Future Truck 2025: Während der Fahrt ganz relaxt am Tablet die nächste Ladung und Tour disponieren, das soll mit vollvernetzten autonom fahrenden Lkw wie dem Future Truck 2025 von Mercedes-Benz in gar nicht allzu ferner Zukunft möglich sein. Im Zuge von Industrie 4.0 lassen sich damit aber auch ganz neue Geschäftsmodelle im Straßengüterverkehr realisieren.
Geht es nach Mercedes-Benz, so kommt die Revolution im Straßengüterverkehr ganz entspannt daher: mit dem Future Truck 2025. Denn dieses Gefährt soll künftig mit 85 km/h ganz sicher über die Autobahn gleiten, präzise beschleunigen und bremsen und sich stets mittig auf der rechten Spur im fließenden Verkehr bewegen – und das ganz ohne Zutun des Fahrers. Der soll zwar nach wie vor hinter dem Steuer seines Brummis sitzen, sich aber hauptsächlich via Tablet-PC um die Planung der nächsten Ladung und Tour kümmern oder um andere Dinge wie etwa den Zustand der auf intelligenten Paletten verstauten Fracht im Auflieger. Der Future Truck 2025 soll daher nicht nur einfach wieder ein neuer Lkw sein, wie er alle paar Jahre auf den Markt kommt. Nein, er will sich jetzt als zentraler Baustein der Transportsysteme in der Zukunft positionieren. Damit soll der Straßengüterverkehr der Zukunft sicherer, effizienter und vernetzter werden. Ob damit der Straßenverkehr sowie der Fahrerberuf und das gesamte Speditionsgewerbe revolutioniert werden, das ist allerdings eine andere Frage. Dafür dürften wohl andere Megatrends wie Industrie 4.0 und das Internet der Dinge sorgen. Sie gelten als vierte industrielle Revolution, bei der kein Stein auf dem anderen bleiben wird und die die Produktionsstandorte der Industrienationen in Europa wettbewerbsfähiger im globalen Kontext machen soll. In diesem Rahmen wird der Future Truck 2025 allerdings mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein gewichtiges Wörtchen mitzureden haben, wenn er, wie im Herbst 2014 angekündigt, in zehn Jahren serienreif sein wird. Denn im Zuge von Industrie 4.0 ist eine Branche ganz besonders betroffen: die Transportbranche. Und sie wird auf solche Entwicklungen angewiesen sein.
Entwicklungen auf Hochtouren
Doch wird hier noch einiges Wasser die Donau, den Rhein oder – was Stuttgart, dem Sitz von Mercedes Benz angeht – den Neckar hinunter fließen. In Europa gibt es den Future Truck 2025 bisher nur als Systemstudie, die im vergangenen Jahr in Hannover vorgestellt wurde – mit technologischen Komponenten, die heute schon verfügbar und einsatzbereit sind. Unwahrscheinlich, dass dies so bleibt, wenn man von den rasanten Technologieentwicklungen der letzten Jahre ausgeht. Auch IT- und softwareseitig – die Future Truck-Studie ist ein rollendes Rechenzentrum – wird das künftige Serienfahrzeug nicht so aussehen wie heute. Derzeit treiben Mercedes-Benz, Iveco, Volvo, AVL List, Infineon, Bosch, TTS Kehitys und andere Unternehmen im Rahmen des European DESERVE Projekts (DESERVE = DEvelopment plattform for Safe and Efficient dRiVE) die Entwicklung einer Software-Plattform, die autonom fahrende Lkw ermöglichen soll. Das Projekt läuft allerdings schon im Februar 2016 aus und dürfte letztendlich nur die Basisarbeit für weitere Entwicklungen sein. Dennoch verkündete Dr. Wolfgang Bernhard, Daimler-Vorstand für Trucks und Busse, bei der Vorstellung des Future Truck 2025 im Herbst vergangenen Jahres in Hannover: „Der Future Truck 2025 liefert uns entscheidende Antworten auf die künftigen Herausforderungen der Transportwirtschaft. Wir zeigen schon heute, wie der Güterverkehr auf der Straße in zehn Jahren noch effizienter, sicherer und vernetzter ablaufen wird.“
Herzstück „Highway Pilot“
Tatsächlich lässt der Future Truck 2025 schon heute erkennen, wohin der Hase läuft. Das Herzstück des Fahrzeugs ist dabei der sogenannte „Highway Pilot“, der den Lkw ohne Hilfe des Fahrers fährt. Die Software funktioniert dabei so ähnlich wie der Autopilot eines Flugzeugs. Wie das aussieht, demonstrierte Daimler Trucks im Juli 2014 erstmals mit autonomen Fahrten bei Geschwindigkeiten bis zu 80 km/h in realistischen Verkehrssituationen auf einem begrenzten Teilstück der Autobahn A14 in Magdeburg. Seit Frühsommer dieses Jahres kommt dieses System im US-Bundesstaat nun auf öffentlichen Straßen zum Einsatz: im „Inspiration Truck“. Die Entwickler von Daimler Trucks übertrugen hierfür den Highway Pilot auf Fahrzeuge der US-Marke Freightliner und modifizierten ihn für den Einsatz auf amerikanischen Highways. Das Ergebnis: Der US-Bundesstaat Nevada zertifizierte gleich zwei Freightliner Inspiration Trucks für den regulären Betrieb auf öffentlichen Straßen. Hier wie da benötigen die Trucks dabei keinerlei Verkettung oder Vernetzung mit anderen Fahrzeugen und sind auch nicht Teil eines Platoons.
Das Herzstück des Fahrzeugs ist der sogenannte „Highway Pilot“, der den Lkw ohne Hilfe des Fahrers fährt.
Big Data auf Rädern. Mit Radarsensoren und Kameratechniken vollgestopft, rollte der Lkw im letztjährigen Sommer völlig autonom über die Autobahn, unabhängig von anderen Fahrzeugen oder Leitzentralen. „Eine Vernetzung mit anderen Lkw oder Pkw baut seine Fähigkeiten zwar weiter aus, sie ist aber für autonomes Fahren nicht notwendig“, hieß es auf Anfrage an Mercedes-Benz. Dafür sind bei der Fahrzeugstudie aber sämtliche Sensoren und Kameras am Future Truck 2025 miteinander vernetzt und machen das Fahrzeug zur Datenschleuder auf Rädern. Die Datenmengen sind jedoch notwendig, denn erst daraus kann der Zentralrechner des Lkw ein komplettes Bild seiner Umgebung anfertigen und zur Steuerung nutzen. Erfasst werden dabei sämtliche bewegte und stationäre Objekte im Umfeld des Lkw. Die Sensor- und Kameratechnik ist hierbei vom Stand bis zur in Deutschland gesetzlich erlaubten Höchstgeschwindigkeit für Lkw konzipiert.
Ein Pilot, der spurt. Der Highway Pilot kann nun den Lkw durch Lenkeingriffe vollautomatisch sicher in der Mitte seiner Fahrspur halten. Hinterlegt ist außerdem eine digitale dreidimensionale Karte, wie sie bereits jetzt für das Assistenzsystem von Mercedes Benz, Predictive Powertrain Control (PPC), verwendet wird. Das Fahrzeug ist so über den Streckenverlauf und die Topografie jederzeit umfassend informiert. Komplettiert wird das System mit einem Blind Spot Assist, der von Mercedes-Benz schon jetzt als „technologischer Durchbruch in Sachen Sicherheit“ gefeiert wird und in den nächsten Jahren in Serie gehen soll. Radarsensoren werden dann auch die Seiten des Future Truck überwachen und den Fahrer, vulgo „Bürohengst“, vor anderen, für ihn nicht sichtbaren Verkehrsteilnehmern links und rechts des Trucks warnen. „Wir werden die ersten sein, die diese Technologie auf den Markt bringen. Unser Ziel ist das unfallfreie Lkw-Fahren. Und mit dem Blind Spot Assist machen wir einen wichtigen Schritt in diese Richtung“, sagte Bernhard.
Rollendes Wohlfühl-Büro
Doch nicht nur die Autonomie des Future Trucks 2025 weist in die Zukunft. Auch die Fahrerkabine gleicht viel mehr einem bequemen Büro mit Wohnatmosphäre. Schon heute trennt Mercedes-Benz in den Fernverkehrs-Fahrerhäusern seiner Lkw die Bereiche Fahren und Wohnen optisch voneinander. In Zukunft kommt innerhalb der Fahrerkabine ein ebenso komfortabler wie funktioneller Arbeitsplatzbereich für die Phase des autonomen Fahrens hinzu.
Das Interieur des Future Truck 2025 besticht dabei durch seine Reduzierung auf wesentliche Funktionen und ein geradezu puristisches Design. Die Gestaltung des fahrenden Arbeitsplatzes ist ruhig und aufgeräumt wie in einem modernen papierlosen Büro. Nüchterne Technik kontrastiert auf faszinierende Weise mit natürlichen Materialien, mit Wohnlichkeit und Wärme. Holz fließt vom Boden bis in die Armaturentafel. Sein großzügiger Einsatz bildet die Basis für eine einladende Wohlfühl-Atmosphäre an Bord. Die dunkle Oberfläche ist stark gemasert, offenporig und wirkt natürlich gealtert – ein willkommener Kontrast zur hohen Funktionalität des Arbeitsplatzes. Die Armaturentafel ist ruhig und aufgeräumt, Displays lösen Instrumente und Außenspiegel ab. Sie schweben wie Inseln vor der Klavierlack-Oberfläche im Cockpit. An die Stelle auffallender Luftdüsen tritt eine indirekte Klimatisierung, ein Touchpad löst herkömmliche Schalterleisten ab. Die Brüstung der Armaturentafel ist mit Leder verkleidet. Die handwerkliche Perfektion der Verarbeitung kontrastiert mit der rationalen Technik des Lkw.
Arbeiten im Büro auf Rädern. Faszinierende Lichteffekte unterstreichen auch im Innern des Fahrerhauses den eigenständigen Charakter des Future Trucks 2025. Ist der Lkw autonom unterwegs, kann der Fahrer seinen Sitz auf Wunsch nach hinten stellen und ihn gleichzeitig um 45 Grad in den Raum hinein drehen – der Fahrer nimmt dann bewusst eine entspannte und bequeme Arbeitsposition ein. Gleichzeitig hellt die indirekte Beleuchtung das Interieur blendfrei auf. An seinem künftigen Arbeitsplatz kommuniziert der Fahrer während der Fahrt per Tablet-Rechner, der entnehmbar in der neu gestalteten Mittelkonsole steckt. Hier bearbeitet er Unterlagen, disponiert seine weiteren Fahrziele, kann zusätzliche Aufträge entgegennehmen und organisiert seine nächste Pause. Der Bildschirm des Rechners ist frei konfigurierbar, deshalb kann der Fahrer auf Wunsch ebenfalls alle wesentlichen Fahrdaten abrufen. Statt Lenkrad und Pedalerie ist der Tablet-Rechner das entscheidende Arbeitsmedium auf langen und autonom gefahrenen Strecken. Der Mercedes Benz Future Truck 2025 führt so zu einer neuen Art der Arbeit im Fahrerhaus eines Fernverkehrs-Lkw.
Neue Geschäftsmodelle
Durch seine Gesamtkonzeption dürfte der Future Truck 2025 somit künftig auch die Geschäftsperspektiven beispielsweise von Speditionen verbessern. Der Future Truck 2025 ist nämlich durchaus dazu geeignet, die Attraktivität des Fahrerberufs zu steigern, indem er höherwertige Arbeiten ermöglicht und gleichzeitig sozialen Bedürfnissen einen größeren Raum gibt. Denn während der Lkw auf der Autobahn durch den Highway Pilot gelenkt wird, kann der Fahrer in dieser
Zeit in entspannter Atmosphäre andere Aufgaben mit hoher Wertschöpfung für sein Unternehmen übernehmen. Dazu zählen beispielsweise die flexible Disposition der aktuellen Tour, die Planung kommender Aufträge und die Buchhaltung. Dabei kann sich der Kraftfahrer voll und ganz auf die Techniksysteme des Lastwagens verlassen, der dank seiner Sensorik und des Datenaustauschs mit der Umgebung sicher und effizient seinem Ziel entgegenfährt. Auf diese Weise ist es Speditionen möglich, beispielsweise die operative Dispo-Verantwortung für die Ladungen an ihre Fahrer zu delegieren. Diese können dann schon während der Fahrt beispielsweise auf einer der vielen Frachtbörsen neue Ladungen an den Orten aufnehmen und so direkt für eine möglichst hohe Auslastung der Fahrzeuge sorgen. Ein Bonussystem könnte hier weitere Anreize bieten. Der Lkw-Fahrer wird so zum Unternehmer. Gerade in Zeiten von Industrie 4.0 und den damit verbundenen Umwälzungen in der Transportbranche könnte der Future Truck 2025 zu ganz neuen Geschäftsmodellen führen und damit die Wettbewerbsfähigkeit von Speditionen sichern helfen. Derartige Modelle werden andernorts schon vereinzelt von Speditionen praktiziert. Dabei stellt der Spediteur dem Fahrer „seinen“ Lkw mit dessen Wunschausstattung zur Verfügung und delegiert die operative Verantwortung für die Disposition von Ladung und Routen über Frachtbörsen an diesen. Der Effekt ist in den meisten Fällen eine wesentlich höhere Entlohnung des Lkw-Fahrers als marktüblich, gepaart mit einer maximalen Auslastung des Sattelzuges – und damit mehr Umsatz für die Spedition.
Einen weiterführenden Beitrag zu „Road Efficiency“ finden Sie hier auf blogistic.net.
Einen ca. 50-minütigen Filmbeitrag mit Mario Herger zur Zukunft des Straßengüterverkehrs finden Sie hier in blogistic.tv.