Volatile Märkte erfordern neue Strategien. So auch beim expandierenden Ersatzteil-Großhändler Birner, der seine Ersatzteillogistik auf neue Beine gestellt hat. Das renommierte österreichische Familienunternehmen entschloss sich zur Errichtung eines zentralen Distributionszentrums für seine österreichweite Geschäftstätigkeit, um seinen Kundenservice trotz sich laufend verändernden Rahmenbedingungen weiter verbessern zu können. Ein Bericht von CR Hans-Joachim Schlobach
Das zwischen Wien und Wiener Neustadt liegende Wöllersdorf-Steinabrückl gilt für Unternehmen mit hohem Transportbedarf als ein guter Standort. Es liegt verkehrsgünstig, denn durch die nur wenige Minuten entfernte Südautobahn sind sowohl der Ballungsraum Wien als auch die Steiermark gut erreichbar. Der renommierte Großhändler für Auto-, LKW- und Motorrad-Ersatzteile, Zubehör sowie Industriebedarf, Birner, ist dort seit Anfang 2017 mit seinem neuen Distributionszentrum in Echtbetrieb. „Bis zu 10 LKW-Transporte werden hier künftig pro Tag abgewickelt“, erläutert Mag.(FH) Stefan Ulz, zuständig für alle Logistikthemen bei Birner, die ambitionierten operationalen Ziele.
Warum ein neues Logistikzentrum?
Birner hat sich in den vergangenen 85 Jahren zum Marktführer im B2B Auto-Ersatzteilehandel entwickelt. Mit Markenersatzteilen und Werkstättenbedarf werden sowohl Großhändler, freie Autowerkstätten, der Einzelhandel aber auch Großkunden wie das Bundesheer, Wiener Linien oder die ÖBB beliefert. Die Gründe, weshalb sich Birner entschloss, seine bisherige Logistikstrategie und damit die Ersatzteillogistil neu zu entwickeln und auf ein neues Distributionszentrum zu setzen, erklärt das allerdings noch nicht. Diese liegen nämlich vor allem in der Marktentwicklung im Bereich der Auto-Ersatzteile. Und diese machen ein perfektes Ersatzteilmanagement und eine ausgeklügelte Ersatzteillogistik notwendig.
Herausforderung „Ersatzeilmanagement“. Die Veränderungen im Ersatzteilehandel liegen vor allem in einer exponentiell wachsenden Artikelvielfalt im letzten Jahrzehnt, die sich weiter intensivieren wird. „Durch die Marken- und Modellstrategien der Automobilindustrie sowie immer kürzerer Produktlebenszyklen nehmen Artikel- und Variantenvielfalt bei Ersatzteilen dramatisch zu“, bestätigt auch S. Ulz. Die Konsequenz: Gerade für freie Werkstätten und Industriekunden, die vielfach nicht auf eine ausgeprägte Ersatzteillogistik-Organisation zurückgreifen können, wird dadurch die Lagerhaltung der Ersatzteile und deren Management zu einer platzraubenden und IT-technischen Herausforderung. Der Bedarf, das Ersatzteilmanagement und die Ersatzteillogistik auszulagern, steigt daher. „Wenn Sie heute einen durchschnittlichen Mittelklassewagen hernehmen, so können diesem Fahrzeug pro Zulassungsjahr beispielsweise drei und mehr unterschiedliche Bremsklotz- und Bremsscheibenvarianten zugeordnet werden. Werkstätten sind mit diesem Ersatzteilmanagement und der Ersatzteillogistik daher zunehmend überfordert. Die beinahe logische Konsequenz ist, dass diese Aufgaben Unternehmen wie Birner zunehmend übernehmen müssen, denn wir sitzen näher am Hersteller“, beschreibt Stefan Ulz die Situation.
Durch die Marken- und Modellstrategien der Automobilindustrie sowie immer kürzerer Produktlebenszyklen nehmen Artikel- und Variantenvielfalt bei Ersatzteilen dramatisch zu. Mag.(FH) Stefan Ulz, Logistikverantwortlicher bei Birner
Verfügbarkeit als Wettbewerbsfaktor. Für Birner bedeuten die Veränderungen dieser Rahmenbedingungen einerseits, mehr Platz für Artikel und deren Varianten schaffen zu müssen und andererseits, die Distribution auf neue Füße zu stellen. „Denn unsere Ersatzteillogistik muss die Verfügbarkeit der Ersatzteile für unsere Filialen entweder im Nachtsprung aber spätestens innerhalb von 24 Stunden in ganz Österreich garantieren können“, weist der Logistiker auf die Herausforderungen an das Ersatzteilmanagement für die Birner-Logistik hin. Außerdem wird Ware kaum mehr in Filialen telefonisch bestellt, denn auch die Werkstattbetreiber sind es mittlerweile gewohnt, ihre Waren online zu bestellen. Deshalb bietet Birner seinen Kunden effiziente Web-Lösungen an, welche die Ersatzeilbestellungen rund um die Uhr ermöglichen.
Zentralisierung der Warenströme. Diese Herausforderungen lassen sich bei Birner am besten mit einem Zentralisierungskonzept der Warenströme bewältigen. Dieses kommt mit dem neuen Distributionszentrum am sichtbarsten zum Ausdruck. Die 30 Filialen und die über 60 Zentrallager-Lieferanten von Birner haben also künftig nun nur noch eine Bestell- bzw. Lieferadresse. Gleichzeitig werden die sechs Bauchfilialen mit ihrer Regionallagerfunktion, welche die Versorgung der insgesamt 30 Birner-Filialen bislang garantiert haben, entlastet. In kurzen Worten ermöglicht die Zentralisierung der Warenströme eine Reduktion der Lagertiefe in den Filialen. Der dadurch erzielte Gewinn an Lagerfläche kann dafür genutzt werden das Sortiment zu optimieren und die richtige Ware vor Ort zu haben. Und davon profitiert letztlich der Kunde, weil eine noch größere Anzahl an Artikeln unmittelbar verfügbar wird.
Besondere Anforderungen an die Zentrale
Wie wichtig das neue Birner Distributionszentrum für das Unternehmen ist, zeigt sich schon auf den ersten Blick. Denn die gesamte Realisierungsphase dauerte nur 5 Monate. In dieser Zeit entstand Österreichs größte Fachbodenanlage, für die in Summe mehr als 3 Millionen Schrauben verbaut wurden. Klar, dass solche Distributionskonzepte besondere technische Lösungen für die Kommissionierung erfordern, denn Losgröße 1 gehört hier zum Standard. Während die einen Unternehmen dabei auf ein Höchstmaß an Automatisierung setzen vertraut man bei Birner auf Fachpersonal. „Wir setzen lieber auf die Flexibilität von Manpower und auf einen effizienten Workflow innerhalb des Distributionszentrums, der durch modernste Gabelstapler und Horizontalkommissionierer, sowie einer modernen Lagerverwaltungssoftware unterstützt wird“, beschreibt S. Ulz das Birner-Konzept.
Das neue Distributionszentrum ist ein weiterer Meilenstein für die Entwicklung von Birner. Das ist aber kein Grund für uns, sich auszuruhen. Franz Lettner, CEO Birner
Moderne Fördertechnik. Von der technischen Umsetzung her stellte das Konzept daher auf den ersten Blick keine besonderen Anforderungen an den Lieferanten Jungheinrich. Das Distributionszentrum wird mit Standardgeräten modernsten Zuschnitts wie elektrisch betriebenen Handgabelhubwagen, Elektro-Deichselhubwagen, Elektro-Vertikal-Kommissionierern und Elektro-Schubmaststaplern betrieben. Der Antrieb erfolgt hierbei auf Li-Ion Basis, was für eine hohe Effizienz der Geräte sorgt.
Retrofit gefragt. Die eigentliche Herausforderung lag also viel mehr darin, dass es sich bei dem Objekt in Wöllersdorf-Steinabrückl um eine gebrauchte Immobilie aus den 1990er-Jahren handelt. Dieses musste erst an den Bedarf von Birner und des modernen Handels angepasst werden. Das bedeutete erhebliche Umbaumaßnahmen, um einen effizienten und durchgängigen Workflow der Ersatzteile von der Anlieferung durch die Lieferanten bis zur Auslieferung der fertigen Kommissionierungen gewährleiten zu können.
Vertikalförderer für Paletten. So ist beispielsweise der Bereich der Anlieferung räumlich eher begrenzt, sodass es darauf ankam, jeden Zentimeter Raum auszunutzen. Um das zu erreichen, wurde von Jungheinrich ein Vertikalfördersystem für Paletten in die Halle eingebaut. Diese hebt die angelieferten Paletten vom Anlieferniveau auf eine rund vier Meter höher liegende Sequenzierebene. Von dort wird die auf gemischten Paletten angelieferte Ware dann auf das dreigeschossige Kommissionierlager verteilt. Schwerere und sperrige Güter gelangen ebenerdig entweder direkt in die unterste Kommissionierebene oder werden im Pufferlager eingelagert.
Erdbebensicher verbaut. Das dreigeschossige Kommissionierlager stellte sowohl Auftraggeber als auch Jungheinrich vor eine besondere Aufgabe. Es mag auf den ersten Blick etwas verwundern, aber es ging dabei um Erdbebensicherheit. Das Gebiet zwischen Wien, dem Semmering und dem Mur- und Mürztal ist für österreichische Verhältnisse ein aktives Erdbebengebiet. Die Folge dieser topographischen Situation sind besondere Anforderungen an die Statik der Regale. Die Regalsteher konnten außerdem nicht, wie anderswo gewohnt, gleichmäßig gesetzt werden, sondern mussten sich an den Hallenboden und dessen Betonplatten anpassen. „Die Regalsteher müssen bei uns mindestens 50 Zentimeter vom Rand der Betonplatte gesetzt werden. Gleichzeitig mussten dessen Füße vergrößert werden, sodass sich die Lagerlasten möglichst gleichmäßig über die gesamte Hallenfläche verteilen können – eben auch bei Erdbeben“, erklärt der Logistiker die statische Eigenheit.
Das beste Gesamtkonzept
Für Birner bedeutete das freilich einen Mehraufwand bei der Errichtung der Regalsysteme. S. Ulz ergänzt: „Jungheinrich hat sich hier als der Partner erwiesen, der uns bei der Ausschreibung für die Regalsysteme und das dreigeschossige Kommissionierlager das beste Regal- und Sicherheitskonzept liefern konnte. Wichtig für uns war außerdem, dass alle Teillösungen möglich nahtlos ineinander greifen.“ Das neue Distributionszentrum ist ein weiterer Meilenstein in der erfolgreichen Entwicklung von Birner. Das ist aber kein Grund für uns, sich auszuruhen“, bringt es Franz Lettner, CEO von Birner, auf den Punkt und abschließend: „Wir arbeiten daher jeden Tag konsequent daran, unsere Kunden bestmöglich zu servicieren.“
Birner-Gruppe in KürzeDie Birner-Gruppe ist Österreichs größter Händler von Automobil-Ersatzteilen. Birner wurde bereits 1931 gegründet und steht noch heute im Alleineigentum der Familie Birner. Das Unternehmen verfügt über 31 Standorte in ganz Österreich. Birner vertreibt nicht nur Ersatzteile für alle Automarken sondern auch für Motorräder und darüber hinaus Werkstattausrüstungen sowie Industrie-Bedarfsartikel, wie zum Beispiel Hydraulikschläuche oder Kugellager. Das Unternehmen hat ständig rund 150.000 Artikel auf Lager und sofort lieferbar. Birner beschäftigt mehr als 600 Mitarbeiter und macht einen Gesamtumsatz von ca. 130 Millionen Euro pro Jahr.
Die Lösung in Kürze
Fahrzeuge*
Handgabelhubwagen AM 22 C-GV 520-1150
Elektro-Deichselhubwagen EME 114, EJE 116
Elektro-Deichselstapler EJC 110, 112
Elektro-Deichselhubwagen mit klappbarer Fahrerstandplattform ERE 120
Vertikal-Kommissionierer EKS 110
Elektro-Schubmaststapler ETV 112, ETV C16
*(Sämtliche Geräte stammen aus dem Hause Jungheinrich)
Systeme
Vertikalfördersystem
Jungheinrich-Fachboden Geschossanlage Typ „FTS
Jungheinrich-Bühne Typ „Stahlbaubühne“
Paletten Nachschubregal, Typ Maxima U 120
Durchlaufregal ( Röllchen ), Typ Maxima U 100 Schraubsystem
Stahlbaubühne zu Übergang rechts
18 Stück Paletten-Nachschubregale Option Schleuse
Jungheinrich-Palettenregal Typ „B“
Sonstiges
ISM-Online
Ladestation Birner gemäß EN 50272-3