KÜNSTLICHE INTELLIGENZ – Das Rennen um die Welt-Vormachtstellung läuft

China will bis 2030 auch im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) führende Weltmacht werden. Die Gründe dafür sind nationale, wirtschaftliche Interessen und Interessen der eigenen Sicherheit. Aufgrund der vergleichsweise geringen Löhne hat das Land dabei große Vorteile gegenüber globalen Wettbewerbern wie etwa den USA aber auch der EU. Doch für Anwender von KI-Technologien aus China, etwa aus den Bereichen der Logistik, Prozesssteuerung und Supply Chain Management, werden die geo-strategische Expansionsstrategie Chinas und seine Weltmachtansprüche zunehmend zum Problem. (Ein Bericht von Dirk Ruppik, ergänzt von CR HaJo Schlobach)

Die Weltmachtbetrebungen Chinas machen die Nutzung von KI-Technologie aus China zum Problem.(Foto: Silke Kaiser / www.pixelio.de)
Der Next Generation Artificial Intelligence Development Plan skizziert die Strategie Chinas zur Weltmacht bei der Künstlichen Intelligenz (KI) (Foto: Silke Kaiser / www.pixelio.de)

Bereits im Jahr 2017 hat der chinesische Staatsrat den Next Generation Artificial Intelligence Development Plan veröffentlicht. Er skizziert den Weg Chinas zum ersten globalen Innovationszentrum für Künstliche Intelligenz (KI) in 2030. Die KI-Kernindustrie soll dann laut dem amerikanischen Time Magazin einen Wert von 148 Milliarden US-Dollar erreichen. Zugehörige Industriebereiche hätten sogar den zehnfachen Wert.

Künstliche Intelligenz ist Weltmacht. Der russische Präsident  Vladimir Putin sagte im gleichen Jahr: „Wer auch immer der Technologieführer in diesem Bereich wird, wird die Welt regieren.“ Der russische Diktator dürfte mit seiner Ansicht Recht behalten. Denn die VR China erhebt einen Weltmachtanspruch, den immer aggressiver äußert. Die kommunistische Partei Chinas und ihr Staatschef Xi Jinping führen einen Kampf der Systeme: Kommunismus versus Kapitalismus. Und sie wollen ihn gewinnen, auch auf der Ebene der Künstlichen Intelligenz.

Wer auch immer der Technologieführer in diesem Bereich (Anm.: Künstliche Intelligenz) wird, wird die Welt regieren.

Wladimir Putin, Staatspräsident Russische Föderation

„KI-Daten“ – Ressource der Zukunft

Der Direktor des Digital and Cyberspace Policy Program beim Rat für ausländische Beziehungen in New York nennt daher die bedeutenden strategischen, wirtschaftlichen und nationalen Sicherheitsinteressen als Gründe für die extreme Motivation Chinas Technologieführer in KI zu werden. „Der Nahe Osten besitzt enorm viel Öl, China dagegen kann das globale Zentrum für KI-Daten werden“, sagte Sheng Hua, Geschäftsführer der Mengdong Technology Ltd., der für Firmen wie Baidu, JD.com und Alibaba arbeitet.

Für China geht es um alles. Das hört sich fast wie eine Drohung an, die auf dem Weg zu ihrer Realisierung ist. China hat nämlich aufgrund der geringen Löhne riesige Vorteile gegenüber Wettbewerbern wie den USA. Das Land besitzt bereits seit 2018 eine Schule für KI, die von der University of the Chinese Academy of Sciences (UCAS) ins Leben gerufen wurde. Auch KI-Lehrbücher für Schüler werden bereits in Schulen ausgehändigt. Im Wissenschafts- und Technologiepark Bainiaohe Digital Town, 50 km von der Hauptstadt von Guizhou Guiyang entfernt, arbeiten unablässig hunderte Berufsschul-Studenten, um Fotos zu kennzeichnen und Sprache zu analysieren. Die generierten Daten werden dann für Projekte im Bereich Gesichts- und Spracherkennung sowie autonomen Fahren genutzt. Auch Mengdong ist in der digitalen Stadt beheimatet. Im berg- und wasserkraftreichen Guiyang befinden sich die Datenzentren und -server der drei größten Telekomunternehmen sowie Foxconn und Apple.

Shanghai (Foto: Ralf Hanke / pixelio.de)
Wirtschaftsmetropole Shanghai: Neben rein wirtschaftlichen Interessen verfolgt die VR China bei KI stets auch weltpolitische Ziele der Vormachtstellung. (Foto: Ralf Hanke / pixelio.de)

Die Strategie: Der Next Generation Artificial Intelligence Development Plan

Im „Next Generation Artificial Intelligence Development Plan“ der VR China werden die strategischen Ziele und die damit verbundenen Herausforderungen bei der Entwicklung von KI konkret beschrieben: „Die Unsicherheiten bei der Entwicklung von KI bringen neue Herausforderungen. KI ist eine umwälzende Technologie, die die Regierungsgeschäfte, wirtschaftliche Sicherheit sowie soziale Stabilität und selbst die Weltordnungspolitik beeinflussen kann“, heißt es da und weiter: „Dies kann zu Problemen bei der Veränderung der Beschäftigungsstruktur führen, die Gesetzgebung und Sozialethik beeinflussen, die Privatsphäre verletzen und die internationalen Beziehungen herausfordern.

Während wir energisch KI entwickeln, müssen wir großen Wert auf die Vermeidung von möglichen Sicherheitsrisiken legen, die Vorsorge verstärken, die Risiken minimieren und die sichere, verlässliche und kontrollierte Entwicklung der Technologie gewährleisten.“ Mit anderen Worten: Die VR China sieht sich selbst in einem Wettbewerb der politischen Systeme – und möchte diesen gewinnen, auch mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz.  

Ab 2030 will die VR China die Welt führen. Vor diesem Hintergrund erwartet die Regierung im Reich der Mitte, dass chinesische Unternehmen und Forschungseinrichtungen bereits in 2020 auf dem gleichen Niveau wie in führenden KI-Länder – namentlich die USA – zu sein haben. Und schon fünf Jahre später sollen große Durchbrüche bei ausgewählten KI-Technologien erreicht werden. Diese sollen den Antrieb für die wirtschaftliche Transformation liefern. Und im Finalstadium in 2030 will China das weltweit führende KI-Innovationszentrum sein, wodurch die eigene Rolle als wirtschaftliche Großmacht gestärkt werden soll. Im Klartext bedeutet das den absoluten Führungsanspruch des politischen Systems der VR China in der Welt und nicht nur im Bereich der Künstlichen Intelligenz.

Der Nahe Osten besitzt enorm viel Öl, China dagegen kann das globale Zentrum für KI-Daten werden.

Sheng Hua, Geschäftsführer Mengdong Technology

Die Maßnahmen auf dem Weg zur KI-Weltmacht

Im „Three-Year Action Plan for Promoting Development of a New Generation Artificial Intelligence Industry (2018–2020) „ werden laut New America (Washington) die Maßnahmen in diesem Zeitraum genauer beschrieben. Zunächst soll die Entwicklung intelligenter Produkte wie vernetzte Fahrzeuge, intelligente Service-Roboter  und Videobild-Erkennungssysteme vorangetrieben werden. Bei den „Kerngrundlagen“ sollen technologische Durchbrüche im Bereich Netzwerk-Chips, intelligente Fertigung und 5G-Internet erreicht werden. Der gesamte Bereich wird durch das Ministry of Industry and Information Technology (MIIT) beaufsichtigt. Der Plan fokussiert im Kern auf die tiefgehende Integration von IT und Fertigungstechnologie in Verbindung mit neuartiger KI-Technik, um China schnell in einer Großmacht im Bereich Fertigung und Internet zu transformieren.

Muss die Welt Chinas KI-Dominanz fürchten?

Tom Mitchell, Professor für Computer Science an der Carnegie Mellon University, meint, dass die USA zwar mehr Erfahrung beim Aufbau von Technologieunternehmen hat, doch China bei KI-Anwendungen, die auf Big Data basieren, vorne liegt . Wenn das Land z. B. entscheidet, landesweite medizinische Daten zu erheben, dann wird das umgehend durchgeführt. In den USA und anderen Ländern entstehen sofort Bedenken über die Privatsphäre. Die Trump-Regierung hat laut BBC News als Antwort auf „unfaire Methoden“, Tarife auf chinesische Produkte im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar erhoben. Darauf sind die chinesischen Investitionen in den USA in 2018 auf das niedrigste Niveau seit 2011 gefallen und betrugen nur 4,8 Milliarden US-Dollar (4,3 Milliarden Euro). Währenddessen sank das US-Investment in China um eine Milliarde auf 13 Milliarden US-Dollar (11,7 Milliarden Euro). Hochkarätige chinesische Unternehmen wie das Versicherungsunternehmen Anbang und die Kai-Fu Lee’s Sinovation Ventures haben ihre US-Dependancen verkleinert. Huawei und ZTE verzeichneten aufgrund des US-Banns große Verluste.

Das Misstrauen wäschst. Sowohl amerikanische Universitäten als auch Unternehmen sind vorsichtiger geworden und überdenken ihre Beziehungen zu China. Prof. Mitchell denkt, dass Entscheidungsträger zwischen AI-Applikationen unterscheiden müssen, die einen gegenseitigen Gewinn darstellen, und Anwendungen, die wirklich konfliktbelastet sind, wie z. B. im Militärbereich. Der US-Beamte Dr. Christopher Ashley Ford, Assistant Secretary Bureau of International Security and Nonproliferation, hält die chinesischen Technologie-Unternehmen faktisch für Instrumente der Kommunistischen Partei. Diese sind mittlerweile tief in das Pekinger System der Unterdrückung im Lande verstrickt und entwickeln zunehmend weltweite aggressive strategische Ambitionen.

Chinesische Mauer wird zum Symbol Chinesischer Wirtschaftspolitik (Foto: S. Flint / pixelio.de)
Die Chinesische Mauer wird zunehmend wieder zum Symbol der Wirtschaftspolitik und auch bei der Entwicklung von KI (Foto: S. Flint / pixelio.de)

China flutet die Welt mit KI-Überwachungstechnologie

Ende Dezember berichtete die Nikkei Asian Review, dass chinesische Unternehmen laut eines Berichts der Carnegie Endowment for International Peace intelligente Überwachungstechnologie in über 60 Länder exportiert haben. Darunter befinden sich Diktaturen wie den Iran, Myanmar, Venezuela, Zimbabwe und andere Länder mit schlechten Menschenrechtsbilanzen. Im Carnegie-Bericht wird das Land der Mitte daher als weltweiter Treiber für „autoritäre Technologie“ bezeichnet. Autoritäre Regime könnten die Technologie nutzen, um ihre Macht auszuweiten und auch Daten ins Land zurückzusenden, so die Befürchtung.

OBOR und Künstliche Intelligenz. Firmen wie Huawei, Hikvision, Dahua und ZTE lieferten die Überwachungstechnologie in 63 Länder. 36 dieser Länder sind Teil des chinesischen „One Belt, One Road (OBOR)“-Projekts. Huawei Technologies Co., eines der führenden Unternehmen beim 5G-Internet, ist für den Export von KI-Überwachungstechnologie in mindestens 50 Länder verantwortlich. Dennoch sind auch andere Länder wie Japan am Export dieser Technologie beteiligt, so z. B. Japans NEC Corp.. Das Unternehmen lieferte die Überwachungstechnologie in 14 Länder, die amerikanische IBM Corp. in elf Länder. Frankreich, Deutschland und Israel spielen ebenso eine große Rolle in der Ausbreitung dieser Technologie.

Firmen wie Huawei, Hikvision, Dahua und ZTE liefern die Überwachungstechnologie in 63 Länder. 36 dieser Länder sind Teil des chinesischen „One Belt, One Road (OBOR)“-Projekts.

Künstliche Intelligenz – Logistik muss Anwendungen prüfen

Für lange Lieferketten und das Supply Chain Management haben diese Bestrebungen erheblichen Einfluss. Befähigen sie doch die Anwender der Technologien und Softwares aus China nicht nur einfach zur Steuerung derselben, sie befähigen auch Peking der Überwachung und leisten ggf. sogar Beihilfe zur Industriespionage. Auf jeden Fall eröffnen die Technologien der VR China konkrete Einblicke in die wirtschaftlichen Beziehungen von Unternehmen und deren Warenströme. Systemintegratoren von Logistiklösungen sowie Anwender dieser Technologien sollten sich daher im Zweifel bei IT- und Telekom-Unternehmen vor dem Einsatz von Technologien aus China in systemkritischen Bereichen Rat suchen.

Das Misstrauen gegenüber Technologien aus China wächst. (Foto: Tim Reckmann / pixelio.de)
Die Geo-Strategie der VR China wird für Anwender von KI-Technologien aus dem Reich der Mitte zunehmend zum Problem. (Foto: Tim Reckmann / pixelio.de)

Künstliche Intelligenz – Blacklist als Info-Basis

Als Anhaltspunkt könnte dabei die Blacklist aus den USA dienen, welche vor allem Hightech- und Softwareunternehmen und Startups auflistet, welche sich insbesondere mit Telekom- und KI-, Steuerungs- und Überwachungstechnologien befassen. Der bekannteste Vertreter ist hierbei Hyundai, darunter befinden sich aber auch Startups wie etwa SenseTime Group Ltd. (Gesichtserkennung) oder Megvii Technology Ltd. das sich mit der Entwicklung von Technologien im Bereich künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigt. Es ist mittlerweile an der Börse in Honkong gelistet. Hinzu kommt Hikvision, das sich etwa auf die Videoüberwachung spezialisiert hat und dessen Systeme häufig im Handel eingesetzt werden. Das Unternehmen will jedoch jetzt auch in den Bereichen der Industrieautomation und Automobilelektronik punkten. In China kommen aber die Technologien dieser Unternehmen bei der Individualüberwachung und Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren zum einsatz   

Auch iFlytek Co. ist Teil der Blacklist. Das Unternehmen wurde ursprünglich im Jahre 1999 auf Basis von Forschungen des National Intelligent Computer Research and Development Center und des Human-Machine Speech Communication Laboratory der University of Science and Technology in China gegründet. iFlytek entwickelt Spracherkennungssoftware, die dem Siri-System von Apple ähnelt. Zhejiang Dahua Technology (Überwachungs-Ausrüstung), Xiamen Meiya Pico Information Co. (Datenwiederherstellung), Yitu Technology (Gesichtserkennung) sowie die Yixin Science and Technology Co. (Datenanalyse) sind ebenfalls auf der Liste.

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