
Logistikpartner – Wenn in wichtigen Beschaffungs- und Versandländern plötzlich unerwartete Veränderungen auftreten, wie sie etwa in der Coronakrise auftreten, stehen auch die Logistikprozesse von großen Unternehmen auf dem Prüfstand. Daher weiß man auch beim Technologiekonzern Siemens Österreich zu schätzen, was man an den Speditionen und KEP-Diensten hat. (Ein Bericht von Joachim Horvath)
Etwas liegt Mag. Niklas Nitsch besonders am Herzen. „Es war toll, was unsere Dienstleister aus dem Kreis der Transporteure, Speditionen und Paketdienste in der Corona-Krise geleistet haben“, schickt der Leiter der strategischen Logistik CEE bei Siemens im Gespräch mit DANUBE+BUSINESS voraus. Nitsch verantwortet ein jährliches Einkaufsvolumen von 50 Millionen Euro für die Ver- und Entsorgung der Produktionsstätten in 21 Ländern in Zentral-, Ost- und Südosteuropa bis hinunter nach Israel. Auch die Projektlogistik in Österreich gehört zu seinem Aufgabengebiet.
Siemens – Ein kostensensitiver Kunde
So ziemlich jeder Logistikdienstleister schätzt sich glücklich, wenn er Logistikpartner des Technologieunternehmens Siemens Österreich ist. Jedoch herrscht bei dem Weltkonzern auch eine strikte Kostendisziplin, an die sich alle Landesgesellschaften halten müssen. Und auch die von der Konzernleitung empfohlenen Zahlungsziele sind nicht jedermanns Sache. Doch wer sich darauf einlässt, der gewinnt bei guten Leistungen einen verlässlichen Partner. Siemens besitzt in Österreich mehr als 140 Jahre Tradition. Die Marke steht für technische Leistungsfähigkeit, Innovation, Qualität, Zuverlässigkeit und Internationalität. Nicht zu vergessen die wirtschaftliche Stabilität, von der Kunden und Lieferanten gleichermaßen profitieren.

Logistikpartner in guten und schlechten Zeiten. So entstehen in den günstigen Fällen langfristige Partnerschaften, in denen die Beteiligten gemeinsam durch gute und schlechte Zeiten gehen. Die vergangenen Wochen und Monate waren für die meisten Unternehmen eine Herausforderung, weil die Auftragslage stark rückläufig war oder manche Branchen einen gewaltigen Nachfrageboom erlebten. Bei Siemens Österreich wurde in den fünf Werken für Elektronik und Mobility (beide in Wien), Transformatoren (Weiz und Linz) sowie Drosseln und Spulen (Leonding – ehemals Trench Austria) die Produktion durchgehend aufrecht erhalten. Dadurch blieb die Beschäftigung der Transport- und Logistikdienstleister gewährleistet.
Corona – Wenn sich das Umfeld dramatisch verändert
Allerdings mussten die Logistikpartner von Siemens ihre Dienstleistungen teilweise unter drastisch verschärften oder unter veränderten Bedingungen erbringen. Manche Grenzen konnten die Lkw-Züge erst nach stundenlangen Verzögerungen passieren. Die Arbeitsbedingungen für die Fahrer waren durch die Sperre von Raststätten und Sanitäranlagen teilweise unzumutbar. Trotzdem sei man immer handlungsfähig geblieben, was unbestritten auch Verdienst der vielen Lkw-Fahrer ist, sagt Niklas Nitsch. Im Versandwesen war die kontaktlose Zustellung mit Übernahmebestätigungen ohne Unterschriften ein Thema. Weiters hatten zahlreiche Firmen geschlossen, was bei den Paketdiensten und Stückgutspeditionen zu einem erheblichen Aufwand bei der Nachbearbeitung von zahlreichen Sendungen führte.
Die Arbeitsbedingungen für die Fahrer waren durch die Sperre von Raststätten und Sanitäranlagen teilweise unzumutbar. Trotzdem sind wir immer handlungsfähig geblieben, was unbestritten auch Verdienst der vielen Lkw-Fahrer ist.
Niklas Nitsch, Leiter Strategische Logistik CEE bei Siemens
Corona, Logistikpartner und die kontaktlose Übergabe
Niklas Nitsch hält es für vorstellbar, dass Übernahmebestätigungen mit Unterschriften durch die Warenempfänger zu einem Auslaufmodell werden könnten. Eine mögliche Alternative wären seiner Meinung nach moderne Systeme mit Geopositioning. In diesem Fall dokumentieren die Fahrer die Zustellung mit einem Foto am Handy, das sie in Echtzeit in die Firmenzentrale übermitteln. Dadurch sind Lieferzeit und Lieferort jederzeit nachvollziehbar. Das wäre ein Modellansatz, mit dem man sich bei Siemens Österreich anfreunden könnte. Die dafür benötigten EDI-Anbindungen sind bereits vorhanden. Denn nur wer als Frachtführer, Spediteur oder Paketdienst hinsichtlich der Datentransfers am Puls der Zeit ist, wird von dem Technologiekonzern als Partner akzeptiert.
Ausschreibung – Ein Vergabegrundsatz für Logistikpartner
Siemens Österreich vergibt Logistikaufträge grundsätzlich in Form von Ausschreibungen. Chancen für eine Aufnahme in den Kreis der Dienstleister haben nur Unternehmen mit zeitgemäßen IT-Strukturen und Abrechnungsprozessen. Auch auf den Zustand der Fahrzeugflotten und der Lagerstandorte wird geachtet. „Nachhaltigkeit besitzt für uns einen hohen Stellenwert“, bemerkt Niklas Nitsch. Darüber hinaus muss Einigkeit hinsichtlich der Haftungsbestimmungen bestehen, die von Transporteuren, Speditionen und Paketlogistikern strikt einzuhalten sind, um Streitigkeiten bei Schadensfällen vorzubeugen.
Beschaffung – First & Second Source

Siemens Österreich nutzt – analog zur Konzernmutter – beim Beschaffungsprozess das System der First und Second Source, um bei etwaigen Lieferproblemen auf Nummer sicher zu gehen. Die First Source deckt rund 80 Prozent der benötigten Teile und Komponenten ab. Tritt ein Problem auf, so wie das im Frühjahr bei der Beschaffung von Elektronikbauteilen aus Indien der Fall war, springt gegebenenfalls ein europäischer Produzent ein. Im Bereich „Transport und Logistik“ werden 80 Prozent der Aufträge an rund 50 Partner vergeben, wie etwa an DB Schenker, die Schachinger-Tochter DPD Austria, Gebrüder Weiss oder Matzhold Transporte.
Flexibler Mittelstand. „Die mittelständischen Logistikdienstleister agieren für gewöhnlich flexibler“, spricht Niklas Nitsch aus Erfahrung. Doch der Trend gehe zu den Großkonzernen, auch weil die KMUs sukzessive aufgekauft werden, wie es zuletzt etwa bei der Übernahme der Jöbstl Gruppe durch Kühne + Nagel geschehen ist. Nur in der Projektlogistik sowie bei den Schwertransporten verteidigen Anbieter wie Felbermayr oder Fracht FWO ihre Marktposition. Dafür benötigt man viel Erfahrung, ein fachkundiges Team und Spezialequipment. Niklas Nitsch sagt hierzu gegenüber DANUBE+BUSINESS: „Es dauert lange, bis ein Logistiker den Umgang mit Transformatoren oder Eisenbahnwagen versteht.“ Noch dazu erschweren die immer häufiger auftretenden Niederwasser auf der Donau die Versandabwicklungen von Linz nach Antwerpen und Rotterdam.
Herausforderung Lockdown
Während der Lockdown-Phase in Österreich war es auch für Siemens schwer, an ausreichende Luftfrachtkapazitäten heranzukommen. Aufgrund des Ausfalls von Langstrecken-Passagierflügen und den von den großen Logistikern gecharterten Frachtflugzeugen musste öfters auf KEP- und Expressdienstleister ausgewichen werden. Phasenweise herrschte ein Spotmarkt mit Preissteigerungen um 100 Prozent von einem Tag auf den anderen. In der Seefracht machten der vorübergehende Containermangel in Europa und die „blank sailings“ der Reedereien die Suche nach Alternativen erforderlich. Dringende Sendungen nach China wurden zum Beispiel im Landverkehr von Gebrüder Weiss abgewickelt.
