SCHIENENGÜTERVERKEHR – Mehr Zukunft mit Klimaschutz oder Abstellgleis 

Der Schienengüterverkehr gehört zu den Kernelementen des Green Deal der EU sowie überhaupt zu einer klimaschonenden Ökonomie in Europa. Doch noch immer gelingt es nur wenig, zu transportierende Güter auf die Schiene zu setzen. Die Gründe dafür sind fast so alt wie die EU selbst und ebenso mannigfaltig, wie es EU-Länder gibt. So gibt es keine einheitlichen Spurbreiten, Stromspannungsstandards und Standards bei Sicherheit und Genehmigungen etc. Innerhalb der EU herrscht auf der Schiene nach wie vor Vielstaaterei. Und die Bahnnetze sind teilweise heillos veraltet. (Eine Bestandsaufnahme von HaJo Schlobach)  

Schienengüterverkehr - Innerhalb der EU herrscht im Bereich der Bahnen noch echte Vielstaaterei, die zum Prellbock für die Entwicklung in diesem Bereich werden kann. (Foto: Kurt Michel / www.pixelio.de)
Schienengüterverkehr – Innerhalb der EU herrscht im Bereich der Bahnen noch echte Vielstaaterei, die zum Prellbock für die Entwicklung in diesem Bereich werden kann. (Foto: Kurt Michel / www.pixelio.de)

Die jüngsten Streiks der deutschen Zugführergewerkschaft GDL brachten einmal mehr die Deutsche Bahn in negative Schlagzeilen. Wurde doch der Verkehr in Deutschland und damit auch in Österreich faktisch lahmgelegt. Betroffen waren dabei nicht nur die Personenverkehr-Sparte des Konzerns, sondern auch und ganz besonders der Güterverkehr. Über mehrere Tage ging nahezu nichts mehr, außer bei alternativen, sprich: privaten Bahngesellschaften. Doch die konnten die 23.000 ausgefallenen Fahrten der DB pro Tag nicht annähernd kompensieren.

Schienengüterverkehr – Streiks führen Defizite vor Augen 

Dabei ging es in dieser Auseinandersetzung, die seit November 2023 läuft, nicht alleine um Lohnabschlüsse, sondern auch um die Nutzung der Infrastrukturen der Deutschen Bahn, von der Schiene über Reparaturen des rollenden Materials bis hin zur Instandhaltung von Brücken etc. Also alles, was dafür nötig ist, um Personen- und Güterverkehr über die Schiene abzuwickeln. Somit zeigte dieser Arbeitskampf auch die Defizite der Deutschen Bahn auf, stellvertretend für ganz Europa. Gleichzeitig führte diese Auseinandersetzung der Tarifpartner in Deutschland die Uneinheitlichkeit der europäischen Bahnbetreiber vor Augen. Dadurch kann insbesondere der Güterverkehr faktisch ganz Europas zum Stillstand gebracht werden, wenn einer der sogenannten “Großen” in Schwierigkeiten steckt.

Der Schienengüterverkehr schrumpft in Deutschland 

Für Deutschland selbst dürfte der harte Tarifstreit zwischen dem DB-Konzern und der GDL mittelfristig die Konsequenz haben, dass wieder mehr auf Lkw denn auf Schiene gesetzt wird. Im Modal-Split wurden Stand 2019 in Deutschland rund 18,5 Prozent des Güteraufkommens auf der Schiene transportiert. Das ist zwar im EU-Vergleich recht ordentlich. Dort lag der durchschnittliche Rail-Freight-Anteil in 2020 bei 16,8 Prozent, allerdings mit einer beträchtlichen Streuung, schreibt Carsten Knauer Leiter Sektion Logistik / Referent Fachgruppen des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) nach Abschluss des 16. BME-/VDV-Forums im Februar 2023. Er verweist dabei auf aktuelle Zahlen von Eurostat. Demnach weist der Spitzenreiter Litauen einen Anteil von 64,7 Prozent auf, während er in Griechenland bei kümmerlichen 3,2 Prozent liegt.  nach dieser Auseinandersetzung dürfte sich der Trend zu “weniger Schiene” weiter fortsetzen. Im Jahr 2020 waren es nämlich nur noch 18 Prozent und 2021 schrumpfte der Anteil auf 17,5 Prozent, wie etwa die Zahlen der deutschen “Allianz Pro Schiene” zeigen. Diesen Trend bestätigte auch Bernhard Schmaldienst, Director Operations der Transportfracht-Plattform Transporeon, im Rahmen der in der letzten Woche über die Bühne gegangenen “Powerday Transportmanagement” des Verein Netzwerk Logistik (VNL) im voestalpine Gästehaus in Linz: „Im letzten Jahr fand eine spürbare Rückverlagerung Bahntransporte auf den Lkw statt. 

Österreichs Schienengüterverkehr stagniert  

Schienengüterverkehr - Den Straßengüterverkehr Huckepack nehmen ist noch vielfach Zukunftsmusik. (Foto: Eriche Westendarp / www.pixelio.de)
Schienengüterverkehr – Den Straßengüterverkehr Huckepack nehmen ist noch vielfach Zukunftsmusik. (Foto: Eriche Westendarp / www.pixelio.de)

Auch in Österreich, dessen Modal-Split immerhin 25 Prozent Gütertransport auf der Schiene aufweist, stehen die Cargo-Unternehmen der Bahnen weiter unter Druck. Der Lokführerstreik in Deutschland war etwa für die Rail Cargo, die Gütersparte der ÖBB, und private Rail-Cargo-Unternehmen sicherlich nicht hilfreich dabei, Marktanteile gegenüber dem Straßengüterverkehr zu gewinnen. Denn nur wenn die Räder verlässlich rollen, bewegt sich auch etwas in der Wirtschaft. Einen Stillstand können sich sowohl Deutschlands als auch Österreichs Ökonomien vor dem Hintergrund laufender Krisen und globaler Lieferkettenprobleme schlichtweg nicht leisten. Spediteure und andere Unternehmen greifen daher dann lieber zum Lkw. Das ist nicht nur flexibler und schneller, sondern auch sicherer für ihr Business – und damit auch kostengünstiger. Wer fragt vor diesem Hintergrund nach dem Klima? 

Schienengüterverkehr – Probleme seit Jahrzehnten bekannt  

Dabei haben es Unternehmen, welche über die Bahnen quer durch Europa transportieren wollen, ohnehin schon schwer genug. Sie müssen nämlich mit längeren Transportzeiten rechnen. Das liegt u.a. auch daran, dass der europäische Bahnmarkt nicht einheitlich geregelt ist. Kann man beispielsweise mit einem Lkw-Fahrerteam von Wien bis Barcelona durchfahren, müssen beim Schienengüterverkehr faktisch an jeder Grenze sowohl die Lokführer und mitunter auch die Lokomotiven gewechselt werden. Denn hat der Lokführer für ein Land den Führerschein und somit die Fahrgenehmigung, bedeutet das noch lange nicht, dass die Genehmigungen auch für das andere Land gelten.

Strom ist nicht gleich Strom und Schiene nicht gleich Schiene

Auch gibt es innerhalb der EU unterschiedliche Strom- und Spannungsstandards für die Antriebe der Lokomotiven, sodass eine grenzübergreifende Interoperabilität im Schienengüterverkehr unmöglich ist. Es gibt nicht einmal eine EU-weit einheitliche Spurweite. In Zentraleuropa sind es beispielsweise 1.435 Millimeter, hingegen wird in den baltischen Staaten auf Spurweiten aus der Zarenzeit mit 1.520 Milimetern transportiert. Und die Iberische Halbinsel wartet mit 1.668 Millimetern auf. Außerdem gibt es unterschiedliche nationale Sicherungssysteme mit jeweils eigenen Signalanlagen und –zeichen. Mit diesen Hindernissen ist der Straßengüterverkehr nicht konfrontiert. Auch sind die Regelwerke für die Transporte auf der Schiene ein Fleckenteppich, was den Schienengüterverkehr weiter verkompliziert.  

Marode Schienennetze erschweren Schienengüterverkehr 

Ein weiteres Problem, das sich dem Schienengüterverkehr stellt, ist das Alter und der Zustand der europäischen Schienennetze. Diese sind mitunter 100 Jahre alt und in entsprechend marodem Zustand. Wer jedoch glaubt, das betrifft nur so Länder wie Rumänien, Bulgarien oder andere Länder des ehemaligen “Ostblocks”, der irrt. Auch in Deutschland, Frankreich oder Österreich wurde lange Zeit das Schienennetz und dessen Ausbau vernachlässigt. Deren Netze müssen nun mühsam und mit Mehrkosten saniert und ausgebaut werden.  

EU-Kommission – Herkulesaufgabe “Vereinheitlichung”   

Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob es der EU-Kommission bis 2030 gelingen wird, den Schienengüterverkehr wenigstens teilweise zu vereinheitlichen. Damit soll es gelingen, den Anteil des Schienengüterverkehrs am europäischen Güterverkehr auf 30 Prozent zu erhöhen, so der Plan. Denn der Schienengüterverkehr hat zweifellos eine bessere Ökobilanz als andere Verkehrsträger und bietet ein großes Potenzial zur Emissionseinsparung. So ist die E-Mobilität bereits der vorherrschende Standard im Rail-Freight-Sektor und je mehr Grünstrom zukünftig für den Antrieb der Lokomotiven zum Einsatz kommt, desto schneller wird die Netto-Emission gen Null sinken. Doch sind diese Ziele völlige Makulatur und Wunschdenken, wenn die Nationalstaaten nicht ihre territorialen Ansprüche im Bahnverkehr ablegen. 

Schienengüterverkehr – Viele Wünsche ans “Salzamt”  

Schienengüterverkehr - Die jährlich stattfindende VNL-Veranstaltung “Powerday Transportmanagement” in Linz beleuchtet jährlich den ZUstand des Güterverkehrs. (Foto: VNL / RS MEDIA WORLD archive)
Schienengüterverkehr – Die jährlich stattfindende VNL-Veranstaltung “Powerday Transportmanagement” in Linz beleuchtet jährlich den ZUstand des Güterverkehrs. (Foto: VNL / RS MEDIA WORLD archive)

Auf dererlei wurde u.a. in der vergangenen Woche ebenfalls auf der VNL-Veranstaltung “Powerday Transportmanagement” in Linz (siehe auch oben) eingegangen. Unter dem Titel „Transportmanagement 2024: Worauf müssen wir uns einstellen?“ standen dabei die konjunkturellen Entwicklungen und deren Auswirkungen auf die nationalen und internationalen Warenströme in den Segmenten der Straße, Bahn, See- und Luftfracht. VNL-Obmann Stellvertreter Kurt Leidinger strich hierbei hervor, dass „die Bau- und Sanierungsarbeiten im deutschen Bahnnetz in den kommenden Jahren könnten zu einer weiteren Verlagerung des Gütertransports auf Lkw führen, falls keine ergänzenden Maßnahmen ergriffen werden.” Er prognostiziert für 2024 Transportkapazitätsengpässe sowohl auf der Schiene als auch auf den Straßen. Erschwerend kämen für K. Leidinger hinzu, dass die entstehenden Umleitungskosten der Bahn auf die Unternehmen abgewälzt werden. „Um die Zuverlässigkeit des Gütertransports aufrechtzuerhalten, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Verkehrsträger Bahn und Lkw besser koordiniert agieren. Gleichzeitig sollte die europäische Politik durch gezielte Fördermaßnahmen den Anteil der Bahn am Güterverkehr stärken. Andernfalls könnten viele der bisherigen Bemühungen zur Förderung des Schienengüterverkehrs ins Leere laufen.“ 

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