Um die aktuellen Klimaschutzziele wie die Klimaneutralität bis 2040 in Österreich zu erreichen, sind noch erhebliche Investitionen nötig. Gleichzeitig müssen klimaschädliche Brenn- und Treibstoffe erheblich teurer werden. Dennoch wird Österreich seine Klimaziele in wesentlichen Teilen wie etwa im Bereich des Verkehrs nicht erreichen. Das ist bereits heute absehbar. Und das, obgleich die Verschärfung der europäischen Klimagesetze, die im Fit-for-55-Paket der EU im Juli 2021 von der EU-Kommission vorgeschlagen wurden, Anlass zum Optimismus geben. Ob das Erreichen der Klimaziele jedoch der richtige Fokus ist und nicht die Modernisierung der Gesellschaft im Sinne einer besseren Welt der richtige Ansatz wäre, bleibt ist allerdings eine ungeklärte die Frage.
Das neue Ziel der EU und Österreichs, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu verringern, ist mit dem derzeitigen Tempo der Transformation nicht erreichbar. Darauf weisen Analysten der UniCredit-Bank Austria wie etwa Günter Wolf hin. Vielmehr muss ihrer Ansicht nach das Transformationstempo im Vergleich der bisherigen Klimaschutz-Ambitionen sogar noch verdoppelt werden. Der Knackpunkt dürfte hierbei wohl darin liegen, wie wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene umgesetzt werden (können). „Beim Fit-for-55-Paket handelt es sich vorerst nur um Vorschläge, die zum Teil, wie bei der Energiebesteuerung, sogar Einstimmigkeit im Rat erfordern. Damit werden viele der Maßnahmen erst ab 2023 und dann vermutlich nur abgeschwächt in Kraft treten. Vor allem bleibt eine nachhaltigere Energiebesteuerung auf EU-Ebene von nationalen Maßnahmen abhängig“, sagt Ökonom G. Wolf im Gespräch mit den Medien.
Klimaschutz – Zehn Prozent weniger pro Jahr
Damit die Klimaneutralität bis 2040 erreicht werden kann, muss Österreich jedoch Emissionseinsparungen von mehr als zehn Prozent im Jahr realisieren. Was das in der Praxis heißt, zeigt sich beim Rückgang der Treibhausgasemissionen im Jahr 2020. Da konnten immerhin 7,7 Prozent oder 74 Millionen Tonnen hierzulande eingespannt werden. Allerdings war der Preis für diesen „Erfolg“ hoch: mehrere Lockdowns, welche den Individualverkehr erheblich begrenzten, massive Einschnitte in der Tourismus- und Kulturbranche bis hin zur Drosselung der Produktion in wesentlichen Bereich der Industrie wie etwa im Automotive-Sektor oder der für Österreich wichtigen Schwer- und Zementindustrie. Und diese „Einsparungen“ dürften jedoch bereits mit der raschen Konjunkturerholung in 2021 größtenteils wieder verpuffen. Die Entwicklung zeigt somit, dass die im noch aktuellen österreichischen Klimaschutzgesetz vorgesehenen Einsparungsmechanismen dringend ergänzt und nachgeschärft werden müssen. Und zwar nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes, sondern auch zur Vermeidung hoher Folgekosten, wenn die europäischen Ziele verfehlt werden.
Fit-for-55-Paket – Von 47 auf 30 Millionen
Damit Österreich also das ambitionierte Fit-for-55-Ziel erreicht, müssen die Treibhausgasemissionen der Sektoren, die nicht in den Emissionshandel eingebunden sind, von 47 Millionen Tonnen 2020 unter 30 Millionen Tonnen bis 2030 sinken. Das ist eine enorme Kraftanstrengung für Österreich. Noch viel schwieriger wird es jedoch, die Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. „Dafür müssten sich die Emissionen in den nächsten zwanzig Jahren im Durchschnitt um wenigstens 10 Prozent im Jahr reduzieren“, rechnet G. Wolf vor. Das ist viel mehr als im Krisenjahr 2020 eingespart wurde.
Sechs Millionen in 2040. Auch unter der Annahme, dass der Pfad erreicht wird, bleiben 2040 noch circa sechs Millionen Tonnen Treibhausgase, die in Kohlenstoffsenken aufgenommen werden sollen. Laut Prognose des österreichischen Umweltbundesamtes wird aber der CO2-Abbau in Österreich alleine mit dem Einsatz der bereits beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen sogar zurückgehen: von minus 4,6 Millionen Tonnen 2019 auf unter 2 Millionen Tonnen im Jahr 2040. Das EU-Ziel einer klimaneutralen Land- und Forstwirtschaft der Gemeinschaft ab 2035 ist für Österreich damit jedoch kaum zu erreichen. Und zwar nicht zuletzt deshalb, weil die Aufforstungsmöglichkeiten eines bereits waldreichen Landes beschränkt sind. Und im Bereich des Gütertransportes, der in Österreich für einen großen Teil der CO2-Emissionen ausmacht, sind werden die Klimaziele der Zukunft selbst bei allen Anstrengungen verfehlt. Das ergab eine Untersuchung des „Kummer-Institutes“ (Institut für Logistik unter der Leitung von Prof. Sebastian Kummer) an der WU Wien (wir berichteten).
Ziele im Fit-for-55-Paket und mögliche Probleme
Die Einsparungsziele für die Branchen, die in das europäische Emissionshandelssystem eingebunden sind, werden im Fit-for-55-Paket ab 2023 um mehr als die Hälfte angehoben. Bis 2030 sollen so die Anlagen um 61 Prozent weniger Treibhausgase als noch im Jahr 2005 emittieren. Dazu müssen die Emissionen in den nächsten Jahren jedoch um wenigstens vier bis fünf Prozent pro Jahr sinken. Was das bedeutet, wird sichtbar, wenn man das mit österreichischen Unternehmen im System vergleicht. Diese konnten nämlich ihre Emissionen bis 2020 nur um weniger als zwei Prozent im Jahr verringern, auf rund 27 Millionen Tonnen.
Österreichs Stahl- und Zementindustrie wird sich schwertun
Dabei sind die neuen Zielvorgaben besonders für die österreichischen Stahlhersteller und die Zementindustrie eine Herausforderung. Und zwar nicht nur weil sie für den Großteil der Industrieemissionen verantwortlich sind (in Österreich in Summe für rund 17 Millionen Tonnen). Schwerwiegender ist die Tatsache, dass beide Branchen zwar ein Teil der Emissionen mit erneuerbaren Energiequellen und energieeffizienteren Produktionsmethoden abbauen können, für die prozessbedingten Emissionen zum Teil jedoch Verfahren anwende, die sich noch im Forschungsstadium befinden. Mit anderen Worten: Verfahrenstechnisch ist Österreich noch nicht in der Lage, die Ziele zu erreichen.
Fit-for-55-Paket – Verkehr ist entscheidend für Österreich
Etwa zwei Drittel aller Emissionen in Österreich bzw. 47 Millionen Tonnen im Jahr 2020 wurden nicht vom Emissionshandelssystem erfasst, rechnen die Ökonomen der Unicredit BankAustria vor. Davon stammt der Großteil aus der Verbrennung von Treibstoffen im Verkehr (etwa 21 Millionen Tonnen) und von Brennstoffen für die Beheizung und Kühlung von Gebäuden (rund acht Millionen Tonnen). Um den Einsparungszielen bis 2030 näher zu kommen, wird im Fit-for-55-Paket die Einrichtung eines neuen Emissionshandelssystems für die Bereiche Gebäude und Straßentransport ab 2025 vorgeschlagen. Ob das jedoch ausreichen wird, insbesondere die Transportunternehmen zukunftsfit zu machen, ist jedoch fraglich. Denn gerade der österreichische Straßengütertransport wurde aus wirtschaftlichen Gründen vielfach ausgeflaggt. Viele Fahrzeugflotten werden von Subunternehmen vorwiegend in Osteuropa betrieben und laufen lediglich unter einem österreichischen Label. Diese werden somit gar nicht vom Emissionshandel erfasst, zumindest nicht in Bezug auf Österreich.
Förderungen für die Transformation. Zudem investieren österreichische Transportunternehmen in Maßnahmen, welche ihren CO2-Abdruck erheblich verringern. So betreibt etwa Gebrüder Weiss eigene Wind- und Solarkraftwerke, die mittlerweile rund zehn Prozent des Energiebedarfs des Unternehmens deckt (wir berichteten). Es braucht daher staatliche Maßnahmen, um die Dekarbonisierung in diesem Bereich zu unterstützen. Hierzu zählen etwa die Förderungen für den Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Förderung emissionsfreier Kfz oder Förderungen im Bereich der Gebäuderenovierung. Und das muss unabhängig davon passieren, ob die Preissignale in dem Bereich von einem Emissionshandelssystem oder nationalen CO2- Abgaben kommen.
Ausbau der Öffis. „Angesichts der wachsenden Gütertransportleistung, des hohen Mobilitätsbedürfnisses der Menschen und der Dominanz fossiler Fahrzeugantriebe stellt ein möglichst emissionsfreier Verkehrssektor somit wahrscheinlich die größte Herausforderung für den Klimaschutz in Österreich dar“, kommt G. Wolf zum Schluss und weiter: „Auch wenn der Übergang zu einem weitgehend elektrifizierten Fuhrpark gelingt und die benötigte Strommenge bereitgestellt werden kann, wird der Antriebswechsel zum Elektromotor daher sicher nicht ausreichen, um einen möglichst emissionsfreien Verkehr zu erreichen. Um die Attraktivität emissionsarmer Verkehrsmittel in Österreich nennenswert zu steigern, müsste nicht nur das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln erheblich erweitert werden, sondern auch deutlich höhere Treibstoffpreise wären notwendig.“
Klimaschutz und Energiepreise bedingen einander
Klimaschutzmaßnahmen im Bereich der Wohnbauförderungen zielen im Wesentlichen auf die thermische Sanierung des Wohnungsbestandes ab, die sich nur mit einer deutlichen Aufstockung der Fördermittel erreichen lässt. Der Wechsel zu effizienteren und emissionsärmeren Heizungssystemen ist eine Begleitmaßnahme, deren Umsetzung die CO2-Bepreisung beschleunigen sollte.
Relative Preise der Energieträger. Wie rasch die Haushalte und Unternehmen zu emissionsarmen Verkehrsmitteln oder Heizsystemen wechseln werden, hängt jedoch nicht nur von den Gesamtkosten, sondern auch von der Entwicklung der relativen Preise der Energieträger ab. Gemessen am Energiegehalt ist Strom in Österreich derzeit aufgrund der Netzentgelte und der Ökostromabgabe im Vergleich zu anderen Energieträgern deutlich teurer. Beispielsweise kostete 2020 eine Kilowattstunde elektrischer Energie einem Durchschnittshaushalt 22 Cent (bei einem Verbrauch von 2.500 bis 5.000 Kilowattstunden). Im Vergleich dazu mussten die Haushalte für Erdgas pro Kilowattstunde 6,5 Cent, für Heizöl 5,7 Cent und für Diesel auch nur 10,6 Cent bezahlen. Um klimafreundlichere Brennstoffe attraktiver zu machen, braucht es nicht nur ordnungsrechtliche Maßnahmen, wie die Verpflichtung Ölheizungen zu tauschen, sondern auch eine Änderung der Preisrelationen bei den Energieträgern.
Kostenbelastung privater Haushalte infolge höherer Energiepreise
Der verstärkte Einsatz weniger umweltschädlicher Energiequellen beziehungsweise der Versuch, externe Kosten klimaschädlicher Energieträger zu internalisieren, lösen unweigerlich wirtschaftliche Anpassungskosten aus und führen zu steigenden Energiepreisen. Während die Emissionen größerer Industriebetriebe und der Energiewirtschaft im Rahmen des Emissionshandelssystems längst bepreist werden, werden Haushalte, Gewerbebetriebe und der Dienstleistungssektor erst in den nächsten Jahren direkt mit steigenden Klimakosten konfrontiert.
Private werden CO2-Kosten stemmen müssen. Voraussichtlich werden die Haushalte einen überdurchschnittlich hohen Anteil an den CO2-Kosten tragen müssen. Einerseits werden die Unternehmen die Kosten wenn möglich an die Kunden weitergeben, andererseits sind die Haushalte für überdurchschnittlich viele Emissionen verantwortlich. In Summe können den privaten Haushalten in Österreich etwa 15 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen direkt zugerechnet werden, wovon etwas mehr als die Hälfte von Transportleistungen stammt, die von den Haushalten zum Großteil im Rahmen des motorisierten Individualverkehrs konsumiert werden.
50 Euro die Tonne ändern im Verkehr wenig
Die Belastung eines österreichischen „Durchschnittshaushaltes“ würde auch infolge einer CO2-Abgabe in Höhe von 50 Euro pro Tonne Treibstoff moderat bleiben. Ohne den Mineralölsteuersatz zu verändern, würde sich ein Liter Diesel in dem Fall um 15 Cent verteuern. Die Mehrkosten liegen kaum über der durchschnittlichen Schwankungsbreite der Dieselpreise in den vergangenen Jahren. Bei einem Verbrauch von 1.300 Liter Diesel pro Jahr und einem Preis von 1,1 Euro pro Liter würden die Gesamtkosten damit um 160 Euro beziehungsweise um elf Prozent steigen. „Aufgrund der geringen Preiselastizität der Treibstoffnachfrage wird eine CO2-Abgabe von 50 Euro pro Tonne vermutlich auch keine nennenswerten Veränderungen der Verkehrsmittelwahl bei den Haushalten auslösen“, so die Einschätzung von G. Wolf.
50 Euro die Tonne ändern in Privathaushalten alles
Im Vergleich dazu würde ein CO2-Preis von 50 Euro pro Tonne bei Heizöl und Erdgas die Energierechnung eines „Durchschnittshaushalts“ allerdings deutlich steigen lassen. Und zwar um 15 Prozent bzw. und 22 Prozent (bezogen auf die durchschnittlichen Energiepreise 2020), rechnen die Unicredit-Ökonomen vor. Erdgas würde in dem Fall um 1,2 Cent pro Kilowattstunde teurer, Heizöl um 16 Cent pro Liter. Um den finanziellen Druck bei Privathaushalten und kleineren Unternehmen aufgrund höherer Energiepreise und notwendiger Investitionen in energieeffizientere Heiz- und Kühlsysteme, in Wärmedämmungen und in saubere Mobilität abzufedern, wurde auf EU-Ebene daher der Klimasozialfonds installiert. Aus dem EU-Haushalt sollen damit über den Fonds im Zeitraum 2025 bis 2032 rund 72 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Davon soll Österreich rund 644 Millionen Euro erhalten. Von den Mitgliedsstaaten sollen zudem Mittel in derselben Höhe mobilisiert werden. Voraussichtlich soll der Fonds noch weiter aufgestockt werden, so Insider. Zudem braucht es weitere Maßnahmen auf nationaler Ebene, um einkommensschwächere Haushalte von den steigenden Kosten zu entlasten.
Klimaziele stehen infrage
Vor diesen Hintergründen ist es fraglich, ob die im Fit-for-55-Paket formulierten Klimaziele insbesondere in Österreich überhaupt in dieser Form erreicht werden können. Und auch die Sinnhaftigkeit der Klimaziele ist vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Österreich nur einen sehr kleinen Beitrag dafür leisten kann. Wenn die Hauptemittenten wie die Volksrepublik China keine Anstalten machen, ihre CO2-Emissionen zu senken, dürften die Anstrengungen der österreichischen Wirtschaft in Tagesfrist verpuffen. Daher sollte nicht der Klimaschutz im Zentrum des Interesses stehen, sondern die Modernisierung der Industriegesellschaften, die selbstverständlich eine Verbesserung der Umweltsituation dieser Länder zum Ziel haben müssen. Dies sollte jedoch unabhängig von Diktaturen wie der VR China oder Russland passieren. In diesem Zusammenhang wäre ein Zollsystem denkbar, welche die Preise für Produkte aus Ländern, die günstig auf Kosten von Mensch und Natur produzieren, über das Niveau von vergleichbaren Produkten entwickelter Industrienationen heben, die klimafreundlich produzieren. Es wäre zumindest ein Signal dafür, dass sich alle an der Modernisierung beteiligen.
Die Frage ist, ob angesichts der Tatsache, dass der Klimawandel ohne China nicht gestoppt werden kann und man daher abhängig von dieser Diktatur in dieser Frage wird, der Fokus auf dem Erreichen von Klimazielen liegen soll? Wäre es nicht besser, die Modernisierung der Industriegesellschaften voran zu treiben und dabei die Sicherung von Menschenwürde, Freiheit, Demokratie & Rechtsstaatlichkeit zu betreiben? Dieses könnte man leicht mit Umweltzielen verknüpfen und man müsste nicht auf China warten.
Man könnte hingegen ein gesellschaftliches Gegenmodel zur stalinistischen Diktatur mit Weltmachtanspruch stärken. Da hätten wir mehr davon…