Wolfgang Skrabitz, CEO von Knapp Industry Solutions, und Christian Brauneis, Bereichsleiter Business Unit Industry Solution im Unternehmen, im Gespräch mit CR Hans-Joachim Schlobach über den Wandel der Branche, Karriere und Entwicklungsmöglichkeiten für Einsteiger, den neuen Knapp-Campus in Dobl bei Graz und wie heute mit Querdenken Mehrwert für Unternehmen erzeugt wird.
(Den Artikel „INVESTITIONEN IN DOBL – Das steirische Silicon Valley“ zum Interview finden Sie hier.)
blogistic.net: Herr Skrabitz, wie erleben Sie Knapp als Unternehmen?
Skrabitz: Knapp bewegt sich in einer sehr interessanten und dynamischen Branche. Das merkt man auch im Unternehmen. Hier werden dem Einzelnen umfassende Entwicklungsmöglichkeiten geboten, die weit über die Norm hinaus gehen. Wenn sich jemand also weiter entwickeln und sich dicht am Puls der Zeit bewegen möchte, der ist richtig hier. Das ist meine Erfahrung.
blogistic.net: Sie sind seit 2002 bei Knapp. Wie haben Sie während Ihrer Karriere die Entwicklung selbst erlebt?
Skrabitz: In den letzten 15 Jahren hat sich die Intralogistik-Branche komplett gewandelt und Knapp hat diesen Wandel aktiv mit gestaltet. Das hat auch bei Knapp zu einem völligen Kulturwandel geführt.
blogistic.net: Inwiefern?
Skrabitz: Vor 15 Jahren setzte die Internationalisierung des Unternehmens zu einem Global Player ein. Ich begann damals als Knapp gerade den Zuschlag für den Auftrag des Shopping-Channels QVC über rund 25 Millionen Euro an Land zog. Damals teilten wir unsere Welt ein in Pharma auf der einen Seite und Non-Pharma auf der anderen Seite. Heute spielen wir im Bereich E-Commerce und Retail, Fashion, Industrie und Produktion vorne mit und haben auch die Intralogistik für diese Branchen mit unseren Lösungen mit geprägt. Das beginnt mit unseren OSR Shuttles und endet bei unseren Hängesortern, Softwarelösungen usw.

blogistic.net: Herr Brauneis, eine spannende Karriere bei Knapp hingelegt. Wie hat sich für Sie der technologische und kulturelle Wandel innerhalb der Knapp-Community dargestellt?
Brauneis: Die letzten drei bis fünf Jahre waren davon geprägt, dass sich Knapp einerseits enorm technisch weiter entwickelt hat und mit seinen Lösungen sehr rasch gewachsen ist. Als ich 2004 begann, stellten wir klassische Fördertechniklösungen her. Wir waren sogar einer der ersten Player, der Shuttle-Systeme wie das OSR Shuttlein der Logistik-Automation einsetzte. Damit waren wir Exoten, wohingegen heute der Erfolg des Unternehmens auf dem Bereich Shuttle-Technologien beruht, samt allem, was dazu gehört.
blogistic.net: Was macht die Shuttles heute so erfolgreich und was sind die Treiber in die Zukunft?
Brauneis: Shuttle-Lösungen sind sehr flexibel und leicht skalierbar. Daher sind sie gerade im Hinblick auf die Digitalisierung und Individualisierung bis zur Losgröße 1 besonders gut geeignet. Das ist heute. Das Thema der Zukunft ist die Digitalisierung. Es treibt auch bei Knapp die Entwicklungen massiv voran, weil damit Produktion und Logistik mehr denn je zusammen wachsen. Es gibt eben nicht mehr die klassischen Distributionszentren, die für eine effiziente Verteilung von Waren sorgen sollen, sondern mit der Individualisierung der Produkte auf Losgröße 1 werden die Produkte praktisch aus der Produktion heraus distribuiert. Das macht andere Lösungen als früher notwendig.
blogistic.net: Die Volatilität der Märkte, Individualisierung und Losgröße 1 fordern von Unternehmen entsprechend flexible Lösungen, die sich rasch an Veränderungen anpassen können. Wie außert sich das bei Ihnen als Entwickler solcher Systeme? Sie kennen ja die physischen Grenzen Ihrer Lösungen. Wie bringen Sie diese aber mit den technischen Anforderungen in Einklang?
Brauneis: Wir müssen stets die Bedarfe der Märkte erkennen und das mit den vorhandenen technischen Möglichkeiten matchen. Wie das gelingen kann, zeigt sich beispielsweise im Bereich der fahrerlosen Transport- und Födersysteme. Wir haben 2007 begonnen daran zu arbeiten und damals erkannt, dass diese Systeme nicht flexibel genug sind für die Anforderungen unserer Kunden. Daher begannen wir, in die massive Weiterentwicklung dieser Systeme zu investieren. Heute, nach zehn Jahren, haben wir daher ein ganzes Produktportfolio freifahrender Transportroboter, welche diese Flexibilität ermöglichen, die Logistiksysteme benötigen. Hinzu kommen unsere OSR Shuttle-Systeme, welche mit den an sich schon flexiblen Transport-Robotersysteme vernetzt werden können.
Skrabitz: Die Herausforderung ist hierbei die rasante Wandlung, die durch Digitalisierung, Industrie 4.0 und Logistik 4.0 vorangetrieben wird. Diese Entwicklung war für uns jedoch schon vor mehr als einem Jahrzehnt erkennbar. Daher begannen wir schon frühzeitig in die Entwicklung von Lösungen zu investieren, welche auf Flexibilität ausgerichtet waren, wie etwa unsere OSR Shuttles, KiSoft usw. Damit sind wir heute am Puls der Zeit. Allerdings müssen schon heute in die Entwicklung von Systemen investieren, welche aber erst in ein paar Jahren produktreif sind.

blogistic.net: Die Systeme, die Sie implementieren, sind für Unternehmen Millionen Euro schwere Investitionen, die sich erst nach einer längeren Zeit amortisieren. Wie bringt man die Volatilität der Märkte mit so langen Amortisationszeiten in Einklang?
Skrabitz: Durch die Flexibilität und Skalierbarkeit der Systeme. Ein Beispiel dafür ist unser neues OSR Shuttle Evo oder unsere Open Shuttles. Hierfür bieten wir u.a. Mietmodelle an. Kunden können also Anlagen auch mieten, und wenn sich ihr Geschäft ändert, dann geben sie Open Shuttles auch wieder zurück und installieren fixe Fördertechnik. Diesen Spagat zwischen Investition, Return on Invest und der Volatilität der Märkte, können wir allerdings erst liefern, seitdem so flexible Systeme und Lösungen zur technologischen Reife gebracht worden sind. Mit den starren Systemen von einst werden Sie heute kein Auslangen mehr finden.
blogistic.net: Doch kommen wir noch einmal auf den Wandel in Ihrer Branche zurück. Knapp hat hier in Dobl nun ein eigenes Forschungs- und Entwicklungszentrum eröffnet, dessen neues Herzstück ein eigener Campus ist. Wo ordnen Sie diesen Campus ein?
Skrabitz: Dobl ist ein Innovationspark, den wir benötigen, um kleineren Unternehmenseinheiten wie etwa auch solchen Startups Raum zu geben, sich zu entwickeln. Hier genießen wir die Freiheiten, die es braucht, innovativ und kreativ zu sein. Wir sehen uns daher auch wie eine Art Familie mit unterschiedlichen Familienmitgliedern der Konzernmutter, die unterschiedliche Felder bearbeiten, interdisziplinär miteinander kommunizieren und so auch ganz neue Lösungen finden. Das gelingt uns jedoch nur in diesem Setup des Innovationsparks hier in Dobl, weil wir hier auch diese Freiheiten haben.
blogistic.net: Die einzelnen Einheiten von Knapp haben aber doch lange vorher schon intensiv und erfolgreich entwickelt und geforscht. Warum der neue Campus?
Brauneis: Das stimmt. Aber man will der Entwicklung neuer, zukunftsträchtiger Technologien einen ganz neuen Raum geben, der ein Stück weit losgelöst ist vom operativen Entwicklungsgeschäft der einzelnen Standorte. Auch Startups sollen hier, abseits des Kerngeschäftes von Knapp, einen Freiraum haben, der Querdenken möglich macht. Die Entwickler und Startups sollen nicht immer gleich in das Thema Intralogistik hinein gedrängt werden, sondern – natürlich unter dem Dach von Knapp – eigene Konzepte und Lösungen entwickeln können, aus denen sich dann auch Synergien für den Konzern ergeben können. Es geht hier um die Entwicklung neuer Produkte, neuer Technologien und neuer Geschäftsmodelle.
Skrabitz: …Und es geht um die Marktassemblierung, d.h. wir wollen verstehen, was unsere Kunden und potenziellen Kunden benötigen. Gerade beim Thema Digitalisierung ist das Betätigungsfeld nahezu unermesslich und keiner weiß ganz genau, wohin die Reise geht, was vielen Unbehagen bereitet. Wir sehen die Digitalisierung aber als Chance, Industrie überhaupt in Europa und in Österreich halten zu können bzw. auch wieder hierher zurück zu holen.
blogistic.net: Haben Sie ein Beispiel für so eine Marktassemblierung?
Brauneis: Ja! Wir haben beispielsweise für die KTM-Tochter Pankl ein Getriebewerk assembliert und implementiert. Das ist ein Beispiel dafür, wie das Zusammenspiel unterschiedlicher Unternehmenseinheiten einen Mehrwert generieren können. Gerade Pankl ist ein gutes Beispiel, wie heute Lagertechnik, Fördertechnik, Software aber auch industrielle Verarbeitung zum Mehrwert für den Kunden zu einer Einheit verschmelzen. Und das geht nur, wenn man von Anfang an über Unternehmensgrenzen hinweg denkt.
blogistic.net: Vielen Dank für das tolle Gespräch.