INVESTITIONSFINANZIERUNG – Kredite in der Klemme

Das Wasser steht der Eurozone bis zum Hals
Investitionsfinanzierung: Das Wasser steht der Eurozone derzeit fast bis zum Hals. (Foto: Gerd Altmann / pixelio.de)

EZB-Daten schüren Ängste vor einer Kreditkrise. Die Industriellenvereinigung rügt die Verteuerung von Krediten und Banken-Kritiker sprechen von einer Kreditklemme bei der Investitionsfinanzierung. Hingegen sehen hiesige Institute die geringere Kreditvergabe als Reaktion der Unternehmen auf die Krise. (Ein Bericht von CR Hans-Joachim Schlobach)

Neueste Daten zur Kreditvergabe für die Investitionsfinanzierung der Banken im Euro-Raum wecken neue Ängste vor einer Kreditkrise und einer Verschärfung der Rezession. Im Dezember vergaben die Institute erstmals seit Einführung des Euro 1999 weniger Kredite an Firmen und Haushalte als im Vormonat. Das berichtet die Financial Times Deutschland unter Berufung auf EZB-Informationen in ihrer Ausgabe vom 29. Januar. Demnach sank das Volumen der Ausleihungen um 47 Milliarden.

Negatives Kreditwachstum

Das entspräche einem Minus von 0,4 Prozent. Die Jahresrate des Kreditwachstums ging im Dezember deutlich von zuvor 7,1 auf 5,8 Prozent zurück. Damit tritt die Kreditkrise in den öffentlichen Daten immer deutlicher hervor. Die Ausleihungen an Haushalte legten zum Vorjahr nach zuvor 2,5 nur noch um 1,8 Prozent zu – ein Rekordtief. Bei Krediten an Unternehmen ging das Plus von 11,1 auf 9,4 Prozent zurück. Die Euro-Zone, und damit auch Österreich, steckt offenbar seit Frühjahr 2008 in einer Rezession. Seit Jahresende steht der Wirtschaft das Wasser bis zum Hals. Kommt die Kreditvergabe zum Erliegen oder bricht gar ein, steigt das Wasser in Richtung Unterlippe-Oberkante, weil es gleichbedeutend ist mit rückläufigen Investitionen und sinkendem Konsum.

Investitionsfinanzierung – Streit um Ursachen

Unter Fachleuten, den Banken, der Industrie und Politik ist äußerst umstritten, ob die stark nachlassende Dynamik auf eine Kreditverknappung seitens der Banken zurückzuführen ist oder ob Wirtschaft und Verbraucher inzwischen einfach weniger Kredite nachfragen. Hintergrund ist, dass Staaten weltweit beispiellose Rettungspakete in Milliardenhöhe für die durch die Finanzkrise angeschlagenen Institute geschnürt haben und von den Banken fordern, die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen.

Von einer Kreditklemme, wonach Banken massiv Kredite verweigern trotz hoher und qualifizierter Nachfrage, kann man daher heute nicht reden. Manfred Seyringer, Unicredit / Bank Austria

Zusammenspiel mehrerer Faktoren

Unterm Strich dürfte es ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren sein, welche zur Kreditzurückhaltung führt. So beobachteten Volkswirtschaftler in früheren Abschwungphasen, dass sowohl Angebote als auch die Nachfrage nach Krediten zurückgingen. „Von einer Kreditklemme, wonach Banken massiv Kredite verweigern trotz hoher und qualifizierter Nachfrage, kann man daher heute nicht reden“, meint etwa Dr. Manfred Seyringer, Stv. Abteilungsleiter von Export- und Investitionsfinanzierungen bei Unicredit/Bank Austria gegenüber BUSINESS+LOGISTIC / blogistic.net. Seiner Ansicht nach sind die Banken also nicht deshalb vorsichtiger, weil sie nicht mehr über ausreichend Mittel verfügen, sondern weil sie sich über die Rückzahlung von Krediten an Firmen in kritischen Branchen zunehmend Sorgen machen. Eine flächendeckende Kreditklemme sieht Seyringer daher nicht.

Investitionsfinanzierung – Industrie unzufrieden

Auch der Präsident der Industriellenvereinigung, Veit Sorger, will das Wort „Kreditklemme“ im Zusammenhang mit der geringeren Kreditvergabe für die Investitionsfinanzierung nicht verwenden. Er rügt jedoch die Verteuerung von Unternehmenskrediten und stellt so eine Verbindung zu geringeren Kreditvolumenszuwächsen her. Er verweist darauf, dass bereits in den ersten drei Quartalen 2008 der Kreditvolumenszuwachs bei den Unternehmen um 13 Prozent gegenüber den Quartalen des Vorjahres gesunken sei. „Die Daten für das vierte Quartal 2008 werden sicher noch wesentlich dramatischer ausfallen“, mutmaßt Präsident V. Sorger gegenüber BUSINESS+LOGISTIC / blogistic.net. Betroffen sind dabei sowohl kurzfristige als auch langfristige Kredite. Gerade für die Finanzierung von Investitionen beispielsweise in Intralogistik-Lösungen für die Verbesserung von Prozessen spielen aber längerfristige Kredite eine nicht unwesentliche Rolle, insbesondere wenn es sich um Spezialanfertigungen für ein Unternehmen handelt. Diese werden nur ungern über Leasing finanziert. Der wesentliche Grund dafür ist ihr Mangel an Möglichkeiten der Drittverwertbarkeit. Und ob sich hierfür in der gegenwärtigen Situation Venture Capital-Geber zur Finanzierung finden lassen, ist fraglich.

Die Daten für das vierte Quartal 2008 werden sicher noch wesentlich dramatischer ausfallen. Betroffen sind dabei sowohl kurzfristige als auch langfristige Kredite. Veit Sorger, Präsident der Industriellenvereinigung

Investitionsfinanzierung – Zinssenkungen weiter geben

Die Industrie ist darüber verärgert, dass die Banken die durch staatliche Stützen möglich gewordenen niedrigen Interbankenzinssätze nicht an die Unternehmen weiter geben wollen. V. Sorger führt gegenüber BUSINESS+LOGISTIC / blogistic.net aus: „Wenn man sich den jüngsten Finanzmarktstabilitätsbericht der Nationalbank ansieht wird deutlich, wie sehr die Finanzierungskosten der Unternehmen steigen, und zwar sowohl bei Krediten als auch bei Anleihen. Obwohl der Interbankenzinssatz seit den staatlichen Stützungen auf weit unter drei Prozent gesunken ist, bewegen sich die Zinssätze für Unternehmenskredite dramatisch in Richtung sechs Prozent Marke“, führt der IV-Präsident aus. Was zum Ärger der Industrie hinzukommt, ist die Tatsache, dass die massive Senkung der EZB-Leitzinsen noch nicht die Risikoaufschläge für Unternehmenskredite verringern konnten. Und bei den Unternehmensanleihen als Finanzierungsquelle ist der Kapitalmarkt sogar völlig ausgetrocknet und im November 2008 auf ein Drittel des Vorjahreswertes geschrumpft.

Mehr Zinsen und Sicherheiten

Dr. Manfred Seyringer der Unicredit / Bank Austria gibt für seinen Bereich durchaus zu, dass sich die Konditionen verschärft haben. Das äußert sich etwa in steigenden Zinsen und zusätzlichen Sicherheiten, die verlangt werden. Das wiederum sei von Branche zu Branche unterschiedlich. So genüge es heute eben nicht eine bestimmte Maschine als Sicherheit für die gleiche Kreditsumme anzubieten, weil der Wert der Maschine aufgrund höherer Absatzrisiken der Branche niedriger eingeschätzt werde. Das seien etwa speziell für ein Unternehmen gefertigte Spezialmaschinen. Für Stapler oder Geräte, die gute Wiederverkaufschancen haben, sieht M. Seyringer jedoch überhaupt kein Problem.

Wenn Basel II regiert

Die größere Vorsicht der Banken ist damit vor allem verursacht durch die schwieriger gewordene Geschäftslage ihrer Kunden. „Dass die Banken ihre Kreditvergabe an den Geschäftsrisiken der Kunden ausrichten, entspricht der Logik von Basel II“, sagt auch DIHK-Chefvolkswirt Treier. Wenn Banken selektiver vorgingen, sei das also letztlich politisch gewollt. Basel II bezeichnet das unlängst eingeführte internationale Bankenregelwerk für die Kreditvergabe.

(Anm.d.Red., 2017: Mittlerweile sind die Zinsen für die Kredite faktisch bei Null angekommen. Dennoch ist die Kreditvergabe für Unternehmen nicht besser geworden. Dafür sorgen vor allem die strengen Regelungen für Banken, Basel II, Basel III)

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