Roland Seebacher, Geschäftsführer von BITO in Österreich, sieht die Corona-Krise nur teilweise als Ausschlag gebend für die derzeitige wirtschaftliche Entwicklung in Österreich. Vielmehr sind die Transformationsprozesse für ihn maßgeblich, welche die vierte industrielle Revolution (Industrie 4.0) ausgelöst hat.
blogistic.net: Herr Seebacher. Wie geht es Ihnen, wie geht es BITO Austria?
Roland Seebacher: Uns geht es den Umständen entsprechend gut. Wir hatten ein sensationelles Jahr 2019 hingelegt mit einem Rekordumsatz seit Bestehen des Unternehmens hier in Österreich. Wir sind dann gut ins Jahr 2020 gestartet mit Vorbestellungen, welche einen weiteren Rekord signalisierten. Und dann kam der Lockdown, der sich äußerlich in Absagen von Messen, Meetings usw. äußerte. Im Innenverhältnis hat sich im Wesentlichen die Kommunikation umgestellt.
blogistic.net: Wie haben Sie darauf reagiert?
R. Seebacher: Wir haben uns sehr rasch auf die neue Situation eingestellt und einen großen Teil unseres Workflows in die Home Offices verlegt. Das konnten wir deshalb so schnell, weil wir hier Modelle schon vor Corona aufgesetzt haben, die wir dann während der Krise realisierten.
blogistic.net: Die Lockdowns sind vorbei. Ist man bei BITO wieder zurück zum Alltag vor der Krise zurück gekehrt?
R. Seebacher: Nein, denn wir konnten vor allem viel Erfahrungen mit den Vorzügen der Digitalisierung sammeln, wie zum Beispiel Video-Conferencing, Home Office usw. Da reagieren wir auch auf die Bedürfnisse unserer Kunden.
blogistic.net: Können Sie hier konkret werden?
R. Seebacher: Nehmen Sie beispielsweise die Vertragsanbahnung und Projektabwicklung. Was früher faktisch undenkbar war, dass man das via Video-Conferencing abwickelt, wird heute von unsren Kunden gefordert. Bis zur Corona-Krise war es normal, dass man Kunden immer wieder besuchte und Einzelheiten absprach. Aus Sicherheitsgründen und wohl auch aus Flexibilitätsgründen wird die Besuchskultur heute auf das Notwendigste reduziert. Nur noch Abschlüsse werden persönlich gemacht, und dann auch nicht jeder. Wir überdenken zudem unsere Messeauftritte, welche ja ein wesentlicher Teil unserer Kommunikation darstellte. Die Corona-Krise hat uns nahezu dazu gezwungen dazu, Alternativen zur Messe aufzuspüren. Und die gibt es. Wir nutzten digitale Tools schon vor der Krise, jetzt sind sie aber integraler Bestandteil unserer Kommunikation und verändern unsere Organisation und unseren Workflow.
Wir nutzten digitale Tools schon vor der Krise, jetzt sind sie aber integraler Bestandteil unserer Kommunikation und verändern unsere Organisation und unseren Workflow.
Roland Seebacher, GF BITO Austria
blogistic.net: Gibt es dabei eine konzernweite Strategie?
R. Seebacher: In Hinblick auf die Nutzung digitaler Medien nicht, denn die Konzern-Mutter von BITO steht schon alleine wegen ihrer Größe vor anderen Herausforderungen bei der Bewältigung der Krise als wir. Wir sind zwar für Österreich und Südost-Europa zuständig, haben aber unsere Struktur rein auf das Projektmanagement und den Vertrieb aufgebaut. Daher genießen wir hier Freiräume als eher familiär strukturierte Einheit in Österreich, die wir freilich nutzen und die uns gut durch den Lockdown brachten.
blogistic.net: Mussten Sie Kurzarbeit anmelden?
R. Seebacher: Ja, das haben wir gemacht, weil unsere Kunden etliche Projekte, die bereits in der Umsetzung waren, aus Sicherheitsgründen auf Stand by schalteten. In der Zeit des Lockdowns war das Büro jedoch permanent von mir und einem Mitarbeiter besetzt, um eine Kontinuität der Kommunikation sicher zu stellen. Je länger der Lockdown aber dauerte und unsere Kunden sich auf die neue Situation eingestellt haben, umso mehr nahmen wir die Kurzarbeit zurück. Heute ist der Zustand längst wieder auf Normalniveau. Die digitalen Medien jedoch gehören nun weiter zu unserem Alltag,, d.h. die Mitarbeiter sind beispielsweise einen Teil ihrer Arbeitszeit im Home Office.
blogistic.net: Ihr Fazit aus COVID 19?
Roland Seebacher: Die Befürchtung, Home Office verringere vielleicht die Motivation zur Arbeit, wurde durch die Corona-Krise widerlegt. Das Arbeitspensum ist mindestens gleich, die Erreichbarkeit hat sich sogar erhöht. Andererseits hat sich das Bewusstsein für den Arbeitsplatz im Büro positiv verändert. Die Mitarbeiter schätzen den persönlichen Kontakt zu Arbeitskollegen noch positiver ein als vorher und nehmen das bewusster wahr als vor Beginn der Pandemie. Und last but not least nutzen wir das Home Office heute als Möglichkeit der Arbeitszeit-Flexibilisierung. Wir haben uns gemeinsam ausgemacht, dass jeder Mitarbeiter alternierend mehrere Tage im Monat im Home Office verbringen kann. Die Erfahrungen sind von meiner Seite aus also sehr positiv. An dieser Stelle möchte ich mich bei meinen Mitarbeitern für ihr Engagement bedanken. COVID19 hat aus meiner Sicht daher in sehr kurzer Zeit zur Veränderung ganzer Unternehmenskulturen geführt und völlig neue Chancen eröffnet, die jetzt ergriffen werden.
blogistic.net: Wenn ich Sie richtig verstehe, hat die Corona-Krise den Transformationsprozess der Wirtschaft in Richtung Digitalisierung und Industrie 4.0 beschleunigt. Denn, wie Sie bereits erwähnten, haben Sie ja schon lange vor der Krise Konzepte entwickelt, welche die digitalen Möglichkeiten ausnützen und so auch ihre Organisation unmittelbar verändern. Ist das so?
R. Seebacher: Ja, das ist aus meiner Sicht so. Dieser Transformationsprozess wurde durch die Krise erheblich beschleunigt und eröffnet uns tatsächlich auch ungeahnte Chancen. Diese Chancen nutzen jetzt viele unserer Kunden, indem sie in Lösungen investieren, die sie zukunftsfit im Sinne der Digitalisierung und Industrie 4.0 machen.
Wir hatten während der weltweiten Lockdowns natürlich Umsatzeinbrüche, vor allem weil laufende Installationen gestoppt wurden und somit nicht bilanzwirksam werden konnten.“
Roland Seebacher, GF BITO Austria
blogistic.net: Geben die Märkte ein homogenes Bild für Sie ab?
Roland Seebacher: Das ist von Branche zu Branche verschieden. So ist beispielsweise bei Unternehmen der Automobil-Zuliefererindustrie wirklich Feuer am Dach. Dort wissen die Verantwortlichen nicht, wie es weiter gehen soll. Sie verlieren gerade wegen der Unplanbarkeit ihre Perspektiven. Umgekehrt gibt es Unternehmen beispielsweise aus der Baumittel-Erzeugung, welche den Bauhandel oder die Bauwirtschaft beliefern oder auch der Lebensmittelindustrie, die einen nie dagewesenen Boom erleben. Ohne das pauschalieren zu wollen, erleben wir jedoch, dass Unternehmen, welche sich schon vor Corona mit den Themen Industrie 4.0 und digitale Transformation sowie den darin enthaltenen Marktveränderungen befasst haben, jetzt kaum Probleme haben, wieder Fuß zu fassen. Manche sind sogar Gewinner der Krise. Die Verantwortlichen in diesen Unternehmen haben schon zwei bis fünf Jahre voraus gedacht, ihr bestehendes Geschäftsmodell überdacht und vielleicht sogar neue Konzepte entwickelt. Diese können sie jetzt in der Krise rasch umsetzen. Dadurch haben sie einen Wettbewerbsvorteil. Das ist nahezu das klassische <<Glück des Tüchtigen>>.
blogistic.net: Reicht das alleine aus?
R. Seebacher: Nein, natürlich nicht. Eine starke Eigenkapitalquote und Zukunftsperspektiven gehören natürlich auch dazu. Das Eigenkapital brauchen Sie, Herr Schlobach, um durch solche Krisen zu kommen und Sie benötigen Zukunftsperspektiven hinsichtlich ihres Business. Ohne eines von beidem bekommen Sie natürlich Probleme, solche Krisen zu durchtauchen. Deswegen halte ich die Maßnahmen der gegenwärtigen Bundesregierung hinsichtlich Finanzierungs-Gewährleistung von Überbrückungskrediten, Steuerstundungen und Kurzarbeit für grundsätzlich richtig, wir werden aber im kommenden Jahr erleben, dass es für viele dennoch nicht ausgereicht hat, durch die Krise zu kommen.
blogistic.net: Kommen wir zu den Investitionen Ihrer Kunden. Nähern Sie sich dem Vorkrisenniveau oder wo befinden sich die Märkte?
Roland Seebacher: Wir hatten während der weltweiten Lockdowns natürlich Umsatzeinbrüche, vor allem weil laufende Installationen gestoppt wurden und somit nicht bilanzwirksam werden konnten. Ich habe die Zahlen nicht exakt im Kopf, aber wir dürften so bei 30-40 Prozent liegen. Jetzt, nachdem die Lockerungen erfolgt sind, bewegen wir uns wieder in Richtung Vorkrisenniveau. Wir sehen also genau die erhoffe V-Entwicklung bei uns. Wenn ich mir jedoch unsere Auftragseingänge von heute und für 2021 ansehe, dann bewegen wir uns zum Jahresende auf rund zehn Prozent weniger als im Rekordjahr 2019 und für 2021 werden wir, wenn es so weiter geht, das vergangene Rekordjahr wieder erreichen. Hier helfen Maßnahmen wie die Investitionsprämie der Bundesregierung natürlich auch weiter.
blogistic.net: Kann man das überhaupt planen?
R. Seebacher: Die Planung für 2021 hängt natürlich auch ab von den Rahmenbedingungen, welche uns die Corona-Krise vorgibt. Darum ist sie herausfordernder als sonst und auch emotionsbehafteter. Die Krise verunsichert die Wirtschaft generell. Die Verunsicherung wird natürlich auch durch Berichte über große Konkurse, Werksschließungen, Massenreduktion der Arbeitskräfte usw. verstärkt. Dabei wird hier oftmals übersehen, dass sich diese Effekte bereits lange vor der Krise ankündigten. Corona hat also gar nichts damit zu tun. Das Problem dabei ist jedoch, dass diese Effekte zu den anderen hinzu kommen, die durch die Lockdowns und die Corona-Krise entstanden sind.
blogistic.net: Kommen wir zu den Megatrends Industrie 4.0 und dem Transformationsprozess, in dem sich die europäische bzw. österreichische Wirtschaft befindet. Wie schätzen Sie die Zukunft Österreichs in diesem Zusammenhang derzeit ein?
R. Seebacher: Wir dürfen das Thema nicht alleine aus der wirtschaftlichen Sicht betrachten, sondern auch aus der sozialen. Nehmen wir die vorhin angesprochenen Baumärkte, die derzeit wirklich boomen. Das hängt aus meiner Sicht auch damit zusammen, weil sich die Arbeitswelt generell verändert. Die Menschen haben mehr Zeit für solche wertschöpfenden Dinge und sie nehmen sie sich auch. Das ermöglichen Industrie 4.0 und die digitale Transformation. Das deutet wiederum auf eine verstärkte Regionalisierung der Wirtschaft hin.
blogistic.net: Lösen Unternehmen, die für den regionalen Markt produzieren und auch kürzere Supply Chains aufweisen, Global Player ab?
R. Seebacher: Nein, das würde ich nicht so sagen. Aber die Corona-Krise hat schonungslos die Anfälligkeit von globalen Supply Chain-Netzwerken gezeigt wie etwa in der Automobil- oder der Pharma-Industrie. Hier werden sich die Global Player etwas überlegen müssen und tun das auch. Das hat aber natürlich auch das Bewusstsein der Menschen für regionale Produkte verändert. Viele überlegen sich heute beispielsweise, ob sie nicht lieber einen Schrank aus heimischer Produktion mit hiesigen Hölzern oder einen Pressspan-Schrank mit Platten aus Palmgehölzen kaufen. Der Schrank aus heimischer Produktion ist zwar teurer, hält aber um vieles länger. Das Bewusstsein für die Ressourcen-schonende Produktion mit kürzeren Lieferketten ist aus meiner Sicht auf jeden Fall gewachsen. Oder nehmen Sie Kosmetik-Produkte, deren Zutaten aus der ganzen Welt zusammen getragen werden. Diese Produkte werden mitunter umweltzerstörend und auch nicht sozial vertretbar gewonnen und können durch regionale Ersatzstoffe ersetzt werden. Die Corona-Krise hat hier auch dem Ökologisierungsgedanken einen Schub versetzt. Wie lange dieser allerdings anhält, kann natürlich niemand sagen und hängt von den Verbrauchern selbst ab.
Die Corona-Krise hat schonungslos die Anfälligkeit von globalen Supply Chain-Netzwerken gezeigt wie etwa in der Automobil- oder der Pharma-Industrie.
Roland Seebacher, GF BITO Austria
blogistic.net: Wie positioniert sich BITO Austria vor diesem Hintergrund?
Roland Seebacher: Ich sehe hier zwei Aspekte. Der eine Aspekt bezieht sich auf unsere Produktpalette. Wir sind ja einer der wenigen Anbieter in diesem Marktsegment, die ihre Produkte zu 95 Prozent in Deutschland bzw. im deutschsprachigen Raum fertigt. Wir haben also schon immer auf die regionale Produktion gesetzt. Wir sind also ein regionaler Anbieter, der auch seine halbfertigen Produkte von regionalen Anbietern bezieht. Das hat einerseits den Grund, dass wir auf Qualität setzen und in diesem Zusammenhang auf die Qualitätssicherung. Kurze Supply Chains ermöglichen die rasche Qualitätskontrolle. Um wettbewerbsfähig zu sein, ist die Herstellung unserer Leistungen automatisiert.
blogistic.net: Was ist der andere Aspekt?
R. Seebacher: Der zweite Aspekt ist, dass wir durch die Transformation der Wirtschaft der Bedarf an Beratung massiv wächst. Genügte noch vor einem Jahrzehnt die reine Ingenieursleistung zur Realisierung etwa eines Hochregallagers aus, müssen Sie heute systemisch denken und ihre Lösungen in unternehmensübergreifende Supply Chain-Netzwerke integrieren. Hinzu kommt die Skalierbarkeit der angebotenen Leistungen sowohl nach oben als auch nach unten. Wir betrachten daher Logistik-Projekte nicht mehr alleine von der Produktebene aus, sondern denken sie schlüssel-fertig. Darum sind wir bei der Umsetzung von Projekten so weit wie möglich für unsere Kunden dauerpräsent.
blogistic.net: Betrifft das Sie alleine als Lieferant oder betrifft das auch Ihre Kunden selbst?
R. Seebacher: Das betrifft auch unsere Kunden, denn für sie haben sich die Geschäftsfelder vielfach auch erweitert. Sie entwickeln sich selbst auch Glied eines großen Ganzen. Hinzu kommt das Thema E-Commerce, dass mittlerweile allgegenwärtig ist und ganz neue Geschäftsmodelle ermöglicht. In diesem sich ständig wandelnden Umfeld versuchen wir, der Sparring-Partner unserer Kunden zu sein und gemeinsam mit ihm entsprechend zukunftsfähige, flexible und skalierbare Lösungen zu entwickeln.
blogistic.net: Welchen Effekt hat das für Sie?
R. Seebacher: Das Commodity-Geschäft wird immer weniger und die Lösungen immer komplexer und reichen beinhalten einfache Regale, Regalbediengeräte, Fahrerlose Transportsysteme etc., die durch entsprechende WMS, LVS usw. gesteuert werden und selbst Teil ganzer Netzwerke sind. Die Welt hat sich für uns sehr gewandelt und der Wandel wird durch Corona beschleunigt…
blogistic.net: Macht das BITO Austria alleine?
Roland Seebacher: Nein, denn wir arbeiten mit Partnern wie etwa Linde Fördertechnik und anderen Anbietern zusammen. Das ist bekannt. Solche Kooperationen sind State of the Art. Für den Kunden ist dabei nur wesentlich, dass er alles aus einer Hand und das Beste aus den unterschiedlichen Welten bekommt.
blogistic.net: Wir sprachen vorhin von Perspektiven. Wo liegen die Perspektiven für BITO Austria im kommenden Jahr?
R. Seebacher: Bleiben wir noch kurz im Jahr 2020. Trotz Corona-Krise liefern wir ein respektables Ergebnis. Das sehen wir bereits heute. Wir werden natürlich nicht das Top-Jahr 2019 erreichen, aber die Ergebnisse passen. BITO Österreich ist kerngesund, sowohl physisch hinsichtlich seiner Mitarbeiter als auch in Hinblick auf die Bilanzen. Für 2021 sind wir sehr positiv gestimmt. Wir haben sehr viele Anfragen und Projekte für das kommende Jahr an Land ziehen können. Wenn es so weiter geht, werden wir das Jahr 2019 erreichen können. Voraussetzung ist allerdings, dass es zu keinen weiteren Lockdowns mehr kommt. Wir blicken jedenfalls optimistisch in die Zukunft.
blogistic.net: Vielen Dank für das tolle Gespräch.
Spannendes Interview.