Datengesteuerte betriebliche Effizienzsteigerungen auf bereits im Einsatz befindlichen Schiffen und in Schiffsflotten sind notwendig, um die Dekarbonisierung in Richtung der EU-Richtlinien zum Klimaschutz sowie die Klimaziele der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation der UNO, IMO (International Maritime Organization), zu erreichen. Das hat in den letzten Jahren zu einem wahren Softwaredschungel geführt, in dem sich Verantwortliche kaum mehr zurechtfinden. Die herstellerunabhängige SaaS-Plattform Kognifai Marketplace des norwegischen Softwarespezialisten Kongsberg Digital soll nun Reedereien dabei unterstützen, die richtige Investitionsentscheidungen für die digitale Transformation ihrer Flotten zu treffen.
Die Zahl der Anbieter von Schiffssoftware und SaaS-Lösungen ist von rund 170 im Jahr 2017, als der norwegische Softwarespezialist für Reedereien, Ölplattformen etc., Kongsberg, erstmals seinen jährlichen Überblick über die maritime Softwarelandschaft veröffentlichte, auf über 550 gestiegen. Und das trotz diverser Fusionen und Übernahmen, die zu einer gewissen Konsolidierung in diesem Markt geführt haben.
Softwaredschungel für maritime Software
Dies große Angebotsvielfalt hat die Reeder vor die enorme Herausforderung gestellt, sich bei ihrer digitalen Transformation für die für sie richtige Softwares oder Softwarepaketen zu entscheiden. Denn trotz Konsolidierung des Marktes sind sie mit einer mitunter verwirrenden Reihe verschiedener digitaler Anwendungen von mehreren Anbietern in Kategorien wie Überwachung der Schiffsleistung, Reisemanagement und -optimierung, Navigation, Fracht- und Schiffsverfolgung, Hafenbetrieb, Logistik sowie Beschaffung und Dokumentenhandling zu entscheiden.
Kongsberg Digital – Benchmarks unterstützen Entscheidungen
Ohne Benchmarking verschiedener Anwendungen in Bezug auf ihre betrieblichen Vorteile besteht die das Risiko, dass Verantwortliche in Reedereien für ihre Unternehmen nachteilige Investitionsentscheidungen hinsichtlich der Software treffen. Diese könnten dann wiederum die Effizienzgewinne der gesamten Schiffsflotte gefährden, die sie eigentlich mit der Investition in die digitale Transformation in Richtung Effizienz und Dekarbonisierung erzielen wollten. „Die Softwarelandschaft kann für Reeder angesichts der überwältigenden Anzahl von Anbietern sehr verwirrend sein. Sie sind regelrecht auf Datenwissenschaftler angewiesen, um die verschiedenen auf dem Markt vorhandenen Lösungen zu bewerten“, bestätigt Kim Evanger, der den Bereich Maritime Partnerships bei Kongsberg Digital, im Gespräch mit den Medien. „Sie müssen beispielsweise entscheiden, ob sie auf einer bestehenden Legacy-Plattform aufbauen möchten, indem sie Cloud-Konnektivität hinzufügen oder ihre Flotten mit einer völlig neuen digitalen Plattform überholen, die eine größere Flexibilität für die Integration mit anderen Lösungen bietet“, so K. Evanger weiter.
Die Softwarelandschaft kann für Reeder angesichts der überwältigenden Anzahl von Anbietern sehr verwirrend sein. Sie sind regelrecht auf Datenwissenschaftler angewiesen.
Kim Evanger, Kongsberg Digital
„Reeder sind relative Neulinge“
„Viele Reeder und Betreiber sind immer noch relativ Neulinge in Bezug auf die Vorteile, die die digitale Transformation mit sich bringen kann“, plaudert Mark Warner, Marketingleiter für maritime Performance Services bei Lloyd’s Register aus dem Nähkästchen. Dabei kann allein durch die richtige Software schon gute Ergebnisse bei der Dekarbonisierung von Hochseeschiffen und Schiffsflotten erzielen.
In der Tat. Branchenstudien haben nämlich gezeigt, dass rund 50 Prozent der Dekarbonisierungsgewinne, die erforderlich sind, um das IMO-Ziel einer Reduzierung der Emissionen um die Hälfte bis 2050 zu erreichen, aus der betrieblichen Effizienz bestehender Schiffe stammen können. Die andere Hälfte entfällt auf neue Kraftstofftechnologien, alternative Antriebe etc. Hier bestehen durchaus Analogien zum Straßengüterverkehr.
Künstliche Intelligenz in der Schifffahrt
Es wird darum von Kennern der Schifffahrtsszene erwartet, dass diese Effizienz durch bestehende und sich entwickelnde Technologien vorangetrieben wird. Diese nutzen ebenfalls datengesteuerte künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen, um die Entscheidungsfindung in Bereichen wie beispielsweise Kraftstoffverbrauch, Motoreffizienz, Navigation und vorbeugende Wartung zu unterstützen.
Ferngesteuerte Effizienzgewinne. Dies bestätigt auch der Generalsekretär der IMO, Kitack Lim. Er sagt: „Erhöhte Datenerfassungs-, Verarbeitungs- und Interkonnektivitätsfunktionen ermöglichen es, automatisierte Systeme aus der Ferne oder durch künstliche Intelligenz zu steuern.“ Die zunehmende Automatisierung in der Schifffahrt hätten zudem das Potenzial, die Sicherheit zu erhöhen, die Umweltleistung zu verbessern und eine effizientere und nachhaltigere Schifffahrt zu gewährleisten.
Reeder unter Druck
Doch es bleibt nicht alleine bei diesen Analysen. Die Reedereien stehen unter Handlungsdruck und bemühen sich nun, die Digitalisierung ihrer Flotten voranzutreiben. Sie müssen nämlich erhebliche Kraftstoffeffizienzen und die Senkung von CO2-Emissionen bei ihren Flotten erreichen, um die EEXI- (Energy Efficiency Existing Ship Index) und CII- (Carbon Intensity Indicator) Maßnahmen der IMO zu erfüllen. Viel Zeit dazu bleibt ihnen nicht, denn die Richtlinien treten in den nächsten zwei Jahren in Kraft. Darüber hinaus birgt die voraussichtliche Umsetzung des EU-Emissionshandelssystems für die Schifffahrt ab 2023 das Risiko finanzieller Sanktionen und möglicher Fahrverbote für umweltverschmutzende Schiffe, die europäische Gewässer befahren wollen. Gleichzeitig nimmt der kommerzielle Druck auf grüne Operationen von Ladungseignern, Verbrauchern und Finanzinstituten zu. Insbesondere Ladungseigner müssen die Regeln der Lieferkettengesetze innerhalb der EU erfüllen und achten daher verstärkt auf ihren eigenen CO2-Fußabdruck.
SaaS – Explodierender maritimer digitaler Markt
Infolgedessen sind in den letzten Jahren etliche SaaS-Anbieter entstanden, die eine große Anzahl von Softwaresystemen anbieten. Sie wollen von den Herausforderungen in der Transportlogistik im Allgemeinen und in der Schifffahrt im Besonderen profitieren, die durch die Dekarbonisierung entstanden sind und weiter entstehen. Dieser Digitalisierungstrend wurde in der Schiffsbranche durch die Covid-19-Pandemie aufgrund des erhöhten Bedarfs an Online-Fernarbeit in Bereichen wie Crew-Training, Lotsenausbildung und Vermessung etc. zusätzlich angeheizt. Das führte in der jüngsten Vergangenheit dazu, dass der durchschnittliche Datenverbrauch pro Schiff zwischen Januar 2020 und März 2021 von 3,4 auf 9,8 Gigabyte anstieg. Das ergab eine aktuelle Studie des britischen Marktforschungsunternehmens Thetius Research.
Verdopplung prognostiziert. Aus der Studie geht außerdem hervor, dass sich der globale Markt für maritime digitale Produkte und Dienstleistungen im vergangenen rund Jahr 159 Milliarden US-Dollar erreicht hat. Das entspricht einem Anstieg von 24 Milliarden US-Dollar oder 18 Prozent bezogen auf Umsätze im Jahr 2019, also vor der Pandemie. Bis 2030 wird sich der Markt auf 345 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln. Das ist um rund 75 Milliarden US-Dollar mehr als in 2019 prognostiziert. Der Effekt davon ist, dass derzeit Anbieter von Softwarelösungen wie Pilze aus dem Boden schießen und sich bemühen, an diesem Wachstumsmarkt mitzunaschen.
Kongsberg Digital – Datentransparenz gesucht
Für die Verantwortlichen in den Reedereien wird es darum immer schwieriger, sich in der Vielfalt des Marktes für maritime Software zurecht zu finden. Darum begab sich der vor sechs Jahren der schwedische Tankerbesitzer Stena Bulk auf eine bahnbrechende Digitalisierungsreise, um die Systeme in seiner gesamten Flotte zu aktualisieren. Er entwickelte dabei eine eigene Softwareplattform für das Schiffsleistungsmanagement. Diese Plattform wurde inzwischen in den US-amerikanischen SaaS-Anbieter OrbitMI ausgegliedert wurde (SaaS = Software-as-a-Service).
Potenzial digitaler Technologien. Peter Bjorkborg, Nachhaltigkeits- und Transformationsmanager von Stena Bulk in Göteborg, glaubt in diesem Zusammenhang, dass digitale Lösungen aufgrund des zunehmenden Bedarfs an Datentransparenz zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften in Bezug auf Emissionen, Klassen- und andere Anforderungen absolut notwendig sein werden. Hinzu kommen Anforderungen von Interessengruppen wie Banken und Charterern für den Betrieb grüner Schiffe. „Wir stellten fest, dass es Ineffizienzen in der Art und Weise gab, wie wir arbeiteten. Wir erkannten dabei das Potenzial der digitalen Technologie, diese Probleme anzugehen, um unsere Schiffe effizienter zu betreiben, indem wir Betriebsdaten aus verschiedenen Quellen in einer gemeinsamen Plattform kombinierten“, erklärt P. Bjorkborg den Entwicklungsprozess.
Umstellung notwendig. Gleichzeitig sah man bei der weltweit agierenden schwedischen Tankschiff-Reederei voraus, dass der Trend zur Dekarbonisierung eine Umstellung der Branche auf digitale Systeme zur Datentransparenz notwendig macht. Denn diese Systeme ermöglichen es erst, leichter, agiler und anpassungsfähiger zu sein, anstatt dauernd von Legacy-Prozessen und -Systemen zurückgehalten zu werden. „Die Einführung innovativer Softwarelösungen war daher ein wichtiger Schritt, um unsere Flotte zukunftssicher zu machen. Und obwohl damit natürlich Risiken und Kosten verbunden waren, gab es bei uns einen soliden Business Case, der es ermöglichte, einen Tick schneller zu sein als unsere Marktbegleiter“, so P. Bjorkborg weiter.
„Es zahlt sich aus“
Der Nachhaltigkeits- und Transformationsmanager von Stena Bulk ist daher davon überzeugt, dass sich die Softwareinvestition in Bezug auf Bunkereinsparungen aufgrund des rationalisierten Kraftstoffverbrauchs sowie anderer Effizienzsteigerungen mehr als auszahlt und zwar auch deshalb, weil sie in der gesamten Flotte von 74 eigenen und gecharterten Schiffen umgesetzt wurde. Diese wurden beispielsweise durch datengesteuerte Geschwindigkeitsanpassungen und die Optimierung der Routenführung erreicht, um Eine Überlastung der Häfen zu vermeiden.
Jeder muss wissen, was er will
Wie bereits erwähnt, entwickelte Stena Bulk seine eigene Lösung. Der Grund war, dass es noch vor ein paar Jahren kaum Anbieter solcher Systeme gab. Das hat sich allerdings nach nur ein paar Jahren dramatisch verändert. P. Bjorkborg bestätigt, dass „der es für Reeder jetzt viel schwieriger ist, den Überblick zu behalten“. Die Gründe dafür lägen hierbei vor allem in der Angebotsvielfalt. „Verschiedene Plattformen bedienen unterschiedlichste Bedarfe. Reeder müssen also schon vorher wissen, welche Herausforderungen ein oder mehrere System lösen kann, damit es dann auch relevante Betriebsdaten liefern kann“, erklärt er weiter. Bei Stena Bulk habe man daher beispielsweise die Technologien für die Dekarbonisierung der Flotte in drei verschiedene Bereiche eingeteilt: die traditionelle Schiffsausrüstung wie etwa Hydrodynamik, Propeller und Motoren; die Betriebstechnik wie die Leistungsüberwachung und -optimierung; und kommerzielle Technologien wie beispielsweise die Optimierung von Protokollen und die Vermeidung von Staus.
Die Flotte neu denken
P. Bjorkborg erklärt die Gründe für die Kategorisierung damit, dass bei Stena Bulk „alle diese Kategorien voneinander abhängen, damit sie gute Daten für effiziente Prozesse und laufende Verbesserung liefern.“ So fließen auch relevante Wetterdaten für eine optimale Schiffsführung sowie KI und maschinelles Lernen aus digitalisierten Systemen mit ein, um die Leistung eines Schiffes im Laufe der Zeit zu verbessern. Stena Bulk bewege sich somit heute in Richtung eines Schiffs-IoT (IoT = Internet of Things) mit einer Schnittstelle von der physischen Ausrüstung eines Schiffes hin zur digitalen Technologie, welche die Entscheider nun dabei unterstützt, neue Möglichkeiten für die Effizienzsteigerungen zu finden.
Keine Standards erforderlich
P. Bjorkborg weist jedoch explizit darauf hin, dass dies gemeinsame Standards für die Systemintegration sowie eine Verschiebung des traditionellen Wettbewerbswiderstands der Branche gegen Transparenz und Datenaustausch erfordern wird. Allerdings: „Reeder können heute nicht mehr auf digitale Systeme verzichten. Denn der auf Nachhaltigkeit basierende Datenaustausch ist potenziell ein Wegbereiter für mehr Transparenz, der der gesamten Branche einen größeren kommerziellen Nutzen bringen kann“, sagt er abschließend hierzu.
Kongsberg – Kognifai Marketplace
Doch wie diese richtigen Lösungen für die digitale Transformation fnden? – Hier könnte die Plattform von Kongsberg Digital eine adäquate Lösung sein. Kongsberg hat mit seinem Kognifai Marketplace einen Schritt in diese Richtung gemacht. Diese Plattform umfasst eine Reihe verschiedener Anbieter von maritimen Softwares und nutzt Daten aus der Vessel Insight-Dateninfrastruktur. „Wir verfolgen dabei einen systemunabhängigen Ansatz und möchten auch, dass unsere Wettbewerber dem Markt beitreten. Denn wir sind davon überzeugt, dass eine bessere Zusammenarbeit der Schlüssel zur Digitalisierung der Branche ist“, sagt K. Evanger hierzu. Die Schifffahrt hat jedoch eindeutig noch einen langen Weg vor sich, um eine API-Wirtschaft zu etablieren, die es ihr ermöglicht, die vollen kommerziellen Vorteile der Nutzung und des Austauschs von Big Data zu nutzen.
kongsberg.com | thetius.com | stenabulk.com | orbitmi.com | kognifai.com
Verwandte Themen
Entdecke mehr von Neues aus der Welt der Logistik | blogistic.net ©
Subscribe to get the latest posts sent to your email.