Fachkräftemangel – Ohne Logistiker fließt kein Bier in britischen Pubs. (Stefan Leupold / www.pixelio.de)

FACHKRÄFTEMANGEL – Ohne Logistik ist die Versorgung gefährdet

Fachkräftemangel – Der Lkw-Fahrermangel in Großbritannien sowie fehlende Fachkräfte entlang der globalen Lieferketten machen auf die systemrelevante Versorgungsfunktion der Logistik aufmerksam. In Deutschland, aber auch in Österreich, fehlen Fernfahrer*innen sowie Fach- und Nachwuchskräfte in der Logistik.

Fachkräftemangel – Ohne Logistiker fließt kein Bier in britischen Pubs. (Stefan Leupold / www.pixelio.de)
Fachkräftemangel – Ohne Logistiker fließt kein Bier in britischen Pubs. (Stefan Leupold / www.pixelio.de)

Der zunehmende Fachkräftemangel in der Logistik stellt die internationale Versorgung vor Herausforderungen. Weil in Großbritannien bis zu 100.000 Lkw-Fahrer*innen fehlen, erhalten Tankstellen keinen Kraftstoff mehr. Der Notstand betrifft nach Angaben des Branchenverbands Petrol Retailers Association, der ca. 5.500 Tankstellen vertritt, rund zwei Drittel der Mitglieder. Sie haben keinen Kraftstoff mehr. Rund 50 bis 90 Prozent aller Tankstellen sind demnach bereits leer oder drohen auszutrocknen. An vielen Tankstellen in Großbritannien gibt es also derzeit Engpässe bei Benzin und Diesel. Es kommt daher zu langen Schlangen sowie zu Panikkäufen. Kurzfristig soll nun das Militär aushelfen und 5.000 Fahrer*innen aus der Ausland beschäftigt werden. Allerdings will kaum jemand in Großbritannien mehr arbeiten. Zu restriktiv seien die Einreisebestimmungen der Briten.

Verschüttete Milch und gekeulte Schweine

Neben der angespannten Versorgungslage beim Treibstoff sind längst auch andere Bereiche des täglichen Lebens im Vereinigten Königreich von der Personalknappheit in der Logistik betroffen. So klaffen in Supermärkten Lücken in den Regalen, viele Milchbauern bleiben auf ihrer Milch sitzen und müssen diese teilweise wegschütten. Schweine-Bauern keulen mittlerweile ihr Vieh, weil die Schlachthöfe keine Logistiker finden, welche die Tiere abholen. Auf den Feldern und in den Lagerhäusern verrotten aus denselben Gründen die Ernten. Bei Möbelhäusern fehlen Matratzen und in Kläranlagen mangelt es an wichtigen Chemikalien. Insgesamt gibt es kaum noch eine Branche, die nicht unter Engpässen leidet.

„Globaler Kollaps der Verkehrssysteme“

Dabei ist die Situation von Arbeitskräften in der Logistik auch entlang der gesamten internationalen Lieferketten angespannt. So richteten sich jüngst die Internationale Schifffahrtskammer (ICS) sowie andere Branchenvereinigungen in einem offenen Brief an die Staatsoberhäupter der Generalversammlung der Vereinten Nationen, um vor einem „Kollaps des globalen Verkehrssystems“ zu warnen, wenn den Mitarbeitenden in der Logistik nicht Freizügigkeit gewährleistet würde. Reiseverbote und Einschränkungen sowie ein Mangel bei der Versorgung von Seeleuten mit Impfstoff hätten das Wohlergehen der Beschäftigten während der Corona-Zeit massiv beeinträchtigt.

Fachkräftemangel – Brexit-Hardliner Johnson sieht keine Probleme

Den britischen Premier Britischen Premier Boris Johnson dürfte das eher wenig tangieren. Der Brexit-Hardliner sieht die Probleme seiner Landsleute als vorübergehend und Vorboten eines Aufschwunges. Gleichzeitig hofft er, dass durch den entstehenden Druck auf die Unternehmen, die Löhne gerade im Logistiksektor dramatisch steigen. Für ihn sei das nur eine Phase zu Beginn des Brexit, die vorübergehe, war aus der Downing Street zu hören.

Bewusstsein für die Logistik erhöhen

Fachkräftemangel - Wenn die Logistik unter dem Radar der politischen Verantwortlichen läuft, ist die Versorgungssicherheit ganzer Staaten massiv gefährdet. (Foto: Tim Reckmann / www.pixelio.de)
Fachkräftemangel – Wenn die Logistik unter dem Radar der politischen Verantwortlichen läuft, ist die Versorgungssicherheit ganzer Staaten massiv gefährdet. (Foto: Tim Reckmann / www.pixelio.de)

Diese Hoffnung dürfte sich jedoch in Luft auflösen, denn der Fachkräftemangel insbesondere in der Logistik-Branche, ist nicht ein genuin britisches Problem, sondern betrifft die gesamte industrialisierte Welt, also die gesamte EU und die USA usw. Zudem leidet die Branche schon seit Jahren unter akuten Problemen bei der Nachwuchsbildung einerseits und bei der Rekrutierung andererseits (wir berichteten auf blogistic.net). Dass die Briten mit ihrer restriktiven Einreisepolitik schneller aus der Fachkräfte-Krise herauskommen, darf daher mehr als bezweifelt werden. Das Gegenteil ist viel wahrscheinlicher. Der Fachkräftemangel in Großbritannien dürfte vielmehr das Wachstum der britischen Wirtschaft massiv bremsen und die Versorgung der Menschen auf der Insel weiter verschlechtern.

Logistikbranche unter dem Radar der Verantwortlichen

Am Beispiel der Briten wird vielmehr überdeutlich, was passiert, wenn die Logistik-Branche unter dem Radar politischer Entscheidungsträger läuft. Die Räder stehen buchstäblich still. Und ob sie mit höheren Löhnen für geschwächte Unternehmen wieder in Gang kommen, ist unwahrscheinlich. Auch die österreichische Bundesregierung konzentriert sich lieber auf populistische 1-2-3-Tickets und die Priorisierung des öffentlichen Personenverkehrs, als sich um die Versorgungslage der Ökonomie zu kümmern. In Deutschland und Österreich wurde zudem über Jahrzehnte von der Substanz der Verkehrs- und IT-Infrastruktur gelebt, anstatt diese für die wachsenden Logistikbedürfnisse von Mensch und Wirtschaft nahhaltig fit zu machen.

Fachkräftemangel – Logistik ist systemrelevant

„Die angespannte Versorgungslage aufgrund des Personalmangels in der Logistik macht die Öffentlichkeit daher noch mehr auf die systemrelevante Funktion des Wirtschaftsbereichs aufmerksam. Logistik ist für jede Volkswirtschaft und Gesellschaft von enormer Bedeutung – ohne sie funktioniert kaum etwas. Umso wichtiger ist es, das Bewusstsein für ihre Leistungen in der breiten Öffentlichkeit zu erhöhen und für ihre Vielfalt an Beschäftigungsmöglichkeiten zu werben. Denn die Beschäftigten in der Logistik sind die Basis für die Sicherstellung unserer Versorgung“, sagt beispielsweise Frauke Heistermann, Sprecherin der Initiative „Die Wirtschaftsmacher“. – Die 2019 gegründete Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, das Image der Logistik zu verbessern und sich für den Arbeitgeber Logistik stark zu machen.

Logistikimage verbessern. Logistik ist nach Automobilbranche und dem Handel mit einem Gesamtumsatz von ca. 272 Milliarden Euro im Jahr 2020 (Quelle: Fraunhofer Arbeitsgruppe für Supply Chain Services) und mehr als drei Millionen Beschäftigten der drittgrößte Wirtschaftsbereich Deutschlands und einer der bedeutendsten Arbeitgeber des Landes. Mit einem Faktor 1/10 gilt das in etwa auch für Österreich. Auf ihrer Initiativen-Website sowie auf den einschlägigen Social-Media-Kanälen stellen „Die Wirtschaftsmacher“ viele Informationen rund um die Logistik für interessierte Nachwuchskräfte und Wechselwillige zur Verfügung. Darunter finden sich „Logistik-Insights“, Berufs- und „Logistikhelden“-Profile sowie umfangreiche Themenhefte und Ratgeber u. a. zu den Themen Berufseinstieg oder Studieren in der Logistik. Mit ihrer aktuellen Kampagne „Logistik ist da, wo ich bin“ will die Initiative die Systemrelevanz der Logistik für Wirtschaft und Gesellschaft deutlich machen und wirbt für ihre Vielfalt.

Wachsende Bedeutung, mehr Personalbedarf

Fakt ist: Sowohl in Deutschland als auch in Österreich fehlen bereits mehrere Zigtausend Fernfahrer*innen sowie weitere Fach- und Nachwuchskräfte. Damit ist der Bedarf im gesamten Wirtschaftsbereich seit Jahren hoch und dürfte auch in Zukunft weiter steigen. Grund dafür ist die Versorgungsfunktion der Logistik für Produktion, Handel und Bevölkerung sowie der wachsende Online-Handel (E-Commerce). Letzterer ist von einer zuverlässigen logistischen Abwicklung der Bestellungen in Form von Lagerung, Transport, Kommissionierung und Retouren-Management abhängig.

wirtschaftsmacher.de

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