Ein Wiener Startup, Cargometer, will mit seinem On-the-Fly Vermessungssystem die Verladung im Stückguttransport zwar nicht revolutionieren, dafür aber bei 15 Prozent der Ladungen für die richtigen Tarife sorgen. So oft stimmen nämlich die Volumenangaben der Verlader nicht – zumeist zuungunsten der Transportwirtschaft.

Nach empirischen Studien werden derzeit ca. 15 Prozent aller Stückgut-sendungen falsch tarifiert. Das führt zu einem durchschnittlichen Umsatzverlust in einer Größenordnung von fünf Prozent. Das scheint verhältnismäßig wenig zu sein. Angesichts des europaweiten Stückgutumsatzes von 47,5 Milliarden Euro pro Jahr entgehen der Transportwirtschaft damit jedoch jährlich knapp 2,4 Milliarden Euro.
Volumen in Bewegung
Dieser Hintergrund macht keinen schlanken Fuß daraus und er zeigt das Marktpotenzial des 2014 von Dr. Michael Baumgartner und Dr. Ludwig Österreicher in Wien gegründeten Startups Cargometer. Die beiden Entwickler – der eine ist von Brotberuf Ökologe, der andere Betriebswirt – haben nämlich ein System entwickelt, das die Volumina von Objekten wie etwa Stückgut vermisst. Das wäre nichts Neues, denn Volumenvermessungen gibt es schon längst und solche stationären Lösungen werden flächendeckend im Paketversand erfolgreich eingesetzt. Neu und außergewöhnlich am Cargometer-System ist jedoch, dass das Volumen des Ladeguts auf Paletten vermessen wird, die gerade von Gabelstaplern verladen werden. Mit anderen Worten: Die Ladung bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu 10 km/h. Auf diese Weise wird also der Verladevorgang nicht für die Vermessung unterbrochen, sondern kann ohne Zeitverlust fortgesetzt werden. Gerade im Transportwesen, wo es auf Zeit ankommt, könnte dieses System somit einen Durchbruch bei der volumengenauen Kalkulation von Transporten darstellen.
Zentimetergenau gemessen
Der Clou an der Sache ist, dass das Cargometer-System dabei nicht nur zwischen der Ladung und dem Gabelstapler zu unterscheiden weiß, sondern dass die Messungen auch zentimetergenau sind und selbst die Maße der verwendeten Paletten berücksichtigt. Möglich wird dies einerseits durch eine kostengünstige und platzsparende Hardware, die aus mehreren Tiefenbild Sensorkameras und Rechnern besteht. Die Sensoren sind dabei über und seitwärts der Laderampen montiert. Sie liefern von mehreren Seiten gleichzeitig das notwendige Bildmaterial (30 Bilder pro Sekunde) an den Rechner, wenn der Stapler mit seiner Ladung durch den Bereich vor der Laderampe fährt.
Auge-Hirn-Prinzip
Das Prinzip folgt dabei ähnlichen Mechanismen, wie sie bei menschlichen Augenpaaren bekannt sind. Diese erzeugen unendlich viele Sehdaten und liefern sie an das Gehirn ab. Erst das Gehirn jedoch differenziert die gelieferten Bilddaten aus, eliminiert unwichtige Daten und fügt den Rest zu einem 3D-Bild zusammen. Erst dann verknüpft es dieses Bild mit anderen, bereits hinterlegten Daten zusammen, sodass es für uns einen Sinn ergibt. Die Entwicklung von Cargometer arbeitet ähnlich. Die Tiefenbild-Kameras lösen die zu messenden Objekte in unendlich viele Bildpunkte auf. Zu einem Bild zusammengefügt werden die Daten dann über einen innovativen Algorithmus namens Multiimage- Motion-3-D.

Das Herzstück des Wiener Startups
Dieser Softwarealgorithmus ist die eigentliche Entwicklung von Baumgartner und Österreicher. Er verwandelt die Bilddaten in Informationen, welche dann in einer Software in Echtzeit weiter verarbeitet werden. Dabei gilt es einerseits, das Bild vom Stückgut des Gabelstaplers zu abstrahieren. Ein schwieriges Unterfangen, denn das System muss die Maße der eingesetzten Gabelstapler kennen und diese in Echtzeit mit den erhaltenen Daten der Sensoren vergleichen. Andererseits hat jede Stückgutladung unterschiedliche Formen. Diese gilt es zu erfassen, zu einer Volumensgröße umzurechnen, bei Bedarf auch Übergrößen zu erkennen und dann beispielsweise mit Daten über verfügbare Laderäume und – für Speditionen wichtig – mit Tarifsystemen zu verknüpfen.
Der Markt ist offen
Wie wichtig so ein System für das Stückgutgeschäft sein könnte, zeigt sich daran, dass bei Stückguttransporten zumeist nicht die exakten Abmessungen bzw. Volumina der beförderten Sendungen angegeben werden. Damit ist ein Soll-/Ist-Vergleich mit dem Frachtschein der Warensendung nicht möglich und kann somit nicht zur Optimierung der Kundenbeziehung herangezogen werden. Um dennoch berechenbare Tarifeinheiten zu haben, verwenden Stückgutspe-ditionen deshalb beispielsweise die vereinfachte Annahme, dass ein Kubikmeter Fracht einem Gewicht von 200 Kilogramm entspricht und ziehen die Gewichtsangabe auf den Frachtpapieren als Verrechnungsbasis heran. Werden nun jedoch leichte, aber voluminöse Güter befördert, wird so der benötigte Frachtraum teilweise erheblich unterschätzt. Dabei ist die genaue Kenntnis des Sendungsvolumens für Speditionen deshalb wichtig, um die Vergütung für eine Transportdienstleistung zu erhalten, die auch der tatsächlich erbrachten Leistung entspricht. Aufgrund der nicht vorhandenen oder geringen Datenbasis ist es für Logistikdienstleister somit nur bedingt möglich, die Netzwerkauslastung, eine entscheidende Kennziffer im Stückgutgeschäft, zu optimieren. Dadurch sind Kostensenkungen, Effizienzsteigerungen bei Auslastung und Prozessen sowie eine Reduktion von CO2-Emissionen eingeschränkt.
Pilot im Einsatz
Das Startup, das im Übrigen von Prof. Sebastian Kummer unterstützt wird und bereits jetzt zu den 100 besten österreichischen Startups zählt, dürfte auf großes Interesse stoßen. Jedenfalls arbeitet das Entwickler-Team in Wien gemeinsam mit der Spedition Gebrüder Weiss daran, Stückgutladungen zentimetergenau zu vermessen um auf diese Weise nicht nur eine exakte Tarifierung zu erreichen, sondern auch die Laderäume optimal zu nutzen. Im kommenden Sommer soll das System serienreif sein.
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