OTTO GROUP – Bei bezahlbarer Nachhaltigkeit kommt es auf die Losgröße an

In diesem Jahr feiert die Otto Group mit ihrem Tochterunternehmen Unito ihre dreißigjährige Marktpräsenz in Österreich. In dieser Zeit hat sich der Katalog-Versandhändler zum Online-Händler gewandelt und will weltweit zur Nummer 2 werden – nach Online-Gigant Amazon. Im Rahmen eines Pressegesprächs verriet Firmenchef Prof. Dr. Michael Otto, wie das klappen soll und was das mit „Nachhaltigkeit“ zu tun hat.

Otto Group – Michael Otto  (Foto: Georg Aufreiter / RS MEDIA WORLD Archiv)
Otto Group – M. Otto – „Von den früheren großen Katalogversendern ist die Otto Group mit ihren Marken aus meiner Sicht aufgrund seiner frühen strategischen Ausrichtungen in Richtung Technologieführerschaft und Nachhaltigkeit der letzte, der überlebt hat.“ (Foto: Georg Aufreiter / RS MEDIA WORLD Archiv)

Vor dem brutalen Angriffskrieg Putin-Russlands gegen die Ukraine und dessen Spielereien am Gashahn, der die Energiepreise in die Höhe schnellen lässt, scheinen so Megatrends wie Digitalisierung, Klimaschutz, Lieferkettengesetz und vor allem nachhaltiges Wirtschaften völlig zu verblassen. Doch eine Untersuchung der Descartes Systems Group zeichnet ein durchaus gegenteiliges Bild. Gerade die Folgen des Krieges bei den Energiepreisen, Naturkatastrophen wie die Coronapandemie oder dramatische Wetterphänomene wie Flutkatastrophen usw. sowie nicht enden wollende weltweite Lieferkettenprobleme etc. dürften den Blick der Verbraucher:innen für nachhaltig produzierte Produkte und die Reduktion beim Ressourcenverbrauch vielmehr schärfen. Kunden kaufen wieder lieber Qualität anstatt Quantität. Die Studie die jüngst unter der Überschrift unter dem Namen Nachhaltigkeit im Handel – Chance statt Herausforderung veröffentlicht wurde, zeigt zudem auch, dass die Konsumenten mehrheitlich (mehr als 62 Prozent) unzufrieden sind mit dem Handel bei dessen Bemühungen gerade um das Thema Nachhaltigkeit – und zwar flächendeckend in der gesamten industrialisierten Welt.

Händler sehen Nachhaltigkeit nicht als Chance

Die repräsentative Studie, an der mehr als 8.000 Verbraucher:innen in neun europäischen Ländern, Kanada und den Vereinigten Staaten teilnahmen, kann aber noch mehr. Sie bietet nämlich Händlern und Logistikunternehmen gleichermaßen wichtige Einblicke in die Bedeutung der Nachhaltigkeit für die Kauf- und Lieferentscheidungen der Verbraucher und in die unterschiedlichen Sichtweisen je nach Alter und geografischer Lage. Und sie zeigt die Fehler auf, welche Handel und Logistiker machen. „Der Fehler, den viele Händler machen, besteht darin, dass sie die Nachhaltigkeit bei der Lieferung nach Hause als eine weitere Herausforderung seitens der Verbraucher ansehen, statt als Chance, Marktanteile zu gewinnen, Lieferkosten zu senken und die Umwelt zu schonen“, sagt Chris Jones, EVP, Industry and Services bei Descartes bei der Präsentation der Studie gegenüber den Medien. „Die Studie zeigt außerdem, dass viele Verbraucher lieber bei Händlern mit besonders nachhaltigen Lieferpraktiken einkaufen und umweltfreundliche Lieferoptionen nutzen, die sowohl die Umweltbelastung als auch die Lieferkosten reduzieren.“

Nachhaltigkeit – Was Kaufentscheidungen beeinflusst

Die weltweite Studie analysiert dabei die Stimmung der Verbraucher in Bezug auf die Nachhaltigkeit der Lieferverfahren der Händler. Sie legt offen, wie sich dies auf die Kaufentscheidungen auswirkt und wie die Verbraucher die Nachhaltigkeitsbemühungen der Händler bei der Lieferung bewerten. Sie gibt aber auch Auskunft darüber, welche Waren am stärksten von der nachhaltigen Lieferleistung betroffen sind und wie die Verbraucher die Waren erhalten möchten. Darüber hinaus wurde untersucht, welche Änderungen bei Kauf- und Lieferentscheidungen die Verbraucher bereit sind, zugunsten der Umwelt vorzunehmen. Schließlich gibt der Bericht Aufschluss darüber, wie die Bedeutung der nachhaltigen Lieferung nach geodemografischen Faktoren variiert und welchen Einfluss die Geodemografie auf das Käuferverhalten hat. Sie zeigt zudem auf, welche Lieferentscheidungen die Verbraucher treffen und welche Erwartungen die Verbraucher an die Bemühungen der Händler um eine nachhaltige Lieferung in der Zukunft haben.

OTTO GROUP – Auf Diversität und Nachhaltigkeit ausgerichtet

Dass im Kaufverhalten enorme tektonische Verschiebungen in Richtung Nachhaltigkeit zu spüren sind, bestätigt auch Prof. Dr. Michael Otto im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien. Anlass war die 30-jährige Marktpräsenz der Otto Group in Österreich mit dem Tochterunternehmen Unito. Die Unito, die sich aus dem österreichischen Mode-Label „Moden Müller“ entwickelt hat, ist heute faktisch nur noch Online aktiv. Dass es den einstigen Kataloghändler Otto im Jahr 2022 aber immer noch gibt, hat einerseits mit der unternehmerischen Diversität zu tun, welche den Kunden ein sehr breites Angebot ermöglicht – von Textilien über Möbel bis hin zur Braun- und Weiß-Ware. Andererseits habe man sich bemüht, stets am Puls der Zeit zu sein, erläutert M. Otto den versammelten Journalisten. Schon in den 1990ern habe man auf E-Commerce gesetzt. 1995 brachte die Unito das gesamte Sortiment ins Internet. „Das war in einer Zeit, in der in Österreich gerade einmal neun Prozent der Bevölkerung Zugang zum Internet hatte“, bestätigt Mag. Harald Gutschi, Sprecher der Unito in Österreich.

Otto Group – Harald Gutschi  (Foto: HJS MEDIA WORLD / RS MEDIA WORLD Archiv)
Otto Group – H. Gutschi – „Die Kunden greifen eindeutig mehr zu nachhaltigeren Produkten mit längerer Haltbarkeit. Das zeigen unsere eigenen Statistiken.“ (Foto: HJS MEDIA WORLD / RS MEDIA WORLD Archiv)

M. Otto – „Wir sind die einzigen, die überlebt haben“

Und M. Otto ergänzt dazu; ,,Von den früheren großen Katalogversendern ist die Otto Group mit ihren Marken aus meiner Sicht aufgrund seiner frühen strategischen Ausrichtungen in Richtung Technologieführerschaft und Nachhaltigkeit der letzte, der überlebt hat.“ Er sei deswegen mit seinen Technikvorständen ab den 1980ern regelmäßig in die USA gereist, um zu sehen, an welchen technologischen Entwicklungen dort gearbeitet wird. „Zentral für unseren Erfolg war also, dass wir Internet-Technologien zu einem frühen Zeitpunkt zum Nutzen unserer Kund:innen implementiert haben“, ist M. Otto überzeugt. Mit diesen strategischen Ausrichtungen in Richtung Diversität des Portfolios, technischer Marktführerschaft und Nachhaltigkeit plant M. Otto jetzt auch weltweit der zweitgrößte Online-Händler zu werden, nach Amazon, sagt der erfahrene Firmenboss aus Hamburg.

Otto Group – „Wir wollen spannende Produkte anbieten“

M. Otto will das u.a. auch so erreichen, dass er das Portfolio der Otto Group noch intensiver auf die sich verändernden Kundenansprüche in Richtung „Nachhaltige Produkte“ ausrichtet. „Wir kehren Billigprodukten etwa in der Textilindustrie den Rücken und bieten unseren Kunden spannende Produkte mit gehobener  Qualität an. Dies wird sich durch das gesamte Portfolio durchziehen.“ – Was das bedeutet, erläuterte M. Otto Hajo Schlobach, CR von blogistic.net und BUSINESS+LOGISTIC am Rande der Pressekonferenz. So reagiere man damit auch auf das am 1. Januar 2023 in Deutschland in Kraft tretende Lieferkettengesetz. Dieses verpflichtet Unternehmen wie die Otto Group, nicht nur selbst möglichst nachhaltig zu wirtschaften, sondern dass auch die Lieferanten entlang der Lieferkette sowie deren Lieferanten nachhaltig arbeiten. Das bedeutet nicht nur, dass diese Umwelt- und Ressourcen-schonend produzieren müssen, sondern auch menschenwürdig, d.h. mit einer fairen Entlohnung und entsprechender sozialen Absicherung. Kinderarbeit, wie sie etwa in vielen Textilunternehmen in Fernost Gang und Gäbe ist, soll damit endlich ein Riegel vorgeschoben werden.

Otto Group – Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit ist gewachsen

Befragt, ob das zu bezahlen die Kunden bereit seien, bejahte M. Otto. Denn einerseits sei das Bewusstsein der Verbraucher in Richtung Nachhaltigkeit gewachsen, so eine seiner Begründungen. „Die Kunden kaufen bewusster ein und bezahlen auch lieber etwas mehr, im Wissen, dass beispielsweise gut bezahlte Arbeit und hochwertigere, nachhaltig erzeugte Waren, eine bessere Qualität bedeuten“, so M. Otto im Gespräch. .Man sei bereit, auch Modeartikel nicht nur eine Saison zu tragen, sondern gleich mehrere. Diesen Trend bestätigt auch H. Gutschi: „Die Kunden greifen eindeutig mehr zu nachhaltigeren Produkten mit längerer Haltbarkeit. Das zeigen unsere eigenen Statistiken“, sagt er im Rahmen der Pressekonferenz.

M. Otto – „Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet nicht zwingend höhere Preise“

„Andererseits“, so M. Otto, „muss nachhaltiges Wirtschaften nicht zwingend höhere Preise bedeuten.“ Das scheinen Studien zu belegen. So erscheint beispielsweise das Online-Shopping auf den ersten Blick wegen seiner sichtbaren Logistik-Komponenten wie Lieferwagen weit CO2-intensiver als ein Kauf im Stationärhandel. Die Ergebnisse einer Studie des Deutschen Clean Tech Instituts belegen jedoch, dass Onlineshopping weniger klimaschädlich ist als gedacht. Ein konkretes Rechenbeispiel der Studie zeigt, dass beim stationären Kauf eines Artikels durchschnittlich 460 Gramm CO2 entstehen, beim Online-Konsum hingegen nur 300 Gramm CO2. Das sind 35 Prozent weniger CO2-Emissionen. Dies ergibt sich vor allem durch den verdichteten Transport der Sendungen durch Logistik-Dienstleister, die je Anfahrt stets mehrere Adressaten beliefern. Gleichzeitig ersparen sich Online-Händler den Unterhalt etlicher Filialen sowie deren permanente Nachbelieferungen mit Waren.

Otto Group – „Eine Frage der Losgröße“

Deswegen ist Online-Shopping heute nachhaltiger. Der digitale Handel kann zudem Produktionskosten kompensieren helfen. So können damit etwa Losgrößen wesentlich exakter bestimmt werden. Das Produzieren auf Halde kann daher dramatisch reduziert werden, was wiederum Lagerhaltungskosten entlang der Wertschöpfungskette reduzieren hilft, Ressourcen weiter einspart etc. Und last but not least bestimmen letztlich auch die Losgrößen der Preis. „Wenn ein qualitativ hochwertiges Produkt in guten Losgrößen produziert werden kann, reduzieren sich automatisch die höheren Fixkosten pro Stück, die durch eine nachhaltige Produktion entstehen“, so M. Otto gegenüber blogistic.net.

M. Otto – „Mit größtmöglichem Respekt durch fordernde Zeiten“

Otto Group – M. Otto - „Ich habe in meinen weit mehr als 50 Berufsjahren manche Herausforderung erlebt, aber die Situation heute ist eine besondere.“ (Foto: HJS MEDIA WORLD / RS MEDIA WORLD Archiv)
Otto Group – M. Otto – „Ich habe in meinen weit mehr als 50 Berufsjahren manche Herausforderung erlebt, aber die Situation heute ist eine besondere.“ (Foto: HJS MEDIA WORLD / RS MEDIA WORLD Archiv)

Befragt, wie er nun die strategischen Ausrichtungen mit der gegenwärtigen Situation verbinde, antwortete M. Otto mit dem Hinweis, dass man der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage in der gesamten Otto Group mit Respekt begegnet. „Ich habe in meinen weit mehr als 50 Berufsjahren manche Herausforderung erlebt, aber die Situation heute ist eine besondere. Aus der Corona-Pandemie heraus haben wir es noch immer mit Störungen auf der Beschaffungsseite zu tun. Diese Probleme haben sich durch den Krieg in der Ukraine und die drohenden Auseinandersetzungen mit China erheblich verschärft. Der Krieg, die Inflation, die Ängste der Bürgerinnen und Bürger und die Energiekrise verschärfen die Absatzprobleme. Das alles führt in vielen Ländern Europas zu einer erheblichen, in Deutschland einmalig großen Nachfrageunlust.“ Man sei derzeit aber digital, finanziell und bei der Zufriedenheit der Kund:innen sehr gut aufgestellt, so der 79-jährige Firmenchef.  Deshalb halte man auch am Kurs der Investitionen in Digitalisierung, Logistik und neue Geschäftsfelder fest. „Spuren hinterlassen wird die anhaltende Krise aber dennoch – beim Umsatz und insbesondere beim Ertrag, da man in dieser angespannten Situation höhere Einstandskosten nicht zur Gänze an Kund:innen weitergeben kann.“

H. Gutschi – „2023 wird noch herausfordernd“

2023 werde laut Mag. Harald Gutschi auf jeden Fall noch herausfordernd. Bei Otto in Österreich plane man daher mit einem vorsichtigen Wachstum von fünf bis zehn Prozent statt der ursprünglich anvisierten zehn bis 15 Prozent. Generell sieht der Sprecher der Geschäftsführung der Unito-Gruppe das Unternehmen aber in einer privilegierten Lage: ,,Mit unserem Geschäftsmodell ist alles weitestgehend organisierbar. Wir können etwa rasch über Werbekosten entscheiden – diese runterfahren, wenn das nötig ist, und genauso schnell wieder hochfahren, wenn sich die Lage entspannt. Da geht es uns vielbesser als anderen Unternehmen“, so H. Gutschi abschließend.

Otto Group in Kürze

Die Otto Group(früher Otto Versand) ist ein deutsches Handels- und Dienstleistungsunternehmen mit Sitz in Hamburg, das in rund 30 Ländern mit rund 43.000 Mitarbeitern agiert und in den Unternehmensbereichen Einzelhandel, Finanzierung und Logistik sowie Versandhandel aktiv ist. Kerngeschäft ist der Einzelhandel. Dabei werden über 74 Prozent aller Erlöse in diesem Segment über die weltweit rund 100 Onlineshops des Konzerns erzielt. Somit ist Otto im Konsumentengeschäft einer der weltweit größten Onlinehändler sowie der größte Onlinehändler für Mode und Lebensstil für den Endverbraucher in Europa. Die Marke Otto ist 2020 rund 1,3 Milliarden US-Dollar wert. Im Ranking der 500 größten Familienunternehmen in Deutschland nimmt die Gruppe einen Platz unter den ersten zehn ein. Die Gruppe setzte weltweit 16,1 Milliarden Euro um (1. März 2021 bis 28. Februar 2022). Das österreichische Tochterunternehmen Unito trug zum Konzernumsatz 431 Millionen bei.   

ottogroup.com | uninito.at

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