Um seine Transportkosten zu senken, hat Coop Norge in seinem zentralen Warenverteilzentrum CLog in der Nähe von Oslo die Logistikprozesse aller Sortiments- und Temperaturbereiche automatisiert. Die 52.000 m² große Anlage beliefert jetzt mit seiner Temperaturlogistik rund 1.200 Filialen in ganz Norwegen mit gut 17.000 verschiedenen Artikeln faktisch fehlerfrei. Ein Anwenderbericht von Thomas Wöhrle

In Norwegen eröffnen sich Distributoren von Lebensmitteln und Non-Food-Artikeln ganz besondere Herausforderungen. „Die Transportkosten innerhalb der Lebensmittel-Logistik sind hierzulande sehr entscheidend“, erklärt Halvor Nassvik, Senior Manager für das Projekt Coop Logistikzentrum Gardermoen (CLog). „Das liegt an der niedrigen Bevölkerungszahl und den zahlreichen kleinen Geschäften, die über das ganze Land verteilt sind. Des Weiteren hat Norwegen eine Nord-Süd-Ausdehnung von über 2.000 Kilometern.“ Deshalb müsse jede Palette und jeder LKW optimal mit Waren gefüllt werden, wenn die einzelnen Geschäfte angefahren werden. Aufgrund der Entfernungen, die zurückgelegt werden müssen, ist natürlich auch eine fehlerfreie Belieferung und eine hohe Produktqualität zwingen notwendig, um in den Filialen einen guten Service zu bieten. Denn nur dann könne die Distribution wirtschaftlich betrieben werden. Darüber hinaus werde die manuelle Abwicklung in Logistikzentren immer problematischer und teurer. „Hauptgründe waren die niedrige Arbeitslosenquote sowie ein hohes Lohnniveau“, so Nassvik. „Zudem glauben wir, dass es zukünftig für uns schwierig sein wird, für diese körperlich anstrengende und zumeist monotone Arbeit junge Leute zu finden.“
Automation als Chance
Mit dem Neubau des CLog in unmittelbarer Nähe zum Flughafen Oslo, sah Coop Norge vor etwa fünf Jahren daher eine große Chance, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens langfristig sicherzustellen. Das Distributionszentrum hat heute in der Logistikstruktur von Coop gleich mehrere Funktionen: Einerseits dient es als regionales Distributionszentrum für die Region rund um Oslo. In dieser Region beliefert CLog die Filialen mit Waren aus dem vollen Artikelsortiment: Trocken (+ 18 °C), Obst & Gemüse (+ 12 °C / + 7 °C), Frische (+ 2 °C) und Tiefkühl (- 25 °C). Andererseits fungiert das CLog als zentrales Distributionszentrum für Langsam- und Mitteldreher aus dem Trocken- und Frischebereich – und damit als Umschlagspunkt für vier weitere Coop-Regionalläger in Norwegen.
Beim Neubau, der in vier Phasen über mehrere Jahre verwirklicht wurde, wurde die Coop-Logistik von rein manuell betriebenen Lager- und Kommissionierprozessen auf einen hohen Automatisierungsgrad in allen Logistikbereichen umgestellt.
Paradigmenwechsel. Beim Neubau, der in vier Phasen über mehrere Jahre verwirklicht wurde, wurde die Coop-Logistik von rein manuell betriebenen Lager- und Kommissionierprozessen auf einen hohen Automatisierungsgrad in allen Logistikbereichen umgestellt. Damit macht sich Coop ein Stück weit unabhängig von der angespannten Arbeitsmarktlage. „Das war für uns schon ein Paradigmenwechsel“, sagt Nassvik, denn 95 Prozent aller Artikel werden heute automatisiert bzw. teilautomatisiert gelagert und kommissioniert.
Sparen beim Transport. Die Norweger haben sich dabei für eine Lösung des bayrischen Spezialisten für Logistikautomation, Witron, entschieden. Ein Grund dafür war, dass diese Lösungen erheblich geringere Manipulationskosten pro Einheit gegenüber einem manuellen Handling versprachen. Weitere Vorteile für Coop seien – aufgrund der Automatisierung – die fehlerfreie und filialgerechte Kommissionierung, flexible Umsetzung von individuellen Anforderungen der Filialen – beispielsweise in den Palettenhöhen, dicht gepackten Ladungsträgern sowie optimal beladene Lkw. Dies bedeute große Einsparungen im Transportbereich und in den Filialen.
Automation in allen Temperaturbereichen
Sein gesamtes – aus etwa 17.000 verschiedenen Artikel bestehendes Sortiment – lagert und kommissioniert Coop Norge heute in diesem Logistikzentrum. Zum Einsatz kommen Standardsysteme von Witron „Order Picking Machinery (OPM)“. Das ist ein vollautomatisches Kommissioniersystem für Handelseinheiten, welches bei Coop in sämtlichen Temperaturbereichen eingesetzt wird. Das „Dynamic Picking System (DPS)“ zur Kommissionierung von kleinvolumigen Artikeln wird hingegen im Trockensortiment und im Frischebereich genutzt. Und last but not least wird mit Hilfe des „Car Picking System (CPS)“ im Trockensortiment Sperrigware kommissioniert. Die Prozesse im Versandbereich optimiert schließlich ein automatisierter Warenausgangspuffer. Die Materialflüsse in allen Lagerbereichen und Temperaturzonen sind miteinander vernetzt und gekoppelt, sodass die Anzahl der Restpaletten auf ein Minimum reduziert werden kann und darüber hinaus eine Konsolidierung und Verdichtung der Kundenaufträge stattfindet. Und das unabhängig davon, in welchem Logistikbereich diese kommissioniert werden.
Der Clou dieser Lösung ist, dass Coop auf diese Weise Produkte des Trocken- und Frischesortiments nicht ‚klassisch‘ von Behälter in Behälter, sondern von Behälter direkt in Versandkarton kommissioniert.
Direkt in den Versandkarton
Im DPS erfolgt die automatisierte Kommissionierung von Kleinteilen unterstützt durch ein Pick-by-Light-System. DPS arbeitet dabei nach dem Prinzip „Ware-zum-Mann“/„Mann-zur-Ware“. Es ermöglicht hierbei die direkte Lagerung und Kommissionierung in einem automatischen Kleinteilelager (AKL). Der Clou dieser Lösung ist, dass Coop auf diese Weise Produkte des Trocken- und Frischesortiments nicht „klassisch“ von Behälter in Behälter, sondern von Behälter direkt in Versandkarton kommissioniert. Der Grund für diesen Lösungsansatz sind wiederum die langen Lieferwege. Da die am weitesten entfernte Filiale rund 1.700 Kilometer weg ist, wäre eine Rückführung der Behälter von den Filialen zurück ins Distributionszentrum nicht wirtschaftlich. Darüber hinaus werden die im DPS kommissionierten Versandkartons direkt dem OPM-System zugeführt, womit eine möglichst optimale Auftragskonsolidierung zwischen den beiden Systemen stattfinden soll.
Paletten und Layertrays
Das Lagersystem CPS sorgt schließlich in den konventionellen Logistikbereichen für eine deutliche Verbesserung der Ergonomie und kurze Fahrwege im Verteilzentrum. Gerade in Skandinavien, wo besonders strenge gesetzliche Vorgaben gelten, sind ergonomische Arbeitsprozesse ein ausgesprochen wichtiges Kriterium für den erfolgreichen Betrieb von Logistikanlagen. Bei CPS handelt es sich um ein manuelles Kommissioniersystem für die wegeoptimierte Kommissionierung von großvolumigen und sperrigen Handelseinheiten auf Paletten beziehungsweise Rollcontainer. Dank des intelligenten Steuerungssystems können im CPS-Bereich mehrere Aufträge parallel von einem Kommissionierer gepickt werden. Der Nachschub in die Pickfront erfolgt vollautomatisch durch Regalbediengeräte. Bei Coop wird mittels Pick-by-Voice von Palette (Mittel- und Schnelldreher) beziehungsweise Layer-Tray (Langsamdreher) auf die Auftragspalette kommissioniert. Gerade durch den Einsatz der Layer-Trays verringern sich die Kommissionierwege um etwa 60 Prozent.
Puffer reduziert Ladezeiten
Auch im Frische- und Tiefkühlbereich setzt Coop Norge auf einen hohen Automatisierungsgrad. „Diese Produktgruppen unterscheiden sich im Hinblick auf den eigentlichen Logistikprozess nicht so sehr vom Trockensortiment“, erläutert Ove Bjorgum, Leiter des Distributionszentrums. „Aber wir sehen einen großen Vorteil darin, auch hier mit den gleiche Modulen arbeiten zu können.“ Zudem müssten die Mitarbeiter in der „Frische“ typischerweise zahlreiche schwere Behälter heben – dies werde durch die automatisierte Lösung vermieden. „Auch das Tiefkühlareal ist kein perfekter Arbeitsplatz für Mitarbeiter – dank der eingesetzten Mechanisierung wird hier der Aufenthalt aber auf ein Minimum reduziert“, so Bjorgum.
RFID in Trägerpaletten
Neuland betrat Coop Norwegen bei der Paletten-Identifikation: In Skandinavien werden die Distributionszentren von ihren Lieferanten mit Kunststoffpaletten beliefert, die mit integrierten RFID-Transpondern ausgestattet sind. Zusätzlich kommen Holzpaletten zum Einsatz, welche im Wareneingang automatisch ein RFID-Label erhalten. Beide Palettentypen können von Coop auch im automatisierten Logistiksystem flexibel gehandhabt werden.
Fehlerreduktion und Gesundheit
Mit dem bisher Erreichten sind alle Beteiligten vollauf zufrieden. „Unsere Filialen profitieren im Store-Service von einer fehlerfreien Belieferung, einer filialgerechten Waren-Sortierung auf den Paletten – angepasst an das jeweilige Shop-Layout – sowie einer höheren Produkt-Qualität aufgrund verbesserter Temperaturkontrollen. Ebenso spart Coop jede Menge Transportkosten“, zieht Logistikchef Halvor Nassvik ein positives Fazit. Zudem verringerte sich seither die Krankheitsrate im Lager signifikant. Dadurch liegen die gesamten Kosten- und Behälter-Einsparungen bei etwa 50 Prozent.
Kennzahlen aus dem Logistikzentrum:
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