
Bereits zum elften Mal hintereinander liegt der Einkaufsmanagerindex EMI Juni 2023 der UniCredit Bank Austria für Österreichs Industrie unter der Wachstumsmarke von 50 Punkten. Mit 39 Punkten zeigt er jedoch ein alarmierendes All-Time-Tief an. Weder die Aufträge im Inland, noch die aus dem Ausland lassen Österreichs Einkäufer aus der Industrie auf Erholung hoffen. Die Produktion wird daher gedrosselt und der Jobabbau beschleunigt sich. Einziger Lichtblick: Die schwache Industriekonjunktur lässt die Einkaufspreise purzeln.
Krisenstimmung bei Österreichs Einkäufern aus der Industrie. Denn seit Juli 2022 kommt der für Österreich besonders wichtige Wirtschaftszweig nicht in die Gänge. War man noch bis Mitte des vergangenen Jahres optimistisch, die Coronakrise gut überstanden zu haben und auf Wachstum getrimmt, gehen die Zahlen seither nur noch nach unten. Jetzt wies der EMI Juni 2023 der UniCredit Bank Austria mit 39 Punkten den tiefsten Stand seit elf Monaten aus. Das bestätigt auch UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer gegenüber den Medien: „Der UniCredit Bank Austria EMI Juni 2023 sank auf 39,0 Punkte (Anm.d.Red.: Vormonat Mai 39,7). Das ist der tiefste Wert seit dem ersten pandemiebedingten Lockdown im April 2020.” Und eine Erholung der Situation dürfte sich in absehbarer Zeit nicht einstellen, denn “seit dem Frühjahr 2023 hat sich der Abschwung der Industriekonjunktur sogar beschleunigt und in eine Rezession der österreichischen Industrie geführt, die sich zur Jahresmitte hin noch verstärkt hat”,so S. Bruckbauer weiter. Ein so tiefer Wert in der Geschichte des Indikators, die 1998 begann, wurde nur zu Beginn der Pandemie in 2020 und während der Finanzkrise 2008/09 erreicht.
EMI Juni 2023 – In- und Auslandsnachfrage sind ein ernsthaftes Problem
Die Gründe für die Industrie-Rezession sind dabei weder die globalen Lieferketten noch die Energiepreise. Auch der Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen spielen hierbei eine untergeordnete Rolle. Vielmehr ist es die deutliche Abschwächung der Nachfrage im In- und Ausland. Sie ist zum bestimmenden Problem der österreichischen Industrie geworden. Dabei entsteht durch die Flaute in China und die schwächelnde US-Konjunktur ein Dominoeffekt, der auf Europas Industrie und in weiterer Folge auf Österreichs Industrie wirkt, die einen Großteil ihrer Waren exportiert, insbesondere nach Deutschland.
Drosselung der Produktion und beschleunigter Jobabbau
Die Folgen sind die Drosselung der Produktion und ein beschleunigter Personalabbau in der Alpenrepublik. Insbesondere in der Vorleistungsgüterindustrie wurde die Beschäftigung an niedrigere Produktionserfordernisse angeglichen. Dies geschah entweder durch Kündigungen oder indem freigewordene Stellen nicht nachbesetzt wurden. Darauf verweist auch S. Bruckbauer: „Als Folge des massiven Einbruchs des Neugeschäfts haben die heimischen Betriebe die Produktion und den Personalstand reduziert.” Auf der anderen Seite ließ der dadurch entstehende geringere Bedarf an Vormaterialien die Einkaufspreise stark sinken. Dies wurde allerdings nicht in vollem Umfang an die Abnehmer weitergegeben. Auch verbesserte sich die Verfügbarkeit von Rohstoffen und Vormaterialien weiter. Und last but not least dürfte es deswegen auch keine Lieferkettenprobleme geben.
EMI Juni 2023 – Auftragslage mit 32,7 Punkten hat Folgen

Die schlechte Nachfrage zeigt sich deutlich beim Wert des EMI Juni 2023. Der entsprechende Indikator ist auf 32,7 Punkte gesunken. Das ist ein Rekordtief seit 1998, abgesehen vom Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 und der Finanzkrise 2008/09. Vor allem die Aufträge aus dem Inland blieben aus. Aber auch die Nachfrage aus dem Ausland nahm weiter stark ab. Mehr als 40 Prozent der befragten Unternehmen meldeten einen Rückgang der Exportaufträge, insbesondere aus Deutschland. „Die heimischen Betriebe passten im Juni ihre Kapazitäten an die Verschlechterung der Auftragslage an. Die Produktionsleistung wurde deutlich zurückgenommen, wenn auch nicht ganz so stark wie im Vormonat. Der Produktionsindex stieg auf 41,0 Punkte“, kommentiert UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl die Zahlen und er ergänzt: „Zudem wurde die Beschäftigung im Vorleistungssektor den zweiten Monat in Folge verringert, wobei sich das Tempo des Jobabbaus stark beschleunigte.” Laut EMI Juni 2023 sank der Beschäftigtenindex der Industrie auf 46,9 Punkte. Das ist der niedrigste Wert seit fast drei Jahren.
Unternehmen kaufen nur vorsichtig ein
Aufgrund der sinkenden Nachfrage, einer vorsichtigen Lagerpolitik und dem Versuch, die Liquidität zu erhöhen, haben die österreichischen Industriebetriebe ihre Einkaufsaktivitäten im Juni stark reduziert. Der entsprechende Index im EMI Juni 2023 stieg gegenüber dem Dreijahrestief vom Vormonat zwar geringfügig auf 35,7 Punkte an, weist aber dennoch auf einen weiteren starken Rückgang der Einkaufsmenge gegenüber dem Vormonat. Dieser Rückgang vollzieht sich jedoch seit elf Monaten, was die dramatische Situation unterstreicht.
Entspannte Lieferketten helfen, Lagerbestände zu verkleinern
„Infolge der starken Verringerung der Einkaufsaktivitäten nahmen im Juni die Bestände an Vormaterialien deutlich ab. Insbesondere in der Konsum- und Vorleistungsgüterindustrie erfolgte die Anpassung der Lagerbestände an die geringeren Produktionserfordernisse. Zudem gaben die heimischen Betriebe an, im Vertrauen auf die wieder funktionierenden Lieferketten die Lagerbestände aus Kostengründen niedriger zu halten“, so W. Pudschedl. Damit sind Österreichs Industrieunternehmen allerdings nur bedingt aus dem Schneider. Denn während die Bestände in den Vormateriallagern sanken, kam es aufgrund der schwächeren Nachfrage und Verschiebungen bzw. Stornos von Aufträgen auf der anderen Seite zu einem signifikanten Anstieg der Bestände in den Fertigwarenlagern.
Starker Rückgang der Einkaufspreise
Da helfen den Einkäufern der Industrie auch die stark gesunkenen Einkaufspreise nur marginal. Der aktuelle Index von nur 36,6 Punkten signalisiert hierbei den stärksten Preisrückgang seit der Finanzkrise 2008/09. Insbesondere Rohstoffe, wie eine Reihe von Metallen und Holz, wurden im Einkauf billiger. Auch die Energie- und Transportkosten nahmen ab, denn wer weniger produziert, verbraucht weniger Energie und transportiert weniger. Die so massiv freiwerdenden Laderäume und Container verbilligen die Transportkosten erheblich. „Der Wettbewerb um neue Aufträge in einem immer stärker fordernden Nachfrageumfeld veranlasste die heimischen Betriebe den dritten Monat in Folge, ihre Erzeugerpreise zu senken. Allerdings wurde die spürbare Kostenentlastung durch verringerte Einkaufspreise nur zum Teil an die Abnehmer weitergegeben. Dadurch verbesserten die aktuellen Preistrends im Durchschnitt die Ertragslage der heimischen Unternehmen“, so W. Pudschedl.
EMI Juni 2023 – Rezession vertieft sich weiter

Der neuerliche Rückgang des EMI Juni 2023 der UniCredit Bank Austria lässt somit kein rasches Ende der Rezession erwarten. Darauf weisen auch die vorläufigen Einkaufsmanagerindizes für die wichtigsten Exportdestinationen der österreichischen Wirtschaft hin. Der EU-Raum (43,6 Punkte) lässt keine positiven Prognosen für die nächste Zeit zu. Hier zeigt die Rezession der US-Industrie Wirkung. Der Einkaufsmanagerindex für die US-Industrie sank auf 46,3 Punkte. Neben den fehlenden Impulsen aus dem Ausland spricht die anhaltende Verschlechterung des Indexverhältnisses der Neuaufträge zu den Beständen in den Verkaufslagern auf den niedrigsten Wert seit dem ersten Corona-Lockdown, sogar für eine anhaltende Eintrübung der Industriekonjunktur. In den kommenden Monaten können die einlangenden Aufträge aufgrund der gestiegenen Bestände an Fertigwaren auch mit geringerer Produktionsleistung erfüllt werden.
EMI Juni 2023 – Talsohle noch nicht erreicht
Wann die Talsohle der österreichischen Industriekonjunktur erreicht ist, lässt sich mit dem EMI Juni 2023 nicht prognistizieren. S. Bruckbauer übt sich daher in Zweckoptimismus: „Seit Februar dieses Jahres erwarten die heimischen Betriebe einen Rückgang der Produktion. Der starke Einbruch der Nachfrage und die gestiegenen Finanzierungskosten geben immer stärkeren Anlass zur Sorge, auch wenn erstmals seit fünf Monaten der Erwartungsindex im Juni anstieg. Mit nur 46,7 Punkten signalisiert er zwar kein Ende der Rezession, stützt aber die Hoffnung, dass sich der Abschwung bald nicht mehr weiter vertieft und die Industriekonjunktur die Talsohle überwindet.“Nach einem Anstieg der Industrieproduktion um real 6,0 Prozent im Jahr 2022 und einem durchschnittlichen Plus von knapp über einem Prozent in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres erwarten die Ökonomen der UniCredit Bank Austria aufgrund der laufenden Eintrübung im Gesamtjahr 2023 einen leichten Rückgang von weniger als einem Prozent.
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