EUROPALETTE – 60 Jahre Jubiläum durch Corona fast vermasselt

Im Jahr 1961 einigten sich europäische Eisenbahngesellschaften auf einen einheitlichen Transportpalettenstandard und einen Palettenpool. Die Europalette war damit geboren und trat seither einen Siegeszug in der Transport- und Lagerlogistik an, der nur mit dem des Containers vergleichbar ist und auch mit diesem zusammen hängt. Heute plagen Poolbetreiber EPAL (European Pallet Association)und Hersteller von Europaletten jedoch  rasant steigende Holz- und Rohstoffpreise, sowie Lieferkettenprobleme weltweit.

Europalette – Im Jahr 1961 einigten sich europäische Eisenbahngesellschaften auf einen einheitlichen Transportpalettenstandard und einen Palettenpool. (Foto: snack / www.pixelio.de)

800 x 1.200 x 144 mm: Das ist das Basisformat, auf das sich vor 60 Jahren europäische Eisenbahngesellschaften einigten, um einerseits ein einheitliches Maß für die Beladung ihrer Güterwaggons zu haben und die Effizienz im Stückgutverkehr auf der Schiene zu erhöhen. Diese wurde damals durch einen Wildwuchs unterschiedlichster Palettenformate gestört, welche das Handling beispielsweise mit Gabelstaplern erschwerte. Gleichzeitig machen Standards die Nutzung teurer Ladungsflächen planbar – und zwar nicht alleine in Hinblick auf die Eisenbahnwaggons, sondern auch bei den Lkw-Ladungen. Andererseits trat zur damaligen Zeit auch der Container seinen Siegeszug als Ladungsträger an. Zwar sind Europaletten nicht auf die amerikanischen Maße von Standardcontainern ausgelegt, doch passen genau zwei dieser Paletten nebeneinander in die sogenannten „europäischen Binnencontainer“ und mit den Standardmaßen lässt sich immerhin genau berechnen, wieviel Europaletten in einen 20-Fuß-Container passen: nämlich acht.

Von der Euro zur Düsseldorf

Im Laufe der Zeit kamen andere genormte Paletten hinzu, die sich am europäischen Basismaß orientierten, wie etwa die Halbpalette, auch „Düsseldorf-Palette“ genannt, die erstmals 1986 auf der ISB-Tagung der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Sie hat die Maße 800 x 600 x 144 mm. Und ebenso wie die Europalette ist sie von vier Seiten mit Gabelstaplern aufnehmbar. Ihren Namen hat die Düsseldorf-Palette übrigens von seinem Erfinder Walter Vieth, der diese im Jahr 1985 dem ISB-Arbeitskreis Logistik vorstellte. Da ein Name noch nicht festgelegt war, schlug er den damaligen Tagungsort als Namensgebend zu nehmen: Düsseldorf.

Ohne Europalette geht nichts

Egal welches Palettenmaß im Einsatz ist, ohne diese universelle Transportplattform aus elf Brettern, neun Klötzen und 78 Nägeln geht heute, ähnlich wie beim Container, in der Transport- und Lagerlogistik nichts mehr. Nach Schätzungen des Europäischen Palettenverbandes EPAL sind derzeit mehr als 600 Millionen nach ihren strengen Auflagen standardisierte Europaletten weltweit im Umlauf.

Lieferkettenengpässe treiben Preise

Europalette – Ohne die universelle Transportplattform aus elf Brettern, neun Klötzen und 78 Nägeln geht heute, ähnlich wie beim Container, in der Transport- und Lagerlogistik nichts mehr. (Foto: Andreas Hermsdorf / www.pixelio.de)

Trotz des gigantischen Europaletten-Pools herrscht aufgrund der Coronapandemie jedoch ein weltweiter Lieferkettenengpass – ähnlich wie bei den Containern. So sah sich die EPAL in diesem Frühjahr veranlasst, in einer Aussendung im März 2021 darauf hinzuweisen und gleichzeitig auf steigende Preise aufmerksam zu machen. „Nachdem zunächst die COVID-19-Pandemie zu einem Rückgang der Holzlieferungen aus Skandinavien und Osteuropa geführt hat, bewirkt nun die drastisch gestiegene Nachfrage aus Nordamerika und Asien eine weitere Verknappung der qualitativ hochwertigen Nadelhölzer (Fichte, Tanne und Kiefer), welche für die Produktion von EPAL-Paletten verwendet werden“ heißt es da und weiter: „Die Verknappung des Palettenholzes führt teilweise zu Lieferverzögerungen und lässt die Preise für Palettenholz nahezu wöchentlich steigen, was sich unmittelbar auf die Preise für EPAL-Paletten auswirkt.“ Die Hersteller von EPAL-Paletten seien daher darum bemüht, in ständigem Kontakt mit den Lieferanten von Palettenholz die Lieferung von EPAL-Paletten zu gewährleisten und die wachsende Nachfrage der Transport- und Warenlogistik nach tauschfähigen EPAL-Paletten zu erfüllen. Dies gelingt jedoch nur bedingt, was die Preisspirale für Paletten weiter nach oben treibt. Daher beginnen Anwender der Transportplattform zunehmend, die Ladungsträger in ihren Lagern zu horten, um sie bei Bedarf ausreichend zur Verfügung zu haben, was die Situation am Markt weiter verschärft.

Jubiläum unter ungünstigem Stern. Somit steht das 60-Jahre-Jubiläum der Europalette unter einem etwas ungünstigen Stern, denn in 2021 ist, angesichts gesperrter Häfen in Süd-China und Schiffsstaus vor den US-amerikanischen Häfen (wir berichteten auf blogistic.net) sowie des seit Mitte 2020 anhaltenden Post-Covid-Booms der Industrie (siehe EMI Europa), an eine Entspannung der Lieferkettensituation nicht zu denken.

Die Zukunft des Europalettenpools

Doch dürften die Lieferkettenprobleme den Erfolg der Europalette nicht schmälern, sondern die Entwicklung von Managementtools des EPAL-Palettenpools voran treiben. So hat etwa das Fraunhofer IML in Dortmund ein Start-up gegründet, das gemeinsam mit der EPAL eine App-gesteuerte Plattform für ein cloudbasiertes Ladungsträgermanagement auf Basis von künstlicher Intelligenz (KI) entwickelt. Die App soll dabei den EPAL-Tauschprozess digital erfassen und sowohl EPAL als auch Kunden zugänglich machen. Gleichzeitig sollen die dazugehörigen Konten vollautomatisch und rechtssicher belasten. Von Vorteil sei das vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten, die alle möglichen Ladungsträger identifizieren, tracken, tauschen und managen können, heißt es in einer Presseinfo von Fraunhofer IML hierzu. So erfassen laut IML beispielsweise KI-Algorithmen in der Bilderkennung Ladungsträger-IDs und ermitteln auf Basis eines einzelnen Fotos Typ und Anzahl eines Ladungsträgers. Und gleichen zum Beispiel zwei Unternehmen ihre Palettenbestände über die App ab, prüft das System künftig automatisch, ob durch die Einbeziehung anderer App-Nutzer möglicherweise vorteilhaftere Tauschprozesse möglich sind, um etwa Leerfahrten zu vermeiden.

Silicon Economy. Das Start-up gilt übrigens als erste Unternehmensgründung im Umfeld der sogenannten Silicon Economy. Das ist ein vom deutschen Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) geförderten Großforschungsprojekt. Damit will das Fraunhofer IML einer dezentralen, föderalen und offenen Plattformökonomie in Deutschland und Europa zum Durchbruch verhelfen. Das BMVI fördert das Projekt über einen Zeitraum von drei Jahren mit etwa 25 Millionen Euro. Projektpartner sind auch das Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik (ISST) und die TU Dortmund.

epal-pallets.org

iml.fraunhofer.de


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