Trotz leichter Abschwächung verzeichnete der Industriesektor der Eurozone im Juli weiter ein rasantes Wachstum. Dies signalisiert der Einkaufsmanagerindex PMI Juli 2021 des internationalen Marktforschungsinstituts IHS Markit. Dieser erreichte mit 62,8 Punkten beinahe Vormonatsniveau. Profitieren konnten davon Deutschland und Österreich. Dort sorgt die rasch schrumpfende Arbeitslosenquote für Entlastung der strapazieren Haushalte. Der Fachkräftemangel, explodierende Rohstoffpreise und angespannte Lieferketten führen jedoch zu anhaltend wachsenden Auftragsbeständen und Lieferengpässen.

Die Industrie der Eurozone katapultiert sich weiter aus der Coronakrise mit einem anhaltend rasanten Wachstum. Das zeigt der gerade veröffentlichte PMI Juli 2021 von IHS Markit. Dieser landete final bei 62,8 Punkten und damit nur leicht unter dem Allzeithoch des PMI Juni 2021 (Anm.d.Red.: Die 50 Punkte-Marke signalisiert Wachstum). Die Gründe sind dabei vielschichtig, jedoch im Wesentlichen auf die wachsende Binnennachfrage in der EU und die Exporte nach Asien und Nordamerika zurückzuführen.
Investitionsgüter weiter Wachstumslokomotiven
Vom Wachstum profitieren konnten sämtliche von der IHS Markit-Umfrage erfassten Industriebereiche. Jedoch legte insbesondere der Investitionsgüterbereich wie etwa Intralogistik- und Logistikautomations-Anbieter sowie der Maschinenbau erneut kräftig zu. Allerdings schwächte sich hier die Wachstumsrate gegenüber dem Vormonat ab, während sich das Wachstum im Konsumgüterbereich beschleunigte.
Deutschland zieht Eurozone weiter mit
Der PMI Juli 2021 weist allerdings beim Wachstum eine leichte Schwächung mit Ausnahme Deutschlands auf, wenngleich die Steigerungsraten überdurchschnittlich hoch blieben. Deutschlands PMI stieg auf ein Drei-Monatshoch. Das ist der dritthöchste Wert seit Umfragebeginn, der lediglich von den Werten im März und April übertroffen wurde. Und die Niederlande blieben im Eurozone-PMI-Ranking Spitzenreiter während Griechenland nach wie vor das Schlusslicht ist. Die Situation des Tourismus-abhängigen Mittelmeerlandes dürfte sich dabei wegen der wachsenden Coronainfektionszahlen, der vorherrschenden Jahrhunderthitze und den Flächenbränden am Pelepones und auf Rhodos usw. weiter verschärfen.
Produktionsrate schwächt sich ab
Das Produktionsniveau in der Eurozone wächst nach wie vor stark, insbesondere in den Niederlanden, Deutschland und Österreich. Die Steigerungsrate im Juli schwächte sich jedoch insgesamt ab. Sie war die niedrigste seit Februar. Ausschlaggebend dafür war erneut die starke Nachfrage nach Eurozone-Industrieerzeugnissen, sowohl in Europa, aber besonders in den USA und Asien. Die Exportorderzuwächse blieben daher stark, wenngleich das Plus niedriger ausfiel als in den vier Vormonaten, wie der PMI Juli 2021 zeigt.
Mehr Jobs in Deutschland und Österreich
Die Zuwächse etwa im Export aber auch innerhalb der Eurozone gehen mit einer kräftigen Zunahme der Auftragsbestände und setzten auch im Juli die Produktionskapazitäten der Industrie unter großen Druck. Dem begegnen die Unternehmen mit dem Schaffen neuer Jobs. Folglich beschleunigte sich der Stellenaufbau nochmals und fiel so stark aus wie nie zuvor in der 24-jährigen Umfragegeschichte von IHS Markit. Am stärksten war der Jobaufbau in Deutschland und Österreich.

Wachstum bringt Lieferketten an ihre Grenzen
Um den hohen Produktionsanforderungen nachzukommen, wurde aber auch die Einkaufsmenge ein weiteres Mal ausgeweitet. Der Druck auf die globalen Beschaffungsmärkte nahm daher weiter zu und sorgte weiter für anhaltende Lieferengpässe. Die Folge sind sich verlängernde Lieferzeiten auf Rekordniveau. Aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Produktionsmaterialien bei vollen Auftragsbüchern griffen die Unternehmen daher abermals auf ihre Lagerbestände zurück, weshalb die Vormateriallager zur Aufrechterhaltung der Produktion weiter abnahmen. Auch die Bestände an Fertigwaren wurden reduziert, um den Absatz zu sichern. „De Juli-Umfrage lieferte weitere Anzeichen dafür, dass die Unternehmen und ihre Zulieferer Schwierigkeiten haben, die Produktion schnell genug zu steigern, um die Nachfrage zu befriedigen. Und das treibt die Preise immer weiter in die Höhe“, bestätigt Chris Williamson, Chef-Ökonom bei IHS Markit.
Und in der Tat: Weit verbreitete Materialengpässe und die mangelnde Verfügbarkeit von Transportmöglichkeiten trieben die Einkaufspreise auf neue Höchststände, vor allem in Österreich, Deutschland und in den Niederlanden, wie der PMI Juli 2021 zeigt.
Rasantes Wachstum lässt Verbraucherpreise steigen
Die Industrieunternehmen reagieren mit den wachsenden Preisen auf den Beschaffungsmärkten zum Teil mit Anpassungen ihrer Verkaufspreise und gaben somit den Kostenanstieg an ihre Kunden weiter. Seit zehn Monaten steigen die Verkaufspreise daher ununterbrochen und haben mittlerweile Rekordhöhen erreicht. Dies schlägt mittlerweile auf die Konsumentenpreise durch. Laut Statista stiegen die Verbraucherpreise im Juli 2021 beispielsweise in Deutschland gegenüber dem Vorjahresmonat um 3,8 Prozent. In Österreich nahmen die Verbraucherpreise um 2,7 Prozent zu. Somit stiegen sie den siebten Monat in Folge, nachdem sie zuvor sechs Monate lang fielen oder stabil blieben.
Optimismus schwächt sich ab
Vor dem Hintergrund des wachsenden Fachkräftemangels, weiterer Lieferengpässe und damit weiter steigender Auftragsbestände sowie massiv steigender Preise nahm der Optimismus der Manager in der Industrie daher wieder ab und fiel auf ein Siebenmonatstief. Daran ändern auch die guten Geschäftsaussichten und die weiteren Lockerungen der Pandemierestriktionen in der Eurozone wenig. Befürchtet wird daher mittlerweile von Investoren, dass die Konjunktur Heißlaufen könnte. Diese zweifeln zwar nicht an der wirtschaftlichen Entwicklung. Vielmehr fragen sie sich, ob die geplanten Stützungsmaßnahmen nicht zu viel des Guten sind und sorgen sich um mögliche Nebenwirkungen in Form von steigender Inflation und einem vorzeitigen Ende der expansiven Geldpolitik.