TALENTSUCHE EINKAUF – Der Rotstift als Hemmschuh

Wer sich den digitalen Anforderungen nur zögerlich stellt, verpasst den Anschluss. Der strategische Einkauf scheint dabei weltweit im Tunnel der Kostenreduzierung gefangen. Doch wenn CFOs an der Talentsuche Einkauf sparen, könnten Unternehmen den Anschluss an die digitale Transformation – insbesondere im strategischen Einkauf – verpassen. Ein Bericht von Sabine Ursel

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Die Wirtschaftsprüfer Deloitte gaben nun bereits zum fünften Mal ihre jährliche, weltweite Einkäufer-Studie „Deloitte Global CPO Survey“ heraus. Diesmal nahmen 324 CPOs aus 33 Ländern daran teil. So viel wie noch nie zuvor. Und sie gaben Auskunft darüber, was die Einkäufer in der Welt bewegt und was sie hemmt. In Zusammenarbeit mit der Personalberatung Odgers Berndtson entstanden dabei Analysen für die Regionen EMEA (Europa, Naher Osten, Afrika), APAC (Asia-Pazifik) und Amerika (Nord-Süd). Im Fokus der Befragung standen die kritischen Erfolgsfaktoren Kostenmanagement, Talentmanagement/Trainings sowie digitale Technologien. Ein Ergebnis ist dabei nicht überraschend: Drei Viertel der Befragten CPOs sagen, dass insbesondere die Reduktion der Kosten über die kommenden zwölf Monate hinweg Priorität hat. Und dies ist insbesondere dem wachsendem Margendruck, respektive den Vorgaben der Finanzchefs (CFOs) geschuldet.

CFOs sparen Talente

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie vor allem der strategische Einkauf den Herausforderungen einer sich abkühlenden Weltwirtschaft begegnen soll und sein Unternehmen dabei nachhaltig unterstützen kann, dennoch Wachstum zu generieren. Die Antwort wird umso schwerer zu geben sein, wenn man jenes Ergebnis der Studie vor Augen hat, das zeigt, dass die CFOs bei der Aus- und Weiterbildung des Einkaufs seit Jahren massiv den Rotstift ansetzen und bei der „Talentsuche Einkauf“ massiv sparen. 30 Prozent der befragten Unternehmen investierten weniger als ein Prozent ihres Budgets in das Training ihrer Einkäufer. Daher bewerten nur 38 Prozent der befragten CPOs die Kompetenz ihres Einkäuferteams als ausreichend. Vor drei Jahren waren das immerhin noch 52 Prozent.

Sackgasse „Rotstift“. Offenbar schicken die CFOs ihre strategischen Einkäufer in eine Sackgasse, was dazu führen könnte, dass die Adaption an neue Herausforderungen, wie sie etwa der digitale Wandel und Industrie 4.0 mit sich bringen, nicht mehr ausreichend gelingt. Denn ohne ausreichendes Talentmanagement kann sich der Einkauf kaum den Herausforderungen der digitalen Transformation stellen und neue digitale Kernfähigkeiten entwickeln. Zudem behindert ein Sparen am strategischen Einkauf, dass dieser proaktiv die Transformation und Weiterentwicklung zum digitalen Einkauf vorantreiben kann. Angesichts der Tatsache, dass der Einkauf letztlich 70 Prozent der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens mitbestimmt, könnte dies mittel- bis langfristig fatale Folgen haben.

Fakt ist vor diesem Hintergrund jedenfalls, dass sich der Einkauf in den vergangenen Jahren als „Manager“ der dem Unternehmen vorgelagerten Wertschöpfungskette etabliert hat.

CPO als Top-Manager

Fakt ist vor diesem Hintergrund jedenfalls, dass sich der Einkauf in den vergangenen Jahren als „Manager“ der dem Unternehmen vorgelagerten Wertschöpfungskette etabliert hat. Nicht ohne Grund konnten sich Einkaufsleiter als CPOs heute auf oberster Managementebene positionieren. Dabei sind sie im Wesentlichen mit dem strategischen Managen von Material-und Servicefeldern befasst, um Mehrwerte für das eigene Unternehmen zu generieren und Versorgungssicherheit zu garantieren. Gleichzeitig müssen sie möglichst effizient die konkreten Bedarfe an Material und Services befriedigen. Dabei setzen sich CPOs ohnehin mit der Fragestellung „Do more with less“ auseinander. Ihre Antworten waren bislang vor allem Effizienzprogramme und der Ausbau der eigenen strategischen Fähigkeiten. Die digitale Transformation wird diesen vertrauten Zustand radikal umstoßen.

Unklare Anforderungen benötigen klare Antworten. Heute bemerkt jeder CPO, dass die Beschaffung von IT- und Kommunikations-Services, digitalem Content sowie Hard- und Software einen wesentlich höheren Stellenwert bekommt. Unterschiedliche Bereiche im Unternehmen treten als Bedarfsträger auf, die Anforderungen haben hohe strategische Relevanz, die Beschaffung wird zeitkritischer. Zusätzlich sind bei der Beschaffung von Produkten immer häufiger IT-Kompatibilität sowie IT-Sicherheit relevant. Die Auswirkungen sind aber wesentlich vielfältiger, da Produkte und Services, die eigene Wertschöpfung sowie die Kundeninteraktion betroffen sind. Zudem erfolgt die Veränderung unter einem starken Zeitdruck, da häufig neue Teilnehmer mit innovativen Geschäftsmodellen in den eigenen Markt drängen. Innovationen und deren Beschaffung sowie Integration in die eigene Wertschöpfung tauchen plötzlich auf der Agenda auf. Der CPO sieht sich also mit einer Vielzahl von unklaren Anforderungen konfrontiert. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass der strategische Einkauf nur klare Antworten auf die Fragen der Zukunft liefern kann, wenn er von den CFOs mit den nötigen Mitteln ausgestattet ist.

Einkauf und Wissen

Der strategische Einkauf der Zukunft muss Wissen aus den unterschiedlichsten Quellen systematischer automatisiert generieren können. Und mit den daraus generierten neuen Erkenntnissen ist möglichst agil zu verfahren. Tatsächliche Leistungserfolge wie etwa die Kostenvermeidung und Beiträge zu schlankeren Prozessen müssen transparent für die Stakeholder im Unternehmen aufgearbeitet werden können. Die Rolle des Einkäufers im Zuge zunehmender Vernetzung wird sich daher erheblich ändern. Deutlich wird das am Beispiel der indirekten Beschaffung: Sie wird in Zukunft automatisiert zwischen Einkaufssystem und Shopsystem des Lieferanten stattfinden. Einkäufer sind somit nicht mehr zum operativen Verhandeln da. Sie übernehmen viel mehr Funktionen, die bislang eher dem Controlling und der Prozesssteuerung in Unternehmen vorbehalten waren.

IT-Tools generieren Informationen. Der Markt bietet hierfür bereits eine Reihe an Lösungen, die den Einkauf voranbringen, wie beispielsweise sogenannte Cognitive Business Solutions. Das sind einfache, aber mächtige Analyse-Tools, die laufend aus unterschiedlichsten Datenbanken Daten beziehen, auswerten und somit verwertbare Informationen machen. Dabei können die Datenbanken sowohl extern als auch intern gelagert sein. Zudem gibt es kollektive Intelligenz-Tools für Szenario- und Stressanalysen und Crowdsourcing-Anwendungen für mehr Reichweite, Wissen und Kreativität sowie Mobile Analytics zum Tracken messbarer Aktivitäten in Echtzeit.

Offensiv angehen

Vor dem beschriebenen Hintergrund wird deutlich, dass der Übergang vom Einkauf 4.0 zu Industrie 4.0 ist fließend ist und offensiv angegangen werden muss. Denn: Der Zug ist längst abgefahren und hat bereits ein hohes Tempo erreicht. Deloitte geht davon aus, dass der digitale Wandel den Unterschied auch bei Einkaufsorganisationen ausmacht … Wer sich im War for Technology befindet, darf freilich nicht den War for Talents aus den Augen verlieren. Viele Unternehmen und ihre Finanzverantwortlichen scheinen aber derzeit noch auf dieser Schiene zu fahren: Sie sehen zwar durchaus die Chancen der neuen Welt, nutzen sie allerdings erst zögerlich und vernachlässigen überdies wichtige Hausaufgaben wie die Weiterbildung ihrer Einkäufer-Teams.

deloitte.com