Seit knapp zwei Jahren ist Mag. Oskar Zettl der Weichensteller von Toyota MH Austria. Seither setzt er die Konzerntransformation um vom Gabelstapler-OEM zum Gesamtlösungsanbieter für Intralogistik-Herausforderungen in Österreich. Ein wesentlicher Focus liegt für ihn dabei auf dem Thema Nachhaltigkeit. Das ist jedoch unterm Strich nichts anderes als der ewige Kampf gegen Muda (japanisch für „Verschwendung“). Was das in Zeiten der Energiekrise damit auf sich hat, erläuterte er in einem Gespräch mit BUSINESS+LOGISTIC / blogistic.net und der ÖVZ. Fakt ist dabei: O. Zettl will damit Toyota MH langfristig auch in Österreich zur Nr. 1 machen, indem er Kunden dabei unterstützt, den Kosten Herr zu werden.
Spätestens seitdem durch W. Putin künstlich das Gas in Europa verknappt wird und somit die Energiepreise durch die Decke gehen, denkt nahezu jedes Handels- und Produktionsunternehmen über massive Energiesparmaßnahmen nach und darüber, wie die betriebsinternen Ressourcenverbräuche massiv reduziert werden können. Es geht bei vielen hierbei nicht alleine um die Verbrauchskosten, sondern es ist zu einer zentralen Frage der eigenen Wettbewerbsfähigkeit geworden. Wem es heute gelingt, schnellstmöglich und am besten die eigene Organisation auf die neuen Herausforderungen einzustellen, hat damit nicht nur die eigene Existenz gesichert, sondern ist auch zukunftsfit. Gleichzeitig hat man damit so ganz nebenbei auch das Thema Klimaschutz und CO2-Fußabdruck abgefackelt. Was hier jedoch als etwas besonderes erscheint, ist in Wirklichkeit jedoch nicht viel mehr als die Umsetzung des 1×1 der Betriebswirtschaftslehre: nämlich die altbekannten ökonomischen Prinzipien. Und die schließen schon immer die Energie- und Ressourcenverbräuche mit ein, die aber nun um den Faktor „Nachhaltigkeit“ erweitert sind.
Energieverbrauch wird zum Wettbewerbsfaktor
Tatsache ist also, dass durch äußere Umstände wie den Krieg Putin-Russlands gegen den Westen, durch globale Lieferkettenprobleme wegen der noch nicht überstandenen Coronapandemie sowie die Umwälzungen durch die Klimakrise etc., die Unternehmen heute unter massivem Zugzwang sind. Sie müssen nun ihre eigenen Business-Modelle, die internen Prozesse und ihre Logistik von Grund auf neu überdenken, und bei Bedarf rasch eingreifen. Dabei dürfte, vor dem Hintergrund disruptiver Marktentwicklungen, vielfach kein Stein auf dem anderen bleiben. Denn diese Businessmodelle wurden vielfach auf billiger und scheinbar grenzenlos verfügbarer Energie aufgebaut. Darum lag der Fokus etwa bei den Investitionen in die eigenen Prozesse nicht primär auf dem Einsatz energiesparender Technologien, sondern etwa auf Effizienz und 24×7-Einsatz von Mensch & Maschinen. Diese Effizienzen wurden nicht selten mit höheren Energieverbräuchen erkauft. Da solche Konzepte wegen ihres hohen Outputs dennoch eine positive betriebswirtschaftliche Gesamtrechnung ergaben, gingen die Unternehmer:innen und Manager:innen allerdings gerne solche Kompromisse ein.
Sicherheitsdenken führt zur Überdimensionierung
Am Beispiel von Industrieanlagen aus der Logistik-Automation lässt sich das gut erkennen. Hier fordern die Verantwortlichen in Unternehmen nach wie vor regelmäßig eine Verfügbarkeit von Anlagen, die bei 99,9 Prozent liegen soll. Ob diese Hochverfügbarkeit allerdings notwendig ist, wurde in der Vergangenheit selten hinterfragt. Ein Effekt solcher Pflichten für Anbieter solcher Logistik-Automationslösungen war daher, dass diese technische Sicherheitsnetze etwa bei den Antrieben, die in den Anlagen verbaut werden, aufspannten. Am Ende kamen daher nicht selten technologisch weit überdimensionierte Anlagen heraus. Und die weisen dann über den gesamten Lebenszyklus der Anlage entsprechend überdimensionierte Energieverbräuche auf (siehe dazu Artikel mit Lenze Antriebstechnik auf blogistic.net: „ENERGIE – Sicherheitsdenken führt zu Überdimensionierung“).
Muda – Einmal verbaut, kaum mehr zu beseitigen
Das spielte in Zeiten billiger Energie keine Rolle. Die Betreiber solcher Anlagen stehen jedoch heute vor einem nahezu unlösbarem Kostenproblem, das den Weg in Richtung Unwirtschaftlichkeit weist. Der Grund dafür ist einfach: Ist so eine Anlage einmal in Betrieb, ist sie kaum bzw. nur mit enormen Kosten redimensionierbar. Umso dramatischer wird das vor dem Hintergrund, dass der Return on Invest (ROI) solcher Anlagen, je nach Investitionssumme, zehn bis 15 Jahre ausmacht. Mit anderen Worten: Betreiber solcher Anlagen kommen bei den gegenwärtigen Energiepreisen, wenn überhaupt, erst viel später damit in eine Gewinnzone. Die Anforderung nach Hochverfügbarkeit wird somit heute nicht nur zum Hochrisikofaktor, sondern kann durchaus ruinös sein.
Toyota MH Austria – „Muda“ den Kampf ansagen
Was also tun? – In Zeiten wie diesen rufen sich Unternehmer:innen und Manager:innen längst bekannte Managementkonzepte in Erinnerung. Eines davon ist beispielsweise das Toyota Production System (TPS). TPS wird oft auch als „Schlanke Produktion“ bzw. „Lean Production“ bezeichnet und gilt quasi als eine Urmutter nachhaltigen Wirtschaftens in der Industrie. Begründer des TPS waren Taiichi Ohno und Eiji Toyoda in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Eine extrem schlechte Qualität in der Produktion und eine Umstrukturierung des japanischen Marktes drängten damals zu Veränderung und Verbesserung der Produktion und deren Qualität. Heute sind es explodierende Energiekosten und Lieferkettenprobleme sowie völlig neue gesetzliche Rahmenbedingungen wie etwa Lieferkettengesetze.
Lieferkettengesetz – Der Druck auf Unternehmen steigt
In Deutschland tritt dieses am 1. Januar 2023 in Kraft. Es verpflichtet dabei Unternehmen ab einer bestimmten Größe, nicht nur selbst nachhaltig zu wirtschaften, sondern dass dies die jeweiligen Lieferanten des Unternehmens auch tun. Das müssen sie nachweisen. Bei Verstößen drohen den Unternehmen empfindliche Pönalen. In Österreich ist der Gesetzgeber damit noch nicht so weit. Da Deutschland für viele Unternehmen jedoch der Hauptabsatzmarkt ist, wird auf viele österreichische Unternehmen der Druck zu nachhaltigem Wirtschaften massiv zunehmen. TPS bzw. Aspekte davon könnten daher für viele in Österreich von Bedeutung werden. Denn von zentraler Bedeutung ist bei diesem System die Vermeidung von Verschwendung in jedweder Hinsicht. Das betrifft sowohl sämtliche Ressourcen- und Energieverbräuche als auch die Zeit und das Personal.
TPS – So individuell wie ein Fingerabdruck
Den Unternehmen entgegen kommt, dass es für TPS oder Lean Production keine geschlossenen Verfahren oder Theorien gibt, sondern jedes Unternehmen muss individuell für sich entscheiden, welche Komponenten eingeführt werden bzw. ob dieses System überhaupt adäquat ist. Es könnte beispielsweise zunächst einmal ausreichen, wenn nur Teilaspekte wie etwa der Energieverbrauch ins Auge gefasst werden. Es bedarf deshalb einer gewissen Kreativität beim Management, aber auch bei allen anderen Mitarbeitern im Unternehmen, denn die wichtigste TPS-Grundregel lautet: „Alles kann immer noch verbessert werden.“ – Das klingt zunächst einfach. Daran scheitern jedoch viele.
Muda tut weh, heute mehr denn je
Ob so oder so: Die Gegnerin der Verbesserung ist dabei grundsätzlich „Muda“, das japanische Wort für „Verschwendung“. Sie ist es auch, welche sich derzeit in vielen Unternehmen vor allem hinsichtlich der Energiekosten schmerzhaft bemerkbar macht. Unter dem Label „Verschwendung“ laufen aber auch lange Laufwege von Mensch und Material, Nacharbeiten wegen Mängeln, zu große Lager, aber auch überdimensionierte Automationsanlagen und andere Technologien.
Muda – Eine erbitterte Gegnerin
Die Gefahr, Muda zu verfallen, lauert übrigens überall. Vor dem Hintergrund angespannter globaler Lieferketten bauen beispielsweise viele Produktionsbetriebe wieder hohe Materialbestände im Lager auf. Sie wollen so Maschinenausfälle durch fehlende Teile kompensieren. Das reduziert heute freilich Fehlerquellen und kann darum durchaus sinnvoll im Rahmen des Toyota-Produktionssystems sein. Denn TPS ist grundsätzlich darauf ausgerichtet, Fehlerquellen zu vermeiden. „Allerdings“, sagt Mag. Oskar Zettl gegenüber BUSINESS+LOGISTIC und der ÖSTERREICHISCHEN VERKEHRSZEITUNG, „kann das die Basis für neue Verschwendung sein.“ Er weist daher auf ein weiteres Element des TPS hin, das sich „Genchi Genbutsu“ nennt. Das heißt so viel wie „Zurück zur Quelle gehen“. Gemeint ist damit, dass Entscheider zunächst einmal die Situation ihres Unternehmens sehen und verstehen sollten, bevor sie ihre Entscheidungen treffen.
62 Verbesserungsvorschläge pro Mitarbeiter und Jahr
Hierfür sollten sie, so die japanische Management-Philosophie, jeden Mitarbeiter, vom Top-Manager bis zum Fließbandarbeiter, bei der Suche nach „Muda“ integrieren. „Insofern könnte TPS oder Leanmanagement ein adäquater Ansatz sein, um gemeinsam mit den Mitarbeitern rasch Lösungen zu ermitteln, welche hohen Energieverbräuchen und damit Energiekosten ad hoc entgegenwirken“, schlägt O. Zettl vor. Dass er damit richtig liegt, zeigen Daten aus Deutschland. So fanden Produktionsexperten beispielsweise heraus, dass in der deutschen Industrie 100 Mitarbeiter jährlich zusammen nur rund 60 Verbesserungsvorschläge gegen Muda machen. Bei Toyota selbst macht hingegen ein Angestellter alleine im Schnitt pro Jahr 62 Vorschläge. Top-Manager sollten daher nicht darauf verzichten.
Energiekrise als Chance betrachten
Für Unternehmen bietet sich durch die von W. Putin hervorgerufene Energiekrise somit jetzt nicht nur die Chance, sich selbst zu verbessern, sondern sich auch ein Stück weit unabhängiger von ihren eigenen Energielieferanten zu machen. Der Anreiz, etwa in die eigene Energiegewinnung beispielsweise mit Photovoltaik-Anlagen zu investieren, wächst nämlich mit jedem Cent, den die Energiversorger den Unternehmen pro Kilowattstunde abknöpfen. Damit ließen sich somit nicht nur die eigenen Energiekosten erheblich reduzieren. So könnte zudem auch der eigene CO2-Fußabdruck erheblich reduziert werden. Die Amortisation solcher Anlagen dürfte sich, im Vergleich zur Zeit vor der Energiekosten-Explosion, dramatisch verkürzen.
Energiespar-Chancen der Intralogistik nutzen
Gleichzeitig eröffnen sich damit neue Möglichkeiten für Unternehmen, beispielsweise bei der eigenen Intralogistik. So können Unternehmen damit beispielsweise in die eigene Wasserstoffproduktion übergehen – etwa mit Technologien des österreichischen Photovoltaik-Herstellers Fronius. Damit lassen sich ganze Staplerflotten wie beispielsweise von Toyota MH Austria betreiben, welche mit Brennstoffzellen bestückt sind. Wer es aber nicht ganz so „exotisch“ möchte, kann seine mit Litium-Ionen- bzw. herkömmlichen Nasszellen-Antrieben fahrenden Geräte auf diese Weise kostengünstig betreiben. Für das Speichern überschüssiger Sonnenenergie gibt es außerdem mittlerweile industrielle Batterie-Kraftwerke, die in Spitzenzeiten zugeschaltet werden können oder in der Nacht mit Strom versorgen können. Kombiniert mit Automationskonzepten, welche vom FTS bis hin zum Shutlesystem alles notwendige an Hightech beinhalten und sich dabei etwa am TPS orientieren, könnten Unternehmen daher nicht nur ihre Energiekosten dramatisch senken, sondern dennoch hochgradig produktiv und flexibel bleiben – und zwar trotz der Möglichkeit, dass solche Systeme mit weniger Fördertechnik auskommen. Das generiert dann wiederum zusätzliche Energiespareffekte. „Solche Automations-Konzepte realisiert Toyota MH weltweit. Toyota MH Austria ist dabei das Hub, welches Ost- und Südost-Europa bei solchen Vorhaben unterstützen kann“, freut sich O. Zettl.
Vermeidung von Muda – Ohne Planung ist alles nichts
Damit solche Konzepte jedoch erfolgreich umgesetzt werden können, muss jeder einzelne Schritt in der Organisation, top down bis in die Fertigung hinein geplant und, wenn möglich, bis auf das Kleinste festgelegt werden. Nur so lassen sich selbst geringste Fehler, also „Muda“ finden und beheben. So lassen sich etwa Fertigungsanlagen aufbauen, dass Arbeiter keine weiten Wege mehr haben. Das spart Energie und Zeit. Dabei können standardisierbare Arbeitsschritte automatisiert werden, etwa mit Hilfe von fahrerlosen Transportsystemen oder Transportrobots, welche Ein- und Auslagerungen vornehmen und/oder Transporte vom Lager in die in die Produktion oder vom Lager direkt zur Laderampe vornehmen. „Der Vorteil solcher Lösungen ist, dass frei werdendes Mitarbeiter:innen für wertschöpfende Aufgaben im Unternehmen eingesetzt werden können, die man ansonsten schwer am Fachkräftemarkt findet“, sagt O. Zettl im Gespräch. So könnten Mitarbeiter beispielsweise gleich mehrere Maschinen oder Arbeitsschritte beherrschen. Das spart nicht nur Material, sondern das Personal ist besser eingesetzt. Freilich: Das erfordert eine ständige Schulung der Mitarbeiter. Im Schnitt verwendet auch Toyota deshalb dreimal so viel Zeit darauf, Angestellte zu schulen, wie andere Hersteller. Der Erfolg gibt den Japanern allerdings Recht. Die Mitarbeiterfluktuation ist damit gering und die Zufriedenheit des Personals höher als woanders. Solcherlei Automationskonzepte hat Toyota MH Austria in der Vergangenheit in Österreich mehrfach umgesetzt. Erst kürzlich ging eine solche FTS-Lösung bei einem großen Unternehmen aus der Papierindustrie in Echtbetrieb.
Toyota MH Austria in Kürze
Toyota Material Handling Austria ist die österreichische Landesgesellschaft der Toyota Material Handling Group und ein Unternehmen der Toyota Industries Corporation (TICO), dem weltgrößten Hersteller von Flurförderzeugen und Lagertechnik. Das Unternehmen bietet ein umfangreiches Produkt- und Lösungsportfolio an, das alle Fragen und Bereiche der Intralogistik abdeckt. Dazu zählen gängige Flurförderzeuge, sowie teil- und vollautomatisierte Logistiksysteme mit intelligenten Softwarelösungen, die Arbeitsabläufe optimieren und Maschinen, Systeme sowie Prozesse miteinander vernetzen.
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