Supply Chain Management – Logistikprobleme, Produktionsunterbrechungen und explodierende Materialkosten haben die Bedeutung einer effizienten Lagerhaltung wieder deutlich in den Fokus der unternehmerischen Aufmerksamkeit gerückt. Um den eigenen Lagerbestand optimal zu managen, können Firmen heute auf schlagkräftige Softwarelösungen für ein proaktives Supply Chain Management setzen. Dank des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz können sie binnen weniger Minuten Fertigwarenbestände und damit die Lieferbereitschaft optimieren. (Ein Beitrag von Prof. Götz Andreas Kemmner*)
Die Corona-Pandemie, aber auch andere externe Ereignisse wie Fabrikbrände setzen die globalen Lieferketten aktuell massiv unter Druck. Die Frachtkosten haben sich teilweise mehr als verzehnfacht, Rohstoffe und Bauteile sind knapp oder gar nicht erhältlich. Das sorgt bei Unternehmen mit Just-in-time-Produktionsabläufen wie der Automobilindustrie derzeit für drastische Produktionsausfälle. Diese können die Firmen im Worst Case noch über mehrere Jahre negativ beeinflussen.
Proaktives Supply Chain Management senkt Kosten
Ein gut austariertes, proaktives Supply Chain Management tut daher Not. Denn nicht nur in Krisenzeiten, sondern auch im Regelbetrieb verursacht die Vorhaltung von Halb- und Fertigwaren in der unternehmenseigenen Wertschöpfungskette erhebliche Kosten. Diese dann nochmals wegen unsicheren Supply Chains aufzustocken, kann kaum ein Unternehmen finanzieren und der Kunde ist ebenfalls nicht bereit, einen höheren Preis dafür zu zahlen, zumal nicht nur der höhere Sicherheitsbestand an sich finanziert werden muss: Kapitalkosten, Verlust und Bruch, Obszeleszenz, Energie, Personal, aber auch lagerwertabhängige Versicherungsprämien kosten jährlich mittlerweile bis zu 30 Prozent des Bestandswertes. Diese Kosten müssen also entsprechend hinzugerechnet werden.
Trial & Error statt standardisierter Kalkulation
Disponenten stehen deshalb vor einem Dilemma. Eigentlich müssten sie die Bestände hochfahren. Niemand will jedoch genau das bezahlen. Nun gibt es zwar bei noch nicht optimierten Dispositionsstrategien immer auch Möglichkeiten, massiv Bestände herunterzufahren und dennoch die Lieferbereitschaft zu erhalten. Hierfür haben sich seit Jahren bereits APS-Systeme wie DISKOVER etabliert. Doch auch diese Tools gelangen mit zunehmender Komplexität der im jeweiligen Lager vorzuhaltenden Waren- und Produktgruppen schnell an ihre Grenzen: Bereits bei zwölf Portfoliofeldern und einer Abstufung der Lieferfähigkeit in 1-Prozent-Schritten muss ein solches System 1.240 Varianten durchrechnen. Eine etwas detaillierte Kalkulation sprengt mit 10.400 bis 16.400 Varianten die Grenzen der dabei zum Einsatz kommenden Rechnerleistungen. Die bislang verwendeten konventionellen Methoden finden ihre Grenzen also derzeit in der noch nicht hinreichend verfügbaren Rechenkapazität. Künstliche Intelligenz wie sie beispielsweise das zur Abels & Kemmner-Gruppe gehörende SCT GmbH in ihren seit 2020 auf dem Markt befindlichen Service Level Booster implementiert hat, verspricht hier deutliche Verbesserungen bei der Optimierung der Sicherheitsbestände im Fertigwarenlager.
Proaktives Supply Chain Management mit KI-basiertem Lösungsansatz
So arbeitet der Service Level Booster mit jedem ERP-System zusammen und ermöglicht es, die für eine vorab definierte Gesamtlieferbereitschaft optimale Verteilung der Lieferfähigkeit über sämtliche Portfoliogruppen hinweg in einem rekordverdächtig kurzen Zeitraum von zumeist weniger als 90 Sekunden zu ermitteln. Doch die Optimierung der Lieferbereitschaft über alle Warenbereiche ist nur die eine Seite der mit der Lösung einhergehenden Vorteile. Der zweite ist die Optimierung der Sicherheitsbestände, die bekanntermaßen erhebliche Kostentreiber darstellen. Nach Angaben von SCT erzielte der Service Level Booster bei Lagern, deren Parameter für die Lieferfähigkeit noch nicht justiert wurden, Reduzierungen von bis zu 13 Prozent, während die Gesamtlieferbereitschaft gleichzeitig um 16 Prozent gesteigert werden konnte. Selbst bei Artikelportfolios, bei denen Lieferbereitschaft im Vorfeld bereits unter Anwendung von Advanced Planning & Scheduling-Systemen wie DISKOVER optimiert worden waren, erbrachte ein Optimierungslauf mit dem Software-Tool noch eine Verringerung der Sicherheitsbestände von drei bis fünf Prozent. Was sich zunächst nach wenig anhört, summiert sich je nach Warenwert des Lagers schnell auf mehrere Millionen Euro. Diese Performance zeigt das enorme Potenzial des Tools, das somit nicht nur den Service Level des Unternehmens boostet, sondern auch die Liquidität.
Supply Chain Management – Lieferfähigkeit rauf, Kosten runter
Der Ablauf für die Optimierung der eigenen Lagerbestände und Lieferfähigkeit umfasst im Wesentlichen drei Schritte. Zunächst berechnet das System für verschiedene Grade der Gesamtlieferfähigkeit jeweils die Summe der optimalen Sicherheitsbestände. Der Anwender erkennt hierdurch auf einen Blick, wie hoch die erforderlichen Bestände für ein bestimmtes Niveau der Lieferbereitschaft sind – und welche Kosten dies verursacht. Daraufhin legt er – je nach leistbarem Kostenaufwand – den gewünschten Grad der Gesamtlieferbereitschaft fest. Infolge ermittelt die Software für jedes Segment des Produktportfolios den jeweils anzuwendenden Lieferbereitschaftsgrad so, dass die Summe der erforderlichen Sicherheitsbestände so gering wie möglich ist. Der letzte Schritt besteht in einem regelmäßigen Nachjustieren der Lieferbereitschaftsgrade der einzelnen Portfoliofelder, um die Einstellungen der sich über die Monate verändernden Marktnachfrage anzupassen.
Einfache Implementierung und Skalierbarkeit
Je nach Funktionsumfang des im Unternehmen verwendeten ERP-Systems lassen sich Tests hinsichtlich der Effektivität des Service Level Boosters mit vergleichsweise überschaubarem Umfang in kurzer Zeit umsetzen. Die Perspektiven des nun verfügbaren Tools sind zudem höchst interessant: Bereits im kommenden Jahr wird erwartet, neben den bisher optimierungsfähigen lagerhaltigen Fertigartikeln auch eine Skalierung des Systems im Bereich der vorgelagerten Wertschöpfungsstufen zu erreichen – dementsprechend vervielfachen sich auch die mit seiner Einführung verbundenen Effizienzgewinne.
Abels & Kemmner in Kürze
Der Autor dieses Fachbeitrages, Professor Dr. Götz Andreas Kemmner*, Jahrgang 1959, gründete gemeinsam mit Dr. Helmut Abels die Abels & Kemmner GmbH. Nach seinem Studium des Maschinenbaus und der Wirtschaftswissenschaften an der RWTH Aachen promovierte er bei Prof. Rolf Hackstein und Prof. Walter Eversheim. In seinen gut 25 Jahren Berufserfahrung hat er über 120 nationale und internationale Projekte durchgeführt. Hinzu kommen Tätigkeiten als Interim-Geschäftsführer in zwei Automobilzuliefer-Unternehmen und als Oberingenieur am Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) e. V. In über 190 Veröffentlichungen hat Prof. Dr. Kemmner als Autor, Co-Autor oder Referent mitgewirkt, zudem hält er regelmäßig Vorträge und Seminare. Seit dem 12.06.2012 Honorarprofessor an der Westsächsischen Hochschule Zwickau.
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