FASHION LOGISTIK – Zwischen Automation und Handarbeit

Kaum ein Wirtschaftszweig ist von E-Commerce und Globalisierung mehr betroffen als die Fashion-Branche. Diese Entwicklungen führen zu massiven Umwälzungen in den Handelsstrukturen und deren Logistikketten. Während die einen bei ihrer Fashion Logistik noch immer ganz auf manuelle Kommissionierung setzen, investieren wieder andere in High-End-Automationslösungen. Entscheidend ist letztlich jedoch immer die DistributionsstrategieEin Bericht von CR Hans-Joachim Schlobach

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Fashion: E-Commerce und Globalisierung krempeln eine ganze Branche um (Foto: © Luana Teutzi – Fotolia.com)

Wenn es um das Stichwort „Volatilität der Märkte“ geht, können sich einige Wirtschaftsbereiche von der Fashion-Branche eine dicke Scheibe abschneiden. Denn gerade dort werden nicht nur die Zeitintervalle zwischen den klassischen Saisonen Winter, Frühling, Sommer und Herbst immer kürzer und durch Zwischensaisonen aufgefettet. Auch die Marken-, Artikel- und Variantenvielfalt hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert. Das Ziel ist dabei, den Kunden bei Kauflaune zu halten.

E-Commerce treibt Fashion-Branche

Ein Haupttreiber hierfür dürfte der E-Commerce sein, welcher die ohnehin schnelllebige Mode-Branche und ihre Entwickler unter Druck setzt, permanent neue Produkte auf den Markt zu schmeißen und die wechselhaften Kunden mit immer neuen Kreationen bei Laune zu halten. Mit der Globalisierung schießen weltweit ständig neue Modelabels wie Pilze aus dem Boden. Dabei erstreckt sich die Fashion-Welt mittlerweile von der Haute Couture über Premium-Anbieter, Sportswear bis hin Low-Budget-Klamotten bei Diskontern und ausgefallensten Fetisch-Fummeln samt der Accessoire-Vielfalt sämtlicher Fashion-Bedürfnisse. Es gibt nichts, was es nicht gibt in der Fashion-Welt. Hauptsache, es kleidet, manchmal mehr und manchmal weniger.

54 Prozent bis 2020. Welche dominante Stellung E-Commerce in den nächsten Jahren im Fashion-Markt und dessen Handelsstrukturen einnehmen wird, zeigt eine aktuelle Studie des IFH Köln, die in diesem Sommer veröffentlicht wurde. Demnach wird der Online-Umsatz im Bereich Fashion & Accessoires bis 2020 alleine in Deutschland dramatisch wachsen – je nach Szenario auf 12,6 bis 28,5 Milliarden Euro. Damit liegen die Online-Anteile am Gesamtmarkt 2020 zwischen 24 und 54 Prozent – mit deutlichen Konsequenzen für den stationären Handel. Damit ist kaum eine andere Branche – ausgenommen die Consumer Electronics – von den online-getriebenen Veränderungen so stark betroffen wie Fashion. Trotz des wachsenden Online-Handels werden stationäre Geschäfte aber auch weiterhin eine große Rolle spielen. Mit erfolgreichen Cross-Channel-Strategien kann es dem stationären Handel gelingen, einen Teil der Online-Umsätze in den Unternehmen zu halten. Die Forscher des IFH Köln gehen davon aus, dass ein Drittel des gesamten E-Commerce-Umsatzes im Fashionmarkt für die Onlineshops des stationären Handels ausgewiesen wird.

DEN HERAUSFORDERUNGEN DES E-COMMERCE BEGEGNEN DIE VERANTWORTLICHEN DER FASHIONBRANCHE ZUNEHMEND MIT EINER ENTSPRECHENDEN LOGISTIKAUTOMATION. Winnie Ahrens, Senior Sales Manager Dematic, vormals SDI Group Europe

Wenn Sand ins Getriebe kommt

Was sämtliche Fashion-Unternehmer der ganzen Welt eint, sind die wachsenden Herausforderungen an die Logistik. Dabei spielt es keine Rolle, um welchen Bereich es sich dabei handelt. Ob Fashion-Erzeuger, Fashion-Logistiker oder Handel: Sie alle spüren, wenn Sand im Logistikgetriebe ist. Die Logistikketten erstrecken sich dabei entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Erzeuger bis hin zum Point of Sale – ob Filiale oder Internet. Und da Fashion in seiner Gesamtheit ein globales Business ist, müssen dabei die globalen Warenströme so koordiniert sein, dass die Artikel in kürzester Zeit und in der richtigen Menge in den Regalen der Filialen bzw. beim Adressat landen, wenn dieser im Internet bestellt hat. Insbesondere im B2C-Bereich ist hierbei die Fehlertoleranz sehr gering. Ein Bottleneck ist vor allem die Distribution, die zwischen dem Fashion-Erzeuger und dem Endkonsumenten liegt. Sie ist der Bereich, in dem letztlich die Volatilität der Märkte ausgeglichen wird und der dafür sorgt, dass der Endkonsument seine Fashion-Ware zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Qualität, in der richtigen Menge an den richtigen Ort bekommt. Hier kommt es auf höchste Flexibilität in den logistischen Abläufen an. Für erfahrene Fashion-Logistiker eher weniger erstaunlich ist daher, dass in der Fashion-Distribution manuell betriebene Distributionszentren noch immer sehr weit verbreitet sind.

Revolution in der Distribution. Doch die Experten prognostizieren auch in der Distribution einen erheblichen Wandel durch E-Commerce und Globalisierung. Während noch vor 15 Jahren die Distributionszentren der Fashion-Branche allenfalls Filialen belieferten, müssen hier heute vielfach sowohl die Filialbelieferung als auch E-Commerce unter einen Hut gebracht werden. Und hier liegen die Herausforderungen vor allem in Bestellungen auf Losgröße 1-Niveau mit vielen Varianten, und das in großen Mengen. Gleichzeitig sind die Lieferungen sehr zeitsensitiv, d.h. der Internetkunde möchte die bestellte Ware spätestens 24 Stunden nach seiner Bestellung haben – fehlerfrei. Die größte Herausforderung für Fashion-Distributionszentren sind jedoch die Retouren, welche beim E-Commerce zum Alltag gehören. Fashion-Logistiker wie Zalando sprechen von rund 60 Prozent der bestellten Waren, die vom Kunden wieder retourniert werden.

Automation als Antwort

„Solchen Herausforderungen begegnen die Verantwortlichen der Branche zunehmend mit einer entsprechenden Logistikautomation“, weiß Dipl.-Ing. Winnie Ahrens, Senior Sales Manager SDI Group, einem Unternehmen der Dematic, im Gespräch mit blogistic.net. Die SDI Group hatte sich insbesondere auf die Fashion-Distribution spezialisiert sich eine entsprechende Expertise aufbauen können. „90 Prozent unserer Anlagen, die wir installieren, sind auf diese Branche ausgerichtet“, bestätigt W. Ahrens, die selbst ihre Ausbildung bei einem Fashion-Label absolviert hat.

Automation senkt Fehler. Einen Grund, auf Automation zu setzen, sieht die attraktive Top-Managerin vor allem darin, dass die Fehlerquote insbesondere beim E-Commerce wegen der großen Auftrags- aber geringen Bestellmenge – zumeist Losgröße 1 – zunimmt. Der Hauptgrund ist jedoch das Retourenmanagement, das sich mit einer entsprechenden Automationslösung so verändern lasst, dass Retourware nicht mehr eingelagert werden muss, sondern sofort wieder in den Verkaufsprozess eingeschleust werden kann. Rein manuell betriebene Distributionszentren stoßen hierbei rasch an ihre Kapazitätsgrenzen.

Automationslösungen wie die von Dematic können auch durch Cross-Channel-Strategien verwirklicht werden. (Foto: Dematic)

E-Commerce ändert Filialbetrieb

W. Ahrens analysiert aber auch einen Wandel im Filialbetrieb selbst, bedingt durch den Druck, den E-Commerce ausübt. Dieser führt zu Optimierungen in der Filiale selbst, insbesondere hinsichtlich des Nachlieferservices. Mit Automationslösungen kann dieser exakt und tagesgenau an die Bedürfnisse jeder einzelnen Filiale angepasst werden. „Das spart Zeit und Logistikkosten und verhindert Fehlbestände“, so die Logistikerin. (Mehr dazu im Interview, hier klicken). Gleichzeitig lassen sich damit Cross-Channel-Strategien realisieren. Online-Kunden können dann beispielsweise online bestellte Waren in die Filiale ihrer Wahl liefern lassen und müssen nicht auf die Beratung beim Fashion-Kauf verzichten.

Mensch bleibt Faktor

Wohin die Reise der Fashion-Distribution gehen wird, darauf will sich auch W. Ahrens nicht festlegen. „Es gibt nicht die eine Logistiklösung für alles“, ist sie überzeugt. Letztlich hänge es von der individuellen Strategie des jeweiligen Unternehmens ab, ob man sich für eine manuelle, teilautomatisierte oder vollautomatisierte Lösung entscheidet. Fix sei für sie allerdings, dass der Mensch nicht aus dem Lager verschwinden wird, sondern ein fixer Bestandteil bleibt. „Fashion lässt sich nicht unbegrenzt maschinell manipulieren, weil es sich dabei um Produkte handelt mit einem hohen emotionalen Wert für den Käufer“, sagt die erfahrene Fashion-Spezialistin. „Und dieser erwartet, dass sein Produkt schonend behandelt wird“, so W. Ahrens abschließend.

dematic.com

(Anm.d.Red.: Der Artikel ist Anfang 2015 entstanden. Inzwischen wurde die SDI Group Europe von Dematic gekauft und ist nun ein Teil des Automations-Konzerns.)

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