitere Großforschungsprojekte und Initiativen, an denen M. ten Hompel Anteil hatte, waren 2007 die Gründung der Fraunhofer Academy, deren vorsitzender Direktor er bis 2017 war, die Verstetigung des Lamarr-Instituts für Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz, an dem er bis heute Direktor ist, sowie die International Data Spaces (vormals Industrial Data Space), die er zusammen mit den Kollegen Boris Otto und Stefan Wrobel vor etwa 10 Jahren aus der Taufe hob. In dieser Zeit (2014 bis 2018) wurde ten Hompel zusätzlich in die Institutsleitung des Fraunhofer-Instituts für Software- und Systemtechnik ISST berufen und sicherte die Selbständigkeit des Instituts in Dortmund, das heute sehr erfolgreich von Prof. Boris Otto geführt wird. In der Verbindung von Informatik und Logistik brachte ten Hompel 2021 auch als Vorsitzender des Kuratoriums die Open Logistics Foundation auf den Weg, eine Stiftung führender, international tätiger Logistikunternehmen, die die gemeinschaftliche Entwicklung von Open-Source-Logistiksoftware und -hardware fördert. 

M. ten Hompel – Logistics Hall of Famer 2012 

A. Kirchheim – Die renommierte Expertin im Bereich der Autonomisierung logistischer Prozesse tritt beim Fraunhofer IML in die Fußstapfen eines Logistik-Schwergewichts. (Foto: Elfriede Liebenow)
A. Kirchheim – Die renommierte Expertin im Bereich der Autonomisierung logistischer Prozesse tritt beim Fraunhofer IML in die Fußstapfen eines Logistik-Schwergewichts. (Foto: Elfriede Liebenow)

Prof. Michael ten Hompel konnte in seiner Zeit am Fraunhofer IML auch zahlreiche persönliche Auszeichnungen entgegennehmen. So ist er seit 2012 Mitglied der internationalen “Logistics Hall of Fame”, zu deren Jury auch HaJo Schlobach gehört. 2017 erhielt er die Ehrendoktorwürde der ungarischen Universität Miskolc, 2018 die goldene Ehrennadel der Bundevereinigung Logistik (Mitglied des Vorstandes der BVL 2006 bis 2018) und 2019 den Ehrenpreis international des österreichischen Hermes Verkehrs.Logistik.Preis. Darüber hinaus ist ten Hompel “Bürger des Ruhrgebiets 2018”, eine Auszeichnung für Persönlichkeiten, die sich durch ihr Wirken in herausragender Weise um das Ruhrgebiet verdient gemacht haben. 2020 erhielt ten Hompel zudem den Innovationspreis des Landes NRW in der Kategorie “Ehrenpreis” für seine herausragenden Beiträge für nachhaltige Veränderungen in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. 2023 hat der Bundespräsident ten Hompel für sein Engagement im wissenschaftlichen Bereich mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Zuletzt erhielt er im Februar 2024 den Dortmunder Dialogpreis für seinen Beitrag zum Strukturwandel und der Innovationskraft der Stadt Dortmund. Prof. ten Hompel steht dem Fraunhofer IML weiterhin beratend zur Seite und wird im Mai im Rahmen eines internen Beisammenseins des Fraunhofer IML gebührend verabschiedet. Zum 1. April 2024 wird Prof. Dr.-Ing. Alice Kirchheim seine Nachfolge antreten.

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