Der Wirtschafts- und Logistikstandort Österreich gilt weltweit als besonderer Hub für Intralogistik und Logistik-Automation. Warum genau diese Region so interessant ist für Unternehmen aus dieser Branche, darüber sprach CR HaJo Schlobach mit Gerald Gaberz, SVP, Regional Head of Central Europe bei SSI Schäfer.
D+B: Wie geht es Ihnen, wie geht es SSI Schäfer? Wie gehen Sie mit den weiteren Lockdowns um?
Gaberz: Uns geht es gut. Natürlich ist die Pandemie auch für uns eine Herausforderung, die wir aber bislang sehr gut gemeistert haben. Unsere interne Taskforce arbeitet seit Jahresbeginn mit Hochdruck daran, die Auswirkungen der Corona-Krise für Kunden, Partner und unsere Mitarbeitenden so gering wie möglich zu halten.
D+B: Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen?
Gaberz: Um unsere Mitarbeitenden weltweit zu schützen, haben wir allgemeine Richtlinien ausgearbeitet. Diese dienen als Grundlage für die Festlegung lokaler Maßnahmen, natürlich jeweils im Einklang mit den behördlichen Regelungen vor Ort. Was unsere Kunden und Partner betrifft, so sind wir stets an ihrer Seite geblieben, von der Beratung über die Implementierung von laufenden Projekten bis zum Customer Service.
D+B: Doch kommen wir zum eigentlichen Thema unseres Interviews: der Wirtschafts- und Logistikstandort Donauraum, Österreich und natürlich die Steiermark. Gerade Österreich und die Steiermark sind besondere Hotspots für Intralogistik und Logistik-Automation. SSI Schäfer ist in Österreich an verschiedensten Standorten stark vertreten und hat in den letzten Jahren massiv investiert. Gerade Österreich scheint also für Unternehmen wie das Ihre besonders attraktiv zu sein. Warum ist das so?
Gaberz: Sie haben Recht, Herr Schlobach. SSI Schäfer hat in den letzten Jahren in Österreich einen deutlichen achtstelligen Betrag investiert. Das betrifft einerseits den Produktionsstandort in Graz, der an die wachsenden Bedürfnisse der internationalen Märkte angepasst wurde. Wir haben aus denselben Gründen in Friesach in Bürogebäude investiert. Dort ist unsere Softwareschmiede WAMAS angesiedelt und nur einen Katzensprung von Graz entfernt. Der Softwarebereich hat in den letzten Jahren stark expandiert. Wir haben deswegen in mehr Personal, also Know-how investiert, und die Mitarbeiter benötigen attraktive Arbeitsplätze. Was daraus jedoch nicht ersichtlich wird, sind unsere erheblichen Investitionen in Forschung und Entwicklung, die einen siebenstelligen Betrag pro Jahr ausmachen. Wir entwickeln damit unsere bestehenden Produkte und Lösungen weiter, entwickeln aber auch neues. Dafür benötigt man ebenfalls ein entsprechend attraktives Umfeld.
D+B: Was ist die Motivation dafür und warum setzen Sie das gerade in Österreich um?
Gerald Gaberz: Diese Frage kann nur in zwei Teilen beantwortet werden. Zum einen wächst die Logistikautomations-Branche sehr stark. Dabei sind Megatrends wie Industrie 4.0 und die digitale Transformation, aber auch der Klimawandel und die sich verändernden Rahmenbedingungen die Treiber. Diese Logistik-Automation stellt die reibungslose Versorgung der Bevölkerung sicher, denn sie sorgt für die unterbrechungsfreien Warenflüsse in Gebäuden auf höchstem Niveau, also für Produktion und Distribution. Genau hier haben wir unsere Kernkompetenz und bauen diese sowohl in Graz im Bereich der Hardware als auch in Friesach im Bereich der Software seit Jahrzehnten aus. Wir sprechen hier also von Fördersystemen, Shuttles usw. und den dafür nötigen Steuersystemen wie WAMAS usw. Wir decken also das gesamte Spektrum für Intralogistik-Lösungen von Österreich aus ab, von der Planung und Entwicklung über die Ausführung bis hin zu den Servicelevel-Agreements.
Die Logistikautomations-Branche wächst sehr stark. Dabei sind Megatrends wie Industrie 4.0 und die digitale Transformation, aber auch der Klimawandel und die sich verändernden Rahmenbedingungen die Treiber.
Gerald Gaberz, SVP, Regional Head of Central Europe bei SSI Schäfer
D+B: Und warum gerade in Österreich?
Gaberz: Weil wir einerseits in Österreich, insbesondere in der Steiermark, das Know-how entwickelt haben, konnten wir es an diesem Standort immer weiter ausbauen. Wir können dabei nicht nur eine ganzheitliche Abdeckung gewährleisten, sondern eben auch die durchgehende Qualität unserer Leistungen. Auf diese Weise sichern wir uns auch ein qualitatives Wachstum, was für den SSI Schäfer Standort Österreich der zentrale Fokus ist. Da sind also einerseits die gewachsenen internen Rahmenbedingungen, die für uns für Österreich sprechen. Auf der andren Seite gibt es externe Rahmenbedingungen, wie etwa die duale Ausbildung, welche uns die Basis für Top-Mitarbeiter liefert. Ich spreche beispielsweise von den „höheren technischen Lehranstalten“ (Anm.: HTL). Dort rekrutieren wir unsere Fachkräfte und Techniker der Zukunft, die wir für eine nachhaltige Entwicklung des Unternehmens benötigen. Die Fachkräfte und Auszubildenden aus diesen Schulen gewinnen regelmäßig bei internationalen Awards Preise. Ein solches Umfeld mit einer entsprechenden Schuldichte macht den Standort Österreich gerade für die Logistik-Automationsbranche und den Maschinenbau besonders attraktiv.
D+B: Betrifft das auch die Universitäten?
Gaberz: Ja, Universitäten bzw. die Fachhochschulen. Die Dichte solcher Institutionen ist in Österreich sehr hoch. Neben der eigenen Unternehmenshistorie sind das für uns entscheidende Standortfaktoren. Wir stehen in einem internationalen Wettbewerb, haben hochpreisige Produkte und Lösungen, die sich dennoch behaupten müssen. Insgesamt kann ich an dieser Stelle festhalten, dass Österreich in Hinblick auf Know-how und Ausbildung im Allgemeinen auf einem sehr hohen Niveau agiert.
D+B: Reicht das dann für ein Unternehmen wie SSI Schäfer?
Geralt Gaberz: Das ist die Basis. Natürlich kommen wir nicht umhin, die Menschen, die zu uns kommen, weiter zu bilden in Richtung des Unternehmens. Dabei geht es um spezifisches Wissen, das man im internationalen Wettbewerb benötigt und das dazu führt, qualitativ hochwertige, solide Logistiklösungen zu entwickeln, zu implementieren und hochverfügbar zu halten. Was ich damit sagen will, ist, dass es der spezifischen Kompetenz für die Logistik bedarf, die ein HTL-Absolvent oder jemand, der von der Uni kommt, im Unternehmen erlernen muss. Dafür haben wir die entsprechenden Ausbildungsprogramme.
D+B: Das Dauerthema ist der Fachkräftemangel. Kommt denn genügend Nachwuchs aus den Schulen und von den Unis?
Gaberz: Im internationalen Vergleich ist die Qualität des Ausbildungssystems von Österreich sehr hoch angesiedelt. Und ein großer Teil der Ausbildungskosten wird vom Staat getragen. Das haben Sie in den meisten Ländern der Welt nicht und ist ein wesentlicher Faktor, der für den Standort Österreich generell spricht. Deswegen treffen wir hier sehr wohl auf eine gute Quantität an potenziellen Mitarbeitern. Aber, wie gesagt, die spezifische Kompetenz erlangen sie nur in den Unternehmen selbst. Dafür haben die Unternehmen zu sorgen.
Im internationalen Vergleich ist die Qualität des Ausbildungssystems von Österreich sehr hoch angesiedelt. Und ein großer Teil der Ausbildungskosten wird vom Staat getragen.
Gerald Gaberz, SVP, Regional Head of Central Europe bei SSI Schäfer
D+B: Sie sind also zufrieden mit der Quantität?
Gaberz: Natürlich wäre es komfortabler für uns als Unternehmen, wenn man aus dem Vollen schöpfen kann, weil das den Recruiting-Prozess verkürzt. Aber das ist nicht so. Daher muss man sich als Arbeitgeber um die eigene Attraktivität bemühen. Wenn man High Potentials anziehen möchte, muss man entsprechend attraktiv sein. An der Verbesserung unserer Attraktivität haben wir in den letzten Jahren hart gearbeitet. Dabei haben wir uns auch an den Gegebenheiten der neuen Arbeitswelt orientiert. Das betrifft beispielsweise ein Aus- und Weiterbildungsprogramm mit transparenten Karrieremöglichkeiten. Denn jeder, der zu uns kommt, hat eine Idee von seinem eigenen Leben und eine entsprechende Lebensplanung. Wir wollen unsere Mitarbeiter dabei begleiten. Dies muss ein Ausbildungsprogramm daher auch abbilden können. Hinzu kommen so Fragen wie nach internationalen Karrierechancen oder nach der Work-Life-Balance usw., die in diesem Zusammenhang regelmäßig gestellt werden. Es ist ein Change-Prozess, den wir als SSI Schäfer auch in diesem Bereich mitmachen.
D+B: Worauf kommt es in diesem Zusammenhang an?
Gerald Gaberz: Dass der Mitarbeiter sich entfalten kann. Dafür müssen wir als Arbeitgeber sorgen. Beim Können sind schon beide Seiten gefragt, also Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der Mitarbeiter bringt sein Basiswissen mit, wir als Arbeitgeber verschaffen ihm den Zugang zu spezifischem Wissen. Und last but not least geht es um das Wollen. Diese Leistungsbereitschaft und die Bereitschaft, sich in einem Team zu entfalten, muss der Mitarbeiter selbst mitbringen.
D+B: Sie sprachen vorhin von Forschung und Entwicklung. Die technischen Universitäten in Österreich haben durchaus einen guten internationalen Ruf. Wie wichtig ist für Sie und SSI Schäfer so ein technischer Background?
Gaberz: Er ist wichtig. Wir arbeiten beispielsweise mit der FH Joanneum zusammen bei der Entwicklung neuer Lösungen in Richtung IT und Industrie 4.0. In Kapfenberg am Campus gibt es ein Technik-Lab, an dessen Aufbau SSI Schäfer beteiligt war und mit dem wir kooperieren. Dort kommen wir sehr früh mit interessierten Studenten in Kontakt, die dann auch in die Welt von SSI Schäfer hineinschnuppern können. Gleichzeitig können wir dort an neuesten Entwicklungen und Strömungen im wissenschaftlichen Bereich schon frühzeitig partizipieren. Ebenso laufen Kooperationen an Universitäten wie der TU Graz.
D+B: Wechseln wir das Thema. Ein Standort ist auch dann interessant, wenn es eine rege Startup-Szene gibt. Startups sind ja auch für SSI Schäfer interessant, weil hier Technologien entwickelt werden, die sich in Logistik-Lösungen integrieren lassen. Jetzt hat es in der Vergangenheit zwar einige Startups gegeben, die zu einer internationalen Bekanntheit gekommen sind. Das sind jedoch wenig, insbesondere vor dem Hintergrund des guten Ausbildungshintergrundes. Was sagen Sie dazu?
Wir arbeiten mit der FH Joanneum zusammen bei der Entwicklung neuer Lösungen in Richtung IT und Industrie 4.0. In Kapfenberg am Campus gibt es ein Technik-Lab, an dessen Aufbau SSI Schäfer beteiligt war und mit dem wir kooperieren. Dort kommen wir sehr früh mit interessierten Studenten in Kontakt.
Gerald Gaberz, SVP, Regional Head of Central Europe bei SSI Schäfer
Gaberz: Wir beobachten die Startup-Szene genau, aber nicht alleine in Österreich, sondern auch international. Die Statistiken zeigen, dass die investierten Gelder in Österreich sinken. Aus unserer Sicht ist in Österreich also noch viel Luft nach oben, auch in Hinblick auf die hiesige Gründerszene. Dabei wird viel Potenzial verschenkt, das mit Förderungen gehoben werden könnte.
D+B: Inwieweit sind Startups für SSI Schäfer denn ein Thema?
Gaberz: Es ist für uns wichtig. Wir nennen es zwar nicht Venture-Capital-Programme, aber wir beteiligen uns bei einigen Startups, die für uns technologisch sehr interessante Entwicklungen vorantreiben. Auch in Österreich sind wir bei einem Startup beteiligt, so, wie in Deutschland oder in den Niederlanden.
D+B: Kommen wir zum letzten Teil des Interviews, den Zukunftsplänen von SSI Schäfer. Was haben Sie vor in Österreich und in der Donauregion?
Gerald Gaberz: Wir wollen auf jeden Fall unsere etablierten Standorte in Österreich weiter ausbauen. Das bedeutet mittelfristig auch ein Wachstum bei den Mitarbeitern in Österreich. Wir werden hier natürlich in die Weiterentwicklung unserer Lösungen und Produkte und die Entwicklung ganz neuer Produkte investieren. Damit sichern wir unsere Product-Ownership gerade in Österreich und bauen dies weiter aus. Damit ist der Standort Österreich nicht nur nachhaltig gesichert, sondern wird für künftiges Wachstum fit gemacht.
G. Gaberz: „Startups sind für uns wichtig. Wir nennen sie zwar nicht Venture-Capital-Programme, aber wir beteiligen uns bei einigen Startups, die für uns technologisch sehr interessante Entwicklungen vorantreiben. Auch in Österreich sind wir bei einem Startup beteiligt.“ (Foto: SSI Schäfer)
D+B: Corona wird vielerorts als Treiber von weiteren Entwicklungen insbesondere auch in Richtung Automation genannt. Sehen Sie das auch so?
Gaberz: Corona ist nicht der eigentliche Treiber, sondern andere Megatrends, die ich schon genannt habe. Aber Corona zeigt, wie wichtig die Automatisierung für Ökonomien ist und dass ihre Bedeutung weiter wachsen wird. Insofern sehen wir der wirtschaftlichen Entwicklung in der Zukunft sehr optimistisch entgegen.
D+B: Vielen Dank für das tolle Gespräch!