Liebe Partner, Leserinnen und Leser.
Industrie 4.0 und Digitalisierung sind in aller Munde und waren auch thematisch elementarer Bestandteil des heurigen österreichischen Logistiktages des VNL im Design Center in Linz. Thematisiert wurden hierbei natürlich praktische Anwendungen, wie man an diese komplexen Themenfelder heran geht und welche Voraussetzungen dafür geschaffen sein müssen, damit Unternehmen in der Zukunft bestehen können. In diesem Sinne wird die vierte industrielle Revolution hier nicht als Revolution wahrgenommen, sondern viel mehr als evolutionäre Entwicklung industrialisierter Ökonomien.
Eine echte Revolution
Wir von blogistic.net – und in weiterer Folge natürlich von BUSINESS+LOGISTIC – erkennen in Industrie 4.0 hingegen tatsächlich eine Revolution, bei der kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Wir erkennen darin sogar eine viel weiter greifende Revolution als Industrie 3.0, 2.0 oder 1.0. Diese Revolution betrifft aus unserer Sicht nämlich nicht nur die Industrie und einzelne Industriebranchen samt deren Establishments, sondern sämtliche Gesellschaften und Kulturen der 1. und 2. Welt in ihrer Gesamtheit, also die Länder und Regionen, welche voll und weitgehend industrialisiert sind. Mit Industrie 4.0 und der Digitalisierung verschwinden nämlich gesellschaftliche und kulturelle Grenzen in Echtzeit. Jede Gesellschaft und ihre Kultur kann an diesen offenen Grenzen partizipieren und einen Nutzen daraus ziehen, wenn sie damit auch Veränderungen der eigenen Kultur und Gesellschaft akzeptiert, Kompromisse schließt und sich so durchgehend weiter entwickelt.
Industrie 4.0 führt auch zu Migrationen
Auch wenn es auf dem ersten und zweiten Blick gar nicht so aussieht, die gegenwärtigen Asyl- und Flüchtlingsbewegungen sind nicht ein Naturereignis, gegen das Abschottung hilft, sondern auch bedingt durch die vierte industrielle Revolution. Und während die einen die umfassenden Veränderungen in Europa annehmen und damit leben wollen, welche Migranten zwangsläufig mit sich bringen, stemmen sich die anderen gegen jede Veränderung und würden sich aus Furcht am liebsten in ihrem nationalen Schrebergärtchen einschließen. Das Aufkommen des Nationalismus, „Balkanrouten schließen“ und Gewaltexzesse gegen alles, was „fremd“ ist, sind die sichtbarsten Zeichen dafür, dass eine echte Revolution im Gange ist, welche die ganze Welt umfasst, und gegen die sich etablierte Gruppen in ihren Regionen wehren. Letztere sind die Selben, welche gegen automatisierte Webstühle, Eisenbahnen und auch das Auto wetterten. Sie werden ebenfalls scheitern, denn auch diese Revolution wird sich nicht aufhalten lassen, eben wegen der Digitalisierung und der Technologien und Konzepte, welche unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ verwirklicht werden.
Bildung: Systeme unvorbereitet
Wie wenig insbesondere Industrienationen jedoch auf die vierte industrielle Revolution gesellschaftlich und kulturell vorbereitet sind, zeigt sich auch bei ihren Bildungssystemen und Lehrplänen. Bislang findet faktisch nirgendwo in der industrialisierten Welt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen und kulturellen Folgen dieser Revolution statt, die sich dann auch in der Ausbildung und Bildung der Menschen und veränderten Lehrplänen manifestiert. Im Gegenteil: Österreich z.B. kehrt mit Verve zu einem Bildungssystem aus der Zeit Maria Theresias zurück, das die berufliche und gesellschaftliche Laufbahn von Kindern bereits in der dritten Klasse Volksschule festlegen und vornehmen will. Möglichst frühzeitig soll sich entscheiden, ob ein Kind ins Gymnasium, in eine Mittelschule oder eine Hauptschule geht, dann studiert, eine Lehre macht oder Hilfsarbeiter wird. Die Bildung und Ausbildung der Kinder degeneriert zur Reproduktion gelernter, ständig veralteter Inhalte forciert und nicht deren kreativer Einsatz in unterschiedlichsten Situationen in einer immer komplexeren Welt. „Kreativität“ ist „out“.
Flexibilität und Kreativität
Nur mit zumeist veraltetem Wissen und ohne Kreativität lässt sich jedoch Industrie 4.0 in Zukunft nicht bewältigen. Denn Gesellschaften, welche den Transformationsprozess der vierten industriellen Revolution erfolgreich bewältigen wollen, benötigen geistig flexible, kreative und weltoffene Menschen mit einer hohen Akzeptanz für Veränderungen. Diese Menschen begreifen lebenslanges Lernen dann auch nicht als Pflicht, sondern als Bereicherung des eigenen Seins. Diese Menschen tragen dann auch eine hohe Verantwortung für sich und ihr Tun, und delegieren sie nicht an „die da oben“. Diese Menschen sind liberale Demokraten im Sinne der „Freiburger Schule“. Die Bildungssysteme, d.h. Bildung der Menschen in den Industrienationen der Gegenwart und Zukunft müssen daher auf Kreativität ausgerichtet sein und nicht auf die sinnentleerte Reproduktion von Inhalten bzw. der „Schlachtpläne im Tornister“, wie das Maria Theresia wünschte.
Herzlichst,
Ihr
Hans-Joachim Schlobach
(hjs(at)journalismus.at)
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